Theologie & Auslegung

Die Stellung der Juden und Christen (Schriftbesitzer) im Koran

Ich suche Zuflucht bei Gott vor dem verworfenen Teufel,
Im Namen Gottes, des Gnädigen, des Barmherzigen,

Frieden,

in diesem Artikel werde ich erörtern, ob die oftmals aufgestellte Behauptung stimmt, Juden und Christen flögen auf der Überholspur in die Hölle, um dort ewig zu brennen, oder ob der Koran hier eine andere Position vertritt. Wir werden in diesem Artikel sehen, dass dieses Thema von konservativen Traditionalisten, vor allem im Bezug zum Koran sehr oft einseitig verstanden oder sogar der unmittelbare koranische Kontext nicht beachtet wird. Ich werde den Begriff “Islam” näher erörtern und aufzeigen, dass dieses Wort nicht einfach nur eine Worthülse, ein Freifahrtschein für das Paradies ist, sobald man die fast immer entstellte Bezeugung (Siehe: Die Shahadah: Das Glaubensbekenntnis der Ergebenen) und die angeblichen fünf Säulen des Islams befolgt. Zuallererst gebe ich die Grundbedingung im Islam an, die nötig ist, um ins Paradies zu gelangen. Vorher möchte ich noch auf folgendes hinweisen:

Niemand außer Gott kann bestimmen, dass eine Person einen sicheren Platz im Garten Eden hat.
Laut Koran werden nämlich selbst die Gesandten am jüngsten Tag befragt (39:69, 7:6).

Aber zurück zu unserer Grundbedingung:

 

64:9 Wer an Gott glaubt und rechtschaffen handelt, dem tilgt Er seine bösen Taten, und den wird Er in Gärten eingehen lassen, durcheilt von Bächen, ewig und auf immer darin zu bleiben; das ist der großartige Erfolg. (Siehe auch 2:62 und 5:69)

 

Generell hat also jeder Mensch, mit Berücksichtigung von 2:62 und 5:69, die Chance ins Paradies zu gelangen, der:

  • an Gott und an den Jüngsten Tag glaubt
  • und rechtschaffen handelt

Und nun zu den  Juden und Christen:

 

2:62: Diejenigen, die glauben, und diejenigen, die dem Judentum angehören, und die Christen und die Säbier – wer immer an Gott und den Jüngsten Tag glaubt und rechtschaffen handelt, – die haben ihren Lohn bei ihrem Herrn, und keine Furcht soll sie überkommen, noch werden sie traurig sein. (Siehe auch: 5:69)

 

Hier wird also den Juden, Christen und Säbiern die Belohnung Gottes ermöglicht. Aber ich höre schon im Hintergrund die Traditionalisten aufspringen, die mit den Ahadith wedeln, um den Vers zu entstellen! Die traditionellen Gelehrten verstellen – unbewusst oder mit Absicht – durch einen Hadith diesen Vers und behaupten, dass hier (2:62) nur die vor dem Islam existierenden Juden Christen und Säbier gemeint sein sollen! Es wird übergangen, dass es Gott allein ist, der den Koran erklären darf (Siehe auch: Und sie sagen der Koran reicht aus! (4/4)). Darüber hinaus ergibt sich ein Widerspruch, wenn behauptet wird, 2:62 meine nur die vorherigen Christen und Juden. Laut Koran wurde die Religion von Gott selbst vervollkommnet und sein Wort geschützt (5:3, 15:9). Demzufolge ergäbe es keinen Sinn, dass ein vollkommenes Buch einer Erklärung im Nachhinein bedürfe, wo Gott persönlich sagt, dass Er selbst die besten Erklärungen liefern werde (25:33). Es kann also nicht sein, dass ein Hadith eine nachträgliche inhaltliche Änderung eines Verses liefert und sich dabei nicht auf Koranverse stützt. Im Endeffekt sind die Ahadith sinnlos in dieser Hinsicht und der angewendete Hadith hat somit keinen Bestand und ist eine klare unerlaubte, inhaltliche Veränderung des Koranverses. Ferner kann man sagen, dass der Koran oft allgemeine Definitionen über Gläubige liefert, ohne sie in eine Gruppe einzuordnen (64:9, 2:82, 4:124, 7:42, 11:23).

Aus den eben erwähnten zwei Grundbedingungen heraus beleuchten wir nun im weiteren Verlauf den Koran – hauptsächlich in Bezug zu den Juden und Christen. Diese beiden Religionsgruppen werden im Koran als Leute der Schrift bezeichnet. Sie,  also die damaligen Juden und Christen, werden im Koran teilweise stark kritisiert aber auch gelobt. Dies hat den Grund, dass ihre Geschichten Beispiele für uns darstellen, dass wir sowohl die guten Beispiele umsetzen als auch die schlechten Beispiele als Warnung sehen sollen, dieselben Fehler zu vermeiden. Mit Sicherheit kann man aber sagen, dass Juden und Christen im Koran keinesfalls pauschal als Leugner der Wahrheit (Kāfirūn) bezeichnet werden.

Leugner der Wahrheit sind nicht, wie gerne falsch übersetzt wird, Menschen, die nur nicht glauben, wie zum Beispiel Atheisten. Dazu mehr im Artikel ‚Die Eigenschaften der Ungläubigen‚. Vielmehr sind es Menschen, die die Wahrheit in den Offenbarungen erkennen, sie aber leugnen. Ein Mensch zum Beispiel, der für den eigenen Profit bewusst Gesetze aus den Offenbarungen bricht und nicht bereut, fällt in die Kategorie Leugner der Wahrheit (2:89-90, 2:109, 2:211).

Es wird jetzt Anhand von Koranversen aufgezeigt, dass Juden und Christen nicht einfach als homogene Gruppe im Koran gesehen werden, sondern eine klare Differenzierung stattfindet:

 

3:113-114 Sie sind nicht (alle) gleich. Unter den Leuten der Schrift ist eine standhafte Gemeinschaft, die Gottes Zeichen zu Stunden der Nacht verliest und sich (im Gebet) nieder wirft. Sie glauben an Gott und den Jüngsten Tag und gebieten das Rechte und verbieten das Verwerfliche und beeilen sich mit den guten Dingen. Jene gehören zu den Rechtschaffenen.

5:82 Du wirst ganz gewiss finden, dass diejenigen Menschen, die den Gläubigen am heftigsten Feindschaft zeigen, die Juden und diejenigen sind, die beigesellen. Und du wirst ganz gewiss finden, dass diejenigen, die den Gläubigen in Freundschaft am nächsten stehen, die sind, die sagen: „Wir sind Christen.“ Dies, weil es unter ihnen Priester und Mönche gibt und weil sie sich nicht hochmütig verhalten.

3:55 Als Gott sagte: „O Jesus, Ich werde dich (nunmehr) abberufen und dich zu mir emporheben und dich von denen, die ungläubig sind, reinigen und diejenigen, die dir folgen, bis zum Tag der Auferstehung über diejenigen stellen, die ungläubig sind. Hierauf wird eure Rückkehr zu Mir sein, und dann werde Ich zwischen euch richten über das, worüber ihr uneinig zu sein pflegtet.

 

Wir sehen, dass Juden und Christen differenziert betrachtet werden und nicht von allen Schriftbesitzern die Rede sein kann, wenn sie unter “Juden” oder “Christen” kritisiert werden. In den folgenden Versen sehen wir, dass Gott sich nicht in Bezug auf Juden, Christen oder Muslimen als “Gruppe” festlegt, sondern den Wert auf die vorhin genannten Grundbedingungen stützt. Dementsprechend, wenn Gott im Koran sagt…

 

3:85 Wer aber als Religion etwas anderes als den Islam begehrt, so wird es von ihm nicht angenommen werden, und im Jenseits wird er zu den Verlierern gehören.

 

… bedeutet Islam nicht einfach einer Religion anzugehören, die Bezeugung oder die fünf Säulen des Islams zu befolgen, sondern auch die anderen Offenbarungen ernstzunehmen und an diese zu glauben. Islam bedeutet “Ergebung in Gott”- es ist also eine aktive Handlung, die ihre Details im Koran aber auch in den vorangegangenen Offenbarungen erfährt. Eine nähere Erläuterung von „Muslim“ finden Sie im Artikel ‚Die Charaktereigenschaften der Muslime‚.

Im Koran werden Juden und Christen kritisiert, sich jeweils als einzige Gruppe zu sehen, die als Gläubige gelten würden (2:120, 2:135, 4:123, 57:29). Natürlich sehen wir das gleiche Verhalten nicht nur in der damaligen Geschichte, sondern auch in der Gegenwart bei vielen Anhängern der abrahamitischen Religionen, also auch bei Muslimen. Aber laut Koran ist der Islam keine neue Religion und der Islam, wie gesagt, nicht einfach eine „Gruppe“, sondern eine aktive Lebenseinstellung ohne individuelle Gruppenzugehörigkeit. Diese Thesen belegen besonders folgende Verse:

 

3:67 Abraham war weder ein Jude noch ein Christ, sondern er war Anhänger des rechten Glaubens, einer, der sich Gott ergeben hat, und er gehörte nicht zu den Götzendienern.

4:125 Wer hätte eine bessere Religion, als wer sein Gesicht Gott hingibt und dabei Gutes tut und dem Glaubensbekenntnis Abrahams folgt, (als) Anhänger des rechten Glaubens? Und Gott nahm sich Abraham zum Freund.

 

Dass der Koran sich im Glauben nicht einfach nur auf bestimmte Offenbarungen fixiert, zeigen unter anderem folgende Verse:

 

4:123-125 Es geht weder nach euren Wünschen noch nach den Wünschen der Leute der Schrift. Wer Böses tut, dem wird es vergolten, und der findet für sich außer Gott weder Schutzherrn noch Helfer. Wer aber, sei es Mann oder Frau, etwas an rechtschaffenen Werken tut, und dabei gläubig ist, jene werden in den Garten eingehen, und es wird ihnen nicht ein Dattelkerngrübchen Unrecht zugefügt. Wer hätte eine bessere Religion, als wer sein Gesicht Gott hingibt und dabei Gutes tut und dem Glaubensbekenntnis Abrahams folgt, (als) Anhänger des rechten Glaubens? Und Gott nahm sich Abraham zum Freund.

16:123 Und hierauf haben Wir dir (Muhammad) eingegeben: „Folge dem Glaubensbekenntnis Abrahams, (als) Anhänger des rechten Glaubens, und er gehörte nicht zu den Götzendienern.“

 

Wir sehen also, dass der Islam nicht einfach “die neueste einzig richtige Religion” ist, sondern die gleichen, vorherigen Offenbarungen bestätigende Religion ist (siehe auch 5:48, 6:92, 10:37, und das Buch Koran, Hadith und Islam). Es wird zwar im Koran bestätigt, dass jede Gemeinschaft ihre eigene kultische Richtung hat (2:148), jedoch sind die Gemeinsamkeiten der Schriften überaus deutlich zu sehen. Wir haben also im Koran, der Tora und dem Evangelium eine sich gegenseitig bestätigende Offenbarungswelle, die in ihrem Wesen gleich sind, also voneinander abhängige Religionen darstellen. Das zeigen folgende Verse unumstößlich:

 

16:43 Und Wir haben vor dir nur Männer gesandt, denen Wir (Offenbarungen) eingegeben haben. So fragt die Leute der Ermahnung, wenn ihr nicht wisst. (Siehe auch 21:7)

 

Der Koran gilt als unverfälschtes Wort Gottes, der die Streitigkeiten unter den damaligen Schriftbesitzern aufklärt (16:64). Schauen wir nun auf die Stellung der Schriftbesitzer. Der Koran erlaubt die Heirat mit Schriftbesitzern:

 

5:5 Heute sind euch die guten Dinge erlaubt. Und die Speise derjenigen, denen die Schrift gegeben wurde, ist euch erlaubt, und eure Speise ist ihnen erlaubt. Und die ehrbaren von den gläubigen Frauen und die ehrbaren Frauen von denjenigen, denen vor euch die Schrift gegeben wurde, …

 

Hätten die konservativen Traditionalisten also Recht, dann dürften Muslime mit solchen verheiratet sein, die ihrer Meinung nach Ableugner der Wahrheit sind. Doch der Koran verbietet die Heirat mit Götzendienern oder Leugnern der Wahrheit (Kāfirūn):

 

60:10 … Und haltet nicht am Bund mit den der Wahrheit leugnenden Frauen fest. …

2:221 Und heiratet Götzendienerinnen nicht, bevor sie glauben.

 

Somit können mindestens nicht alle Schriftbesitzer Leugner der Wahrheit sein. Sie müssen aber auch nicht Anhänger Muhammads sein (5:43-48), müssen aber an den Koran glauben, da es widersprüchlich wäre an Gott zu glauben und gleichzeitig eine Seiner Offenbarungen abzulehnen, was wir gleich sehen werden. Wir sehen also, dass die Stellung der Schriftbesitzer keineswegs eindeutig ist und einer genauen Analyse bedarf. Nicht alle Schriftbesitzer sind Leugner der Wahrheit (Kāfirūn), doch waren es die meisten zum Zeitpunkt der Offenbarung und sind es auch heute noch (5:59, 5:68, 12:103, 12:106). Jetzt wird der Frage nachgegangen, ob Christen an den Koran glauben müssen. In Vers 16:64 wird beschrieben, warum der Koran gesandt wurde:

 

16:64 Und Wir haben auf dich das Buch nur hinab gesandt, damit du ihnen das klar machst, worüber sie uneinig gewesen sind, und als Rechtleitung und Barmherzigkeit für Leute, die glauben.

 

Der Koran versteht sich also als Erklärung der Meinungsverschiedenheiten unter den Schriftbesitzern,  nicht aber im Sinne einer Richtigstellung von Verfälschungen der vorangegangenen Schriften!
 

Zum Verständnis der verwendeten Begriffe: Der Koran gibt nur den Evangelien Autorität (Apokryphen inbegriffen) nicht aber der ganzen Bibel, genauso wie bei Juden nur der Tora. Die Bibel besteht aus dem Altem Testament und dem Neuem Testament. Das AT besteht aus der Tora und den restlichen folgenden Schriften bis zum NT. Das NT besteht aus den Evangelien und den restlichen Schriften bis zum Ende der Bibel.

 Der Koran sieht sich als Bestätigung dieser Schriften:
 

2:41 Und glaubt an das, was Ich (als Offenbarung) hinab gesandt habe, das zu bestätigen, was euch bereits vorliegt. (Siehe auch: 2:91, 2:97, 2:101 und viele andere Verse)

5:68 Sag: O Leute der Schrift, ihr fußt auf nichts, bis ihr die Tora und das Evangelium und das befolgt, was zu euch (als Offenbarung) von eurem Herrn herab gesandt worden ist. Was zu dir (als Offenbarung) von deinem Herrn herab gesandt worden ist, wird ganz gewiss bei vielen von ihnen die Auflehnung und den Unglauben noch mehren. So sei nicht betrübt über das ungläubige Volk!

 

Die Schriftbesitzer sind also verpflichtet an den Koran zu glauben. Das Befolgen bezieht sich nicht einfach nur auf den Koran, sondern auf alle drei Bücher – denn sie alle sind in ihrem Wesen gleich. Gott sagt deswegen über den Koran, wie eben auch erwähnt, dass er die vorangegangenen Schriften bestätigt, nicht aber Verfälschungen innerhalb der Schriften korrigiert! Es gilt auch: Wie die Schriftbesitzer an den Koran zu glauben haben, ist es auch den Muslimen in Bezug zur Tora und zum Evangelium eine Pflicht, sie auch heute noch als Gottes Offenbarungen zu akzeptieren:

 

29:46 Und streitet mit den Leuten der Schrift nur in bester Weise, außer denjenigen von ihnen, die Unrecht tun. Und sagt: „Wir glauben an das, was (als Offenbarung) zu uns herab gesandt worden ist und zu euch herab gesandt worden ist; unser Gott und euer Gott ist Einer, und wir sind Ihm ergeben‘.“ (Siehe auch: 4:47)

2:136 Sagt: Wir glauben an Gott und an das, was zu uns (als Offenbarung) herab gesandt worden ist, und an das, was zu Abraham, Ismael, Isaak, Jakob und den Stämmen herab gesandt wurde, und (an das,) was Moses und Jesus gegeben wurde, und (an das,) was den Propheten von ihrem Herrn gegeben wurde. Wir machen keinen Unterschied bei jemandem von ihnen, und wir sind Ihm ergeben. (Siehe auch 2:285 und 3:84)

 

Der Koran erwähnt eine angebliche Verfälschung der Tora oder des Evangeliums in keinem Vers! Im Koran steht stattdessen:

 

2:121 Diejenigen, denen Wir die Schrift gegeben haben, lesen sie, wie es ihr zusteht; sie glauben daran. Wer sie jedoch verleugnet, das sind die Verlierer.

 

Der Koran hält also dazu an, die vorangegangenen Schriften richtig zu lesen. Vergessen wir nicht: Jesus selbst sagt im Evangelium, dass er zu den Menschen nur in Gleichnissen spricht (Lukas: 8:10). Laut Koran sollen die Christen nach dem urteilen, was sie im Evangelium vorfinden, und die Juden nach der Tora:

 

5:47 Und so sollen die Leute des Evangeliums nach dem walten, was Gott darin herab gesandt hat. Wer nicht nach dem waltet, was Gott (als Offenbarung) herab gesandt hat, das sind die Frevler.

5:43 Wie aber können sie dich richten lassen, während sie doch die Tora haben, in der das Urteil Gottes (enthalten) ist, und sich hierauf, nach alledem, abkehren? Diese sind doch keine Gläubigen.

 

Wir müssen also davon ausgehen, dass die Tora und das Evangelium mindestens insoweit authentisch sind, dass Juden und Christen mit ihnen urteilen können. Wenn es direkte Widersprüche mit dem Koran gibt, ist er vorzuziehen. Man muss aber auch sagen, dass diese „kritischen Stellen“, seien sie in der Tora oder im Evangelium, meistens auch Koran konform gelesen werden können und man nicht von einer Verfälschung sprechen muss. Ich möchte hier anmerken, dass die Tora und das Evangelium zu Zeiten Muhammads die gleichen Schriften waren, wie wir sie heute vorliegen haben. Traditionalisten entgegnen der Verpflichtung, die Tora ernstzunehmen, mit folgendem Vers:

 

4:46 Unter denjenigen, die dem Judentum angehören, verdrehen manche den Sinn der Worte‘ und sagen: „Wir hören, doch wir widersetzen uns“ und: „Höre ohne zu hören!“ und : „Hüte uns!“, wobei sie mit ihren Zungen verdrehen und die Religion schmähen. Wenn sie gesagt hätten: „Wir hören und gehorchen“ und: „Höre!“ und: „Schau auf uns!“, wäre es wahrlich besser und richtiger für sie. Aber Gott hat sie für ihren Unglauben verflucht. Darum glauben sie nur wenig.

 

Hier wird nur kritisiert, dass der Sinn der Worte verdreht wird und nicht die Tora selbst. Ähnlich verhält es sich, wenn mittels der Ahadith die Worte des Koran verdreht werden. Wenn wir den Vers so auslegen, also im Sinne einer direkten Verfälschung der gesamten Tora, würde es mit unzähligen Versen kollidieren, die der Tora Autorität zusprechen:

 

3:93 Alle Speisen waren den Kindern Israels erlaubt außer dem, was Israel sich selbst verbot, bevor die Tora offenbart wurde. Sag: Bringt doch die Tora bei und verlest sie dann, wenn ihr wahrhaftig seid.

5:66 Wenn sie nur die Tora und das Evangelium und das befolgten, was zu ihnen von ihrem Herrn herabgesandt wurde, würden sie fürwahr von (den guten Dingen) über ihnen und unter ihren Füßen essen. Unter ihnen ist eine gemäßigte Gemeinschaft; aber wie böse ist bei vielen von ihnen, was sie tun. (Siehe auch 5:43, 5:44, 5:68, 49:29, usw.)

4:47 O ihr, denen die Schrift gegeben wurde, glaubt an das, was Wir offenbart haben, das zu bestätigen, was euch (bereits) vorliegt, bevor Wir Gesichter auslöschen und nach hinten versetzen oder sie verfluchen, wie Wir die Sabbatleute verfluchten. Gottes Anordnung wird (stets) ausgeführt.

6:91 Sie schätzen Gott nicht ein, wie es Ihm gebührt‘, wenn sie sagen: „Gott hat nichts auf ein menschliches Wesen herab gesandt.“ Sag: Wer sandte die Schrift herab, die Moses als Licht und Rechtleitung für die Menschen brachte, die ihr zu Blättern macht, die ihr offen zeigt, während ihr vieles verbergt, und es wurde euch gelehrt, was ihr nicht wusstet, weder ihr noch eure Väter? Sage: Gott. Sodann lasse sie mit ihren schweifenden Gesprächen ihr Spiel treiben. (Siehe auch 3:71)

 

Es wird also verborgen und nicht allgemein die Schrift selbst verfälscht.
 

Auswertung

Keinesfalls verhält es sich so, dass Juden und Christen automatisch in der Hölle landen müssen. Ihnen ist aber auferlegt an den Koran zu glauben (2:99, 2:41, 3:110, 5:19, 5:68, 7:40, 7:182). Das heißt aber nicht, dass ihnen auferlegt ist, Muslime im Sinne der letzten Religion zu werden – den Koran so zu befolgen, dass somit die jüdischen und christlichen Richtlinien verlassen werden sollten und ihre Offenbarungen ungültig sind. Der Koran macht einen klaren Unterschied zwischen den Schriftbesitzern und den Gläubigen, die nach dem Koran urteilen, sieht aber beide als Gläubige an, solange der Glaube richtig ausgelebt wird. Die vorangegangenen Schriften sind primär keine sich vom Koran unterscheidenden Schriften. Deswegen fordert der Koran uns auch auf, an manchen Stellen die Kundigen der Schriftbesitzer zu befragen, wenn man manche Dinge nicht weiß (16.23, 21:7). Somit können sie ihre Riten weiter verfolgen und jeweils nach dem Evangelium oder nach der Tora urteilen (5:47, 5:43). Ihre Religion muss aber im Lichte der Berichtigungen ihrer Streitigkeiten innerhalb des Koran entsprechend ausgelebt werden, zum Beispiel durch die Ablehnung der katholischen Trinität. Bitte beachten, dass ich hier nicht von einer allgemeinen Verfälschung spreche, sondern davon, die vorangegangenen Bücher richtig zu lesen (2:121).  Zum Beispiel kann man die Bibel so lesen, dass die Trinität bestätigt wird, oder auch so, dass die Trinität keine Begründung findet. Es verhält sich sehr ähnlich, wenn wir berücksichtigen, dass der Koran zwar unverfälscht ist, aber vor dem gleichen Dilemma steht, wenn der Text falsch verstanden wurde oder man Sekundärquellen bei der Erklärung des Korans benutzt hatte, die den Sinn der Worte verdrehen. Das bedeutet somit auch, dass die Leute der Schrift den Koran, an den sie glauben müssen, auch richtig verstehen müssen. Angenommen ein Christ befolgt das Evangelium nach Gottes Richtlinien und glaubt nicht so an den Koran, wie die meisten Muslime ihn mit Ahadith auslegen, ist dieser viel besser dran als die meisten Muslime, weil er eigentlich die Ahadith ablehnt und nicht den Koran. Die Inhalte des Koran wurden ihm ja noch gar nicht vermittelt.

Im Umkehrschluss ist für die Muslime der Glaube an die Tora und das Evangelium verpflichtend – unter dem Aspekt sie richtig zu lesen, wie es bereits den Schriftbesitzern auferlegt ist (2:121). Da der Koran die letzte Offenbarung ist und die Streitigkeiten der Schriftbesitzer klärt, muss die Auslebung der Streitpunkte Koran konform sein  und tatsächlich gibt es auch nicht wenige gläubige Christen, die zum Beispiel das Dogma der Trinität ablehnen. Aber auch ist das Evangelium für die Muslime wichtig, wie Jesus zum Beispiel in Bezug zur Ehe argumentiert, und manche Muslime den Koran dennoch so auslegen, als ob man unendlich Sklavinnen ehelichen dürfe (Siehe hierzu: Sklaverei im Islam? Ein Widerspruch des Polytheismus!). Alle Angehörigen der drei abrahamitischen Religionen sitzen also im selben Boot. Dass die Tora und das Evangelium generell verfälscht sein sollen und somit keine Autorität haben, ist aus dem Koran nicht herleitbar.

 

3:64 Sag: O Leute der Schrift, kommt her zu einem zwischen uns und euch gleichen Wort: dass wir niemandem dienen außer Gott und Ihm nichts beigesellen und sich nicht die einen von uns die anderen zu Herren außer Gott nehmen. Doch wenn sie sich abkehren, dann sagt: Bezeugt, dass wir ergeben sind.

 

Ich hoffe, dass dieser Artikel einige vorgefertigte Meinungen widerlegen konnte und schließe diesen Artikel mit folgendem Koranvers ab:
 

5:48 Für jeden von euch haben Wir ein Gesetz und einen deutlichen Weg festgelegt. Und wenn Gott wollte, hätte Er euch wahrlich zu einer einzigen Gemeinschaft gemacht. Aber (es ist so,) damit Er euch in dem, was Er euch gegeben hat prüfe. So wetteifert nach den guten Dingen! Zu Gott wird euer aller Rückkehr sein, und dann wird Er euch kundtun, worüber ihr uneinig zu sein pflegtet.

 
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Satane aus Fleisch und Blut: Satan im Koran

Friede sei mit euch!

Viele Menschen haben unterschiedliche Auffassungen vom Begriff Satan (insbesondere auch vom Begriff Satan im Koran). Für manche charakterisiert das Wort die böse Energie, für andere ist es bloß eine Gestalt, welche das Böse vertritt. Darüber hinaus kursieren auch Ansichten, bei denen die Satane als menschliche Wesen empfunden werden. Dieser Annahme steht wiederum eine andere Auffassung gegenüber, dass Satane unsichtbare Gespenste, Spukgestalten sind. Es gibt teilweise auch positive Aspekte, die dem Wort Satan zugesprochen werden. Beispielsweise finden im alltäglichen Sprachgebrauch Komplimente oder Ausdrücke wie etwa „teuflisch gut“ oder „Du bist ein Teufelskerl“ Anwendung, ebenso in der Zeit des altarabischen Heidentums (جاهلية‎ – Dschāhiliyya, arabisch: Unkenntnis), in der die Unwissenheit ihren Schatten auf das Volk warf, vertraten die Araber die Auffassung, dass die Fähigkeiten der damaligen Dichter vom Satan stammten (81:22, 25:5, 37:36, 21:5, 52:30, 69:41, 81:22-25).  In diesen Versen wird dem Propheten vorgeworfen, dass er ein Dichter sei.

 

81:22 Daher ist euer Gefährte nicht verrückt

37:36 Sie sagten: „Sollen wir etwa unsere Götter aufgeben wegen eines wahnsinnigen Dichters?“

52:30 Sprechen sie etwa: «(Er ist) ein Dichter; wir wollen das Unheil abwarten, das die Zeit über ihn bringen wird»?

 

Daraus könnte man ableiten, dass die Araber dichterische Fähigkeit als eine teuflische Begabung ansahen und versuchten damit den Propheten anzuschwärzen.

 

So überzeugend die traditionellen Bedeutungen zum Begriff „Satan“ auf den ersten Blick erscheinen, so heftig kann man ihnen aber auch widersprechen, weil sie unterschiedlich verstanden und interpretiert werden können. Ist der Satan nun ein Geist oder eine real existierende Schöpfung, wie etwa der Mensch? Steht „Satan“ für eine Metapher? Gibt es nur einen Satan oder gleich mehrere? Was sind die Eigenschaften der Satane? Sind sie gar fähig, uns zu schaden? Wie schützt man sich dann vor den Satanen? Das Wort Satan interessiert die Menschen seit eh und je. Dabei erhalten Themenbereiche wie Zauberkunst, Illusion, Magie, Exorzismus oder Djinn (unsichtbares Wesen) große Aufmerksamkeit. Warum eigentlich so viel Interesse und Aufmerksamkeit für etwas Hokuspokus oder sind wir mit einer Bedrohung konfrontiert? Lässt sich dieses große Interesse darauf zurückführen, dass es einfach in der Natur des Menschen liegt, unerklärlichen Dingen große Beachtung zu schenken?

 

Der Koran offenbart, dass er erklärt und verdeutlicht (16:89, 11:1, 26:2, 6:97, 7:32 etc.). Außerdem ist die beste Erklärung im Koran zu suchen (25:33). Deshalb wenden wir uns an den Koran, um uns auch bei diesem Sachverhalt mehr Klarheit zu verschaffen. Außerdem reimen sich Menschen gerne eine Menge Unsinn über Dinge zusammen, welche sie nicht wissen, genauso beim Wort Satan. Aus diesem Grund verfolgen wir die Methode, sämtliche im Koran vorkommende Stellen als Grundlage zu nehmen:

 

2:14, 2:36, 2:102, 2:168, 2:208, 2:268, 2:275, 3:36, 3:155, 3:175, 4:38, 4:60, 4:76, 4:76, 4:83, 4:117, 4:119, 4:120, 5:90, 5:91, 6:43, 6:68, 6:71, 6:112, 6:121, 6:142, 7:20, 7:22, 7:27, 7:27, 7:30, 7:175, 7:200, 7:201, 8:11, 8:48, 12:5, 12:42, 12:100, 14:22, 15:17, 16:63, 16:98, 17:27, 17:27, 17:53, 17:53, 17:64, 18:63, 19:44, 19:44, 19:45, 19:68, 19:83, 20:120, 21:82, 22:3, 22:52, 22:52, 22:53, 23:97, 24:21, 24:21, 25:29, 26:210, 26:221, 27:24, 28:15, 29:38, 31:21, 35:6, 36:60, 37:7, 37:65, 38:37, 38:41, 41:36, 43:36, 43:62, 47:25, 58:10, 58:19, 58:19, 58:19, 59:16, 67:5, 81:25

 

Dieser Artikel behandelt nicht das Wesen des Iblis, sondern beschränkt sich allein auf das Wort „Satan“.

 

Menschen können auch Satane sein

Die Verse 114:6, 2:102, 6:112, 7:103–118, 20:69 und 26:44 zeigen uns, dass nicht ausgeschlossen werden kann, dass Menschen Satane sein können. Seien Sie aber beruhigt, später wird mithilfe zentraler Fragen erläutert, dass es keinen Grund zur Sorge gibt. Außerdem stellen in erster Linie die Menschen die Satane zufrieden, wenn sie schlechte Taten verfolgen. Falls dem wirklich so ist, können wir den Schluss ziehen, dass Menschen indirekt den Satan vertreten und uns dadurch Schaden zufügen können. Die Satane an sich sind jedoch nicht in der Lage uns etwas anzutun, es sei denn mit der Erlaubnis Gottes (58:10). Wir Menschen können zeitweise Satane und zeitweise keine Satane sein. Deshalb ist das Konzept „Satan“ dynamisch zu verstehen.

 

Eigenschaften der Satane

Das Wort „Satan“ (شَيْطان, šayṭān, deutsch: Satan, Teufel) kommt im Koran 88 Mal vor. Der Begriff „Satan“ stammt aus dem hebräischen und hat Bedeutungen wie „Widersacher“ oder „Verfolger“. Im volkstümlichen Sprachgebrauch wird auch das Wort „Teufel“ als Synonym für Satan verwendet. Außerdem kommt auch das Wort „Engel“ (الملاك – al-malāk, deutsch: Engel) 88 mal im Koran vor.  Der Hauptunterschied im Wesen liegt darin, dass Satane das Schlechte und Engel das Gute begrüßen. Deshalb sind Engel auch Helfer Gottes (18:50-51, 50:17). Außerdem verfeinden sich Menschen mit Gott, wenn sie sich mit Engeln Gottes verfeinden (2:98).

Gemäß dem Koran gibt es erstaunlicherweise keine Zeichen dafür, dass Menschen Engel sein können (43:60), jedoch können Menschen Satane sein. Satane treten im Koran unterschiedlich auf:

 

  1. Satan als Mensch:
    2:102, 7:103–118, 20:69, 26:44, 114:6
  2. Satan als Dschinn (unsichtbares Wesen):
    114:6
  3. Satane können auch (materielle, körperliche, politische …) Versuchungen sein:
    68:14, 23:5
  4. Satan als Gefühl (Zorn, Geldgier, Neid, …):
    19:83, 3:180, 2:213
  5. Satan als kulturell-soziologische Erscheinungen (fremdenfeindlich, konservativ, unkooperativ…):
    49:13, 5:104, 7:157, 2:246
  6. etc.

 

Eine Bemerkung zur Verwendung des Begriffs „Satan“ muss hier noch ergänzt werden. Satan ist ein Konzept, eine Idee, welches sich materiell wie auch immateriell verfestigen kann. Die Bedeutung des Begriffs für das Diesseits wird aus dem Koran deutlich und klar. Gilt die Metapher und Symbolik hinter dem Konzept „Satan“ auch nach dem Weltuntergang? Wird die Idee „Satan“ auch im Jenseits fortgeführt, und wenn ja, inwiefern? Fest steht, dass am letzten Tag (āḫira) die Gläubigen von jeglichen „satanischen Spuren“ gereinigt sein werden. Dies wird dann an zahlreichen Stellen deutlich wie etwa, wenn davon die Rede ist, dass im Garten Eden nur „Frieden“ gesprochen wird (2:25, 4:49, 8:11, 5:41, 20:76). Dies ist jedoch eine zutiefst philosophisch-theologische Angelegenheit, die wir in diesem Artikel nicht tiefergehend behandeln wollen.

 

Im Folgenden werden die Eigenschaften der Satane näher beleuchtet:

  • Satane können die Menschen auf die schiefe Bahn locken. (2:36; 3:155; 27:24; 43:62)
  • Aus dem Vers 2:102 lässt sich entnehmen, dass die Satane (Menschen, Dschinn, Iblis etc.) während der Herrschaft Salomons Zauberei vortrugen. Das würde bedeuten, dass Satane auch Menschen sein können. Weiterhin können wir entnehmen, dass die Satane Ableugner sind, Zauberei/Magie beherrschen und sogar didaktische Fähigkeiten haben bzw. etwas beibringen können. Sie selbst lernen jedoch von Engeln. Die Satane können mit der Zauberei niemandem Schaden zufügen, es sei denn mit der Erlaubnis Gottes. Weiterhin wird im letzten Teil des Verses offenbart, dass die Satane dazu neigen, Unnützes zu lernen. (2:102; 58:10)
  • Mehrmals wird hervorgehoben, dass die Satane (Menschen, Dschinn, Iblis etc.) die Feinde der Menschheit sind. (2:168, 2:208, 12:5, 17:53, 28:15, 35:6, 36:60, 43:62)
  • Nebst ihren Feindseligkeiten der Menschheit gegenüber, versuchen Satane (Menschen, Dschinn, Iblis etc.) Angst vor Armut zu schüren und uns zu Schlechtem zu drängen (2:268). Folgenderweise könnte die Angst angekurbelt werden:
    – Geld ist alles! Das Geld erhält einen sehr hohen Stellenwert und dessen Defizit könnte uns zu bedürftigen Menschen werden lassen.
    – Verschwende deine Zeit nicht! Das Verb „verschwenden“ hat eine wirtschaftliche Nebenbedeutung. Dabei sind in der Wirtschaft verschwenderische Handlungen mit vorhandenen Ressourcen nicht erwünscht. Diesen Sinn sollten wir jedoch mit Vorsicht genießen und nicht jede Verwendung der Zeit als eine Verschwendung einer wertvollen Ressource betrachten.
  • Die Satane (Menschen, Dschinn, Iblis etc.) können Menschen durch „Erfassung erschlagen“. (2:275) Hierbei müsste die Seele, der Verstand oder der mentale Zustand eines Menschen durch Erfassung geschlagen/geklopft/gestoßen werden. Beispielsweise wurden Adam und seine Gattin auch „durch Erfassung geschlagen“, indem Satan durch Einflüsterungen ihre Seelen beeinflusste.

 

7:20 Doch Satan flüsterte ihnen Böses ein, daß er ihnen kundtun möchte, was ihnen verborgen war von ihrer Scham. Er sprach: «Euer Herr hat euch diesen Baum nur deshalb verboten, damit ihr nicht Engel werdet oder Ewiglebende.»

 

Letzten Endes würde dies bedeuten, dass der gesunde Menschenverstand beeinflusst wird mit absurden Vorstellungen, welche den Verstand an seine Grenzen bringt. Adam und seine Gattin erlitten leider durch das Verfolgen Satans Einflüsterungen eine Niederlage (7:22). Sie waren nicht mehr in der Lage den klaren Verstand zu gebrauchen und dadurch Gottes Verbot zu beachten. Sie wurden bildlich gesehen also durch satanische Erfassung geschlagen.

  • Die Satane (Menschen, Dschinn, Iblis etc.) werden auch als Verstoßene bezeichnet. (3:36, 15:17, 16:98, 81:25)
    Hierbei sollte das Wort „radschm“ betrachtet werden. Die koranische Bedeutung von „radschm“ ist anders als das Wort traditionell verwendet wird. Üblicherweise wird der Begriff im Zusammenhang mit der Steinigung verwendet. Jedoch erscheint es dann merkwürdig, wenn der Gläubige vor der Lektüre des Korans Zuflucht suchen soll bei Gott vor dem „gesteinigten“ Satan (aš-šayṭān ar-rajīm). Gesetzt den Fall, dass ein Satan auch ein Mensch sein kann, braucht man keine Zuflucht mehr suchen vor einem gesteinigten, also im Endeffekt getöteten Menschen. Falls mit „Satan“ aber Djinn oder Iblis gemeint sein sollen, so ergibt die wörtliche Bedeutung wiederum keinen Sinn. Da der Koran das Wort anders verwendet, nämlich dass man aus einer Gesellschaft ausgestoßen/verstoßen wird, ist die Bedeutung des Wortes klarer und die anderen Verse ergeben wiederum mehr Sinn. Denn der aus Feuer erschaffene Iblis wurde verstoßen, weil er sich aus Arroganz vor dem aus Ton erschaffenen Menschen nicht beugen wollte (38:74-78). Iblis gehört auch zu den Satanen, weil er mit der Menschheit einen seelischen Krieg führen oder auch physische Kriege zwischen den Menschen auslösen will (7:11-18).
  • Satane (Menschen, Dschinn, Iblis etc.) wenden sich ab und lassen somit die Menschen bei Not im Stich (25:29, 59:16, 14:22), sowohl im Diesseits als auch am Jüngsten Tag. Jeder von uns kennt die Erfahrung, von einer gewissen Person im Stich gelassen zu werden, auch wenn man hier natürlich noch genauer differenzieren müsste. Hier wird also deutlich, dass auch Menschen Satane sein können.
  • Satane (Menschen, Dschinn, Iblis etc.) beängstigen ihre Anhänger, welche nicht glauben. (3:175)
  • Satane (Menschen, Dschinn, Iblis etc.) sind keine guten Verbündeten. (4:38)

 

Die Irreführung der Satane

Allgemein kann gesagt werden, dass die List der Satane, welche Menschen, Dschinn oder Iblis sein können, schwach ist (4:76). Satane (Menschen, Dschinn, Iblis etc.) führen Menschen in die Irre (4:60, 4:119, 25:29, 6:71, 28:15) indem sie insbesondere…

– … Menschen leere Versprechungen geben, um eitle/falsche Wünsche zu erwecken. (4:119, 4:120, 17:64, 47:25, 8:48, 14:22)

– … Menschen zu Zorn/Gehässigkeit aufstacheln. (19:83, 4:119)

– … Menschen befehlen die Schöpfung Gottes zu verunstalten (4:119). Folgende Themen könnten dabei unter diesen Punkt fallen, jedoch nicht immer pauschal: Beschneidung, Gentechnik, Bioethik usw.

– … betäubende Mittel und Glücksspiele (z.B. auch Opfersteine, Lospfeile, usw.) als Werke benutzen, um uns damit von Gott abzuhalten. (5:90, 5:91)

– … schlechte Taten als gut erscheinen lassen. (6:43, 27:24, 29:38, 8:48)

-… die Menschen Dinge vergessen lassen. (6:68, 12:42, 18:63, 58:19)

-… die Fähigkeit für prunkende/geschmückte Rede besitzen. (6:112)

-… böses zuflüstern. (7:20, 20:120, 23:97)

-… zwischen Menschen Zwietracht auslösen. (12:100, 17:53)

-… Undankbarkeit und verschwenderische Handlungen begrüßen. (17:27)

-… gegen Gott rebellieren. (19:44, 22:3, 37:7)

-… Wünsche durchkreuzen/sich dagegen stellen. Es wurden sogar die Wünsche der Propheten durchkreuzt! (22:52)

-… tauchen können und über die Fähigkeit verfügen, weitere Werke zu verrichten. (21:82, 38:37)

Das Wort „tauchen“ ist in diesem Zusammenhang sehr verblüffend. Die übertragene Bedeutung bzw. Metapher von „tauchen“ könnte für etwas Eindringendes/ Befallendes verstanden werden.

 

21:33 Und Er ist es, Der die Nacht und den Tag erschuf und die Sonne und den Mond. Sie schweben/schwimmen, ein jedes in (seiner) Sphäre.

 

Der Koran gebraucht Wörter wie „schwimmen“ in unterschiedlichen (semantischen) Ebenen. Zusätzlich mit der Tatsache, dass man die Seele auch metaphorisch als Wasser verstehen könnte, erscheint das „Tauchen“ in diesem Vers in neuem Licht, dass es sich hierbei also um Ebenen der Seele handelt und dass die Satane auch tiefgreifenden Einfluss auf die Seele des Menschen üben können. Dieser tiefgreifende Einfluss ist keine Hexerei, sondern ein Einfluss auf psychologischer Ebene. Hierbei erklärt das „böse“ oder das „negative“ Denken innerhalb der Psychologie diesen satanischen Einfluss hervorragend.

-… sich in die Gegenwart von Sündern und Lügnern begeben. (26:221–222)

-… Menschen mit Unglück und Pein schlagen können. (38:41)

Eine spezielle Verwendung des Begriffs „Satan“ ist im Vergleich des Kopfes der Satane mit der Frucht des Zaqqum Baumes (37:62–65) zu sehen. Zu diesem Zaqqum Baum existiert leider kein Bild, welches hier konsequent aufgeführt werden könnte, um eine visuelle Verdeutlichung zu gewährleisten. Gemäß den Beschreibungen im Koran wächst dieser Baum vom Grund der Hölle (37:64), wovon diejenigen in der Hölle essen sollten (37:66). Es ist die Speise der Sündigen (44:44).

 

Exorzismus und Betrügerei

Als Exorzismus bezeichnet man gemeinhin die Austreibung des Satans, welcher Menschen, Örtlichkeiten oder Tiere befallen kann. Ist alles nur blühender Unsinn? Können Satane Menschen befallen? Interessanterweise gibt es viele Anlaufstellen, welche helfen sollen, Satane zu vertreiben. Da lässt sich bedenkenlos schlussfolgern, dass es auch eine gewisse Nachfrage seitens der Menschen geben muss, damit überhaupt solche Angebote zustande kommen können. Es gibt viele Gauner, welche angeben, die Fähigkeit zu besitzen, Satane zu vertreiben.

Setzen wir hier unserem Gedankengang einen Punkt: Wieso sollten wir Satane nicht selbst vertreiben können? Warum behaupten gewisse Menschen, dass bestimmte „geistreiche“ Leute für diesen Vorgang notwendig seien? Wie wollen wir uns selbst austreiben, wenn wir auch Satane sein können?! Verleihen wir der Problematik mit ein paar zentralen Fragen mehr Klarheit:

 

Müssen wir uns vor Satanen (Menschen, Dschinn, Iblis etc.) fürchten?

 

72:13 Als wir von der Führung vernahmen, da glaubten wir an sie. Und wer an seinen Herrn glaubt, der fürchtet weder Einbuße noch Unrecht.

3:175 Nur Satan ist es, der seine Verbündete erschreckt; also fürchtet nicht sie, sondern fürchtet Mich, wenn ihr Gläubige seid.

4:76 Die da glauben, kämpfen für Gottes Sache, und die nicht glauben, kämpfen für die Sache des Bösen. Kämpft darum wider die Freunde Satans! Denn gewiss,  Satans Feldherrnkunst ist schwach.

22:52 Und Wir schickten vor dir keinen Gesandten oder Propheten, dem, wenn er etwas wünschte, Satan seinen Wunsch nicht durchkreuzte. Doch Gott macht zunichte, was Satan unternimmt. Dann setzt Gott Seine Zeichen ein. Und Gott ist allwissend, allweise.

 

Menschen brauchen keine Angst zu haben, wenn sie an Gott glauben, und nur vor Gott sollte man sich fürchten (3:175; 72:13). Außerdem sind Satane (Menschen, Dschinn, Iblis etc.) Schwächlinge (4:76). Gott vernichtet die Handlungen des Satans (22:52). Letzten Endes gibt es für die Menschen keinen Grund, sich vor dem Satan fürchten oder Personen aufsuchen zu müssen, welche sie von Satanen befreien oder schützen sollen.

 

58:10 Geheime Verschwörung ist allein von Satan, auf dass er die betrübe, die gläubig sind; doch er kann ihnen nicht den geringsten Schaden zufügen, es sei denn mit Gotts Erlaubnis. Und auf Gott sollen die Gläubigen vertrauen.

 

Die Satane an sich können Menschen keinen Schaden zufügen, es sei denn mit der Erlaubnis Gottes (58:10). Hier kann man schnell dazu neigen zu behaupten, dass die Satane dem Menschen also doch schaden können. Dies geschieht jedoch nur mit dem Willen Gottes. Betrachten wir die Sache aus der Vogelperspektive, dann können wir hier sagen, dass Gott alles erlauben und geschehen lassen kann, wenn er will (19:35, 36:82, 57:22, 4:79 etc.). Deshalb sollten Menschen ihren Verstand bewahren und nicht in Panik geraten.


Wie können wir uns vor Satanen (Menschen, Dschinn, Iblis etc.) schützen?

 

26:222 Sie fahren hernieder auf jeden gewohnheitsmäßigen Lügner und Sünder.

 

Satane können sich auf Menschen herabbegeben, welche lügen und sündigen. Sündenlose Menschen gibt es leider nicht. Trotzdem sollte man Lügen und Sünden bestmöglich vermeiden, um sich vor Satanen erfolgreich zu schützen.

 

43:36 Wer sich blind stellt und das ermahnende Buch (den Koran) nicht sieht, für den bestimmen Wir einen Satan, der ihn als Gefährte auf Schritt und Tritt begleitet.

 

Die Beschäftigung mit Gottes Offenbarung ist eine weitere Schutzvorrichtung vor Satanen (43:36). Bedauerlicherweise wird die Beschäftigung auf das unverständliche Rezitieren des Korans heruntergebrochen, was mit dem Koran nicht harmoniert. Selbstverständlich ist das Rezitieren des Korans nicht falsch oder verboten, jedoch ist das Hauptanliegen des Korans, dass wir ihn verstehen (12:2, 20:113, 39:28, 14:4, 2:219, 2:266, 38:29, 16:44, 4:43, 41:44 etc.) und ihn nicht einfach nur als Vergnügen für das Ohr gebrauchen. Hierbei spielt die Sprache keine Rolle (siehe hierzu folgende Artikel: Sprache des Koran spielt keine Rolle und Beten in der Landessprache).

 

7:200 Und wenn eine böse Einflüsterung von Satan dich anreizt, dann nimm deine Zuflucht bei Gott; wahrlich, Er ist allhörend, allwissend.

 

Im Falle, dass die Satane (Menschen, Dschinn, Iblis etc.) uns Böses einflüstern, sollten wir Zuflucht bei Gott suchen.

Zusammenfassend lässt sich Folgendes sagen: Es gibt viele Menschen, welche behaupten, uns von Satanen befreien oder beschützen zu können. Dabei werden sogar lokale Hausbesuche abgestattet, um das Befallene von Magie, Zauberei oder anderen Hexereien zu reinigen. Wir müssen wissen, dass es keine Furcht vor Satanen braucht (72:13; 4:76; 3:175; 22:52). Infolgedessen erübrigt sich also jeglicher Gang zu solchen Anlaufstellen. Außerdem benötigen wir für den Schutz gegen Satane gemäß Koran keine befähigte Person, welche uns davor schützen oder befreien kann, denn der Glaube an Gott (72:13), das Fernhalten von Sünden und Lügen (26:222), die Suche nach Zuflucht bei Gott bei Satanseinflüsterungen (7:200) und die Auseinandersetzung mit dem Koran (43:36) in einer verständlichen Sprache  (12:2, 20:113, 39:28, 14:4, 2:219, 2:266, 38:29, 16:44, 4:43, 41:44 etc.) schützen uns am besten vor den Satanen.

 

Hier lässt sich ein feiner aber wichtiger Unterschied beobachten, der in folgendem Absatz (LINK: 10 Fragen und Antworten zum Islam) zusammengefasst wird von Bruder Kerem:

 

Der Teufel ist laut Koran keine Person oder kein fixes Wesen außerhalb von uns. Er steht eher für den Mangel an Gutem in uns; er ist unsere schlechte Seite, die schlecht zu uns redet. Der Teufel unterliegt jedoch der Kontrolle Gottes, wenn wir also mit reinem Herzen an Gott und an Seine Barmherzigkeit glauben, müssen wir den Teufel nicht fürchten. […] Der Koran zeigt uns, dass wir Zuflucht bei Gott suchen sollen vor dem Teufel, also vor den eigenen Mängeln, die wir wegen dem “Teufel in uns” (und auch um uns) haben – damit z. B. eine Arbeit nicht von diesen Einflüssen belastet wird, um möglichst objektiv zu sein. Der Teufel ist das Abgleiten vom Weg des Lichts – die Versuchung dem Materiellen zu erliegen, statt sich auf Gott zu konzentrieren. Deshalb suchen wir Zuflucht vor dem Teufel, damit unser Herz möglichst rein ist. […]

 

Zauberei

 

7:116 Er antwortete: «Werfet ihr hin!» Und da sie geworfen hatten, bezauberten sie die Augen der Leute und versetzten sie in Furcht und brachten einen gewaltigen Zauber hervor.

20:66 Er sprach: «Nein; werfet nur ihr!» Da siehe, ihre Stricke und ihre Stäbe erschienen ihm, durch ihre Zauberei, als ob sie umherliefen.

 

Im Koran wird deutlich, dass Zauberei/Magie die Kunst des Beeindruckens ist. Es ist also eine Art Illusion, welche die Menschen in große Furcht versetzen kann.

 

20:69 Wirf nur, was in deiner Rechten ist; es wird verschlingen, was sie gemacht haben, denn das, was sie gemacht haben, ist nur eines Zauberers List. Und ein Zauberer soll nicht Erfolg haben, woher er auch kommen mag.»

10:77 Moses sprach: «Sagt ihr (solches) von der Wahrheit, nachdem sie zu euch gekommen ist? Ist das Zauberei? Und die Zauberer haben niemals Erfolg.»

10:81 Als sie dann geworfen hatten, sprach Moses: «Was ihr gebracht habt, ist Zauberei. Gott wird sie sicherlich zunichte machen. Denn wahrlich, Gott lässt das Werk derjenigen, die Verderben stiften, nicht gedeihen.

20:73 Wir glauben an unseren Herrn, auf dass Er uns unsere Sünden vergebe und die Zauberei, zu der du uns zwangst. Gott ist der Beste und der Beständigste.»

 

Aus diesen Versen wird deutlich, dass Zauberer Menschen nur überlisten/täuschen (20:69). Zusätzlich beseitigt der Koran die Furcht vor Magie und Zauberei, welche Menschen in große Angst versetzen können, weil schlicht und ergreifend Zauberer erfolglos bleiben (20:69, 10:77, 10:81). Wir fragen uns, warum Menschen immer noch gewisse „gesegnete“ Zauberer für die Lösung ihrer Probleme aufsuchen, obwohl die Offenbarung zeigt, dass Zauberer erfolglos sein werden.

 

Zuletzt möchte ich noch folgenden erstaunlichen Vers mit auf den Weg geben:

 

25:30 Und der Gesandte wird sprechen: «O mein Herr, mein Volk hat wirklich diesen Koran von sich gewiesen.»

 

Dieser eindrucksvolle Vers zeigt sehr deutlich, dass die Menschen den Koran aus ihrem Leben verdrängen werden.

Liebe Leserinnen und Leser, versuchen wir doch gemeinsam diesem Vers entgegenzuwirken und den Koran aus dem verstaubten Regal wieder ins Leben zurückzurufen! Prahlen wir doch lieber mit der Tat, dass wir den Koran in einer verständlichen Sprache lesen und nicht nur damit, dass wir ihn an der höchsten Stelle in unseren Wohnungen deponieren und perfekt rezitieren.

 

Möge Gott uns alle rechtleiten!

Und sie sagen der Koran reicht aus! (4/4)

Gegenargumente der Sunnaanhänger

 

Im dritten Artikel sind wir der Frage nachgegangen ob Gott seine Befehlsgewalt teilt. Jetzt werden wir auf die Gegenargumente der Sunnaanhänger eingehen, die gerne aufgeführt werden, um die Sunna des Tirmidhi, des Bukhary, des Ibn Madscha, des al-Kulaini, des Abu Dawud etc. im Koran zu bestätigen:

 

33:21 Ihr habt ja im Gesandten Gottes ein schönes Vorbild

 

Es wird gefragt, wie man diesem Beispiel folgen kann, ohne eine Quelle zu haben, in der beschrieben ist, wie sich der Gesandte verhielt. Dies wird im folgenden Artikel ausführlicher behandelt: Koranischer oder sunnitischer Mohammed.

Aber schauen wir uns mal den Vers genauer an und auch den gesamten Vers:

 

33:21 Ihr habt ja im Gesandten Gottes ein schönes Vorbild, für einen jeden, der auf Gott und den Jüngsten Tag hofft und Gottes viel gedenkt.

 

Hier ist vom Gesandten die Rede, dessen einzige Pflicht die Verkündigung der Botschaft ist:

 

29:18 Und dem Gesandten obliegt nur die deutliche Übermittlung (der Botschaft).

16:35 Obliegt denn den Gesandten etwas anderes als die deutliche Übermittlung (der Botschaft)?

 

Dies kommt mehrfach im Koran vor und wird auch auf alle Gesandten ausgeweitet (16:35). Die Gesandten haben also nur die Botschaft zu übermitteln.

Eine der vorbildlichen Eigenschaften des Gesandten war es, dass er nur den Koran befolgte (7:203). Wenn wir seinem Vorbild folgen möchten, dann gilt für uns auch, dass wir nur die Botschaft (des Koran) ins eigene Leben übertragen und ebenso an unsere Mitmenschen übermitteln ohne eine Missionierung zu betreiben.

Wir müssen, wie schon früher erwähnt, uns auch daran erinnern, dass der Prophet nicht uneingeschränkt als positives Vorbild dient:

 

9:43 Gott verzeihe (es) dir! Warum hast du ihnen (denn gleich) Dispens gegeben, noch bevor du über diejenigen Klarheit bekommen hattest, die die Wahrheit sagten, und (bevor) du wusstest, wer die Lügner waren?

66:1 O Prophet, warum verbietest du, was Gott dir erlaubt hat, indem du da
trachtest, die Zufriedenheit deiner Gattinnen zu erlangen? Und Gott ist
Allvergebend und Barmherzig.

 

Im Koran wird der Charakter des Propheten an vielen Stellen umschrieben. Auch er war dem Glauben verpflichtet und hatte sich nur Gott zu unterwerfen. Der Prophet wird an mehreren Stellen ermahnt nicht seinen Neigungen nach zu handeln (2:120, 2:145, 4:135, usw.). Schließlich wäre eine menschliche Sunna, wie schon bereits erwähnt, nicht vollkommen wie Gottes Worte. Wir Menschen dürfen laut Koran keinen Unterschied unter den Gesandten machen (2:285), also können wir uns nicht auf einen einzigen beschränken und nur diesen als Vorbild nehmen. Wir haben laut Koran auch an Abraham ein schönes Vorbild (60:4), und offensichtlich wurde uns keine „Sunna Abrahams“ überliefert. Der Koran beschreibt die vorangegangenen Propheten in ihren Geschichten und genau da sind ihre Beispiele und Vorbildfunktionen zu finden:

 

12:3 Wir berichten dir die schönsten Geschichten dadurch, dass Wir dir diesen Koran (als Offenbarung) eingegeben haben, obgleich du zuvor wahrlich zu den Unachtsamen gehörtest.

12:111 Gewiss war in ihren Geschichten eine Lehre (ibret) für die Verständigen. …

 

Es gibt keinen Vers im Koran, wonach Aḥādīṯ Lehren beinhalten oder Geschichten, die man dort lesen soll. Des Weiteren führen traditionell eingestellte Muslime gerne folgenden Vers an:

 

59:7 … Was nun der Gesandte euch gibt, das nehmt; und was er euch untersagt, dessen enthaltet euch. …

 

Hier soll also die „Sunna“ gemeint sein, die über den Gesandten gesammelt sein soll. Doch wenn man den Kontext des Verses anschaut, wird schnell klar, dass hier was völlig anderes gemeint ist:

 

59:7 Was Gott Seinem Gesandten von den Bewohnern der Städte als kampflose Beute zugeteilt hat, das gehört Gott, Seinem Gesandten und den Verwandten, den Waisen, den Armen und dem Sohn des Weges. Dies, damit es nicht nur im Kreis der Reichen von euch bleibt. Was nun der Gesandte euch gibt, das nehmt; und was er euch untersagt, dessen enthaltet euch. Und seid Gottes achtsam. Gewiss, Gott ist hart im Bestrafen.

 


Hier geht es also um die Beuteaufteilung, die von Gott dem Gesandten zugeteilt wird. Es wird nicht pauschal mitgeteilt, dass wir das Verhalten des Propheten blindlings annehmen sollen. Das Prinzip der Nachahmung (at-taqlīd) in der traditionellen Betrachtungsweise hat hier keinen Bestand. Vielmehr ist es so, dass der Gesandte Gottes von Gott eben Anordnungen mittels Offenbarungen erhält, die er zu verkünden und zu übermitteln hat. Diesen Anordnungen müssen wir Folge leisten, und genau in dem Sinne ist dann der Ausdruck „Was nun der Gesandte euch gibt, das nehmt; und was er euch untersagt, dessen enthaltet euch.“ zu verstehen. Genau so und nicht anders wird dann auch der Schlusssatz im Vers besonders bedeutsam, indem wieder auf Gott hingewiesen wird, dass wir Gottes achtsam sein sollen.

Einer der weiteren häufig angeführten Verse ist 16:44:

 

16:44 … Und Wir haben zu dir die Ermahnung hinab gesandt, damit du den Menschen klar machst, was ihnen herabgesandt wurde, und auf dass sie nachdenken mögen.

 

Hiermit wird behauptet, dass der Ausdruck „damit du klar machst“ meine, der Gesandte brächte außerkoranische, zusätzliche eigene Erklärungen. Der Vers sei ein klarer Beweis dafür, dass wir das Verhalten und die Ansichten des Propheten zu befolgen hätten, um den Koran vollends zu verstehen. Wenn wir diesen Vers auf diese Weise auslegen, widerspricht dies den zuvor genannten Versen, die Gott die alleinige absolute Autorität zusprechen. Darüber hinaus lassen die Verse 75:19, 25:33 und 55:2 keinen anderen Schluss zu, als dass in erster Linie Gott den Koran erklärt. Er hat uns den Koran vollständig herabgesandt (6:114, 5:3). Sein Buch ist in Wahrheit und Weisheit vollkommen (6:115), und deshalb sollte der Prophet nur nach dem urteilen, was darin steht (5:44,48). Es herrscht Einigkeit, was diese Frage betrifft.

Schaut man 20 Verse weiter sehen wir in 16:64 folgendes stehen:

 

16:64 Und Wir haben auf dich das Buch nur hinabgesandt, damit du ihnen das klar machst / erklärst, worüber sie uneinig gewesen sind, und als Rechtleitung und Barmherzigkeit für Leute, die glauben.

 

Dieser Vers macht eindeutig klar, dass die einzige Funktion des Propheten/Gesandten in Beziehung zum Koran nur die Übermittlung ist. Auch hier wird wie in 16:44 das Wort “Litubayyina” benutzt muss aber in der Bedeutung von “klar übermitten” verstanden werden, denn selbst wenn man mit “erklären” (im Sinne von ausführlich verständlich machen durch den Propheten) übersetzen will, ist dies nur mit dem Koran zu tun. 16:64 lässt nämlich nur eine Möglichkeit zu: “Und Wir haben auf dich das Buch nur hinabgesandt…” und die einzige Bedingung ist dann die Erklärung oder die Klarmachung von dem “…worüber sie uneinig gewesen sind,..“ aber auch eben nur mit dem Koran, denn nur dazu wird er hinabgesandt. Würde man in diesem Vers mit “erklären” im Sinne von “zu verstehen machen” übersetzen, also dass der Prophet eigenmächtig den Koran auslegen muss damit der Koran verständlich wird, würde das dem Sinn des Verses widerprechen, den einzigen Grund warum der Koran hinabgesandt wurde. Folgender Vers unterstreicht diese These:

 

69:44-47 Und wenn er sich gegen Uns einige Aussprüche selbst ausgedacht hätte,  hätten Wir ihn sicherlich an der Rechten gefaßt und ihm hierauf sicherlich die Herzader durchschnitten, und niemand von euch hätte (Uns) dann von ihm abhalten können.

 

Aus dem Koran wird ersichtlich, dass der Gesandte damals eine untergeordnete Rolle zu spielen hatte, sofern es die Auslegung und Interpretation der Schrift betraf. So steht in 10:15, dass er den Koran nicht aus eigenem Antrieb ändern dürfe. Wie oft wird der Prophet angehalten, nicht seinen Neigungen zu folgen und der Offenbarung allein zu folgen (2:120, 2:145, 5:48, 7:3, 10:15, 46:9, usw.) ? Des Weiteren wird aus 25:33 nochmals deutlich, dass er eine passive Rolle innehatte, da die besten Erläuterungen (aḥsan tafsīr) ihm als Offenbarungen weitergegeben wurden. Wir können also dem Propheten nacheifern, indem wir unsere religiösen Antworten nur in der Offenbarung suchen.

Das Verb „erklären“ oder auch „klarmachen“ ist sowohl auf Arabisch als auch auf Deutsch mehrdeutig. So wie die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ keine ausführliche, in jeglicher Hinsicht ausformulierte Erklärung meint, sondern eine Erklärung im Sinne einer Verkündigung, verhält es sich ähnlich mit dem Aufruf an den Gesandten, den Koran zu „erklären“, ihn also nicht zu verbergen. Mit dieser „Erklärung“ wird die Grundidee einer zu vermittelnden Botschaft dargelegt, wie eben im Falle der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, die selbst nochmals juristisch für jeden Staat neu ausgelegt werden. Wir belegen unsere Behauptung durch den Wortgebrauch im folgenden Vers:

 

3:187 Und als Gott die Verpflichtung derer entgegen nahm, die die Schrift erhielten: Ihr müsst sie den Leuten klarmachen (latubayyinunnahu) und dürft sie nicht (vor ihnen) verborgen halten (taktumūnahu)! …

 

Demnach ist es klar, dass dieser Vers zwei gegensätzliche Verben beinhaltet:

  • bayyana: proklamieren, sichtbar machen, zeigen, etc…
  • katama: verbergen, unsichtbar machen, verstecken, etc…

Wenn wir auf Arabisch „Dschā’anā albayān al-tāly“ (جاءنا البيان التالي) sagen, so bedeutet dies „Zu uns kam folgende Verkündigung.“ Hier wird al-bayān als „Verkündigung“ verstanden. Die Wurzel des Verbes bayyana besteht aus den drei Buchstaben bā-yā-nūn. In ihrem Kern sagt diese Wurzel aus, dass etwas „klar“ ist. Deshalb werden Wörter wie „Erklärung“ oder „Klarheit“ mit dieser Wurzel verbunden. Und der Koran selbst trägt den Beinamen „al-qur’ān al-mubīn“: der klare, offenkundige, nicht verborgene Koran. Die Wurzel wird auch für die Wiedergabe des Wortes „Beweis“ gebraucht, so z.B. in al-bayyinah. Weil die Angelegenheit so klar ist, wird diese Angelegenheit selbst als „Beweis“ angeführt. Dies alles zusammengefasst erklärt die Grundbedeutung der Wurzel, dass es sich um eine Klarheit handelt und nicht um eine Erläuterung (tafsīr). Dass Gott Seinen Koran „klar“ bezeichnet, wird auch insofern deutlich, wenn die Verse 54:17,22,32,40 berücksichtigt werden, die alle in ihrem Wortlaut dasselbe aussagen: der Koran wurde zum Nachdenken einfach gemacht, so gibt es jemanden, der dies bedenkt? (Siehe auch folgende Verse: 11:1, 12:111, 16:89, 41:3.)

Zusammengefasst lässt sich also sagen, dass der Koran kein verborgenes, unverständliches, irgendwelche Erklärungen benötigendes Buch ist, sondern im Gegenteil, das Buch Gottes wird als klar oder deutlich (mubīn), ausführlich detailliert (mufaṣṣal), leicht (yasīr) zu bedenken und vollständig (mutimm) bezeichnet. Fernab jeglicher Unvollkommenheit und Unklarheit, die durch den Gesandten weiter erklärt werden müsste! Ausführlichere Informationen hierzu finden Sie im Artikel: Widerlegung von weshalb ist es notwendig den Koran im historischen Kontext zu verstehen

Es sei nochmals betont, dass der Koran an unzähligen Stellen klar macht (es also mubīn wird), dass Gott allein die Entscheidung obliegt (42:10, 42:21).
Ein weiterer missdeuteter Vers ist 75:19, welcher gerne im unmittelbaren Kontext dahingehend interpretiert wird, dass hier nicht der Koran gemeint sei, sondern das Buch des Menschen, welches er am jüngsten Tag bekommt, in dem alle seine Taten verzeichnet sein werden. Folgender Vers widerlegt diese Ansicht:

 

17:14 Lies dein Buch! Du selbst genügst heute als Abrechner über dich.

 

Also bedarf es keiner Erklärung seitens Gottes, um „das Buch des Menschen“ am jüngsten Tag erklären zu müssen – er selbst genügt seiner selbst. Deshalb muss in 75:19 der Koran gemeint sein.
Es gibt noch einen Vers, mit welchem die Traditionalisten die Sunna sogar mit der Offenbarung gleichzusetzen:

 

53:1-3 Bei dem Stern, wenn er sinkt! Nicht in die Irre geht euer Gefährte, und auch nicht einem Irrtum ist er erlegen, und er redet nicht aus (eigener) Neigung.

 

Auf diese Wiedergabe dieses Verses und dem soeben erwähnten Argument, die Offenbarung und die Sunna seien auf gleicher Stufe, ist die Antwort einfach zu geben, indem lediglich der nächste Vers gelesen wird:

 

53:4 Es ist nur eine Offenbarung, die eingegeben wird.

 

Weitere Quellen neben Gottes Wort können nicht als Offenbarung gelten, weil dies mittelbar und unmittelbar durch Gott selbst klargemacht wird. Insofern kann auch die traditionell überlieferte Sitte, die dem Propheten untergejubelt wird, keine Offenbarung sein:

 

45:6 An welchen Hadith nach Gottes und Seinen Zeichen/Versen wollen sie denn glauben?

77:50, 7:185 An welchen Hadith nach diesem wollen sie denn glauben?

69:44-46 Und wenn er sich gegen Uns einige Aussprüche selbst ausgedacht hätte, hätten Wir ihn sicherlich an der Rechten gefasst und ihm hierauf sicherlich die Herzader durchschnitten, und niemand von euch hätte (Uns) dann von ihm abhalten können.

 

In diesen Versen wie auch in anderen (z.B. 12:111) wird verdeutlicht, dass Gottes Hadith mit keinen anderen Ahadith gleichgestellt werden können, da letztere erfunden sind (iftira; 12:111). So sind außerkoranische Aussagen keine Offenbarungen und wie wir bereits an Beispielen gezeigt haben, war der Prophet nicht sündenfrei. Er beging mehrere Fehler. Eine Offenbarung hingegen ist fehlerfrei und makellos:

 

41:41-42: Diejenigen, die nicht an die Ermahnung glauben, wenn sie zu ihnen kommt (sind die Verlierenden). Und fürwahr, es ist ein ehrwürdiges Buch. Falschheit kann nicht daran herankommen, weder von vorn noch von hinten. Es ist eine Offenbarung von einem Allweisen, Preiswürdigen.

 

Dem Gesandten ist zu folgen und zu gehorchen, aber wie?

Nächster Punkt der Traditionalisten ist, dass man dem Gesandten folgen soll und dass durch die schriftliche Sunna, die erst 200 Jahre nach dem Ableben des Propheten verfasst wurde, die Möglichkeit hierfür gegeben sei. Fest steht: Wir müssen dem Gesandten folgen und ihm gehorchen, damit wir Gott gehorchen können (2:143, 3:20, 3:31, 24:54, 2:129, 3:164, 4:80 und 62:2). Nur wie folgen wir ihm? Das wird im Koran geklärt. Der Prophet folgte nämlich nur dem was ihm offenbart wurde (6:50, 6:106, 7:203, 10:15, 33:2, 46:9). Allgemein wird im Koran betont, dass das blinde Nachahmen der Vorväter, in unserem Falle unsere Vorväter wie Bukḫary oder Al-Shāfiʾī, uns eher davon abhalten wird, die Botschaft des Koran zu begreifen, um unsere Seelen durch ihn zu reformieren (2:170, 31:21, 6:155, 3:53). Doch der wichtigste Vers in dieser Angelegenheit ist der folgende, der sowohl an unseren Propheten als auch an uns gerichtet ist:

 

7:3 Folgt dem, was zu euch von eurem Herrn herabgesandt worden ist, und folgt außer Ihm keinen (anderen) Schutzherren! Wie wenig ihr bedenkt!

 

Anzumerken ist hier noch weiter, dass nicht dem Gesandten die Rechtleitung obliegt, sondern Gott rechtleitet. Also selbst mit dem Wissen, wie sich der Prophet angeblich verhalten haben soll (die Quellen der Aḥādīṯ sind nicht zweifelsfrei), können wir nicht sicher sein, dass wir dadurch die Rechtleitung erhalten (2:272, 28:56). Hieraus wird klar, dass Gott im Gesandten seinen Vertreter sieht und das nur so die eben angeführten Verse einen logischen Sinn ergeben können. Weitere Antworten zu dieser Frage lassen sich unter  Was bedeutet „Gehorcht dem Gesandten und unter Ist Vielfalt die Antwort? finden.

 

Schlussbemerkung

Wir konnten anhand eindeutiger Verse belegen, dass der Koran vollständig ist und diese Verse wiederum mit anderen Versen in Übereinstimmung stehen, in denen zum Beispiel dem Propheten aufgetragen wird, nur nach dem Koran zu urteilen. Wir haben auch belegt, dass Gott seine Befehlsgewalt mit niemandem teilt und dass das Urteil (bei religiösen Angelegenheiten) Gott allein gebührt. Manche andere Verse, die angeblich eine Sunna legitimieren sollen, wurden durch den Kontext innerhalb des Korans widerlegt.
Gerne wird von traditionell orientierten Muslimen widersprochen, dass die Gelehrten hier oder dort einen Konsens hätten. Erstens ist hier anzumerken, dass es diesen „Konsens“ nicht gibt. Zweitens wird im Koran die Tradition mehrfach kritisiert und es wird dazu ermahnt, sich auf die Wahrheit immer wieder neu einzustellen:

 

3:81 Und als Gott mit den Propheten ein Abkommen traf: Was immer Ich euch an Büchern und Weisheit gebracht habe -, und danach ist zu euch ein Gesandter gekommen, das bestätigend, was euch (bereits) vorliegt, an den müsst ihr ganz gewiss glauben und dem müsst ihr ganz gewiss helfen. Er sagte: „Erklärt ihr euch einverstanden und nehmt ihr unter dieser (Bedingung) Meine Bürde an?“ Sie sagten: „Wir erklären uns einverstanden.“ Er sagte: „So bezeugt es, und Ich gehöre mit euch zu den Zeugnis Ablegenden.“

 

Dazu siehe auch:

 

33:7 Und (gedenke,) als Wir von den Propheten ihr Versprechen abnahmen, und auch von dir und von Nuh, Ibrahim, Musa und ‚Isa, dem Sohn Maryams; Wir nahmen ihnen ein festes Versprechen ab,

2:170 Und wenn man zu ihnen sagt: „Folgt dem, was Allah herabgesandt hat“, sagen sie: „Nein! Vielmehr folgen wir dem, worin wir unsere Väter vorgefunden haben.“ Was denn, auch wenn ihre Väter nichts begriffen und nicht rechtgeleitet waren? (Siehe auch: 5:104, 6:148, 7:70-71)

 

All dies war nur theologische Theorie, aber wie wirkt es sich auf Menschen aus, die schon immer mit der Sunna gelebt haben? Von ihnen wird hier sehr viel abverlangt. Nur zu gut verstehe ich eine Abwehrreaktion, um zu versuchen, eine Sunna zu legitimieren. Nicht wenige werden diesen Artikel eher aus persönlichen als aus inhaltlichen Gründen ablehnen. Man wird Ahadith heranziehen, um zu versuchen die genannten Verse zu entkräften. Nur dort setzt ja meine Argumentation an – darf man andere Quellen einsetzen oder nicht? Darauf wird dann oft mit Ahadith geantwortet um diese zu belegen – also ein klassischer Zirkelschluss. Wobei auch gerne verschwiegen wird, dass es auch Ahadith gibt, die ihre eigene Autorität rigoros verwerfen – also Ahadith als Quelle ausschließen – verbieten. Meine Frage, auf die ich in diesem Artikel eine Antwort zu finden versucht habe ist: Erlaubt letztendlich der Koran selbst andere Quellen überhaupt? Die Antwort darauf bleibt primär eine Einstellungssache bei den meisten Gläubigen. Doch bin ich fest davon überzeugt, dass wenn wir Muslime uns an den Koran alleine gehalten hätten, ihm seine Lebendigkeit gelassen hätten, uns viele Probleme und Sorgen erspart geblieben wären. Es bleibt die Frage für Sunnaanhänger ob Gottes Wort allein ausreicht oder ob man dem Propheten Autorität gibt außerhalb seiner Gesandtschaft, Gottes Befehlsgewalt also teilt.

 

17:111 Und sag: (Alles) Lob gehört Gott, Der Sich keine Kinder genommen hat, und es gibt weder einen Teilhaber an Seiner Herrschaft, noch benötigt Er einen Beschützer vor Demütigung. Und verherrliche Ihn doch als den Größten!

 

Ich möchte den Artikel mit folgendem Vers abschließen:

 

3:79 Es darf nicht sein, dass Gott einem Menschen die Schrift, Urteilsfähigkeit und Prophetie gibt und dieser daraufhin zu den (anderen) Menschen sagt: Wendet eure Verehrung mir zu, statt Gott! Seid vielmehr (damit zufrieden) Rabbiner (zu sein) indem ihr (eure Glaubensgenossen) die Schrift lehrt und (selber darin) forscht!

 

Es wurden schon viele Artikel zu diesem Themenkomplex auf dieser Seite geschrieben. Aus einigen davon wurde auch hier zitiert. Hier nochmals eine Liste zur vertieften Lektüre:

 

Koranischer oder sunnitischer Mohammed

Was bedeutet „Gehorcht dem Gesandten“?

Allein Gott lehrt und erklärt den Koran

Hadith – die Frage der Authentizität

Hadith – der Feind im Inneren

Traditionelle Islamologie

Vogel, dieser Vogel

Al-Shafiʾīs Koranexegese

Zuverlässigkeit der Ahadith

– Auszüge aus der Hadith-Literatur

– Das Buch: Koran, Hadith und Islam

– Das Buch: Die erfundene Religion und die Koranische Religion

– Der geschichtlich verfälschte historische Kontext des Koran

– 40 einfache Fragen für Sunniten

Und sie sagen der Koran reicht aus! (3/4)

Teilt Gott seine Befehlsgewalt?

 

Im zweiten Artikel haben wir bisher gesehen, dass das Urteil allein Gott zusteht. Es lässt sich aber die Frage stellen, ob Gott denn seine Befehlsgewalt weiter delegiert und in dem Sinne dann Gott Seine Befehlsgewalt indirekt wirken lässt? Gibt es also noch andere Verse, die die Einheit und alleinige Autorität Gottes untermauern und somit die vorige Frage verneinen? Es werden jetzt Verse vorgestellt, die besonders die alleinige Autorität Gottes hervorheben, indem gerade betont wird, dass Er seine Befehlsgewalt nicht aufteilt:

 

18:26 Sag: Gott weiß am besten, wie (lange) sie verweilten. Sein ist das Verborgene der Himmel und der Erde. Wie vorzüglich ist Er als Allsehender, und wie vorzüglich ist Er als Allhörender! Sie haben außer Ihm keinen Schutzherrn, und Er beteiligt an Seinem Urteil (ḥukmihi) niemanden.

11:12 Vielleicht möchtest du einen Teil von dem, was dir (als Offenbarung) eingegeben wird, auslassen und deine Brust ist dadurch beklommen, und dies, weil sie sagen:„Wäre doch ein Schatz auf ihn herabgesandt worden oder ein Engel mit ihm gekommen!“ Du aber bist nur ein Warner. Und Gott ist Sachwalter über alles.

12:40 Ihr dient außer Ihm nur Namen, die ihr genannt habt, ihr und eure Väter, für die Gott (jedoch) keine Ermächtigung herabgesandt hat. Das Urteil (ḥukm) ist allein Gottes. Er hat befohlen, dass ihr nur Ihm dienen sollt. Das ist die richtige Religion. Aber die meisten Menschen wissen nicht.

6:57 Sag: Ich halte mich an einen klaren Beweis von meinem Herrn, während ihr Ihn der Lüge bezichtigt. Ich verfüge nicht über das, was ihr zu beschleunigen wünscht. Das Urteil gehört allein Gott. Er berichtet die Wahrheit, und Er ist der Beste derer, die entscheiden.

 

Die vier oben genannten Verse machen mit Aussagen wie „Das Urteil (ḥukm) ist allein Gottes“,„und Er beteiligt an Seinem Urteil (ḥukmihi) niemanden“ oder „Und Gott ist Sachwalter über alles“ klar, dass weitere Quellen neben Gottes Worten keine Autorität haben können. Sie unterstreichen die alleinige Autorität Gottes und zeigen auf, dass es nur die Sunna Gottes gibt. Wenn wir uns die Frage stellen, welche Befugnisse der Gesandte durch Gottes Worte, also durch den Koran erhält, so finden wir unter anderem folgende Verse dazu:

  • Dem Gesandten obliegt nur die Verkündigung. (5:92, 64:12)
  • Der Gesandte ist nur ein Warner. (88:21, 79:45, 13:7, 11:12) 
  • Der Gesandte hat die Botschaft klar zu übermitteln. (16:44)

Die Aufgaben des Gesandten, nur zu verkünden und Warner zu sein, bedeuten dasselbe, denn der Prophet sprach Gläubige und Ableugner an. Für Gläubige ist es eine frohe Botschaft, eine Verkündung, für die Ableugner aber eine Warnung:

 

6:70 … Und ermahne durch ihn (den Koran), damit sich keine Seele für das, was sie verdient hat, dem Verderben ausliefert.

 

Der Bezug zum Koran wird in den Versen 6:54 und 6:55 klar.

 

18:56 Wir senden die Gesandten nur als Verkünder froher Botschaft und als Überbringer von Warnungen.

 

Der Koran geht mit Menschen, die die Zeichen Gottes ablehnen, hart ins Gericht:

 

2:39 Diejenigen aber, die ablehnen und Unsere Zeichen für Lüge erklären, das sind Insassen des (Höllen)feuers. Ewig werden sie darin bleiben.

3:11 Nach der Art der Leute Pharaos und derjenigen vor ihnen: Sie erklärten Unsere Zeichen für Lüge, und da ergriff sie Gott für ihre Sünden. Und Gott ist streng im Bestrafen.

4:56 Diejenigen, die Unsere Zeichen verleugnen, werden Wir gewiss einem Feuer aussetzen. Jedes Mal, wenn ihre Haut verbrannt ist, tauschen Wir sie ihnen gegen eine andere Haut aus, damit sie die Strafe kosten. Gott ist Allmächtig und Allweise.

 

Es gibt viele Stellen im Koran, in der die Leugnung der Zeichen (Verse), wie auch aus den obigen Zitaten zu entnehmen ist, mit dazugehörigen Strafen in Verbindung gebracht werden. Aber es gibt keine einzige Kritik dahingehend, Quellen außerhalb des Korans zu verwerfen. Im Gegenteil – der Koran ist gegenüber Aḥādīṯ ablehnend:

 

7:185 An welchen Hadith nach diesem wollen sie denn glauben?

77:50 An welchen Hadith nach diesem wollen sie denn glauben?

45:6 Dies sind Gottes Zeichen, die Wir dir der Wahrheit entsprechend verlesen. An welche Aussage (ḥadīṯ) nach (derjenigen) Gott(es) und Seinen Zeichen wollen sie denn (sonst) glauben?

 

Auch gibt es Verse, die eine frohe Botschaft denen verkünden (9:124, 10:2, 10.64, 16:89, usw..), die an die Verse des Korans glauben. Warum gibt es solche Botschaften nicht auch für Aḥādīṯ außerhalb des Korans?

Es gibt Verse über jene, die ablehnend gegenüber den Zeichen (Versen) des Korans sind (2:99, 29:18, 36:15, 42:48, usw). Aber warum kritisiert uns Gott an keiner Stelle im Koran, wenn eine Ablehnung der Aḥādīṯ bezeugt werden würde, sondern nur bei der Ablehnung der Schrift? Erinnern wir uns nochmal an folgenden Vers:

 

5:48 Und Wir haben zu dir das Buch mit der Wahrheit hinabgesandt, das zu bestätigen, was von dem Buch vor ihm (offenbart) war, und als Wächter darüber. So richte zwischen ihnen nach dem, was Gott herabgesandt hat, und folge nicht ihren Neigungen entgegen dem, was dir von der Wahrheit zugekommen ist.

 

Nirgends steht im Koran, dass der Prophet mit den Aḥādīṯ richten soll. Er soll den Koran rezitieren und verkünden, nicht selbst ausgedachte Aḥādīṯ. Nicht umsonst beschwert sich der Prophet in Vers 25:30 am jüngsten Tag, dass sein Volk den Koran verlassen hat, aber wir finden keine einzige Beschwerde wie: “Oh Herr, mein Volk hat meine Aḥādīṯ verlassen!” … oder: “Oh Herr, mein Volk hat meine Sunna abgelehnt”.

Es gibt noch viele weitere Verse, die die alleinige Autorität Gottes hervorheben, wir wollen hier nur mit drei Versen diese Angelegenheit ein letztes Mal verdeutlichen:

 

12:67 Das Urteil (ḥukm) ist allein Gottes. Auf Ihn verlasse ich mich; und auf Ihn sollen sich diejenigen verlassen, die vertrauen.

25:2 Er, Dem die Herrschaft der Himmel und der Erde gehört, Der Sich kein Kind genommen hat und Der keinen Teilhaber an der Herrschaft hat und alles erschaffen und ihm dabei sein rechtes Maß gegeben hat.

28:70 Und Er ist Gott. Es gibt keinen Gott außer Ihm. … Ihm gehört das Urteil, und zu Ihm werdet ihr zurückgebracht.

 

Nach diesen und anderen Versen ist es schwer eine Gewaltenteilung in Koran und menschliche Sunna vorzunehmen. Gott, „der keinen Teilhaber an der Herrschaft hat“, und von sich aus sagt, dass das Urteil (ḥukm) allein Seines ist und Ihm das Urteil gehört, reicht den Gläubigen aus.

 

39:36 Wird Gott nicht Seinem Diener genügen? Dennoch wollen sie dir mit denjenigen, die es außer Ihm geben soll, Furcht einflößen. Und wen Allah in die Irre gehen lässt, der hat niemanden, der ihn rechtleitet.

65:3 und gewährt ihm Versorgung, von wo (aus) er damit nicht rechnet. Und wer sich auf Gott verlässt, dem ist Er seiner Genüge. Gott wird gewiss (die Durchführung) seine(r) Angelegenheit erreichen. Gott legt ja für alles ein Maß fest.

 

Aus diesen Versen muss man klar schlussfolgern, dass Gott keine Sunna außer seiner eigenen duldet, da es sonst mit den obigen Versen kollidiert, denn andernfalls wäre seine Befehlsgewalt geteilt und Er wäre nicht mehr der einzig Urteilende. Im Koran gibt es – wie schon erwähnt – keine Stelle, wo von einer Sunna des Propheten die Rede ist, nur von der Sunna Gottes. Dies bedeutet, dass unter den Dingen, die für unser Seelenheil notwendig sind, nicht das Verhalten des Propheten gemeint sein kann. Vielmehr ist sein Wort als Gesandter (69:40), das ebenso das Wort Gottes ist (69:43), das Licht, die Barmherzigkeit, die Rechtleitung und eine Heilung für die Gläubigen. Der Vers, der von den Verfechtern der Tradition dann ohne den dazugehörigen Kontext zitiert wird und auch ohne die einzige Funktion des Gesandten zu beachten, ist Vers 33:21, der die Vorbildfunktion des Gesandten anspricht. Auf diesen Vers wird im weiteren Verlauf ausführlich eingegangen. Und nun zu folgendem Vers:

 

6:19 Sag: Welches ist das größte Zeugnis? Sag: Gott (, Er) ist Zeuge zwischen mir und euch. Und dieser Koran ist mir eingegeben worden, damit ich euch und den, den er erreicht, mit ihm warne. Wollt ihr denn wahrlich bezeugen, dass es neben Gott andere Götter gibt? Sag: Ich bezeuge es nicht. Sag: Er ist nur ein Einziger Gott, und ich sage mich von dem los, was ihr beigesellt.

 

Hier also spricht der Koran die Ableugner an, aber nicht nur die damaligen, sondern auch „jeden, den er erreicht.“ Es wird hier klargestellt, dass der Koran den Ableugnern als Warnung dient. Der nächste Satz vergleicht mit einer rhetorischen Frage Menschen, die sich außerhalb des Korans bewegen mit Leuten, die neben Gott andere Gottheiten suchen. Eine Gottheit (‚ilāh) ist nicht nur im Sinne einer angebeteten Gottheit zu verstehen, sondern auch als jedwede Autorität, die sich als absolute Souveränität über andere erhebt. Deshalb ist die zentrale Botschaft des Koran auch die Einheit Gottes (tawḥīd), die im Glaubensbekenntnis zusammengefasst wird unter „lā ‚ilāha ‚illa allah“ (keine Gottheit außer dem Gott), da nur der Schöpfer die absolute Autorität darstellen kann. Insofern ist die Beigesellung (širk) auch anders zu bewerten als bisher gemeinhin angenommen. Zwar ist Polytheismus oder Vielgötterei auch Beigesellung, aber Beigesellung ist nicht nur Vielgötterei. Dies ist aber nicht das Thema des Artikels. Ein weiterer Vers, der dies abrundet:

 

51:51 Und setzt neben Gott keinen anderen Gott. Gewiss, ich bin euch von Ihm ein deutlicher Warner.

 

Gott macht an anderen Versen klar, wie gut sein Urteil ist, in Form von Fragen oder Aussagen:

 

12:80 Ich werde das Land nicht verlassen, bis mein Vater es mir erlaubt oder Gott ein Urteil für mich fällt. Er ist der Beste derer, die Urteile fällen.

95:8 Ist nicht Gott der Weiseste derjenigen, die richten?

5:50 Begehren sie etwa das Urteil der Unwissenheit? Wer kann denn besser walten als Gott für Leute, die (in ihrem Glauben) überzeugt sind?

25:33 … Sie legen dir keinen Einwand vor, ohne dass Wir dir die Wahrheit und die schönste/beste Erklärung (tafsīr) brächten.

 

Wie schön zeigt hier Gott in Seinen oben genannten Versen, dass Seine Urteile die besten sind, Er es ist, der am besten Urteile fällt und zu jedem Einwand „den besten Tafsīr“ bringt. Wir brauchen also keine weiteren Erklärungen aus zweifelhaften Aḥādīṯ, um die ohnehin schon zur Perfektion gebrachten Urteile zu ergänzen.

Im Koran wird der Bezug zwischen Mensch und Gott unter anderem auch so beschrieben, dass der Mensch außer Gott keinen Verbündeten oder Helfer hat (42:31, 2:107, 9:116, 29:22).

 

42:31 und ihr habt außer Gott weder Verbündeten noch Helfer.

 

Wie können wir also woanders um Hilfe bitten als bei Gott allein, wo Er doch unser einziger Beschützer und Helfer ist?

 

Die zentrale Botschaft des Koran: Gott allein

 

7:70 Sie sagten: „Bist du zu uns gekommen, damit wir Gott allein dienen und das verlassen, dem unsere Väter immer gedient haben? Bring uns doch her, was du uns androhst, wenn du zu den Wahrhaftigen gehören solltest!“

39:29 Gott prägt als Gleichnis dasjenige von einem Mann, den sich (mehrere) Herren teilen, die sich miteinander nicht vertragen, und einem Mann, der nur einem Herrn gehört. Sind die beiden im Gleichnis etwa gleich? Lob gehört Gott! Aber die meisten von ihnen wissen nicht.

39:36 Genügt Gott nicht Seinem Diener? Dennoch wollen sie dir mit denjenigen, die es außer Ihm geben soll, Furcht einflößen. Und wen Gott in die Irre gehen lässt, der hat niemanden, der ihn rechtleitet.

39:45 Und wenn Gott allein erwähnt wird, verkrampfen sich die Herzen derjenigen, die nicht an das Jenseits glauben. Wenn aber diejenigen erwähnt werden, die es außer Ihm geben soll, freuen sie sich sogleich.

 

Die zentrale Botschaft ist Gott allein zu dienen und sich in seinem Glauben ganz auf Ihn einzustellen.
Gerne wird von Traditionalisten, die den Koran nicht kennen, argumentiert, dass der Koran nicht alleine ausreichen könne, da Detailfragen angeblich nicht geklärt seien. Die Lieblingsfrage ist dann meistens, wie man denn ohne Koran beten könne. Nebst der Tatsache, dass das Wort für das Kontaktgebet (aṣ-ṣalāh) im Koran an 77 Stellen verwendet wird, verweise ich auf folgenden Artikel: Kontaktgebete Salah gemäß Koran allein. Der Koran selbst fordert auf, nicht nach Details im Glauben zu fragen:

 

5:101 O die ihr glaubt, fragt nicht nach Dingen, die, wenn sie euch offengelegt werden, euch leid tun, wenn ihr nach ihnen fragt zu der Zeit, da der Koran offenbart wird, sie euch offengelegt werden, wo Gott sie übergangen hat. Und Gott ist Allvergebend und Nachsichtig.

 

Hier wird also klar, nicht nach Details zu fragen, um diese in religiösen Angelegenheiten zu praktizieren, und dass Gott diese bewusst übergangen hat. Wie soll man sich also bei Angelegenheiten verhalten, die außerhalb religiöser Belange stehen? Wir haben bereits gesehen, dass der Prophet in seinen Entscheidungen, welche außerreligiöse Angelegenheiten betreffen, sich zu beraten hatte (3:159, 42:38). Aus diesen Gründen beschreibt der Koran den Propheten an mehreren Stellen nur als Mensch (18:110, 41:6), um darauf hinzuweisen, dass sich die Menschen in nicht-religiösen Belangen untereinander z.B. auf demokratische Art und Weise beratschlagen können, um ausgereifte Entscheidungen zu fällen.

 

Wer erklärt den Koran?

 

Verfechter der Tradition behaupten oft, dass die Aḥādīṯ den Koran erklären würden. Folgende Verse widerlegen dies strikt:

75:16-19 Bewege deine Zunge nicht damit, um ihn übereilt weiterzugeben. Uns obliegt es, ihn zusammenzustellen und ihn vorlesen zu lassen. Und (erst) wenn Wir ihn vorgelesen haben, dann folge du der Art seines Vortragens. Hierauf obliegt es Uns, ihn klar darzulegen.

 

Zum Thema „Wir“ im Koran verweise ich auf folgenden Artikel: Die Pluralformen ‚uns‘ und ‚wir‘

Das in 75:18-19 kommende „Wir“ und „Uns“ bezieht sich auf Gott und den Gesandten. Der Gesandte hatte zu Lebzeiten nur mit dem Koran zu richten, welche Gott als Offenbarungsquelle innerhalb von ca 23 Jahren vervollständigte. Nach dem Ableben des Gesandten, lebt dieser jetzt im Koran weiter. Der Koran liegt uns heute vollständig vor und bringt somit zu allen Fragen in religiösen Belangen eine Antwort.

Aber zu Lebzeiten des Gesandten war dies noch nicht der Fall und der Gesandte gab zu Fragen im Koran nur mit diesem eine Antwort, oder es kam eine neue Offenbarung falls die betreffende Frage im Koran noch nicht geklärt war. Die Antwort zu religiösen Fragen war somit entweder schon im Koran beantwortet oder es kamen neue Offenbarungen, die den Sachverhalt klärten. Somit bleibt Gott als der alleinige Erklärer des Korans wie es uns auch Vers 55:1-2 klarmacht:

 

55:1-2 Der Allerbarmer hat den Koran gelehrt.

 

Schauen wir uns jetzt folgenden Vers an:

 

41:53 Wir werden ihnen Unsere Zeichen an allen Horizonten und in ihnen selbst zeigen, damit ihnen klar wird, dass (die dir herabgesandte Offenbarung) die Wahrheit ist. Genügt es nicht, dass dein Herr alles weiß und genauestens bezeugt?

 

Es werden also „Zeichen“ in der Zukunft gezeigt, die erst nach dem Tode des Gesandten auftreten werden. Insofern verkündet der Koran auch nach dem Ableben des Propheten Gottes Wort auf zeitlose Art und Weise. Dass diese Zeichen in der Zukunft dann wieder einen Bezug zum Koran erhalten, zeigt die aktive und dynamische Aufgabe von Gottes Wort, welche mehrere Zeitalter zu überdauern hat. Somit ist es als gesandtes Wort Gottes selbst ein Gesandter.

Im vierten und letzten Artikel werde ich mich dann ganz den Gegenargumenten der Gläubigen widmen, die der traditionellen Sunna eine Autorität geben.

Und sie sagen der Koran reicht aus! (2/4)

Wie urteilte der Prophet Muhammad?

 

Im ersten Teil der Artikelreihe „Und sie sagen der Koran reicht aus!“ haben wir uns damit beschäftigt, wie die frühesten Menschen und Schriftbesitzer urteilen sollten laut Koran. In diesem Artikel befassen wir uns mit der Frage, wie der Prophet urteilte und warum man im Islam nur mit der Offenbarung urteilen darf.

Wir lesen:

 

5:48 Und Wir haben zu dir das Buch mit der Wahrheit hinabgesandt, das zu bestätigen, was von dem Buch vor ihm (offenbart) war, und als Wächter darüber. So urteile (uḥkum) zwischen ihnen nach dem, was Gott herabgesandt hat, und folge nicht ihren Neigungen entgegen dem, was dir von der Wahrheit zugekommen ist.

 

Hier ist es eindeutig, dass nur nach der Offenbarung zu urteilen erlaubt ist, dass es demnach nur eine Sunna geben kann, nämlich Gottes Sunna. Der Prophet urteilte also nach dem Koran (vgl. auch 7:203) und zwar nur nach diesem. Daraus können wir schließen, dass auch alle vorherigen abrahamitischen Religionen so zu urteilen hatten nach ihren jeweiligen Büchern – denn laut Koran ist „Islam“ (Gottergebenheit) keine neue Religion, sondern – wie auch der Koran oft sagt – die Bestätigung der vorangegangenen Bücher. Bereits Abraham nannte sich Gottergebener (arab.: Muslim) und er nannte auch seine Mitgläubigen Gottergebene (22:78).

Die Einheit Gottes wird noch an folgenden Versen deutlicher:

 

3:64: Sag: O Leute der Schrift, kommt her zu einem zwischen uns und euch gleichen Wort: dass wir niemandem dienen außer Gott und Ihm nichts beigesellen und sich nicht die einen von uns die anderen zu Herren außer Gott nehmen. Doch wenn sie sich abkehren, dann sagt: Bezeugt, dass wir Ergebene sind.

 

Der Vers ist in seiner Aussage unumstößlich und macht uns deutlich, Gott weder etwas beizugesellen noch – und das ist ein fundamentaler Bruch mit Quellen außerhalb der Offenbarungen – dass sich die einen von uns die anderen zu Herren außer Gott nehmen. Das „sich zu Herren nehmen“ bedeutet laut Koran konkret Gesetze außerhalb der Offenbarung einzuführen (42:21). Wie wir oben bereits gesehen haben, schränken die Verse 5:44 und 5:47 den Rahmen der Gesetzgebung auf die Offenbarung ein. So wird die Einheit Gottes in Vers 3:64 noch einmal bestätigt und bestärkt. Dies ist auch die Hauptbotschaft des Koran an sich, nämlich die Einheit Gottes. Die einzige Quelle in religiösen Belangen ist Gott allein – wie stark ermahnt uns Gott durch die Verse 3:79-80!

 

3:79 Es steht einem menschlichen Wesen nicht zu, dass ihm Gott die Schrift, das Urteil (al-ḥukm) und das Prophetentum gibt, und er hierauf zu den Menschen sagt: „Seid Diener von mir anstatt Gottes!“, sondern: „Seid Leute des Herrn, da ihr das Buch zu lehren und da ihr es zu erlernen pflegtet.“

3:80 Und (es steht ihm nicht zu,) euch zu befehlen, die Engel und die Propheten zu Herren zu nehmen. Sollte er euch die Ableugnung befehlen, nachdem ihr (Gott) Ergebene wurdet?

 

Eine eindeutige Ansage, sich die Propheten nicht zu Herren zu nehmen und sich ganz auf Gott und Sein Wort zu konzentrieren – geradeaus direkt zu Gott, ohne Nebenzweige einzuschlagen in religiösen Belangen! Wir werden angehalten das Buch zu erforschen. Die Haltung, sich bewusst außerhalb dieser Richtlinien aufzuhalten, wird mit dieser rhetorischen Frage verworfen:

 

3:80 … Sollte er euch die Ableugnung befehlen, nachdem ihr (Gott) Ergebene seid?

 

Der Eingottglaube wird also auf nur eine Quelle fixiert: Gottes Offenbarungen. Die einzige Autorität ist und bleibt dabei Gott. Schauen wir in weiteren Versen nach, die die obige Feststellung erhärten:

 

42:10 Und worüber ihr auch immer uneinig seid, das Urteil (al-ḥukm) darüber steht Gott zu. Dies ist doch Gott, mein Herr. Auf Ihn verlasse ich mich, und Ihm wende ich mich reuig zu.

 

Auch hier sehen wir wie eben dargelegt, dass das Urteil bei Uneinigkeiten in religiösen Dingen Gott allein obliegt, dass sich der Prophet nur auf Gott verlässt und sich Ihm in Reue zuwendet – sich also ganz auf Ihn einstellt. Ist nicht dies der Eingottglaube in seiner schönsten Weise, von unserem Propheten vorgelebt? So folgen wir seinem prophetischen Beispiel und verlassen uns allein auf Gott.

Die Haltung Gottes gegenüber anderen Quellen als der Offenbarung, wird in folgenden Versen unmissverständlich klar:

 

4:105 Gewiss, Wir haben dir das Buch mit der Wahrheit hinabgesandt, damit du zwischen den Menschen richtest (litaḥkuma) auf Grund dessen, was Gott dir gezeigt hat. Sei kein Verfechter für die Verräter!

 

Gott gibt also dem Propheten das Buch, damit er zwischen den Menschen richte. Der Satzteil „was Gott dir gezeigt hat“ bezieht sich auf die im Koran offenbarten moralischen, ethischen wie auch sozialen Prinzipien, die gemäß der Wahrheit offenbart wurden. Dies wird in der Betonung der Wahrheit im Vers sichtbar, die dem Buch innewohnt. Hier wird nochmals die Einheit Gottes ersichtlich, nämlich dass Gott in religiösen Angelegenheiten die einzige Autorität (6:114) und unser einziger Lehrer ist (55:1-2).

Selbst als der Koran zur Offenbarungszeit noch nicht komplett und nur ein Teil niedergeschrieben war, konnte der Prophet manche Urteile durch den Koran fällen, andere aber – und hier zeigt sich wieder die alleinige Autorität Gottes – wurden dem Propheten Schritt für Schritt zur rechten Zeit (25:33) offenbart.

Der Koran liegt uns heute jedoch vollständig vor und Gott hat uns dort alle Urteile, die religiöse Belange betreffen, zu seiner Vollkommenheit im Koran mitgeteilt. Gott will im vorangegangenen Vers 4:105 dem Propheten nahelegen, nicht seinen Neigungen gemäß zu handeln. Denn das Buch und ihre Urteile sind eine Sache, die Durchführung und die damit verbundene Konsequenz eine andere. Der Prophet war nämlich nur ein Mensch (18:110) mit allen damit verbundenen Stärken und Schwächen. Denn der Vers 4:105 betont diese Haltung im letzten Satz: “Sei kein Verfechter für die Verräter!“

Wie begegnen wir aber Traditionalisten, die in „was Gott dir gezeigt hat“ eine Sunna hineininterpretieren wollen? Wenn der Prophet eine Sunna erlaubt hätte, würde dies konsequent folgendes Pflichtkriterium mit sich bringen: Der Prophet müsste unfehlbar sein. Denn wie soll man einer Sunna Autoritiät geben, wenn die Quelle selbst verderbt ist? Selbst die Aḥādīṯ betonen die Fehlbarkeit des Propheten als Menschen. Sie verdeutlichen genauso, dass der Mensch Mohammed nur in seiner prophetischen Funktion als Gesandter in der Überlieferung und Verkündung der Offenbarung seine Pflicht zu erfüllen hatte. Dazu folgender Hadith:

 

„Der Prophet (Allahs Frieden und Segen seien auf ihm) kam nach Madīnah und sie bestäubten die Dattelpalmen. Er fragte: `Was macht ihr?` Sie sagten: `Wir pflegen sie immer zu bestäuben.` Er sagte: `Vielleicht, wenn ihr es nicht tut, wird es besser sein.` So unterließen sie es und die Ernte war mager. Sie erzählten es ihm und er sagte: `Ich bin nur ein Mensch wie ihr. Wenn ich euch etwas über die Religion sage, dann befolgt es, doch wenn ich euch etwas sage, das auf meiner eigenen Meinung basiert, so bin ich nur ein Mensch.`“ (Muslim #2361).

 

Und als nächstes muss man sich fragen, wie soll sich eine Sunna mit den oben behandelten Versen verstehen lassen, die nur der Offenbarung Platz einräumen? Im Koran finden wir gleich mehrere Beispiele, die die Sünden des Propheten behandeln (47:19, 48:2). Die Offenbarung selbst wird hingegen als rein bezeichnet:

 

98:2 ein Gesandter von Gott, der gereinigte Blätter verliest

 

Wir sehen, eine Offenbarung muss ohne Makel sein und die traditionell gelehrte Sunna ist es nicht. Die traditionelle Sunna ist menschlichen Ursprungs, da bisher niemand behauptet hat, Bukhary oder Konsorten seien ebenso Gesandte Gottes, die in Seinem Namen gehandelt hätten. Allein diese Umstände verunmöglichen es, der Sunna Autorität zu verleihen.

Wir fassen das Bisherige zusammen:

  • Gott lehrte den Propheten den Koran (55:2) und nur den Koran.
  • Der Prophet wie auch alle Gläubigen dürfen nur dem Herabgesandten, also dem Koran folgen (7:3).
  • Der Prophet selbst ist keine weitere Quelle, kein weiterer „Herr“, wie es 3:80 und 6:19 und auch weitere Verse klar machen.
  • Gott allein steht das Urteil zu (6:114, 5:44 usw.).

Es muss auch der Unterschied zwischen der Gesandten- und Prophetenfunktion aufgeführt werden. Die Gesandtenfunktion beinhaltet nur die Verkündigung der Schrift und keinen weiteren Punkt (13:40, 16:35, 16:82, 24:54, usw.). Deswegen ist der Gesandte, sofern er die Verkündigung wiedergibt, wie Gott es von ihm einfordert, vollkommen. Denn es ist hier nur von Offenbarung die Rede. Selbst in seiner prophetischen Funktion hatte er die Pflicht, sich mit seinen Nächsten zu beraten:

 

3:159 So verzeihe ihnen, bitte für sie um Vergebung und ziehe sie in den Angelegenheiten zu Rate. Und wenn du dich entschlossen hast, dann verlasse dich auf Gott! Gewiss, Gott liebt die, die sich (auf Ihn) verlassen.

42:38 Und diejenigen, die auf ihren Herrn hören und das Gebet verrichten, ihre Angelegenheiten durch Beratung untereinander (regeln) und von dem ausgeben, womit Wir sie versorgt haben…

 

Noch deutlicher macht Gott seine Autorität an folgendem Vers klar:

 

6:114 Soll ich denn einen anderen Schiedsrichter (ḥakam) als Gott begehren, wo Er es doch ist, der das Buch, ausführlich dargelegt, zu euch herabgesandt hat?

 

Auch hier wird ganz deutlich, dass der Prophet nur nach dem Koran urteilte und keine andere Quelle benutzen durfte und das nur Gott urteilen darf in Angelegenheiten der Religion. Der Vers wird intensiv mit dem Eingottglauben verknüpft, denn der Vers sieht nur einen Schiedsrichter – Gott allein. Und seine Gesetze sind im Buch, die ohne Sekundärquellen auskommen. Der Koran wurde hier als „ausführlich dargelegt“ beschrieben, somit erübrigt sich die Frage, ob der Koran Einzelheiten ausgelassen habe, die durch die traditionelle Sunna ergänzt werden müssten. Durch die rhetorische Frage des Verses wird jegliche Quelle ausser Gott für überflüssig und auch ungültig erklärt.

Außerdem sagt Gott vom Koran:

 

11:1 Alif-Lam-Ra. (Dies ist) ein Buch, dessen Zeichen eindeutig festgefügt und hierauf ausführlich dargelegt sind von Seiten eines Weisen und Kundigen.

41:3 ein Buch, dessen Zeichen ausführlich dargelegt sind, als ein arabischer Koran, für Leute, die Bescheid wissen

 

Vers 6:114 ist also nicht der einzige Vers, der dem Koran eine „ausführliche Darlegung“ attestiert. Diejenigen also, die behaupten, der Koran reiche in religiösen Belangen nicht aus, müssten sich zu diesen Versen äußern. Dazu auch folgender Artikel: Allein Gott lehrt und erklärt den Koran

Im dritten Artikel werden wir der Frage nachgehen ob Gott seine Befehlsgewalt/Autorität in religiösen Angelegenheiten teilt, wie der Begriff “Sunna” im Koran genutzt wird und wer den Koran erklärt.

Und sie sagen der Koran reicht aus! (1/4)

Standpunkte und Gegenargumente im Überblick

 

Frieden,

Ich habe eine vierteilige Artikelreihe über dieses Thema, der Koran reicht aus, geschrieben, welche nach und nach hier veröffentlicht wird. In dieser Reihe werden die Argumente aus dem Koran zu diesem Thema vorgestellt und analysiert. Ich hoffe euch mit dieser Artikelreihe an Wissen zu bereichern und – so Gott will – euren Glauben noch mehr zu festigen aber auch Menschen zu erreichen, die Gottergebenheit ohne traditionelle Sunna besser verstehen wollen …

Den meisten von uns wurde bereits im Kindesalter eingetrichtert, dass der Koran nicht alle Einzelheiten beinhalte, welche die Religion betreffen. Auf diese Weise wachsen viele mit der Vorstellung auf, dass der Koran nicht ausreiche. Somit erscheint es naturgemäß, dass wenn man das erste Mal mit der Tatsache konfrontiert wird, dass der Koran sich als vollständig, klar oder auch ausführlich detailliert bezeichnet, dies einem fremdartig erscheint. Mitunter wird sogar vorschnell geurteilt, diese Ansicht könne nicht nur falsch sein, sondern sei auch einfältig gedacht. Gemäß Manchen gehe man nach Gelüsten, gemäß Anderer träte man damit gar aus dem Glauben aus.

Die Frage nach der Vollständigkeit ist fundamental für jede und jeden Gottergebene/n (arabisch: Muslim). Denn je nach Antwort zu dieser Frage wird der jeweilige andere Weg ausgeschlossen. Er wird ad absurdum geführt. Wenn der Koran vollständig ist, sei es bezüglich der Einzelheiten des Gebetes, der Pilgerfahrt, der Rechtsprechung, der moralischen Prinzipien, der religiösen Ethik und dergleichen, so hat die traditionell gelehrte Sunna keinerlei Autorität und Aussagekraft mehr in der Religion. Wenn dies nicht gegeben ist, bekommt die Sunna eine Autorität und die Gottergebenheit ohne eine wie auch immer geartete Sunna wäre nicht mehr haltbar.

Ich werde hier die Argumente derjenigen Gottergebenen aufzeigen, die ohne die traditionell bekannte Sunna auskommen, aber auch die Gegenargumente, die dagegen angeführt werden. Anschließend werde ich diese Gegenargumente genauer unter die Lupe nehmen.

Betrachten wir nun folgende Argumente, welche die Gottergebenen mitunter anführen, um zu zeigen, dass der Koran alleine ausreicht.

 

16:89 … Und wir haben die Schrift (den Koran) auf dich hinab gesandt als eine Klarlegung aller Dinge (tibyānan likulli shay‘), und als Rechtleitung, Barmherzigkeit und Frohbotschaft für die Ergebenen.

12:111 … Und er (der Koran) ist kein erfundener Hadith, sondern eine Bestätigung dessen, was (an Offenbarung) vor ihm da war, und er ist eine Darlegung aller Dinge (tafāsīl likulli shay‘), eine Rechtleitung und Barmherzigkeit für Leute, die glauben.

 

Natürlich ist der Koran in der Anzahl an Worten beschränkt, und deshalb betrifft hier das „alles“ (kulli) natürlich nur die religiösen Belange (dazu 5:3). Jedoch sagen die Sunnaanhänger, dass die Sunna im Koran verankert sei. Dazu komme ich später. Wir werden uns jetzt anschauen, nach welchen Kriterien laut Koran die Menschen vor dem Propheten Mohammed ihre Religion praktizierten.

Denn die Ergebenheit (arabisch: al-Islām) gegenüber Gott ist keine neue Religion, sondern bestätigt die vorherigen Gesandten, die auch Gottergebenheit (al-Islām) predigten und praktizierten.

 

Wonach urteilten die frühesten Menschen?

 

2:213 Die Menschen waren eine einzige Gemeinschaft. Dann schickte Gott die Propheten als Verkünder froher Botschaft und als Überbringer von Warnungen und sandte mit ihnen die Bücher mit der Wahrheit herab, um zwischen den Menschen über das zu richten, worüber sie uneinig waren.

 

Hier kann man argumentieren, dass eine „Sunna“ im Sinne der Tradition damals in den Büchern legitimiert gewesen sein soll, wie es von der Mehrheit der heutigen Muslime behauptet oder geglaubt wird. Dies deshalb, um angeblich unklare Angelegenheiten in der Religion zu klären oder sie gar zu erweitern. Allerdings wird so eine „ergänzende Sunna“ im Vers nicht genannt und im Hinblick auf den Koran wird an keiner Stelle von einer sogenannten „Sunna des Propheten“ gesprochen. Das Wort „Sunna“ wird im Koran nur in Bezug auf Gott verwendet in Form von „sunnatullah“ (siehe Verse 33:38,62; 35:43; 40:85; 48:23). Traditionalisten, die für eine „Sunna des Propheten“ eintreten, haben also kein Fundament im Koran und widersprechen somit der einzigen Sunna, der Sunna Gottes. Deutlich wird bei Diskussionen über dieses Thema, dass die althergebrachten Überzeugungen bereits viel Raum eingenommen haben, dass die Wahrnehmung dieser Tatsache leider unbeachtet bleibt.

Zu dem Vers können wir auch sagen, dass damals die Bücher allein das Urteil Gottes sprachen. Stellen wir uns nun die folgende Frage:

 

Wie sollten die Juden und Christen urteilen?

 

5:44 Gewiss, Wir haben die Tora hinabgesandt, in der Rechtleitung und Licht sind, womit die Propheten, die sich (Gott) ergeben hatten, für diejenigen, die dem Judentum angehören, urteilen (yaḥkum), und so auch die Leute des Herrn und die Gelehrten, nach dem, was ihnen von der Schrift Gottes anvertraut worden war und worüber sie Zeugen waren. So fürchtet nicht die Menschen, sondern fürchtet Mich. Und verkauft Meine Zeichen nicht für einen geringen Preis! …

 

Hier wird also klargestellt, dass Juden nach der Tora zu urteilen haben. Sagt der Koran etwas über andere Quellen aus, die Juden benutzen dürfen? Befürwortet der Koran diese oder lehnt er sie gar ab? Der vorangegangene Vers 5:43 gibt darüber Aufschluss:

 

5:43 Wie aber können sie dich richten lassen (yuḥakkimūnaka), während sie doch die Tora haben, in der das Urteil Gottes (enthalten) ist, und sich hierauf, nach alledem, abkehren? Diese sind doch keine Gläubigen.

 

Wie also können die Juden den Propheten Mohammed zu etwas Religiösem befragen, ihn also zum Richter (ḥākim) machen, wo sie doch das Urteil (ḥukm) bereits in der Tora finden können? Oder anders gefragt: Wie aber wollen wir den Propheten zum absoluten Richter machen, während wir doch den Koran bei uns haben, worin Gottes Urteil ist?

 

Der Einwand aber, der Prophet Mohammed hätte doch eine Richterfunktion inne, scheint durch folgende Verse gestützt zu werden:

 

4:59 O die ihr glaubt, gehorcht Gott und gehorcht dem Gesandten und den Befehlshabern unter euch! Wenn ihr miteinander über etwas streitet, dann bringt es vor Gott und den Gesandten, wenn ihr wirklich an Gott und den Jüngsten Tag glaubt. Das ist am besten und am ehesten ein guter Ausgang.

4:65 Aber nein, bei deinem Herrn! Sie glauben nicht eher, bis sie dich über das richten lassen (yuḥakkimūnaka), was zwischen ihnen umstritten ist, und hierauf in sich selbst keine Bedrängnis finden durch das, was du entschieden hast, und sich in voller Ergebung fügen.

 

Die erste zu betonende Tatsache ist hier, dass beide Verse thematisch zusammenhängen. Das Thema des allgemeinen Gehorsams gegenüber Gott und Seinem Gesandten erstreckt sich in diesem Kontext vom 58. Vers bis zum 70. Vers der vierten Sura. Allgemein werden gleich zu Beginn der vierten Sura mehrere Gesetze, Regelungen und Pflichten erhoben in Bezug auf die Waisen und die Erbschaft (4:1-12). Was hierbei besonders erwähnt werden muss, ist die Tatsache, dass gleich nach Anschluss dieser Gesetze Gottes im 13. Vers deutlich wird, dass dem Gesandten zu gehorchen nichts anderes bedeutet als die Schranken Gottes (ḥudūd Allāh) einzuhalten. Denn der Gesandte hat die Aufgabe Gottes Worte zu verkünden, deshalb muss ihm gehorcht werden, damit wir überhaupt Gott gehorchen können, da Gott nicht direkt in den Dialog mit den Menschen tritt. Dies erklärt gleichzeitig auch, wieso gerade das Wort „Gesandter“ (rasūl) als Bezeichnung für den Menschen verwendet wird, der Gottes Wort verkündet: ein zeitlich eingeschränkter Mittelweg, mit dem Gott zu uns spricht.

Der erste Vers (4:59) handelt vom Gesandten, dessen einzige Funktion aber nur die Verkündigung ist. Dies wird an zahlreichen Koranstellen ersichtlich (13:40, 16:35, 16:82, 24:54, usw.). Auf die Gesandtenfunktion gehe ich aber später nochmal ausführlicher ein. Der wichtige Punkt hier ist, dass eine weitere Autorität eingeführt wird, die aber selbst nicht absolut wie Gott oder der Gesandte ist, der Gottes Wort übermittelt: die Menschen, die von Rechts wegen auf gesellschaftlicher Ebene zu urteilen haben. Dass diese weitere Autorität nicht absolut sein kann, wird dadurch ersichtlich, dass in einem Streitfalle die Angelegenheit vor Gott und den Gesandten gebracht werden muss, also im Endeffekt mittels des Korans entschieden wird. Wenn der Koran zur Entscheidungsgrundlage wird, so ist es das Wort Gottes, welches die endgültige Autorität besitzt, und somit eben Gott allein.

Die Bedeutung des Verses 4:65 wird nicht nur wie der vorige Vers aus dem umliegenden Kontext deutlich, wo klar wieder nur vom Gesandten die Rede ist und somit wieder nur Gott Autorität einbehält. Sondern auch durch die Wortwahl innerhalb des Verses mittels yuḥakkimūnaka („sie lassen dich urteilen“) genau wie in 5:43, wobei zusammen mit 5:48 klar wird, dass das Urteil des Gesandten allein mittels der Offenbarung zustande kommt. Somit bleibt der Koran, Gottes Wort, immer noch die einzige Autorität.
Zurück zu 5:43, der sich wie im vorigen Beispiel (5:44) nur auf eine Quelle beschränkt, nämlich die Tora – eine unumstößliche Antwort auf die Frage, ob andere Quellen wie der Talmud, die Mischna oder die Gemarra als Quelle der Religion erlaubt sind. Hier könnte man aber wieder argumentieren, dass eine zusätzliche Quelle eines Propheten (hier Moses) wieder in der Tora erlaubt sei, doch müssen sich die Sunnaanhänger mit der Frage auseinandersetzen, warum Gott an keiner Stelle von anderen Quellen als den Offenbarungen spricht. Weiter lesen wir in 5:44:

 

5:44 … Wer nicht nach dem urteilt (yaḥkumu), was Gott (als Offenbarung) herabgesandt hat, das sind die Ableugner.

 

Hier muss man spätestens einsehen, dass nur die Bücher (Offenbarungen) gemeint sind, weil hier direkt der Bezug zur Herabsendung gesetzt wird. Wenn eine andere Quelle eingesetzt wird, kann diese keine Offenbarung mehr sein und wird somit ausgeschlossen. Wir werden gleich sehen, dass der Prophet Mohammed nur nach dem Koran urteilte.

Doch wie sollen die Christen urteilen gemäß Koran?

 

5:47 Die Leute des Evangeliums sollen nach dem urteilen (layaḥkum), was Gott darin herabgesandt hat. …

 

Es wird nur das Evangelium angeführt, ohne dass beispielsweise Katechismen von Jesus (christliche „Sunna“) auch eine Erwähnung finden. Wir lesen weiter in 5:47:

 

5:47 … Diejenigen, die nicht nach dem urteilten (lam yaḥkum), was Gott herabsandte, sie sind die Frevler.

 

Noch einmal wird mit Nachdruck gefordert, nur nach den Offenbarungen zu urteilen. Somit können andere Quellen, außer Gottes Offenbarungen selbst, keine von Gott legitimierte Geltung finden. Hier wird von manchen eingewandt, dass diese Verse ja nur für die Juden und Christen gedacht seien und nicht für die Muslime gelten können, die sich an den Koran halten wollen. Dem kann insofern direkt widersprochen werden, als dass beispielsweise in Vers 12:111 erwähnt wird, dass „in ihren Geschichten wahrlich eine Lehre (ʾibra) für diejenigen ist, die Verstand besitzen.“ Insofern ist es klar, dass im Koran jede Geschichte, jeder Absatz, jeder einzelne Satz ja manchmal gar jedes einzelne Wort einen Einfluss auf das Verständnis ausübt. Oder anders betrachtet: sollten gewisse Passagen des Koran einfach sinnlos erwähnt werden? Darüber hinaus empfehlen wir denjenigen, die Arabisch beherrschen, den Wortvergleich der umliegenden Verse zu 5:44, um die frappierende Ähnlichkeit der Verse zu sehen. Diese Ähnlichkeit hat zur Folge, dass das gleiche Prinzip, also die gleiche Sunna Gottes für alle Gemeinschaften galt und weiterhin gilt.

Im zweiten Artikel werden wir uns anschauen, wie der Prophet Muhammad urteilte und wie seine genaue Funktion laut Koran dargelegt wird.

Zum zweiten Artikel

Wieso wird Maria im Koran, die Mutter von Jesus, Schwester Aarons genannt?

Wir suchen Zuflucht bei Gott vor dem verworfenen Teufel,
Im Namen Gottes, des Gnädigen, des Barmherzigen

19:27-28 Sie brachte ihn dann zu ihrem Volk. Sie sagten: „Maria! Du bist mit etwas Schmachvollem gekommen! Oh Schwester Aarons! Dein Vater war kein schlechter Kerl und deine Mutter war keine Unkeusche.“


Dieser Vers 19:28 erscheint für viele als ein Zeugnis einer Verwechslung, eines Widerspruches mit scheinbaren historischen Tatsachen, nämlich dass der Autor Jesus Mutter Maria im Koran, Tochter von Amran, mit ihrer Namensvetterin der Schwester von den Propheten Moses und Aaron, Miriam, verwechselt.

Doch was verbirgt sich genauer hinter dieser Äußerung? Und wieso sind einige Menschen so erpicht darauf, diesen Vers den Gottergebenen vor die Nase zu werfen in selbstgefälliger Manier? Indem sie sich auf eine einzelne von mehreren verschiedenen Möglichkeiten einschränken, glauben sie die Gottergebenen (Muslime) verunsichern zu können und aufzuzeigen, wie falsch es doch sei, diesem Weg des Koran zu folgen. Gott warnte uns bereits an anderer Stelle, dass es Leute geben wird, die Unfrieden stiften und spalten wollen durch mehrdeutige Verse:

3:7 Er ist es, Der das Buch zu dir herab gesandt hat. Darin sind Verse von festgelegter Bedeutung, welche die Grundlage des Buches sind, und andere, die mehrdeutig sind. Die aber, in deren Herzen Verderbnis ist, folgen den mehrdeutigen, im Trachten nach Zwiespalt und im Trachten nach Deutelei. Doch keiner kennt ihre Deutung als Gott und diejenigen, die fest gegründet im Wissen sind. Sie sprechen: „Wir glauben daran, dass alles von unserem Herrn ist.“ Und niemand bedenkt es, außer denen, welche Verständnis besitzen.


Diejenigen, die im Wissen fest gegründet sind, wissen, dass es nirgends einen Widerspruch gibt (4:82). Dies bedeutet aber wiederum, dass wir sehr wohl mit der Situation konfrontiert werden, scheinbaren Widersprüchen gegenüber zu stehen, bis unser Wissen gemehrt wurde (20:114, 39:18, 17:36, 10:38-39).

Nun, welche Bedeutungen ergeben sich denn aus dem Vers 19:28? Eine mögliche Auflistung könnte wie folgt ausschauen:

  1. Wörtliche Bedeutung, sie ist die Schwester irgendeines Aarons.
  2. Wörtliche Bedeutung, sie ist die Schwester des Propheten Aarons.
  3. Halb-wörtliche Bedeutung, es besteht eine Verwandtschaft in geistiger und / oder blutsmäßiger Beziehung, dass sie denselben spirituellen Pfad wie der Prophet Aaron beschreitet, so wie Muslime auch Brüder von Mohammed sind und sein können.
  4. Der Gebrauch des Ausdrucks ist typologisch zu verstehen.
  5. Der Koran beinhaltet einen Fehler durch äußere Einflüsse, wie etwa Abschreibefehler oder falsches Wissen über die Bibel. Oder auch umgekehrt: die Bibel beinhaltet Fehler und wird durch den Koran korrigiert.
  6. Da in diesem Vers Menschen über Maria reden und sie zitiert wurden („sie sagten“), ein Zitat vollständig erfolgen sollte mit allen möglichen Fehlern und Wahrheiten, und die Aussage in ihrem Inhalt weder berichtigt noch bestätigt wird, ist das Ergebnis offen.

Rein objektiv gesehen sind all diese Möglichkeiten gleichwertig vom jetzigen Standpunkt aus, wobei eine oder mehrere dem gottergebenen, subjektiven Empfinden zuwider sein werden (wie etwa historisch betrachtet der zweite oder auch der fünfte Punkt, wobei wir den fünften hier nicht weiterverfolgen wollen). Betrachten wir also die ersten drei Punkte, die für uns am relevantesten erscheinen.

Punkt 1:

Zum ersten Punkt lässt sich sagen, dass „irgendeines Aarons“ geschrieben wurde, nicht „des Aarons“, den wir für den Propheten halten. Der könnte der Prophet sein, muss es aber nicht zwingend. Auch hier kann man von einer Verwechslung nicht reden, nur dass sie in unseren Köpfen geschieht. Oder gibt und gab es nur eine einzige Person mit dem Namen Aaron? Gibt und gab es nur einen Johannes auf der Welt? Oder Matthias, Lukas, Markus?

Das Buch Josua aus der Bibel ist benannt nach dem Ephraimiter Josua, der als Diener Moses dargestellt wird. In der Septuaginta, der griechischen Übersetzung der hebräischen Bibel, wird der Name auch als Jesus transliteriert. Hier sehen wir also, dass Jesus nicht gleich Jesus sein muss. Wobei hier natürlich die Verwechslungsgefahr innerhalb der Bibel nicht besteht. Unter anderem deshalb ist im Koran die Rede vom „Jesus, dem Sohne Marias“, um ihn eindeutig zu benennen.

Diese Betrachtung schließt bereits für sich aus, dass eine Verwechslung oder ein Widerspruch vorliege, da die Verwechslung nicht im Koran, sondern in unseren Köpfen stattfand. Doch sie eröffnet weitere Fragen, nämlich: wieso sollte der Koran dieselben Namen für unterschiedliche Personen verwenden? Wenn dem so ist, wie steht es dann mit den anderen Namen von Propheten? Und wenn dem so ist, wer ist dieser „andere Aaron“ dann?

Punkt 2:

Diese Betrachtung hat zur Folge, dass die Bibel als historisch falsch datiert betrachtet werden muss oder falsche Daten zur Historie beinhaltet. Offensichtlich ist dieser Weg auch einer derer, die Zwiespalt und Zerwürfnis unter den Gläubigen hervorrufen kann.

Eine historisch-kritische Analyse des Pentateuch (die fünf Bücher Mose) ergibt beispielsweise, dass die Endgestaltung erst ca. 440 v. Chr. beendet sei, womit also die Geschichtsschreibung auch nicht einwandfrei von der jüdischen oder christlichen Tradition übernommen wurde. Im 16. Jahrhundert dachten Reformatoren wie Andreas Karlstadt, dass nicht Moses der Autor war, sondern Esra, der die fünf Bücher aus älteren Teilen der Thora redaktionell zusammengestellt habe. So ließe sich die Frage stellen, wurde die Bibel etwa entstellt und Maria ist doch die Schwester Aarons und Jesus ein naher Verwandter ihrer? Auch die Historie ist den neueren Entdeckungen untergeordnet und nicht alles muss so sein, wie es auf den ersten Blick scheint. Nur weil die Bibel älter ist, beinhaltet sie nicht automatisch mehr Wahrheiten, sie wurde ja auch redaktionell geändert, Menschenwort wurde mit Gotteswort vermischt. Aber all das endet in Spekulation über Geschichte und wir können heute nicht mehr objektiv unterscheiden. Wir laufen hierbei Gefahr, das Wort Gottes als Menschenwort zu kennzeichnen oder auch umgekehrt Menschenwort als Gotteswort anzusehen. Denn laut Koran ist in der Bibel definitiv das Wort Gottes. Dieser Weg führt momentan also ins Niemandsland und ist darüber hinaus ein den koranischen Prinzipien zuwiderlaufender Weg, weil er Zwiespalt stiften kann. Der Islam wahrt den Frieden, wo es nur geht, ohne die Wahrheit zu ignorieren.

Punkt 3:

Der dritte Punkt wird sprachlich dadurch begründet, dass in 19:28 das Wort „Ukht“ vorkommt (أخت, Pl. أخوات Akhawaat), dessen Wurzel aus den Buchstaben Alif-Kha-Waw (أخو) besteht. Diese Wurzel wird auch dafür verwendet, um die Bedeutung „Nachfahre“ oder „Verwandter“ zu vermitteln, was in den einschlägigen Wörterbüchern zu sehen ist. Auch andere Bedeutungsebenen werden mit dieser Wurzel übertragen. So wird beispielsweise أخوّة – إخوان (okhuwwah – ikhwaan) im Sinne einer Bruderschaft verwendet, auch um nah stehende Personen zu bezeichnen, wie etwa in einer Gemeinde oder durch Volkszugehörigkeit, ohne dass eine direkte Verwandtschaft angenommen wird. Das prominenteste Beispiel wären die politischen „Muslimbrüder“: ikhwaan-u-l-muslimeen. Auch bedeutet in der deutschen Sprache „sich verbrüdern“ (تأخى – ta’akhkha) oder „mit jemandem eine Bruderschaft schließen“ ja nicht, dass man nun ungleich wie vorher auf mirakulöse Weise plötzlich denselben Vater hätte. Sprache ist, was die Menschen daraus machen und insbesondere verhält sich Klassischarabisch als sehr bildhafte Sprache genauso. In der Zusammenfassung zur Wurzel Alif-Kha-Waw aus dem berühmten Lexikon von E.W. Lane lesen wir:

Alif-Kha-Waw = Male person having the same parents as another or a male only having one parent in common; person of the same descent /land/creed/faith with others; brother; friend; companion; match; fellow of a pair; kinsman; intimately acquainted.


Es ist theoretisch also möglich, dass es sich hierbei nebst der geistigen auch um eine blutsmäßige Verwandtschaft handelt, doch welche Gemeinsamkeit soll Maria im Koran mit Aaron haben? Sie ist selbst weder eine Prophetin, noch direkter Begleiter eines Propheten, noch Ähnliches. Dies ist leicht beantwortet: Sie war immerhin die Mutter eines der berühmtesten Propheten. Somit steht sie in der Linie der Propheten, familiär nah zu spirituell wichtigen Persönlichkeiten und selbst ein Vorbild für die Gläubigen als Auserwählte Gottes (3:42-43, 66:12). In 3:33-34 ist zu sehen, dass die verschiedenen Völker zwischen Adam, Noah, Abraham und der Familie Marias als Nachkommenschaften in Bezug zueinander gelten:

3:33-34 Gott erwählte Adam, Noah, die Sippe Abrahams und die Sippe Amrans vor den Weltenbewohnern, eine Nachkommenschaft, von der die einen von den anderen stammen. Und Gott hört und weiß alles.


Selbst hier kann es für einige immer noch danach aussehen, als wenn „der Autor des Koran“ ab und an die biblischen Personen, über die er gehört hat, verwechselt. Imran und Zacharias (66:12, 3:36-37) tauchen eigentlich in der Bibel nicht in Verbindung mit Jesus Mutter auf? Oder ist dem nicht so?

Die Antwort zu Zacharias ist: Er ist verheiratet mit Elisabeth, die aus der Linie des Aaron abstammt.

Lukas 1:5 Zu der Zeit des Herodes, des Königs von Judäa, lebte ein Priester von der Ordnung Abija, mit Namen Zacharias, und seine Frau war aus dem Geschlecht Aaron und hieß Elisabeth.


Maria ist laut Lukasevangelium eine Verwandte Elisabeths. Maria wird ca. sechs Monate nach Elisabeth schwanger:

Lukas 1:26 Und im sechsten Monat wurde der Engel Gabriel von Gott gesandt in eine Stadt in Galiläa, die heißt Nazareth, zu einer Jungfrau, die vertraut war einem Mann mit Namen Josef vom Hause David; und die Jungfrau hieß Maria.

Lukas 1:36 Und siehe, Elisabeth, deine Verwandte, ist auch schwanger mit einem Sohn, in ihrem Alter, und ist jetzt im sechsten Monat, von der man sagt, dass sie unfruchtbar sei.


Wenn Elisabeth, die aus dem Geschlecht Aarons abstammt, und Maria Verwandte sind, ist Maria dann auch mit Aaron verwandt. Und so hätten wir eine Übereinstimmung der logisch und sprachlich beobachtbaren Zusammenhänge aus dem Koran mit den Inhalten der Bibel.

Zu Amram (‚Imran): Die Namen der Eltern von Maria (Mutter Jesu) werden in der Bibel nicht erwähnt bzw. nennen die kanonischen Evangelien im Neuen Testament nicht ausdrücklich die Namen Marias Eltern. Dem Argument, der Koran würde Maria (Mutter Jesu) mit der Schwester Aarons „verwechseln“, kann daher nicht gefolgt werden, da sehr wohl die Möglichkeit besteht, dass der Vater Marias (Mutter Jesu) in Wahrheit „Imran/Amram“ hieß – eben weil dieser nicht in den kanonischen Evangelien genannt wird, dafür aber im Koran. Es gibt nur eine apokryphe Schrift als Ursprungsquelle, das „Protevangelium des Jakobus„, in dem der angebliche Name des Vaters von Maria zum ersten Mal erwähnt wird. Man meint, weil in diesem besagten pseudepigraphischem Werk steht, dass der Vater (der Mutter Jesu) „Joachim“ hieß, müsse es sich beim im Koran erwähnten Namen des Vaters „Imran“ um eine „Verwechslung“ handeln.

Schaut man sich aber nun das „Protevangelium des Jakobus“ genauer an, so wird man schnell feststellen, dass es sich hierbei höchstwahrscheinlich um eine Fälschung handelt. Diese Schrift entstand erst im 2. Jh. n. Chr. und ist unter Christen selbst umstritten und kann aus mehreren stichhaltigen Gründen nicht als eine authentische Quelle in Betracht gezogen werden. Auch laut Gelehrten handelt es sich beim „Protevangelium des Jakobus“ definitiv um ein pseudepigraphisches Werk.

Als Pseudepigraphie (griechisch ψευδεπιγραφία – wörtlich etwa „die Falschzuschreibung“) bezeichnet man das Phänomen, dass ein Text bewusst im Namen einer bekannten Persönlichkeit abgefasst oder fälschlicherweise einer solchen zugeschrieben wird. Eine Schrift mit falscher Verfasserangabe nennt man dementsprechend das Pseudepigraph.

http://de.wikipedia.org/wiki/Pseudepigraphie


Eine Verbindung zwischen Aaron, Mose und der Maria (Mutter Jesu), so wie sie auch aus dem Koran heraus ersichtlich wird, wird hingegen auch von Bibelwissenschaftlern bestätigt:

Überraschenderweise bezeichnet der Koran Miriam / Maria, die Mutter Jesu, als Tochter von Imran / Amram (3,33-37; 62,12; Text Koran) und als Schwester Aarons (19,28). Was wie eine grobe Verwechslung zwischen der alttestamentlichen Mirjam und ihrer neutestamentlichen Namensvetterin aussieht, könnte jedoch auf eine tiefgründige Verbindung hindeuten: Auch in Mt 2 wird Jesus in Beziehung zur Mose-Geschichte gesehen (Kindermord in Ägypten und Bethlehem; Ägypten-Aufenthalt von Israel und Jesus).

http://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/amram-und-jochebed-3/ch/38ea8630204622c6aaf45b8dbfae17fe/#h4


Dieser dritte Punkt zeigt uns auch, dass wir tatsächlich im Wissen fest gegründet sein müssen, um die Deutung eines einzelnen Wortes verstehen zu können im Kontext von Koran, Sprache und Bibel, und um erneut bestätigen zu können: wir glauben, dass jeder einzelne Vers wahrhaftig von unserem Herrn ist. Dieser Weg ist auch der Weg, der kein Herumdeuteln im Trachten nach Zwiespalt und Zerwürfnis beabsichtigt.

So möge uns unser Herr die Geduld geben und unser Wissen mehren und unser Licht vervollkommnen!

Die Geschichte von Moses und dem Gottesdiener

Eine im Koran sehr interessante Geschichte ist die Geschichte von Moses und einem Diener Gottes. Dieser Diener wird nicht näher benannt, doch es wurde ihm Wissen von Gott gegeben:

Dann fanden sie einen Unserer Diener, dem Wir Unsere Barmherzigkeit verliehen und den Wir Unser Wissen gelehrt hatten. [18:65]

Moses sagte zu ihm: „Darf ich dir folgen, auf dass du mich über das rechte Handeln belehrst, wie du gelehrt worden bist?“ [18:66]

Er sagte: „Du vermagst nimmer bei mir in Geduld auszuharren. [18:67]

Und wie könntest du bei Dingen geduldig sein, von denen dir keine Kunde gegeben worden ist?“ [18:68]

Er sagte: „Du wirst mich, so Allah will, geduldig finden, und ich werde gegen keinen deiner Befehle ungehorsam sein.“ [18:69]

Er sagte: „Nun gut. Wenn du mir folgen willst, so frage mich nach nichts, bis ich es dir von selbst erkläre.“ [18:70]

So machten sich beide auf den Weg, bis sie in ein Schiff stiegen, in das er ein Loch schlug. Er (Moses) sagte: „Schlugst du ein Loch hinein, um seine Mannschaft zu ertränken? Wahrlich, du hast etwas Schreckliches begangen!“ [18:71]

Er sagte: „Habe ich nicht gesagt, du würdest es nimmer fertigbringen, bei mir in Geduld auszuharren?“ [18:72]

Er (Moses) sagte: „Stelle mich nicht meines Vergessens wegen zur Rede, und sei deswegen nicht streng mit mir.“ [18:73]

So zogen sie weiter, bis sie einen Jüngling trafen, den er erschlug. Er (Moses) sagte: „Hast du einen unschuldigen Menschen erschlagen, ohne dass (er) einen anderen (erschlagen hätte)? Wahrlich, du hast etwas Verabscheuliches getan!“ [18:74]

Er sagte: „Habe ich dir nicht gesagt, du würdest es nimmer fertigbringen, bei mir in Geduld auszuharren?“ [18:75]

Er (Moses) sagte: „Wenn ich dich nochmal nach etwas frage, so begleite mich nicht weiter; von mir aus wärst du dann entschuldigt.“ [18:76]

So zogen sie weiter, bis sie bei den Bewohnern einer Stadt ankamen und von ihnen Gastfreundschaft erbaten; diese aber weigerten sich, sie zu bewirten. Nun fanden sie dort eine Mauer, die einzustürzen drohte, und er richtete sie auf. Er (Moses) sagte: „Wenn du es gewollt hättest, hättest du einen Arbeitslohn dafür erhalten können.“ [18:77]

Er sagte: „Dies führt zur Trennung zwischen mir und dir. Doch will ich dir die Bedeutung von dem sagen, was du nicht in Geduld zu ertragen vermochtest. [18:78]

Was das Schiff anbelangt, so gehörte es armen Leuten, die auf dem Meer arbeiteten, und ich wollte es beschädigen; denn hinter ihnen war ein König, der jedes Schiff beschlagnahmte. [18:79]

Und was den Jüngling anbelangt, so waren seine Eltern Gläubige, und wir fürchteten, er könnte Schmach durch Widersetzlichkeit und Unglauben über sie bringen. [18:80]

So wollten wir, dass ihr Herr ihnen zum Tausch (ein Kind) gebe, das redlicher als dieses und anhänglicher wäre. [18:81]

Und was nun die Mauer anbelangt, so gehörte sie zwei Waisenknaben in der Stadt, und darunter lag ein Schatz für sie (verborgen), und ihr Vater war ein rechtschaffener Mann gewesen; so wünschte dein Herr, dass sie ihre Volljährigkeit erreichen und ihren Schatz heben mögen – als eine Barmherzigkeit deines Herrn; und ich tat es nicht aus eigenem Ermessen. Das ist die Bedeutung dessen, was du nicht in Geduld zu ertragen vermochtest.“ [18:82]

Bei dieser Geschichte handelt es sich um die Verdeutlichung genau einer Sache,  nämlich dass nichts so sein muss, wie es auf den ersten Blick scheint. Dies zu berücksichtigen hilft zu erkennen, dass der Mensch gar nicht in der Lage ist, die Geschehnisse, auf die er keinen Einfluss hat in ihrer letzten Konsequenz als gut oder schlecht zu bewerten. Gott steuert alles und es kann auch sein, dass eine augenscheinlich schlechte Tat in sich einen guten Kern trägt. Dies zu begreifen ist sehr schwierig, vor allem dann, wenn man bereits über ein festgefügtes Weltbild verfügt und einem der Blick für das Verborgene fehlt. Selbst die Propheten kennen nicht das Verborgene. Dies ist nur Gott bekannt und denjenigen, denen er dieses Wissen zu Teil werden lässt. Dies verdeutlicht auch die allegorische Bedeutung dieser Geschichte, denn niemand von uns kann behaupten, er habe Kenntnisse über das Verborgene. Meist sind wir Betroffene und Beobachter: wir sehen, dass ein Kind stirbt und halten es für ein grundsätzlich negatives Ereignis. Dies ist es auch, doch nicht im Lichte der Barmherzigkeit Gottes, denn womöglich wird dadurch ein noch viel größeres Leid verhindert.

Überlegen wir einmal: Der Fremde tötet einen Jüngling. Entweder ist der Jüngling ein guter Mensch, so erwartet er das Paradies und ist aller Prüfungen ledig. Für ihn eine an sich positive Situation. Dies sollten – bei aller Trauer – auch die Eltern nicht vergessen. Doch ist er ein schlechter Mensch, so ist sein Tod letztlich doch eine Erleichterung für die Eltern, die sie auf Grund des Trennungsschmerzes gar nicht wahrnehmen können, doch wird sie Gott letztlich darüber informieren, worüber sie sich grämten.

Der eine oder andere übereifrige Gläubige mag möglicherweise nun dazu neigen, in einer solchen Geschichte eine Aufforderung dazu sehen, plötzlich Dinge zu zerstören oder gar Menschen zu töten, wenn er bestimmte Dinge bzw. Situationen erwartet. Dies wäre jedoch eine grundfalsche Interpretation, denn es besteht ein Unterschied zwischen der Kenntnis und der Vermutung. In Vers 65 erfahren wir, dass der Fremde Wissen von Allah hatte. Wie anders hätte er erahnen können, wem das Schiff gehört und dass ein König Schiffe beschlagnahmt? Er wusste es nicht, doch Allah wusste dies.

Ebenso verhält es sich mit dem Jüngling. An dieser Stelle wird sogar der Plural (18:80) benutzt, während ein Vers zuvor der Fremde noch auf eigene Faust handelt, wenn er das Schiff zerstört. Man kann also sagen, dass in Vers 79 das Wissen durch eigene Taten genutzt wird, für die kein direkter Befehl Gottes vorhanden ist, während in Vers 80 der Fremde lediglich den Befehl Gottes ausführt.

Denselben Fall haben wir bei dem Schatz. Es wäre Anmaßend gewesen für den Fremden, zu entscheiden, ob nun der Vater oder die Kinder den Schatz finden sollten, da er nicht weiß, was die Zukunft bringt. Womöglich wäre der Vater ob des Reichtums dem Konsum verfallen und hätte alles verschwendet. Doch der Fremde stellt klar, dass er auch hier nicht aus eigenem Antrieb gehandelt hat:

„[…]und ich tat es nicht aus eigenem Ermessen.[…]“

Damit wird noch einmal ganz deutlich, dass diese Geschichte nur eine Parabel ist, die uns Demut gegenüber den Entscheidungen des Herrn lehrt. Ohne diese Demut würden wir es bei unserem Herrn nämlich nicht aushalten können, weil wir daran verzweifeln würden, da wir es  nicht greifen können. Wir stranden stattdessen bei der Frage, wieso Gott „Böses“ zulässt. Wieso er uns dieses oder jenes antut. Doch in Wahrheit ist es nur unser Denken, dass es zu etwas Bösem macht, doch alles, was Allah bestimmt ist in letzter Konsequenz doch gut und irgendwann wird Gott uns dies Deutlich machen, so wie der Fremde es auch Moses verspricht:

„[…]Wenn du mir folgen willst, so frage mich nach nichts, bis ich es dir von selbst erkläre.“

Salâh: Sowohl mit Geist als auch mit Körper

Oder: Anti-Sunna, Anti-Tradition, Anti-Ritualismus, einfach ANTI!

9.112 Diejenigen, die umkehren, dienen, loben, umherziehen, sich verneigen und niederwerfen, das Rechte gebieten und das Verwerfliche verbieten, die Bestimmungen Gottes einhalten – verkünde den Gläubigen eine Frohbotschaft!

Beim Eintritt in gewisse Foren wird man heutzutage mit einem erstaunlichen Bild konfrontiert. Es ist in diesen Foren immer wieder zu sehen, dass der Mensch an sich rechthaberisch ist und dem Geiste eines Kindes entsprechend alles mögliche tun wird, um Recht zu behalten. Nicht nur das, er wähnt sich so sicher, dass vom bequemen Sessel vor dem Computer vergessen wird, dass man es mit Menschen zu tun hat. So wird man angegriffen, wenn man nicht derselben Meinung folgt oder ihnen in ihrem Lieblingsthema zustimmt. Es scheint, dass einige Personen dermaßen begeistert sind, ihre Gedanken und ihren Körper von einem Ritual zu befreien, dass sie beginnen, solch ein Ritual im Namen Gottes zu verbieten. Der Teufel packt sie genau dort, um sie nach den klaren Beweisen wieder in die Irre zu führen: sie sind vom Gefühl der Befreiung berauscht und beginnen, alles traditionelle abzulehnen und alles, was modern und neu ist, als Religion wahrzunehmen. Mit einer rational anmutenden Sprache führen sie unzählige neue Vermutungen ein, ohne diese zu belegen. Sie geben vor, vernunftgerecht vorzugehen und missachten einfachste Regeln des wissenschaftlichen Vorgehens. Sie lehnen Persönlichkeiten wie Gerd R. Puin oder C. Luxenberg ab, weil deren Argumente weit hergeholt und unhaltbar sind. Jedoch adoptieren sie die gleiche Vorgehensweise derer, die sie ablehnen, um ihr Gefühl der Befreiung von Traditionen immer wieder von Neuem aufleben lassen zu können.

In ihrer Zauberwelt werden Orte der Anbetung (Masâdschid) zu Unterordnungen (Plural!), Kontaktgebete zu bestimmten Zeiten zu Verbindlichkeiten zu bestimmten Zeiten reduziert. Ebenso mutiert das Heilige Haus Kaaba zum „Fundament eines sanktionierten Systems“. Verben oder Adverben werden ignoriert, von Präpositionen oder Grammatik ist noch lange nicht die Rede und lieber wird mal (bei gewissen Arabern) ein Wort in seiner Bedeutung komplett geändert oder einfach der eigene Dialekt beansprucht, um ja nicht der Tradition folgen zu müssen. Die Bedeutungen werden einfach frisch nach dem Gefühl der aktuellen Lage zugewiesen, um die bizarren Theorien zu rechtfertigen. Radikale Änderung erscheint wegen seiner Radikalität attraktiver, doch sind die Argumente schwach und unbegründet. Man hat begonnen die Sunna abzulehnen und kennt die Verse bestens, welche die Tradition kritisieren. Und da man von diesem Gefühl nicht mehr loskommt, folgt man allem, was dieser Radikalität entspricht; Hauptsache man ist gegen etwas, insbesondere gegen die Sunniten oder Schiiten. Aber am liebsten einfach gegen die Tradition.

Ich habe keine Zeit und auch nicht den Wunsch, alle Argumente hier aufzuführen, um die Fehler in der Logik aufzuzeigen. Dafür bräuchte es mittlerweile ein gesamtes Buch, um alles detailliert auszuführen: zahlreiche Fehler, Vermutungen und ungerechtfertigte Schlussfolgerungen. Ich werde auch keine Namen nennen, um die Argumente von den Personen unabhängig zu machen und um kein argumentum ad hominem zu ermöglichen.

Gemäß diesen Leuten muss aber jede Person, welche nicht ihrer Interpretation, ihren Schlussfolgerungen oder Vermutungen über gewisse Wörter oder Verse des Koran zustimmt, entweder ein Beigeseller (Mushrik) oder Ableugner (Kafir) oder zumindest irgendwie irregeleitet sein. Sie lassen einem auch keine Zeit, ihre Behauptungen zu studieren, zu überdenken und zu überprüfen. Ich hätte alles stehen und liegen lassen sollen, um ihre Position entweder sofort abzulehnen oder sofort anzunehmen. Ihre Argumente gründlichst zu studieren war entweder ein Luxus oder natürlich eine „Flucht vor der absoluten Wahrheit“! Ich soll also reflexartig entscheiden. Vermutlich haben diese auch reflexartig das Thema behandelt, weil es gewisse Gefühle in ihnen angesprochen hat.

Wir sehen alles so, wie wir sehen wollen,
bis wir es anders sehen müssen.

Natürlich nehme ich jede Meinung ernst (39:18), selbst dann, wenn ich diese Argumente bereits zehn Jahre zuvor in der Türkei kennenlernte. Manchmal hörte ich in einem Satz oder in ein paar Worten gar neue Argumente, und ich füge dies zu meinem Studium hinzu. Falls ich das Argument als sachlich und schlüssig sehe, zögere ich keinen Moment meine Haltung zu ändern. Ich würde niemanden beschuldigen, eine Sünde zu begehen, wenn sie oder er das Kontaktgebet (Salâh) nicht körperlich befolgt. Ich folge lediglich den Anweisungen Gottes in den Versen 20:114, 17:36 und 39:18.

Nur das, was aus Geduld und sorgfältiger Überlegung entsteht,
kann reifen und zu etwas Fruchtbarem gedeihen!

Ein paar Jahre zuvor, als ich sah, dass der Koran nur drei Gebete und nicht fünf aufführt, begann ich auch nur noch dreimal täglich zu beten. Ich erzählte davon einigen in meinem Umfeld, jedoch fanden diese das Argument als zu kompliziert und nahmen sich keine Zeit für ein näheres Studium. Ich würde jedoch niemanden in seinem Glauben hinterfragen, nur weil er fünf Gebete als Pflicht ansieht und nicht drei. Selbst heute noch gibt es Freunde, deren Argumente für das fünfmalige Gebet am Tag teils logischen Schlussfolgerungen folgen. Wo Menschen sind, sind auch Differenzen aufgrund ihres unterschiedlichen Grad an Wissens, an Erfahrung und ihres unterschiedlichen Hintergrundes. Und ich bin überzeugt, dass trotz dieser unterschiedlichen Ansichten eine Einheit in der Gemeinschaft gebildet werden kann, denn die wichtigste Angelegenheit besteht darin, Seine Religion Gott allein zu widmen.

Folgte ich dem gleichen Schema dieser Menschen, so würde ich jeden Menschen, der fünf Mal am Tag das Kontaktgebet einhaltet, der Beigesellung (Shirk) beschuldigen, der Kapitalsünde schlechthin. Wie kann ein Gläubiger einen anderen dessen beschuldigen nur aufgrund der Befolgung von Zusatzgebeten aus einem teils unterschiedlichen Verständnis des Koran? Wer sich vor diesem Drang nicht in Acht nimmt, fällt demselben Wunsch zum Opfer, aufgrund eines unterschiedlichen Verständnisses eine Spaltung herbeizuführen, im unbewussten Bestreben, einen neuen Kult oder neue Gruppe einzuführen, was vom Koran aufs Schärfste verboten wird. Sie schärfen ihre Argumente und nutzen es als wäre es ein heiliger nasser Lappen, dem man jedem ins Gesicht werfen sollte. Sie könnten gute Punkte haben, sie könnten sogar Recht haben. Aber sie übertreiben, indem sie entdeckte UNTERSCHIEDE als den Angelpunkt des Glaubens behandeln. Der Wunsch, eine eigene Identität zu entwickeln benebelt ihre Vernunft und sie erblinden den gemeinsamen Werten gegenüber. So wie Paulus nach Jesus etliche Tatsachen verzerrte, um Jesus‘ Botschaft von der von Moses zu unterscheiden, so wie sich die Gläubigen nach Paulus Christen nannten. So wie sich die Sunniten und Schiiten ihre Namen gaben nach dem Propheten Mohammed aufgrund einer rein politischen Frage. So wie sich die Schiiten untereinander und Sunniten untereinander wiederum unterschiedliche Sektennamen (Hanafi, Hanbali, Dschafari, Zwölferschiiten…) gaben. Dieses Muster der Spaltung ist fast allen Gruppen gemein, die eine bestimmte Religion, Sekte oder einen Kult vertreten.

4:142 … Und wenn sie sich zum Kontaktgebet hinstellen, stellen sie sich nachlässig hin, wobei sie von den Menschen gesehen werden wollen, und sie gedenken Gottes nur wenig.

77:48  Und wenn zu ihnen gesprochen wird: „Verneigt euch“, verneigen sie sich nicht.

Um es klarzustellen: anders zu verstehen und deshalb anders zu handeln ist nicht dasselbe wie Gottes Zeichen (ayaat) im Koran oder in der Natur abzulehnen. Sich dem Glauben an eine Ayah (Zeichen) oder Ayaat (Zeichen oder Offenbarungen) zu widersetzen ist Ableugnung und wird als große Sünde betrachtet. Wenn beispielsweise die Verse 9:128-129 Teil des Koran wären, wäre eine Ablehnung ihrer wichtig. Ähnlicherweise wäre es eine wichtige Angelegenheit, die Verse 9:128-129 zu akzeptieren, wenn sie keine Verse des Koran sind. Da der Code 19 diese Angelegenheit beinhaltet und als eine der größten Wunder (Ayaat) und als eine Prüfung bezeichnet wird, ist diese Frage eine Frage des Glaubens.

 

Was ist nun Salâh?

Nach dieser langen Einführung möchte ich hier die Gründe auflisten, weshalb ich nach all dem Anhören der Argumente immer noch die Kontaktgebete (Salâh) sowohl geistig als auch körperlich einhalte.

1- Es gibt Personen, die behaupten Sally oder Salâh bedeute nicht Gebet, sondern Hingabe, Unterstützung, Kontakt oder Verbindlichkeit. Darin ist eine gewisse Wahrheit enthalten. Wenn das Wort SaLLY nicht zusammen mit dem Verb iqamu verwendet wird, bedeutet es gewöhnlicherweise Unterstützung oder Ermutigung. Die Verse 74:43, 75:31 reflektieren diese Bedeutung. Ebenso bedeutet das Wort Salla in den Versen 2:157; 9:99,103; und 33:43,56 zu unterstützen. Es könnte auch sein, dass in Vers 5:106 das Wort Salla sich nicht auf das Ritual des Kontaktgebetes beziehen muss. Wenn das Wort Salâh mit dem Verb iqamu (Imperativform: verrichtet) verwendet wird, beschreibt es das zeitlich festgelegte Ritual, welches vorgängig einer Waschung bedarf (Wudu‘). Die restlichen Argumente, die die diese Verbindung zwischen diesem Verb und dem Wort Salâh untersuchen, sind schlicht nicht überzeugend.

2- Gewisse Personen, die das Glück haben, sich von den Ahadith befreien zu können, gehen in ein Fest der Verschwörungstheorien über und behaupten, die Worte hätten sich allesamt zwangsweise verändert, wegen irgendeiner verschwörerischen Ideologie der früheren Araber.

Das Wort al-beyt (das Haus), welches gewöhnlicherweise im Koran das von Abraham und seinen Kindern in Mekka erbaute Haus meint, solle eigentlich als „System“ übersetzt werden. Genauso solle Hadsch (die Pilgerfahrt zum Haus in Mekka) plötzlich als Debatte, Diskussion oder Herausforderung verstanden werden. Neue Bedeutungen alten Wörtern zuzuschreiben wäre prinzipiell nichts Verwerfliches, wenn es wesentliche koranische und logische Argumente gäbe. Die übliche Bedeutung dieser zwei Wörter erklären alle Verse, in denen sie vorkommen, ohne dass wir tiefergehende Einsichten benötigten. Die behaupteten neuen Bedeutungen hingegen sind nicht vorstellbar. Wie werden folgende Verse denn genau erklärt mit diesen „neuen Bedeutungen“: 2:158, 8:35 (in Bezug auf die Präposition ‚inda), 17:93 (luxuriöses System?), 28:12, 66:11 (System im Paradies?), 12:23, 2:125 und 22:26 (Gottes System brauche Reinigung?) und 8:5? Wie steht es um den Plural des Wortes (buyuut)? Sind das keine Systeme, oder wieso wird dies dennoch als Häuser verstanden?

3- Es ist wahr, dass in 16:49 Sadschda Gehorsamkeit und Unterordnung Gottes Gesetz gegenüber bedeutet. Wir sollten nicht von diesem Vers ausgehend folgern, dass alles eine Seele wie Menschen besitzt. Selbst mentale Prozesse folgen physischen Ereignissen. Selbst die Niederwerfung aller Geschöpfe ist physisch. Alles was wir beobachten und wahrnehmen können, ist physischer Natur. Atome unterwerfen sich Gottes System in der Natur, wenn sie interagieren. Wasser tritt in gewisse Zustände wie Eis, Dampf oder Flüssigkeit ein, die vier Basen Adenin, Cytosin, Guanin und Thymin bilden die Grundelemente der DNA und folgen Regeln der Codierung, die Gott vorbestimmte, und sie produzieren die DNA. Jede Zelle und jedes Organ in unserem Körper ordnet sich ins Gefüge ein. Dies sind alles physikalische Beispiele der Sadschda vor Gott. Kein Wunder, denn das gesamte Universum hat sich Gott ergeben (3:83; 13:15). Interessanterweise wird in diesen zwei Versen dieselbe Idee angesprochen, doch in 3:83 wird das Verb aslama (ergeben) verwendet, während in 13:15 das Verb yasjudu (niederwerfen) gebraucht wird. Dies ist ein starker, philologischer Hinweis dafür, dass beide Verben zur selben semantischen Ebene gehören. Ergebung in Gott ist nicht nur ein mentaler Vorgang, sondern ebenso eine physische Handlung, wie zum Beispiel hart zu arbeiten, Gottes Botschaft zu übermitteln, den Armen Speise und Kleidung zu geben, für Verbesserungen im Umfeld zu sorgen usw.

Moschee in Bascarsija SarajevoEinige verwenden 41:37, um die Schlussfolgerung zu ziehen, dass wir uns nicht niederwerfen sollen vor der Schöpfung im Glauben, dass wir Gott anbeteten. Gott benutze Sonne und Mond als Beispiele, welche insgesamt Tag und Nacht umfassen sollen. Dies ist nicht nur eine weit hergeholte Vermutung, sondern auch ein Missverständnis der arabischen Präposition „li“. Der Vers sagt nicht VOR Sonne und Mond, sondern FÜR/ZUR Sonne und Mond. Der Unterschied ist gewaltig. Um Zeiten zu beschreiben verwendet Gott im Koran Tag und Nacht und nicht Sonne und Mond. Der Vers verbietet des Weiteren auch nicht eine körperliche Niederwerfung für Gott, sondern die körperliche wie auch mentale Niederwerfung für andere als Gott.

In einigen Versen bedeutet Sadschda tatsächlich nur mentale Niederwerfung, während es in anderen Versen wiederum nur körperliche Niederwerfung bedeutet. Hier brauche ich bewusst nicht die Beschreibung „physisch“, da sowohl mentale (neuronale chemische Ereignisse) wie auch körperliche Prozesse physische Vorgänge sind. Die in 27:20-24 erwähnte Niederwerfung muss körperlich sein. 77:48 erwähnt hingegen mentale Beugung vor Gott. Der Vers 22:18 beschreibt beides: mentale wie auch körperliche Unterordnung vor Gott. Es gibt einige, die bei diesem Vers folgende rhetorische Frage stellen: „Hat irgendjemand je einen Teil dieser Schöpfung sich beugen und auf den Boden niederwerfen sehen können (Tiere ausgeschlossen)?“

Wieso sollte die Regel begründet sein, dass wir einen Teil (!) der Schöpfung nachahmen müssen? Was ist mit dem anderen Teil? Was ist mit dem gänzlich unbekannten Teil? Nur weil gewisse Dinge in den Himmeln und der Erde sich nicht vor Gott niederwerfen, indem sie ihr Gesicht nach unten zeigen in Demut, dürften wir dies nicht tun, damit wir „die Schöpfung imitieren“? Die Annahme ist hier falsch, dass alle Geschöpfe auf dieselbe Art die Niederwerfung vollziehen. Jedes Geschöpf, ob in den Himmeln oder auf der Erde, verherrlicht Gott (24:41, 57:1, 59:1, 59:24, 61:1, 62:1, 64:1), wir verstehen ihre Verherrlichung aber nicht (17:44). Wir sind ebenso angewiesen unseren Herrn Tag und Nacht zu verherrlichen. Dies tun wir aber nicht wie die Vögel oder die Planeten, nicht wie Atome oder Galaxien, sondern wie Menschen in unserer Sprache (3:41, 5:97, 7:206, 19:11, 20:130, 32:15, 40:55, 50:39-40, 52:48-49, 56:74, 56:96, 69:52, 76:26, 87:1, 110:3).

Mit dieser irreführenden Annahme, dass wir der Schöpfung zu folgen hätten, würden auch andere ähnliche Verse unklar werden, wie zum Beispiel 3:83. Dieselbe rhetorische Frage hier: „Hat irgendjemand je gesehen, dass ein Teil dieser Schöpfung Almosen gibt oder Gottes Botschaft überbringt oder den Koran liest und studiert?“ Nach der eben erwähnten Annahme müssten die (menschlichen) Gottergebenen also keine Almosen abgeben, den Koran nicht studieren, kein Radio hören, nicht fernsehen und keine Computer benutzen?!

4- Einige führen auch Vers 2:62 an, um das körperliche Kontaktgebet oder Salâh zu kritisieren. Nicht alle der erwähnten Gruppierungen würden sich beugen und sich auf den Boden niederwerfen. Sie würden wegen 2:62 offensichtlich nicht bestraft dafür. Aber die Menschen, die sich weigern, sich Gott zu ergeben und Seinen Anordnungen zu folgen, verdienen Seine Strafe.

Auch dies ist wiederum eine hastig geführte Schlussfolgerung. Die erwähnten Gruppen (Gläubige, Juden, Nazarener und jene von anderen Religionen) erlangen Erlösung von Gott, solange sie an Gott glauben, rechtschaffene Werke verrichten und an das Jenseits glauben (Konzept der Verantwortlichkeit eigener Taten). Ja, es mag sein, dass sich nicht alle dieser Gruppierungen beugen und niederwerfen. Jedoch ist es dasselbe mit dem Koran: nicht alle dieser Gruppierungen folgen und glauben dem Koran. Obwohl darin Gottes Anweisungen stehen.

Gott zieht jeden zur Rechenschaft aufgrund seiner Umstände. Jene, die die Zeichen von Moses sahen, werden für ihre Reaktion darauf zur Rechenschaft gezogen. Jene, die das Zeichen der 19 im Koran sahen, werden aufgrund ihrer Reaktion darauf zur Rechenschaft gezogen. Und so werden auch diejenigen aufgrund ihrer Reaktion zur Rechenschaft gezogen, denen angewiesen wurde sich zu beugen und sich niederzuwerfen. Erhielt doch jedes Volk einen Gesandten mit seinen eigenen Anordnungen (10:47, 22:34, 40:28).

5- Beziehend auf Vers 18:50 wurde auch schon gefolgert, dass es „keinen Bedarf gebe, sich auf den Boden niederzuwerfen, um Gott zu verherrlichen, denn dies sei uns nicht befohlen worden, sondern dass Gott von uns wolle, unseren Willen Seinem Willen zu beugen und zu unterordnen“. Diese so geäußerte Aussage mag als vernünftige Schlussfolgerung angesehen werden. Jedoch können wir die Art der Niederwerfung aus 18:50 nicht allen anderen Niederwerfungen gleichsetzen, da wir wissen, dass dieses Wort auch dazu verwendet wird, um die Bedeutung „demütig auf den Boden zu gehen“ wiederzugeben. Der Vers bezieht sich auf ein Ereignis, welches vor der Schöpfung des Lebens auf Erde geschah. Nebst dem ist dies eine Anordnung an Satan, ein aus Energie erschaffenes Wesen ungleich uns. Die Art und Weise der Niederwerfung von Satan und den Engeln muss nicht notwendigerweise die gleiche sein wie die unsrige.

6- Es soll nicht vergessen werden, was in Vers 4:102 steht. Die Gruppe, die sich bereits niedergeworfen hatte, wird durch diejenige abgewechselt, die sich noch nicht niedergeworfen hat. Diese sollen hervor treten, damit der Prophet das Gebet für sie „vorführen“ (aqamta) möge. Insbesondere aber der Hinweis, dass die Waffen nicht abgelegt werden sollen, es sei denn es regne oder man ist krank, bekräftigt den körperlichen Aspekt der Niederwerfung.

7- Ein Bruder erwähnte einmal folgendes:

Das entsprechende Wort wird meistens mit einem anderen Wort verbunden, das davor kommt: Khar’a (runter fallen). Dies verdeutlicht es uns, dass wir tatsächlich körperliche Niederwerfung vollziehen müssen. Würde man „Niederwerfung“ sofort als etwas Körperliches verstehen, bräuchte man auch nicht „Khar’a“ hinzufügen. Vers 12:100, welche die Erfüllung von Josefs Traum beschreibt, benutzt die Wörter „fallen“ und „niederwerfen“ zusammen.

Dies ist in der Tat interessant. Doch man darf nicht vergessen, was am Anfang des Kapitels, nämlich in 12:4 steht: in Josefs Vision, welche gerade das Ereignis aus 12:100 beschreibt, wird nur ein Wort verwendet: Sadschedeen (in der Bedeutung etwas ähnliches wie: sie waren sich am niederwerfen). Darüber hinaus wird ebenso David damit in Verbindung gebracht, der das Kontaktgebet verrichtete:

38:24 Und David merkte, dass Wir ihn auf die Probe gestellt hatten; also bat er seinen Herrn um Verzeihung und fiel kniend nieder (Kharra rukka’An) und bekehrte sich.

Hier wird Davids Reue klar als Niederknien beschrieben, sowohl geistig als auch körperlich.

Ich möchte gerne ihn und andere, die sich intensivst darum bemühen, den formalen Aspekt des Kontaktgebetes (Salâh) zu eliminieren, an folgenden Vers erinnern:

19:58 … Wenn ihnen die Zeichen des Allerbarmers verlesen wurden, fielen sie niederwerfend und weinend nieder (kharru sujjadan wa bukyan).

Riba im Koran – Zins oder Wucherzins?

Schweizer Rappen

Bild: Florian Schlapbach, CC BY-NC 2.0

Bis vor Kurzem noch schwirrten in meinem Kopf vielerlei Fragen herum bezüglich der Frage, was „riba“ (üblicherweise als Zins oder Wucher wiedergegeben) ausmacht. Was ist das klassischarabische Wort für Zins? Hatten die Leute, die während der Offenbarungszeit zugegen waren, zwei verschiedene Worte für Wucher und Zins? Welche Gründe habe ich für die Übersetzung von riba im Koran als „Zins“ oder „Wucher“? Wo beginnt der Wucherzins denn genau? Wieso sollte ich fünf, zehn oder zwanzig Prozent als die Grenze zwischen eines teuflischen Wuchers und dem legalen Zins nehmen? Was würde es ökonomisch bedeuten, wenn ich zwanzig Prozent als fixen Wert für diese Grenze nehme, wo doch stetig fluktuierende Inflation und Entwertung stattfindet in der heutigen Wirtschaft? Kann ich mich gänzlich vom Zins befreien in der heutigen Zeit? Was empfinde ich gegenüber dem Zins als mathematischem Modell an sich? Ich sprach mit Freunden, besuchte Seminare über dieses Thema, las viel darüber, doch zu einem Ergebnis kam ich nicht – eben bis vor Kurzem.

Die Diskussion im Islam um riba im Koran hält schon seit Jahrhunderten an. Zahlreiche Gelehrten glauben, dass Wucher jede „fixe“ Prozentzahl meine in Bezug auf Einnahmen, die aufgrund Geldleihe oder Depositen gewonnen wurde. „Fix“ deshalb, weil damit derjenige, der das Geld leiht, von jeglichem Verlust ausgeschlossen wird. Die Einnahmen des Leihenden jedoch, die je nach Gewinn oder Verlusten variieren können, werden nicht als Wucher angesehen. Es gab andererseits wiederum viele, die nicht dieser Meinung waren und glaubten, dass Wucher lediglich das Verlangen maßlos übertriebener Zinsen oder Zinseszinsen bedeute. Je nach Meinung aber auch jeglicher unsittlicher Handel, bei dem eine Partei Nutzen aus der misslichen Lage des Anderen zieht. Nach dieser Ansicht wäre also das Ausleihen von Geld inklusive Zinsen zufriedenstellend, weil solange gegenseitige Übereinstimmung bestehe, könne Wucher auch als Handelsform betrachtet werden. Doch diese übersehen ganz klar den Vers 2:275 aus dem Koran:

2:275 Diejenigen, die die Riba verzehren, stehen nicht anders da, als wie derjenige dasteht, der vom Teufel durch Erfassung erschlagen ist. Dies deswegen, weil sie sagten, der Handel sei wie die Riba. Doch Gott erlaubte den Handel und verbot die Riba. …


Wenn Riba lediglich unmoralische Geschäftspraxis bedeutete, wie etwa Profittreiberei oder Ergaunern von Kredit, so wäre diese Angelegenheit eine moralische. Damit wäre sie aber auch leicht erkennbar als falsch. Jedoch scheint es eher so zu sein, dass Riba eine Aktivität meint, welche den legitimen Handel beinhaltet. Hierdurch wird es auch notwendig, die Riba vom Handel zu unterscheiden. Schließlich wird es aber doch wieder zu einer Frage der Moral, wenn wir die Langzeitfolgen der Verzinsung für die Gesellschaft betrachten. Es ist sehr wichtig, dass wir uns selbst ausbilden und darauf Acht geben, nicht überhastet Meinungen zu bilden, nur weil wir einem oder zwei Gelehrten zugehört haben. Erst eigenständiges, aktives Suchen nach allen möglichen Fakten bemächtigt uns dazu, eine ausgereifte Entscheidung aufgrund der Recherchen zu fällen. Oder in den Worten Immanuel Kants, dessen Doktorurkunde die Bismillah auf Arabisch beinhaltet:

„Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit. Unmündigkeit ist das Unvermögen, sich seines Verstandes ohne Anleitung eines anderen zu bedienen. Selbst verschuldet ist diese Unmündigkeit, wenn die Ursache derselben nicht am Mangel des Verstandes, sondern der Entschließung und des Muthes liegt, sich seiner ohne Leitung eines anderen zu bedienen. Sapere aude [wage es verständig zu sein]! Habe Muth, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen! ist also der Wahlspruch der Aufklärung.“
– Immanuel Kant


Bitte versteht mich nicht falsch, ich habe meine Ausbildung in Mathematik genossen, weshalb ich das Zinssystem aus rein mathematischem Aspekt an sich nicht mag, und nicht in Wirtschaft. Deshalb braucht es weitere Experten, die sich mit Ökonomie bestens auskennen, um bewerten zu können, wie sehr die Verzinsung der Wirtschaft schadet. Interessante Ansätze für ein Umdenken lassen sich finden, eine genauere Erörterung und Ausführung und die Prüfung der Umsetzbarkeit ist sicherlich auch vonnöten. Dies überlasse ich gerne den Experten.

Auf jeden Fall kann ich aber meine persönliche Meinung übers Verzinsen nicht mit dem religiösen Verständnis gleichsetzen. Da es nicht sogleich ersichtlich ist, wieso Verzinsung (Einnahmen mit fixen Prozentsätzen) verboten werden sollte, wenn es doch scheint, dass ein legitimer Handel zwischen zwei Parteien geschieht, der auf gegenseitiger Übereinkunft begründet ist, sollten die schädlichen Aspekte solcher fixer Einnahmen für die Gesellschaft näher durchleuchtet werden. Welche genauen Wirkungen hat die Verzinsung auf die Ökonomie? Und inwiefern wird eine von Verzinsung befreite Gesellschaft produktiver, stabiler und gerechter werden? Welchen Effekt hat die Verzinsung auf die Inflation, die Arbeitslosigkeit und die Defizite der Regierung? Und der dadurch verursachten Vergrößerung der Lücke zwischen arm und reich? Oder gibt es bereits Studien, die diese Fragen beantworten?

Semantik

Ich entschied mich letztes Jahr, ein Buch über das Auslegen und das Verstehen des Koran zu schreiben. Im Zuge meiner Recherchen und Verfeinerung meiner Auslegungsmethodiken kam ich dann auf Hinweise, die mich auf die Spur brachten. Diese Hinweise, die ich der Semantik entnahm, machen die vorhin erwähnten Fragen und ihre Antworten irrelevant. Denn, bei der Betrachtung von riba im Koran (2:261-281, 3:130-133, 30:39 und 4:161-162) ist aufgrund der verwendeten semantischen Bedeutungsebenen der Wörter riba und sadaqa klar, dass das Verbot nichts zu tun hat mit geschäftlichen Handlungen. Der Fokus des Verbots betrifft die Wohltätigkeit und das verzinste Leihen von Geld für wohltätige Zwecke. Dies wird von Gott im Koran verboten. Es ist verboten, Bedürftigen Geld zu leihen, und bei der Rückzahlung Zins zu verlangen. Sei dieser Zins nun niedrig oder hoch. Der Bedürftige braucht das Geld nicht, um Geschäfte abzuwickeln, sondern um seine Bedürfnisse nach Nahrung und Unterkunft zu decken. Er braucht es, um damit zu überleben. Dieses Dilemma auszunutzen wird von Gott verboten. Dem bedürftigen Freund oder Nachbar Geld zu leihen ist kein Geschäft, sondern ein rein humanitärer Akt – ein Akt der Wohltätigkeit. Dem Schwachen ist zu helfen, ohne seine Schwäche auszunutzen. Dieser bedürftige „Freund“ oder „Nachbar“ kann auch ein Staat sein, doch in erster Linie sind es Individuen oder Familien.

Inwiefern kann die semantische Bedeutungsebene gewonnen werden? Die Antwort ist zwar länglich, aber leicht und wie folgt: im Vorfeld auf das Erwähnen des Wortes riba im Koran können wir sehen, dass…

– … 2:262 betont, dass die Abgaben auf Gottes Weg weder Vorhaltung noch Schaden nach sich ziehen lassen dürfen. Dies wird in 2:263 nochmals rhetorisch verstärkt, dass in solch einem Falle gar freundliche Worte und Verzeihen besser seien als eine Spende (sadaqa). Weitere Verstärkung durch Gleichnisse in den darauf folgenden Versen.

– … 2:270 die Abgaben (nafaqa) erwähnt, Vers 2:271 die Spenden (sadaqât). Somit werden Abgaben und Spenden miteinander semantisch in Verbindung gebracht. Spenden werden also auch als Abgaben behandelt. Das Verb abgeben (oder auch ausgeben: yunfiq) wird an anderer Stelle (2:219) mit ‚Afw in Verbindung gebracht, das für alles steht, was wir als Überschuss verstehen und deshalb verzeihen können, es abzugeben, es also als Verzicht in Kauf nehmen.

– … dreimal das Verb abgeben in Vers 2:272 vorkommt und in der Absicht eingeschränkt wird auf den religiös moralischen Aspekt durch den Satz: „Und was ihr ausgebt, ist nur, um nach Gottes Antlitz zu trachten„. Die Abgaben haben also keinerlei geschäftlichen Aspekt zu berühren.

– … Vers 2:273 zeigt, dass die Spendenabgaben für die Armen sind. In Vers 2:274 wird diese Abgabe nochmals erwähnt.

Der folgende Vers erwähnt zum ersten Mal das Wort riba im Koran, im Vers als ‚Riba‘ belassen.

2:275 Diejenigen, die die Riba verzehren, stehen nicht anders da, als wie derjenige dasteht, der vom Teufel durch Erfassung erschlagen ist. Dies deswegen, weil sie sagten, der Handel sei wie die Riba. Doch Gott erlaubte den Handel und verbot die Riba. Wer also von seinem Herrn eine Unterweisung bekam und danach aufhörte, dann ist für ihn, was vergangen ist. Und seine Angelegenheit ist bei Gott. Und wer rückfällig wurde, jene sind die Gefährten des Feuers. Darin sind sie ewig


Bereits vergangene Verzinsungen von Spendenabgaben werden verziehen, vorausgesetzt, diese Verzinsung wird künftig unterlassen. Hier wird der Ernst der Lage richtig deutlich. Denn den Rückfälligen wird mit dem Feuer gedroht.

Äußerst interessant ist der Wortgebrauch des Wurzelstammes von riba im Koran im folgenden Vers:

2:276 Gott lässt die Riba vergehen und verzinst (yurby) die Spenden. Und Gott liebt keinen, der ableugnend, sündigend ist


Hier wird die Riba semantisch den Spenden (sadaqât) gegenübergestellt. Und um dies zu verstärken werden die Spenden verzinst, die nur für Gottes Wohlgefallen ausgegeben werden! Die Verzinsung der Spenden lässt sich aus Vers 6:160 verstehen, wonach alle gute Taten verzehnfacht werden vor Gott. Diese „gute Taten“ können aber nicht missbraucht werden, was 2:276 eindrücklich aufzeigt und in 2:275 verdeutlicht wird. Vers 2:277 erläutert das allgemeine Wesen der Gläubigen und erwähnt die Reinigung der Seele durch Wohltätigkeit (Zakâh, siehe auch die Wurzel zu diesem Wort). 2:278 ermahnt die Gläubigen, von der Verzinsung abzulassen.

2:279 Wenn ihr es aber nicht tut, dann sei euch ein Krieg von Gott und seinem Gesandten angekündigt. Und wenn ihr es bereut, so ist für euch euer Kapitalvermögen. Weder tut ihr unrecht noch wird euch unrecht getan


Der Gelehrte Jusuf ‚Ali glaubte allen Ernstes, dass es sich hier „nicht um einen Meinungsstreit, sondern um eine tatsächliche Kriegserklärung“ handle mit dem Ziel, die „Befreiung der Schuldner herbeizuführen, die ungerecht behandelt und unterdrückt werden“. Dies ist schlicht falsch. Dieser Krieg ist selbstredend kein Krieg, der mit Waffen geführt wird, sondern per Gesetz geregelt wird im diesseitigen Leben und per göttliches Urteil im Jenseits. Dies wird dadurch ersichtlich, dass ein Bereuen möglich ist. Bei einer echten Kriegsansage würde das Recht auf Leben nichtig erklärt werden, womit ein Recht auf Reue, was nach dem Tötungsakt im Krieg offenbar ein Ding der Unmöglichkeit wird, erlischt und eben gerade diesem Vers zuwider liefe. Vielmehr handelt es sich um einen spirituellen Krieg, den der schwache Mensch gegenüber Gott seinem Schöpfer nur verlieren kann (vgl. Vers 2:281). Der Gelehrte Darjabaadi sagte zu diesem Vers:

Im Qur’an stoßen wir auf zahlreiche andere Verbote, aber bei keiner anderen derartigen Anweisung werden so starke Worte verwendet. Durch all dies sollte nicht nur das Zinsunwesen allein, sondern jede andere Art von unlauteren Geldgeschäften unterbunden werden, damit anstelle des Kapitalismus eine neue Ordnung trete, in der Geiz durch Mildtätigkeit, Selbstsucht durch Mitgefühl und Zusammenwirken, Zins durch Sadaka und das Bankwesen durch das von der Öffentlichen Hand zu vergebende Geldmittel ersetzt wird.


Vers 2:280 ermahnt uns, den Schuldner nicht zur Zurückzahlung zu drängen, auch wenn das Recht am Grundkapital besteht. Jedoch ist es besser für unsere Seelen, im Trachten nach dem Antlitz Gottes, die gesamte oder auch einen Teil der Schuld zu spenden.

Der Vollständigkeit halber liste ich hier noch die anderen Bedeutungen des Wurzelstamms von riba im Koran auf:

  • anschwellen (‚rabat‘ in 22:5, 41:39),
  • vermehren/verzinsen (yarbu in 30:39, yurbi in 2:276)
  • zahlreicher (arbâ in 16:92),
  • ein Hügel oder eine Anhöhe (rabwa in 2:265, 23:50),
  • Oberfläche oder schwellend (râbyan 13:17)
  • sehr stark, im Sinne von hoher Kraft (râbyatan 69:10)

Lange Rede kurzer Sinn: Vers 2:276 genügt, um das Thema zu klären. Dies wird erreicht durch die Gegenüberstellung von ‚riba‘ mit Spenden. Die semantische Wortbedeutung wird klargestellt durch den Gebrauch des Verbes (yurbi) vom selben Wurzelstamm im Sinne einer unrechtmäßigen Vermehrung: der Verzinsung von Spendenabgaben.

Im kontextuellen Zusammenhang der Verse davor und danach wird die Angelegenheit klarer, die restlichen Verse sind unterstützend. Sich davon fern zu halten, wäre ratsam, da man ansonsten Gott und Seinem Gesandten den Krieg erklärt, den man nur verlieren kann.

Gepriesen seist Du, oh Herr! So leite uns Recht, auf dass wir Dir nahe sein können und fern von dem Weg, welcher Dein Wohlgefallen nicht erlangt. Konkretes Beispiel: irgendein Mensch, beispielsweise ein Nachbar, erlebt gerade eine schwere Zeit und hat kein gesichertes Einkommen und ist auf die finanzielle Unterstützung anderer angewiesen. Er leiht Geld, um die Miete und die Nahrung für sich und seine Familie sicherzustellen. Er versichert, mündlich oder schriftlich, dass das Geld zurückgezahlt wird. Wer hier auf das ausgeliehene Geld eine Verzinsung einführt, sagt Gott und Seinem Gesandten den Krieg an, da es dem Wort Gottes widerspricht, da das Ausleihen in diesem Fall ein humanitärer Akt sein sollte. Obwohl es keine Pflicht darstellt, wird uns geraten, Rückzahlungen nicht ganz einzufordern, sondern ganz oder auch einen Teil davon als Spende abzugeben, um seine eigene Seele zu reinigen vor Gott. Jedoch ist es auch rechtmäßig, das gesamte Kapital zurückzufordern. Hierbei spielt es keine Rolle, ob das Geld von einer Privatperson oder einem Institut, wie etwa einer Bank geliehen wird.

Riba meint also die verbotene Verzinsung der Spendenabgaben und kein allgemeines Zinsverbot.


Nachtrag vom 10. Mai 2013:

Bruder Alkan machte mich auf folgende Verse der Bibel aufmerksam, die das Geschriebene aus der Bibel unterstützen, dass der verbotene Zins nur denjenigen Zins meint, der bei Spendenabgaben für Bedürftige („die Elenden“) entsteht:

„Falls du (einem aus) meinem Volk, dem Elenden bei dir, Geld leihst, dann sei gegen ihn nicht wie ein Gläubiger; ihr sollt ihm keinen Zins auferlegen.“
„Und wenn dein Bruder [d.i. ein Mitglied des Volksverbands] verarmt und seine Hand neben dir wankend wird, dann sollst du ihn unterstützen wie den [landlosen] Fremden [hebr. ger] und Beisassen [hebr. toschab, d.h. ein nichtjüdischer Ortsansässiger], damit er neben dir leben kann. Du sollst nicht Zins von ihm nehmen und sollst dich fürchten vor deinem Gott, damit dein Bruder neben dir lebt. Dein Geld sollst du ihm nicht gegen Zins [hebr. neshek, wörtlich Abbiss] geben, und deine Nahrungsmittel sollst du nicht gegen Aufschlag [hebr. marbit] geben.“
„Du sollst deinem Bruder keinen Zins [hebr. neshek] auferlegen, Zins für Geld, Zins für Speise, Zins für irgendeine Sache, die man gegen Zins ausleiht. Dem Fremden [hebr. nochri, d.h. einem Ausländer, der nur vorübergehend im Land weilt] magst du Zins auferlegen, aber deinem Bruder darfst du nicht Zins auferlegen, damit der Herr, dein Gott, dich segnet in allem Geschäft deiner Hand in dem Land, in das du kommst, um es in Besitz zu nehmen.“