Die Traditionalisten haben behauptet, dass bestimmte Verse des Koran aufgehoben/abgeschafft (mansuh) und durch neue Offenbarungen ersetzt wurden (nasih). Es wurde sogar von bestimmten Ahadith behauptet, sie aufgehoben zu haben. Sektiererische Bücher haben behauptet, dass vier Bedingungen nötig sind, um einen offenbarten Vers abzulehnen.
- Der aufzuhebende Vers muss durch einen neuen offenbarten Vers aufgehoben werden (Nasih)
- Dass ein neuer Vers offenbart worden sein muss, um einen vorigen aufzuheben (mensuh).
- Die Aufhebung muss nach der Offenbarung aufhebenden Verses stattfinden.
- Es muss einen deutlichen Widerspruch zwischen den beiden geben.
Wenn wir die verfügbaren Quellen untersuchen, so stellen wir fest, dass es keine Übereinstimmung über die chronologische Anordnung der Offenbarungen gibt. Das gleiche gilt für die Reihenfolge der Ahadith. Unter diesen Umständen sind wir der Gnade der sektiererischen Imamen ausgeliefert, die in dieser Angelegenheit entscheiden. Diese Situation gab den Imamen die Autorität, einige Vorschriften des Koran aufzuheben. Diese Tatsache hat die Position der sektiererischen Imame als ‚Religionsgründer‘ gefestigt. Wie wir gesehen haben, haben die sektierischen Imame unter Tausenden von widersprüchlichen Ahadith irgendeinen einen Hadith gewählt, der ihnen selbst genutzt hat und sie haben sich somit für befugt gehalten, irgendeine Änderung in der Religion vorzunehmen, die ihnen selbst am besten schien. Diese Freiheit ermöglichte ihnen, auch die Koranischen Vorschriften zu verwerfen. Die Religion, über die allein Gott unbestreitbare Autorität hatte, bekam durch die erfundenen Ahadith den Anschein, dass der Prophet (in Wirklichkeit die Autoren der Hadith-Bücher) einen Anteil daran hatte. So hatten sich die sektiererischen Imame die Macht angeeignet, irgendeinen Vers ihrer Wahl abzulehnen, so wie es ihnen am besten passte; eine Macht, die eigentlich nur Gott ausübte. Wie wir gleich sehen werden, versuchten sich die verantwortlichen Personen durch die Veränderung der Bedeutung des folgenden Verses zu rechtfertigen:
2:106 Wenn Wir ein Zeichen aufheben oder der Vergessenheit anheimfallen lassen, so bringen Wir ein besseres oder ein gleichwertiges hervor. Weißt du denn nicht, dass Gott Macht über alle Dinge hat?
Die Bedeutung von ‚Zeichen‘ im Koran
Das Wort Ayat bedeutet „Beweis“, „Zeichen“. Gemäß dem Koran beinhaltet alles von Gott Erschaffene ayats: Pflanzen, Menschen, Ereignisse, die den Stämmen in der Vergangenheit passieren, Nacht und Tag, usw. Ayat wird im Koran nie im Sinn von ‚Vers‘ verwendet, wie in den folgenden Versen zu erkennen ist, in welchen das Wort in der Einzahl verwendet wird:
2:106,118,211,248,259; 3:13,41,49,50; 5:114; 6:4,25,35,37,109; 7:73,106,132,146,203; 10:20,92,97; 11:64,103; 12:105; 13:7,27,38; 15:77; 16:11,13,65,67,69,101; 17:12; 19:21; 20:22,47,133; 21:5,91; 23:50; 25:37; 26:4,8,67,103,121,128,139,154,158,174,190,197; 27:52; 29:15,35,44; 30:58; 34:9,15; 36:33,37,41,46; 37:14; 40:78; 43:48; 51:37; 54:2,15.
Wie wir anhand dieser langen Liste bezeugen können, darf das Wort ayat, welches in 2:105 im Plural verwendet wird, nicht wie die Verse im Koran an sich verwendet werden, sondern als Beweise, Wunder, Zeichen Gottes. Sobald dieser Punkt geklärt ist, wird das Rätsel, das die Abrogation von Versen umfasst, absurd. Der Koran hat in vielen Fällen erklärt, dass er keine Widersprüche enthält.
4:82 Machen sie sich denn keine Gedanken über den Koran?
Aufgrund der Tatsache, dass es keinen Widerspruch im Koran gibt, sollte es keine Aufhebung von irgendeiner seiner Versen geben. Wäre es anders gewesen, müsste eine der zwei paradoxen Aussagen null und nichtig gemacht werden. In der Tat, wenn man sich die Mühe macht 2:105 zu Rate zu ziehen, der 2:106 vorangeht, ist zu sehen, dass das, was im letzteren gemeint ist, Zeichen und Beweise sind.
2:105 Weder die Ungläubigen unter den Schriftbesitzern noch die Götzendiener haben gern, dass euch von eurem Herrn Gutes offenbart wird. Gott schenkt Seine Gnade wem Er will. Gottes Gabenfülle ist unermesslich.
Der Austausch einer Ayat mit einer anderen wird in ‚Die Biene‘, 16:101 erwähnt:
16:101 Und wenn Wir ein Zeichen (ayat) für einen anderen ersetzen – und Gott weiß am besten, was Er offenbart -, sagen sie: „Du bist nur ein Erdichter.“ Nein, aber die meisten von ihnen wissen es nicht.
Wenn wir diesen und die nachfolgenden Verse genau untersuchen, können wir erkennen, dass der Anlass der oben erwähnten Beschuldigung des Propheten als Erdichter, nicht die gegenseitige Aufhebung der Verse im Koran ist. Der Prophet wurde der Fälschung angeklagt, da er verkündete, dass es Gott war, der ihn (den Koran) gesandt hat.
16:103 Und Wir wissen wahrlich, dass sie sagen: „Es ist ein Mensch, der es ihm beibringt.“
Um auf 2:106 zurückzukommen, dann kommen wir nicht umhin, die Tatsache zu sehen, dass wenn der neue Vers ein Ersatz für den aufgehobenen Vers sein sollte, dieser dann auch in Vergessenheit geraten müsste.
15:9 Gewiss, Wir haben die Ermahnung herabgesandt, Wir, Wir werden sie bewahren.
Das arabische Wort Nasih
Nasih hat mehr als eine Bedeutung:
- Abschaffung; Beseitigung; Aufhebung;
- tilgen; Auslöschung;
- abschreiben; sich auf das Vervielfältigen beziehend.
Laut Prof. Hüseyin Atay (Untersuchungen entsprechend dem Koran) sollte das Wort ‚abschreiben, kopieren, aufzeichnen‘ bedeuten. Er bestätigt dies mit dem Vers 45:29, der wie folgt lautet:
45:29 Wir ließen alles aufschreiben (nasih), was ihr getan habt.
Der Vers, auf den sich die Sektierer berufen, kann ihre Behauptung nicht rechtfertigen, wenn man die Wortbedeutung, die wir schon aufgezeigt haben, beachtet. (Wir haben gezeigt, dass die Sektierer nicht zu der erwünschten Schlußfolgerung gelangen könnten, selbst wenn ‚Abrogation‘ in dem Sinne benutzt würde, den sie gewählt haben.)
Angenommen es gäbe eine Aufhebung, wie könnte ermittelt werden, welcher Vers welchen aufgehoben hätte, da es keinen Hinweis auf die chronologische Reihenfolge ihrer Offenbarung gab? Auch wenn Sie in den Hadith-Büchern nachschauen, die als die zuverlässigsten gelten, werden Sie fast keine Vorschrift von irgendeinen Datum finden. Unter diesen Umständen sind die sektiererischen Imame die einzige Autorität, die in dieser Frage entscheiden. Doch solch eine Folgerung kann nicht erreicht werden, anhand der Tatsache, dass der einziger Eigner des Koran Gott selbst ist. Die Sektierer und Traditionalisten im Islam haben solche Paradoxen missachtet und versuchten Behauptungen nach ihrer eigenen Wahl einzuführen. Sie haben es sogar gewagt zu behaupten, dass Ahadith die Vorschriften des Koran aufheben können. Diese Kommentatoren, sektiererische Gelehrte, verwüsteten den Koran der über 6000 Verse enthält. Zum Beispiel wurde der Hadit, der aussagt: „Kein Testament für die Erben“ (Abu Dawud, Vesaya) benutzt, um den Koran falsch zu interpretieren, welcher das Vererben des Vermögens durch ein Testament bestätigt. Ein anderes Beispiel ist die Steinigung des Ehebrechers/der Ehebrecherin, ein Ergebnis aus dem Versuch, den Koranvers durch einen so genannten Hadith zu annullieren. Diese Angelegenheit wird im folgenden Kapitel 26 untersucht.
45:6 Diese sind die Zeichen Gottes. Wir verlesen sie dir der Wahrheit entsprechend. An welchen HADITH nach Gott und Seinen Zeichen glauben sie denn?
Der Koran in Fetzen
15:91-93 Die den Koran auseinandergerissen haben. Bei deinem HERRN! Wir werden sie allesamt zur Rechenschaft ziehen. Für all ihre Taten.
2:85 Glaubt ihr denn nur an einen Teil des Buches und verwerft den Rest?
Den Koran in Stücke reißen, also ein Teil annehmen und einen anderen ablehnen, ist unannehmbar. Das war jedoch der Versuch der Anhänger der Vorstellung, dass bestimmte Verse aufgehoben und durch andere ersetzt wurden. Gott sieht nicht gerne solch eine Zwietracht. Gott erwähnt das Verändern der Bedeutung von bestimmten Worten durch die Juden, um den eigenen Zielen zu dienen. Die Demonstration eines solchen Versuchs, erwähnt in 2:41, hat unter der muslimischen Bevölkerung leider keine Beachtung gefunden. Dementsprechend verlagerten sie die Bedeutung der Worte, wie in 2:106 erwähnt wird, und versuchten den Koran zu teilen. Die einzige Lösung zu diesem Problem ist, den Koran als vollständige und unteilbare Einheit zu erachten, ohne irgendwelche Hinzufügungen oder Auslassungen.
Die Traditionalisten im Islam widersprechen sich aber auch in diesem Punkt. Gemäß einigen gibt es 200 aufgehobene Verse, gemäß anderen 60, entsprechend wieder anderen gibt es aber 5, oder aber 3 laut nochmals anderen. Wir werden jetzt die 5 angeblichen Aufhebungen untersuchen.
Die fünf bekannten Behauptungen über die Aufhebungen
1) Hamr
Hamr bedeutet ‚Wein‘ oder ‚Rauschmittel‘. In 2:219 lesen wir, dass der Nutzen, den ein Mensch davon erlangen würde, geringer als der Vorteil wäre.
5:90 O ihr, die ihr glaubt! Berauschendes, Glücksspiel, Heilige Steine und Heiligenschreine sind ein Gräuel, das Werk des Satans. So meidet sie, auf dass ihr erfolgreich seid.
Andererseits lesen wir:
4:43 O die ihr glaubt, nahet nicht dem Kontaktgebet, wenn ihr berauscht seid, bis ihr versteht, was ihr sprecht…
Es wird behauptet, dass 5:90 die anderen 2 Verse aufhebt. In 2:219 werden (einige) Vorteile der Rauschmittel erwähnt, zum Beispiel könnte es dem Herz nützen, aber die Sünde, die jemand durch den Konsum begeht, wird auch erwähnt. Ebenso wird gesagt, dass ein Mensch das Gebet nicht im berauschten Zustand ausführen sollte. In der Tat gibt es Menschen, die alkoholische Getränke zu sich nehmen und trotzdem das gemäß Koran verbindliche Gebet nicht unterlassen. Dies zeigt, dass alle Verse ihre Funktion erfüllen, ohne dass einer den andern annullieren müsste.
2) Krieg und Frieden
Dem Koran zufolge ist Frieden der notwendige und natürliche Zustand. Krieg ist, wie im Koran beschrieben, ein Zustand, der dann nötig wird, wenn die Muslime das Ziel von Aggressionen werden würden. In solch einem Notfall muss ein Muslim so handeln, wie es der darauffolgende Kampf notwendig macht. Wir dürfen nicht vergessen, dass der Koran als Ganzes gesehen, keine Widersprüche enthält. Daher können die Verse, die sich auf den Krieg beziehen, nicht diejenigen aufheben, die vom Frieden handeln. Trotzdem wird ein Muslim kämpfen, wenn der Umstand es erforderlich macht. Die ist kein Widerspruch.
3) Das zahlenmäßige Verhältnis von Gläubigen und Ungläubigen im Kriegsfall
8:65 O Prophet, ermutige die Gläubigen zum Kampf. Wenn es unter euch zwanzig Standhaftige gibt, besiegen sie zweihundert. Wenn es unter euch hundert Standhaftige sind, werden sie tausend Ungläubige besiegen. Weil sie ein Volk sind, das nicht begreift.
Im folgenden Vers lesen wir:
8:66 Jetzt (aber) hat Gott euch eure Bürde erleichtert, weiß er doch, daß es in euch eine Schwäche gibt. Wenn es unter euch hundert Geduldige gibt, können sie zweihundert besiegen, und wenn es unter euch tausend gibt, besiegen sie zweitausend mit Gottes Erlaubnis. Gott steht den Geduldigen bei.
Die oben erwähnten Verse sagen, dass je weniger Schwächen ein Gläubiger (Muslim) hat, desto erfolgreicher wird er sein. Das Wesentliche im Verhältnis der Anzahl der Gläubigen und der Zweifler ist die Überlegenheit von jenen, die standhaft sind. Andrerseits führt das nicht zu einem Widerspruch. Auch ist es keine Frage von Aufhebung oder Austausch eines Verses mit einem anderen.
4) Testament
Der Koran macht nicht nur Vorschriften über das Testament einer Person, sondern auch darüber, wie ein Vermögen geteilt werden soll. Trotzdem versuchten sie, diese genaue Vorschrift des Koran durch einen Hadith abzuschaffen, der aussagt: ‚Kein Testament für Erben‘. Lassen Sie uns die Aufmerksamkeit auf die Tatsache lenken, dass wir am Ende der Verse, die sich auf die Anteile der Erben beziehen, lesen: „Diese verweisen auf das, was übrig bleibt, nachdem das Testament ausgeführt ist.“ Deshalb ist gemäß dem Koran das erste, was getan werden muss, das Testament zu erfüllen und die Schulden zu begleichen, und erst nach dieser Verfügung wird das Vermögen des Verstorbenen nach Vorschrift des Koran aufgeteilt.
5) Änderung der Qibla (Gebetsrichtung):
Vor der Offenbarung des Verses, der die Richtung begründete, richtete der Prophet wie die Leute der Schrift, sein Antlitz nach Jerusalem. Aufgrund der Offenbarung in 2:144, änderte der Prophet seine Richtung zur Heiligen Moschee in Mekka. Für den Fall, dass es eine Aufhebung gäbe, müsste es zuerst einen anderen Vers geben, der besagt, dass die Gebetsrichtung Jerusalem ist, welches aber natürlich nicht der Fall ist. Vor der Offenbarung der Sure 2, Vers 144, wendeten der Prophet und die Gläubigen ihr Gesicht nicht nach Jerusalem, weil es eine vorherige Vorschrift aus dem Koran gegeben hätte. Vor der Offenbarung dieses Verses war die Richtung, nach welcher sich mensch während der Verrichtung seines Kontaktgebets drehen sollte, im Koran nicht vorgeschrieben. Es war die persönliche Wahl von Mohammed und seinen Gefährten.
18:27 Und verlies, was dir von dem Buche deines Herrn offenbart wurde; Da ist keiner, der Seine Worte verändern könnte, und du wirst außer bei Ihm keine Zuflucht finden.