5:51 Ihr Gläubigen! Nehmt euch nicht die Juden und die Christen zu Freunden! Sie sind untereinander Freunde (aber nicht mit euch). Wenn einer von euch sich ihnen anschließt, gehört er zu ihnen (und nicht mehr zu der Gemeinschaft der Gläubigen). Gott leitet das Volk der Frevler nicht recht.129
Ich wurde schon des Öfteren nach Vers 5:51 gefragt, welcher davon spräche die Juden und die Christen nicht zu Freunden zu nehmen, wenn wir Gottergebene seien. Dieser Vers brachte bereits Reaktionen wie folgende hervor: „Bin ich überhaupt nicht mit einverstanden! Überhaupt „Juden und Christen“ in einen Topf zu schmeißen und dann noch „Volk der Ungerechten“ zu nennen! Dieser Vers sät tatsächlich Zwietracht!“
Für ein besseres Verständnis dieses Verses analysieren wir als Erstes, wie sich das fünfte Kapitel der Lesung „entwickelt“:
5:1-2 | Verbote bei der Pilgerfahrt |
5:3-5 | Nur vier Nahrungssorten sind verboten |
5:6-7 | Die Waschung vor dem Gebet |
5:8-10 | Macht keine falschen Zeugenaussagen |
5:11 | Gott beschützt und verteidigt Seine Gläubigen |
5:12 | Bedingungen, um unter Gottes Schutz stehen zu dürfen |
5:13 | Konsequenzen der Missachtung des Bundes mit Gott |
5:14 | Auch Christen müssen dem Gesandten Gottes gehorchen |
5:15-16 | Die Lesung: Gottes Botschaft für die Christen und die Juden |
5:17-18 | Die gravierende Blasphemie |
5:19-20 | Wie habt ihr den Gesandten, der zu euch kam, aufgenommen |
5:21-23 | Gott gibt das heilige Land den Juden |
5:24-26 | Trotz all den Wundern, welche die Juden gesehen hatten |
5:27-30 | Der erste Mord der Menschheitsgeschichte |
5:31 | Die Lehre des Raben |
5:32 | Der Wert eines Individuums – die Grobheit des Tötens |
5:33-35 | Todesstrafe und Krieg: Wann ist sie legitim? |
5:36-37 | Der Preis des Ableugnens |
5:38-40 | Die Ressourcen der Diebe beschlagnahmen |
5:41-43 | Die Verzerrung des Kontextes der Schrift durch die Juden |
5:44 | Thora: Weisheit und Licht für das Volk der Juden durch Gott ergebene Propheten |
5:45 | Das Gesetz der Äquivalenz (Leben um Leben, Auge um Auge…) |
5:46-47 | Das Evangelium Jesu: Weisheit, Licht und Rechtleitung wurde durch Jesus überliefert. |
5:48-50 | Die Lesung: die letzte gültige Quelle |
5:51-53 | Gewisse Juden und Christen können keine „Freunde“ sein |
5:54 | Wenn Gläubige von ihrer Religion abfallen… |
5:55-56 | Die wahren „Freunde“ |
5:57-63 | Das Verhalten gewisser Juden und Christen |
5:64 | Blasphemie gegenüber Gott |
5:65 | Erlösung für Juden und Christen |
5:66 | Sie sollten an diesen Koran glauben |
5:67 | Der Gesandte muss nur überliefern |
5:68 | Folgt den Schriften, die zu euch gesandt wurden! |
5:69 | Minimale Anforderungen für das Seelenheil |
5:70-71 | Der Bund Gottes mit den Kindern Israels |
5:72-76 | Das heutige Christentum ist nicht die Religion Jesus‘ |
5:77-78 | Wählt eure Freunde sorgfältig aus |
und so weiter.
Das Kapitel behandelt also reichlich Fragen, welche das interreligiöse Leben betreffen. Kommen wir zurück zur Frage: Was meint Gott mit „nehmt keine Juden und Christen zu Freunden“?
Diejenigen Juden und Christen, mit denen es verboten ist, „Freundschaften“ zu schließen, haben ganz bestimmte Absichten, wie wir aus der Liste sehen können. Diese werden in 5:57 erläutert. Innerhalb der Schriftbesitzer (Juden und Christen) gibt es auch gute Menschen (3:113). Das Essen dieses Volkes kann gegessen werden (5:5) und ihre Frauen können geheiratet werden. Insofern kann nicht die gesamte Gemeinschaft der Juden und Christen als ungerecht eingeordnet werden. Hier stellt sich doch die Frage: Wieso sollte uns Gott erlauben, Juden oder Christen zu heiraten, wenn doch bereits die Freundschaft verboten sei? Die Verse 5:57, 49:13 und 60:8–9 geben uns die wichtigsten Ermahnungen und legen die Hauptprinzipien fest, mit welchen Menschen und Völkern wir Beziehungen pflegen sollen. Nicht nur eine Koexistenz, sondern auch ein aktives Kennenlernen wird von uns Gottergebenen verlangt (49:13).
Es ist also durchaus erlaubt, Juden und Christen als Freunde, ja sie gar als Ehepartner zu haben (5:5).
5:57 O ihr, die ihr glaubt, nehmt euch nicht die zu Beschützern – von jenen, denen vor euch die Schrift gegeben wurde, und von den Ungläubigen -, die mit eurem Glauben Spott und Scherz treiben – und fürchtet Gott, wenn ihr Gläubige seid.130
4:140 Und Er hat euch schon in dem Buch herabgesandt, dass – wenn ihr hört, dass die Zeichen/Verse Gottes geleugnet und verspottet werden – ihr nicht bei ihnen sitzt, bis sie zu einem anderen Gespräch übergehen; ihr wärt sonst wie sie. Wahrlich, Gott wird die Heuchler und die Ungläubigen allesamt in der Hölle versammeln.131
3:113-115 Sie sind nicht gleich, unter den Leuten der Schrift gibt es eine aufrechte Gemeinschaft. Sie tragen die Zeichen Gottes im Laufe der Nacht vor, während sie sich unterwerfen. Sie glauben an Gott und an den letzten Tag, sie gebieten das Erkenntliche, unterbinden das Verwerfliche und eilen um der guten Taten willen. Und jene sind von den Rechtschaffenen. Und was sie an Gutem tun, wird ihnen nicht geleugnet werden, und Gott ist wissend über die Achtsamen
60:8-9 Gott verbietet euch nicht, gegen diejenigen pietätvoll und gerecht zu sein, die nicht der Religion wegen gegen euch gekämpft, und die euch nicht aus euren Wohnungen vertrieben haben. Gott liebt die, die gerecht handeln. Er verbietet euch nur, euch denen anzuschließen, die der Religion wegen gegen euch gekämpft, und die euch aus euren Wohnungen vertrieben oder bei eurer Vertreibung mitgeholfen haben. Diejenigen, die sich ihnen anschließen, sind die (wahren) Frevler.132
3:64 Sage: Ihr Leute der Schrift, kommt her zu einem Wort, das gleich ist zwischen uns und euch, dass wir nichts dienen außer Gott, ihm nichts beigesellen und dass wir einander nicht als Herren nehmen anstelle Gottes. Doch wenn sie sich abkehrten, so sage: Bezeugt, dass wir Ergebene sind
49:13 O Menschen! Siehe, Wir haben euch alle aus einem Männlichen und einem Weiblichen erschaffen, und haben euch zu Nationen und Stämmen gemacht, auf dass ihr einander kennenlernen möget. Wahrlich, der Edelste von euch in der Sicht Gottes ist der sich Seiner am tiefsten bewusst ist. Siehe, Gott ist allwissend, allgewahr.133
Wie wir sehen, reicht diese Methode allein schon aus, um diesen Sachverhalt zu klären. Dennoch sollte die Wahrheit die oberste Priorität sein, denn dies ist nicht der einzige Umstand, der in dieser Bedeutung unter den Übersetzungen merkwürdig erscheint. Denn für den aufmerksamen Studenten gibt es auch noch andere Verse, die weiter belegen, dass Gott von uns ein friedliches Zusammenleben mit anderen Kulturen will. Deshalb will ich diesen Vers noch sprachlich analysieren.
Sprachlicher Aspekt von „Waliy“
Der arabische Wortlaut des Verses 5:51 ist hier zu sehen:
يايها الذين ءامنوا لا تتخذوا اليهود والنصرى اولياء بعضهم اولياء بعض ومن يتولهم منكم فانه منهم ان الله لا يهدي القوم الظلمين
Transliteration:
yā ʾayyuhā al-laḏīna ʾāmanū lā tattachiḏū al-yahūda wan-naṣārá ʾawliyāʾa baʿḍuhum ʾawliyāʾa baʿḍin wa man yatawallahum minkum fa ʾinnahu minhum ʾinna allāh lā yahdī al-qawma aẓ-ẓālimīna
Eine weitere Übersetzung dieses Verses:
5:51 O ihr, die ihr glaubt! Nehmt nicht die Juden und die Christen zu Beschützern. Sie sind einander Beschützer.134
Wie zu sehen ist, gibt es in der Übersetzung bereits unterschiedliche Ansätze, wie das Wort awliyā’ (اولياء) übersetzt wird. In diesem Vers handelt es sich nämlich nicht um Freundschaften, sondern um eine politisch wie auch diplomatisch orientierte Beziehung. Es ist ein Umstand, in dem Macht und Einfluss eine Rolle spielen. Es ist auch unverständlich, weshalb die Übersetzer irrtümlicherweise gerade dieses Wort wählen, obwohl das arabische Wort für Freund (arabisch: ṣadīq) in der Lesung bereits in anderen Versen vorkommt:
24:61 Kein Vorwurf trifft den Blinden, noch trifft ein Vorwurf den Krüppel, kein Vorwurf trifft den Kranken oder euch selbst, wenn ihr in eurem Haus, im Haus eures Vaters oder eurer Mutter… oder (im Haus) eures Freundes (ṣadīqakum)…135
26:101 noch einen warmen Freund (ṣadīq).
Schauen wir in der Wurzelbeschreibung des Begriffes Waliy nach, lesen wir:
ولى | Waliya |
المولى – الولي | [al-mawlá – al-waliy] Der Gebieter, Der Schutzherr, Der Verbündete |
Nomen | |
مولى | [mawlá] Schutzherr, |
ولي | [waliy] Verbündeter, Treuer, |
ولاية | [walāyah] Vormundschaft, rechtliche Gewalt, |
ولاية | [wilāyah] Souveränität, Autorität, Provinz, Staat, |
الولايات المتحدة | [al-wilāyātu-l-muttaḥidah] Die vereinigten Staaten, |
ولي العهد | [waliyu-l-ʿahd] Thronfolger, |
ولي الأمر | [waliyu-l-ʾamr] Sachwalter, Vormunder, |
إستيلاء | [ʾistīlāʾ] Besitznahme |
Verben | |
ولى | [waliya] jmdm beistehen, sich mit jmdm verbünden, zur Seite stehen, jmdm folgen, |
ولى | [wallá] (von einer Sache) sich abwenden, flüchten, |
تولى | [tawallá] (Amt) innehaben, bekleiden, übernehmen, in Besitz nehmen, (von einer Sache) sich abwenden, |
تولى الحكم | [tawallá al-ḥukm] Macht übernehmen, |
توالى | [tawālá] ununterbrochen aufeinanderfolgen, |
إستولى | [ʾistawlá] in Besitz nehmen, sich bemächtigen, |
يلي | [yalī] folgen, |
كما يلي | [kamā yalī] wie folgt, |
فيما يلي | [fīmā yalī] im folgenden, |
أولى لك | [ʾawlá laka] ist dir am aller besten … |
Wie wir bei unserer Übersetzung des Wurzelbegriffes sehen, kommt das Wort Freund überhaupt nicht vor. Vielmehr geht es beim Wort (waliy, pl. awliyāʾ) um den Bund, den man bei großen Koalitionen mit anderen Organisationen auf politischer Ebene schließt. Es ist auch klar, dass wir als Gottergebene im Falle der Wahrheitsfrage niemals die traditionellen Kirchenträger wie zum Beispiel den Papst um Hilfe bitten sollen, da sie ihren eigenen weltlichen Interessen bzw. Ideologien folgen, die sich nicht mit der Gerechtigkeit für alle Menschen vereinbaren lassen. Außerdem wird zu einem Freund im Arabischen nie Waliy gesagt.
„Wer sie aber trotzdem als Verbündete nimmt, dann ist er einer von ihnen“ lautet der Vers weiter. Wer also in diese Kategorie fällt, so pflegt diese Person ihre eigene Tradition wie alle die anderen vielen religiösen, politisch verdorbenen Organisationen. Ähnlich verhält es sich mit den arabischen Nationen gegen Ende des 19. Jahrhunderts, die bei ihrer Koalition mit dem Westen gegen das geschwächte osmanische Reich vorgingen, wobei viele unnötige Massaker in der eigenen Bevölkerung und Millionen von Todesfällen verursacht wurden.
Ich hoffe, dass zukünftig Korrekturen an den Übersetzungen vorgenommen werden.
59:22-24
Er ist Gott, außer Dem kein Gott ist;
Er ist der Kenner des Verborgenen und des Sichtbaren.
Er ist der Allerbarmer, der Barmherzige.
Er ist Gott, außer Dem kein Gott ist;
Er ist der Herrscher, der Einzig Heilige, der Friede, der Verleiher von Sicherheit, der Überwacher, der Erhabene, der Unterwerfer, der Majestätische.
Gepriesen sei Gott über all das, was sie (Ihm) beigesellen.
Er ist Gott, der Schöpfer, der Bildner, der Gestalter.
Ihm stehen die schönsten Namen zu.
Alles, was in den Himmeln und auf Erden ist, preist Ihn, und Er ist der Erhabene, der Allweise.