Ich suche Zuflucht bei Gott vor dem verworfenen Satan,
Im Namen Gottes, des Erbarmers, des Barmherzigen
Frieden sei mit uns allen, liebe Geschwister und Freunde, und Gottes Segen und Seine allumfassende Barmherzigkeit!
35:10 … Zu Ihm steigt das gute Wort, und (erst) die rechtschaffene Tat lässt es aufsteigen! …
Dieser Beitrag wird weh tun, ja sehr weh tun und schwer zu verdauen sein für jene, die ihr Leben lang nur die Tradition und die Lesung (deutsch für „Koran“, arabisch: al-qurʾān) nur wenig oder oberflächlich und über Lippenbekenntnisse und weniger über Taten kannten. Wenn Sie zu dieser Sorte von Menschen gehören, die lieber ihre Tradition aufrecht erhalten möchten als zu erfahren, was in der Lesung (Koran) wirklich steht, dann können Sie gleich aufhören zu lesen. Wenn Sie lieber ihre Vorfahren, Vorväter, den Imam in Ihrer Moschee, Ihr soziales Umfeld zufrieden stellen und Ihre Illusion über Ihr eigenes Selbst schützen wollen, dann wird dieser Artikel wie eine versalzene Suppe daherkommen, in dem jedes Wort schwer durch Ihren Hals geht und im Magen dann erst so richtig säuert. Wenn Sie zudem den Propheten Mohammed auf unrealistische Weise als einen fehlerlosen Supermenschen betrachten, aufgrund dessen die gesamte Schöpfung erschaffen sei laut einem erfundenen Ausspruch (Ḥadīṯ), und ihn als das beste Geschöpf unter den Geschöpfen betrachten, dann werden Sie zu denen gehören, die uns damit zu Unrecht beschuldigen, dass wir den Propheten hassen würden, weil wir ihn so darstellen, wie er wirklich war: ein fehlerbehafteter Mensch, der aufgrund seiner Tugenden und seines Charakters einschließlich seiner Fehler dennoch als schönes (nicht schönstes!) Vorbild für uns gilt. Aufgrund seiner Fehler wissen wir, was wir nicht wiederholen sollten und aufgrund seiner Tugenden, die in der Lesung selbst beschrieben werden, können wir uns im Verrichten heilvoller und guter Taten üben.
Gehören Sie aber zu jenen wenigen Menschen, die wirklich interessiert sind an dem, was Gott in der Lesung mitteilt, dann wird dieser Artikel eine willkommene Erfrischung für Ihren Geist darstellen und Sie werden eventuell das Rezept der Suppe sogar zu verfeinern wissen. Aufklärerisch eingestellte Menschen werden so erfahren, was in ihrer bisherigen Betrachtung auf unreflektierter Tradition fußte. Gleichzeitig werden sie diesen Artikel auch hinterfragen und nichts ungeprüft hinnehmen, da dieses Prinzip der Aufklärung in der Lesung selbst verankert ist (17:36). Diese im Geiste vernünftig denkenden Menschen werden die hier vorgestellten Erkenntnisse weder vorschnell abweisen noch sich auf die Tradition berufen, weil sie sehr gut wissen, dass das Wort Gottes in der Lesung dieses Verhalten ablehnt (2:44, 10:100, 8:22, 10:38-39, 2:170, 23:24, 7:70, 11:62, 11:87, 26:74, 28:36, 34:43).
2:170 Und wenn ihnen gesagt wird: Folgt dem, was Gott herabsandte. Dann sagen sie: Vielmehr folgen wir dem, was wir bei unseren Vätern vorfanden. Auch dann, wenn ihre Väter weder etwas verstanden noch Rechtleitung fanden?
In Bezug auf die Botschaft Gottes dürfen wir uns also nicht blind auf unsere Vorväter verlassen, sondern müssen die Argumente und die Verse genau untersuchen und den Sachverhalt genau abwägen. Betrachten wir nun den sogenannten Segensspruch oder die Eulogie SAW oder SAS im Islam (auf Deutsch: Gottergebenheit). Diese Abkürzung kommt auch in den Varianten SAWS, SAAWS oder einfach nur als S vor. Ausgeschrieben wird diese traditionelle Eulogie, auf Arabisch auch als taṣliyyah (تصلية) bekannt, transliteriert als ṣallā ‚llāhu ʿalayhi wa-sallam (in salopper Form auch salla Allahu alayhi wa salam) und bedeutet sinngemäß nach heute geläufigem Verständnis der Worte: Möge Gott ihn segnen und Frieden/Heil geben.
Fest steht, dass dieser Spruch schon sehr lange vorhanden war, wie dies an der Inschrift am Felsendom ersichtlich ist. Dieser Spruch wird meist aufgrund des folgenden Verses 33:56 begründet, der auch am Felsendom zitiert wird. Leider wurde und wird dieser Vers in seiner Bedeutung katastrophal verzerrt und in einem in sich unschlüssigen Verständnis wiedergegeben, wie man unschwer an den gängigen Übersetzungen erkennen kann:
إن الله وملئكته يصلون على النبى يأيها الذين ءامنوا صلوا عليه وسلموا تسليما
(Transliteration) ‚Inna Allāha Wa Malā’ikatahu Yuṣallūna ʿAlá An-Nabīyi Yā ‚Ayyuhā Al-Laḏīna ‚Āmanū ṣallū ʿAlayhi Wa Sallimū Taslīmāan
(Khoury) Gott und seine Engel sprechen den Segen über den Propheten. O ihr, die ihr glaubt, sprecht den Segen über ihn und grüßt ihn mit gehörigem Gruß.
(Azhar) Gott nimmt den Propheten in Seine Barmherzigkeit auf und erweist ihm Seine Huld, und Seine Engel sprechen den Segen über ihn. Ihr Gläubigen, sprecht den Segen über ihn und grüßt ihn, wie es sich ziemt!
(Ahmadiyya) Allah sendet Segnungen auf den Propheten und Seine Engel beten für ihn. O die ihr glaubt, betet (auch) ihr für ihn und wünschet ihm Frieden mit aller Ehrerbietung.
(Paret) Gott und seine Engel sprechen den Segen über den Propheten. Ihr Gläubigen! Sprecht (auch ihr) den Segen über ihn und grüßt (ihn)
(Bubenheim) Gewiß, Allah und Seine Engel sprechen den Segen über den Propheten. O die ihr glaubt, sprecht den Segen über ihn und grüßt ihn mit gehörigem Gruß.
(Rassoul) Wahrlich, Allah sendet Segnungen auf den Propheten, und Seine Engel bitten darum für ihn. O ihr, die ihr glaubt, bittet (auch) ihr für ihn und wünscht ihm Frieden.
(Zaidan) Gewiß, ALLAH gewährt dem Propheten Gnade und die Engel erbitten sie für ihn. Ihr, die den Iman verinnerlicht habt! Macht für ihn Salah und begrüßt (ihn mit) einer Salam-Begrüßung!
Die rot markierten Stellen gibt es im arabischen Wortlaut nicht. Die schwarzen Stellen sind Interpretationen der Übersetzer der fett markierten Ausdrücke aus der Transliteration. Betrachten wir einmal die einzelnen Worte aus diesem Vers, ohne die fett markierten Stellen aus der Transliteration zu übersetzen, da sie der Gegegenstand unserer Betrachtung sind:
Allāha
Wa Malā’ikatahu
Yuşallūna ʿAlá
An-Nabīyi
Yā ‚Ayyuhā
Al-Ladhīna
‚Āmanū
Şallū `Alayhi
Wa Sallimū
Taslīmāan
der Gott
und Seine Engel
Yuşallūna über
den Propheten
O ihr
diejenigen
glaubten
Şallū über ihn
und Sallimū
Taslīmāan
Wir sehen also alleine aufgrund der Verwendung der Worte, dass es sich hierbei um einen Aufruf handelt, etwas Konkretes zu tun. Dies ist bereits der erste klare Unterschied zur Aufforderung etwas auszusprechen. Hier steht nirgends etwas Ähnliches wie: Sagt (Qūlū)… Vielmehr müssen wir Ṣalāh ausüben auf den Propheten.
Dadurch, dass sich die Menschen in der Tradition darauf festlegten, diesen Vers in mündlicher Form in der bekannten Form wiederzugeben, haben sie sich selbst gerade das Bein gestellt. Statt dass sie dem Aufruf Gottes folgen, Ṣalāh zu üben auf den Propheten in Form einer konkreten Handlung und Tat, sagen sie vielmehr sinngemäß: Nein, Gott, wir machen kein Ṣalāh auf den Propheten, (vielmehr) mache Du Ṣalāh auf den Propheten. Dies ist die direkte Bedeutung des auch sehr oft verwendeten Ausdrucks Allahumma Salli ‚alâ Muhammad, wie er beispielsweise auch in der sogenannten At-Taḥiyyatu vorkommt, in dem nahezu Lobgesänge auf Abraham und Muhammad vorkommen und dem Wesen des Monotheismus (tawḥīd) deutlich widersprechen. Nicht die Propheten stehen im Fokus, sondern vielmehr Gott. Die Gebete gelten nur für Gott und deshalb dürfen wir diesen falschen Gebetsspruch nicht äußern, auch weil wir keine Unterschiede unter den Gesandten machen dürfen. Statt dass wir den Ṣalāh ausüben, fordern wir Gott auf, diesen doch auszuüben!
Stellen Sie sich einmal vor, wie Sie einen Freund auffordern, der neben dem Fenster steht: Schließe bitte das Fenster! Und als Reaktion wird nicht das Fenster geschlossen, sondern gesagt: Schließe du das Fenster! Dieselbe Logik ist in diesem Ausspruch enthalten. Da Arabisch traditionell gesehen aber zu heilig ist zum Verstehen, fällt dies einem auch erst gar nicht auf. Wir müssen wieder damit beginnen, die Lesung (Koran) zu verstehen.
Viele Sunniten und Schiiten glauben, dass sie sogenannte Pluspunkte (Ḥasanāt) erhalten werden, alleine indem sie diese der Lesung (Koran) widersprechenden Segenssprüche wiederholen. Doch wir haben eingangs gelesen, dass nicht die Worte allein reichen, sondern vielmehr die rechtschaffenen Taten erst die Worte bestätigen und zu Gott aufsteigen (35:10). Wenn wir dabei noch den fünften Vers des ersten Kapitels aus der Lesung bedenken, dann wüssten wir, dass Gottes Botschaft alleine im Zentrum stehen soll. Somit ist der sogenannte traditionelle Segensspruch „sas im Islam“ als ein verzerrtes, falsches Verständnis abzulehnen. Der Irrglaube, hunderte Male diesen erfundenen, falschen Segensspruch auszusprechen (dazu noch Apps wie ‚Zikirmatik‘ runterladen oder noch schlimmer kaufen), schütze einen direkt vor der Hölle, wäre ja doch zu einfach gewesen! Dies ist der Zerfall der Religion schlechthin: Einfach sinnlos Aussagen wiederholen lassen, damit man ja nichts tun müsse. Das sprichwörtliche Opium des Volkes.
Dabei bedeutet „Zikir“ auch nicht, ständig „Allah, Allah, Allah, Allah,“ zu sagen, wie es die Sufis in ihrem Rausch tun. Ḏikr ist das Gedenken Gottes in sämtlichen Lebenslagen (33:41). Das Gedenken Gottes ist, wenn man beispielsweise vor der Wahl steht, das Geld, das irgendein Passant auf der Straße soeben verlor, ihm zurückzugeben, weil man die moralischen Prinzipien aus der Lesung befolgt und weiß, dass man rechtschaffen handeln muss (35:10) und dass wir uns nicht den materiellen Werten, sondern Gott allein hingeben müssen und gerade deshalb human handeln aus Liebe zu Gott (65:3, 39:36). Das Gedenken Gottes bedeutet also das Bewusstsein für Gottes Gegenwart zu entwickeln.
Ein weiterer Widerspruch ist der Umstand, dass Muhammad in der Lesung viermal erwähnt wird (3:144, 33:40, 47:2, 48:29), aber in keine dieser vier Stellen erwähnt Gott den angeblichen Segensspruch nach seinem Namen. Hier ließe sich fragen: Hat Gott etwa Seinen eigenen Segensspruch vergessen, selbst im selben Kapitel 16 Verse davor (33:40)?
Eine weitere Ungereimtheit ist die Tatsache, dass das Wort „Segen“ auf Arabisch barakah lautet und nicht Ṣalāh. Das Wort „Segen“ kommt in der Lesung auch mehrmals vor (nur ein Beispiel: 19:31), weshalb diese Bedeutung eindeutig ausgeschlossen werden kann.
Darüber hinaus werden die Gläubigen dazu aufgefordert, die Namen der Gesandten aufzusagen (und diesmal wörtlich sagen), ohne dabei irgendwelche Beisätze auszusprechen:
2:136 Sagt: Wir glaubten an Gott und was zu uns herabgesandt wurde und was zu Abram, Ismael, Isaak, Jakob und den Stämmen herabgesandt wurde und was Moses und Jesus zukam und was den Propheten zukam von ihrem Herrn. Wir unterscheiden zwischen keinem von ihnen und ihm sind wir ergeben (Siehe auch 3:84)
Was bedeutet nun Ṣalāh ausüben auf den Propheten? Gott und die Engel üben Ṣalāh auf den Propheten aus laut 33:56. Deshalb sollen wir das ebenso tun und dies ist ausdrücklich Gottes Wille. Ṣalāh bedeutet in diesem Zusammenhang eine Verbundenheit, eine Unterstützung und eine Hilfe aufzubauen.
Dies kommt daher, weil Ṣalāh im Wesentlichen Kontakt bedeutet. Die traditionelle Vorstellung und Verständnis des Wortes ist dermaßen verbreitet, dass selbst namhafte Philologen wie E. W. Lane unter Salāh nur die Glorifizierung verstanden haben. Nichtsdestotrotz ist die Grundbedeutung der Wurzel ṣad-lām-wāw (S-l-w) zu verbinden oder nahe zu folgen, wie an den Wörtern muṣallin (مصلٍ) oder islá (اصلى) vom vierten Verbstamm zu erkennen ist, womit die zweite Position zum Beispiel in einem Rennen beschrieben wird, weil man der ersten Position nachfolgt. Ebenso ist dies am Wort ṣalā (صلا – اصلى) zu erkennen, womit der mittlere Bereich des Rückens, das Rückgrat angedeutet wird (siehe J. G. Hava, Seite 396). Es gibt auch ein Verb (ṣalā/ṣalawā – صلا/صلوا), wie man jemanden berühren kann am Rücken (siehe auch das Glossar von Penrice, Seite 85, oder auf Französisch Kazimirski, Seite 1365). Alles in allem kann man damit also sagen, dass man das Rückgrat eines Anderen stärken und stützen möchte. Deshalb bedeutet in diesem Vers 33:56 Ṣalāh unterstützen. Deshalb bedeutet auch das Kontaktgebet (aṣ-ṣalāh) eben Kontaktgebet, weil wir in Verbindung mit Gott treten und unsere eigenen Seelen dadurch stärken und Gottes Unterstützung erhoffen. Nicht umsonst rezitieren wir dabei das erste Kapitel der Lesung, worin wir sagen: Dir allein dienen wir und Dich allein ersuchen wir um Hilfe!
Gott und die Engel sind mit dem Propheten verbunden, unterstützen ihn und helfen ihm. Wir sollen deshalb den Propheten ebenso unterstützen, ihm helfen und eine Verbundenheit zu ihm aufbauen. Wie können wir am besten diese Verbundenheit aufbauen? Indem wir naturgemäß der von ihm überlieferten Botschaft Gottes folgen und unseren Worten konkrete Taten folgen lassen! Dies beinhaltet beispielsweise die Bedürfnisse eines Bedürftigen in Erfahrung zu bringen, für Verbesserung zu sorgen in der Gesellschaft, gegen Ungerechtigkeiten die Stimme zu erheben, da wir nur Gott zu fürchten brauchen, und konkret etwas zu unternehmen! Wenn wir tatsächlich Ṣalāh ausübten auf den Propheten, also seine Botschaft, die er im Namen Gottes verkündete, unterstützen, umsetzen und zu ihr eine Verbindung aufbauen, dann hätten diktatorische Regimes erst gar keine Chance. Wir würden das bloße aussprechen und sinnlose Repetieren sein lassen und würden uns mit rechtschaffenen Taten beschäftigen.
2:157 Auf jenen sind Ṣalawāt von ihrem Herrn und Barmherzigkeit und jene sind die Rechtgeleiteten
Wir sehen also, dass nicht nur der Prophet diese Unterstützung (Ṣalāh), diese Verbundenheit von Gott erhält, sondern genauso die Menschen, die rechtschaffen handeln. Gute Menschen werden von Gott unterstützt.
33:43 Er ist es, der euch unterstützt (Ṣalāh ausübt), und auch seine Engel, damit Er euch aus den Finsternissen ins Licht hinausführt. Und Er ist barmherzig zu den Gläubigen.
Sich gegenseitig zu unterstützen bedeutet, mit Gottes Hilfe Auswege aus schwierigen Zeiten und Umständen zu bieten. In diesem Vers wird nochmal deutlich, was die semantische Bedeutung von Salāh ist: Durch die Hilfe, die Unterstützung für die und die Verbundenheit (die Liebe) Gottes und der Engel zu den Gläubigen, die durch ihre Taten Rechtschaffenheit beweisen, aus den Finsternissen ins Licht geführt werden.
Das letzte Verb sallam kann mehrere Bedeutungen wiedergeben. Ein Aspekt ist tatsächlich die Begrüßung und ein anderer die „Sicherheit und Unversehrtheit“. Hans Wehr überträgt dies als „Heil“. Dies, weil die Wurzel s-l-m, von der auch die Wörter Muslim (Gottergebener) und Islām (Gottergebenheit) abstammen, in der Grundbedeutung den Zustand der Unversehrtheit, Widerstandslosigkeit und Tadellosigkeit wiedergibt. Da der erste Teil ein Aufruf für die Unterstützung ist, sehen wir den letzten Teil des Verses 33:56 als Aufruf, für die gegenseitige Unversehrtheit, für das gegenseitige Heil in geistiger und körperlicher Form zu sorgen. Mit all diesen Informationen lässt sich der Vers also sinngemäß genauer wie folgt übersetzen:
33:56 Gewiss, Gott und Seine Engel unterstützen den Propheten. O ihr, die ihr glaubtet, unterstützt ihn und sichert in Absicherung