Rahima, 29 Jahre alt
Als ich mir damals neben dem Koran „Die Sammlung der Hadithe“ von Al-Bukhari besorgt habe, in dem Glauben, dadurch den Koran besser zu verstehen, und begonnen habe ein Hadith nach dem anderen zu lesen, fiel es mir mit jedem weiteren Hadith schwer, meinen eigenen Augen zu trauen. Ich las Ahadith, welche ich bis zu dem Zeitpunkt als weitere Primärquelle neben dem Koran gesehen habe, die Frauen mit Tieren gleichsetzten.
Wie können der Prophet Mohammed und seine Anhänger so etwas über Frauen denken und sagen?! Der Prophet wurde von Gott auserwählt, ihm hat er den Koran offenbart, in dem Mann und Frau vor Gott gleichwertig sind und ihm hat er den rechten Weg gelehrt.
Ich beruhigte mich, in dem ich mir einredete, dass es sich bei den Hadithen um nicht-authentische Hadithe handelt, denn so etwas kann auf gar keinen Fall vom Propheten stammen. Ich wollte herausfinden, ob die Hadith-Wissenschaft diese Ahadith als authentisch eingestuft hat. Mit Entsetzen musste ich feststellen, dass die frauenfeindlichen Ahadith als authentisch identifiziert wurden. Ich legte daraufhin das Buch im wahrsten Sinne des Wortes angewidert weg.
Verstört vom Islam-Bild, das mir Al-Bukhari vermittelt hatte, suchte ich verzweifelt nach Antworten im Internet. Über eine Blog-Seite stoße ich auf die Internetseite von Alrahman.de, wo ich zum ersten Mal meine Gedanken, die ich nicht auszusprechen wagte, in den Artikeln wiederfinde. Ich las, dass die Ahadith nicht zulässig seien, diese den Koran nicht ergänzen, sondern ihn umschreiben und damit den Islam verzerren und neu erfinden würden.
Als die Ahadith für mein Islamstudium wegfielen, weil sie Gott, dem Propheten und seinen Anhängern einen Islam unterstellen, der sich nicht im Koran wiederfindet, und dadurch für mich an Glaubwürdigkeit verloren haben, blieb eine einzige Quelle übrig: der Koran.
Ich habe endlich angefangen den Koran als Primärquelle bewusst zu lesen. Vorher habe ich ihn zu meiner Beschämung nur gelesen, um ihn wie alle anderen gelesen zu haben, aber nicht verstanden zu haben.
Beim Lesen hielt ich beim Vers 96:1 inne:
Lies im Namen deines Herren, der erschuf.
In all der Zeit habe ich zugelassen, dass mir andere meinen Glauben, meine Religion vordiktierten. Dieser Vers ist nicht nur an den Propheten Mohammed gerichtet, sondern an jeden Einzelnen, der ihn liest. Gott spricht in diesem Vers nicht nur den Propheten Mohammed an, sondern jeden Gottergebenen. Er fordert uns auf zu lesen und zu verstehen.
Ich fühlte, wie ich durch die Koranverse direkt von Gott angesprochen werde, wie er mich auffordert, seine Worte zu lesen, seine Schöpfung zu studieren, das Gewohnte zu hinterfragen und mir mein eigenes Urteil fälle. Hier erinnere ich mich, wie mir einmal gesagt wurde, dass das Infragestellen zur Ableugnung (kufr) führe. Sieht sehr danach aus, dass mich das Fragen zu Gott geführt hat.
Nach und nach lösten sich die Ketten in meinem Kopf. Ich fühlte mich immer freier.
Ich fühle mich Gott viel näher als vorher. Vorher lag etwas zwischen uns, etwas, das mich daran hinderte zu ihm aufzusehen, ihn anzurufen. Es ist der Irrglaube, dass z.B. Mädchen und Frauen während der Menstruation, die im Sunnitentum als „unrein“ gesehen wird, den Koran nicht lesen oder fasten dürfen, dass mich daran gehindert hat, die Nähe zu Gott zu finden.
Mein ganzes Leben habe ich mich den Zwängen des Sunnitentums gebeugt, in dem Glauben, dadurch Gott zu gefallen. Heute weiß ich, dass es richtig und wichtig ist, kritisch zu sein, und das Gewohnte zu hinterfragen, in dem man sich hinsetzt und selber recherchiert.