Gerechtigkeit

Weißer Sand

Aufbrüche – auf SRF Blickpunkt Religion und Zwischenhalt

Unser Verein war sehr aktiv dieses Jahr. Kerem Adıgüzel spricht über die verschiedenen Vereinsentwicklungen im Radio SRF zum Thema Um- und Aufbrüche. Unter anderem sprach er über Weihnachten aus muslimischer Perspektive (etwa bei Minute 45’18’’). Zusätzlich nahm er teil an einem interreligiösen Gespräch zusammen mit der römisch-katholischen Theologin und Wort-zum-Sonntag-Sprecherin Veronika Jehle und mit der Juristin, Mediatorin und praktizierenden Hindu Laavanja Sinnadurai.

 

Aufbrüche für ein aufgeklärtes Verständnis des Islam

Unser Verein engagiert sich für eine offene Moschee, in welcher der Koran allein massgeblich ist. Dieser Vision sind wir dieses Jahr ein Stück näher gekommen, worüber in der Sendung Zwischenhalt gesprochen wird.

Zu hören auf SRF Zwischenhalt.

 

Aufbrüche: Interreligiöse Gesprächsrunde

Teil 1: Umweltschutz

Weltweit gingen 2019 so viele Menschen wie noch nie für den Klimaschutz auf die Strasse. Der Klimawandel ist auch seit Jahren bei uns in der Gemeinschaft ein Thema und bewegt allgemein auch religiöse Menschen.

Zu hören auf: https://www.srf.ch/sendungen/blickpunkt-religion/aufbrueche-2019-interreligioese-gespraechsrunde-1-umweltschutz

 

Teil 2: Frauenrechte

Beim Frauen*streik im Juni 2019 liefen auch Kirchenfrauen oder Musliminnen mit. Unser Verein verfasste dazu eine Medienmitteilung, welche auf viele positive Rückmeldungen stieß. Im zweiten Teil der interreligiösen Gesprächsrunde gehen wir der Frage nach der Stellung von Frauen in Bezug auf religiöse Ämter nach.

Zu hören auf: https://www.srf.ch/sendungen/blickpunkt-religion/aufbrueche-2019-interreligioese-gespraechsrunde-2-frauenrechte

 

Teil 3: Ehe für alle?

Sowohl das Parlament in der Schweiz als auch Religionsgemeinschaften haben 2019 viel über die gleichgeschlechtliche Ehe debattiert. Die Schweizer Reformierten sagten dazu ja. Darüber reden wir in unserem letzten interreligiösen Gespräch in der Adventsserie zu Auf- und Umbrüchen 2019 in der Sendung Blickpunkt Religion.

Zu hören auf: https://www.srf.ch/sendungen/blickpunkt-religion/aufbrueche-2019-interreligioese-gespraechsrunde-3-homosexualitaet

Beitragsbild Gottes Hilfe

Gottes Hilfe und die Geburt zwei seiner Zeichen

Eine persönliche Geschichte, die getränkt ist mit anfänglicher Enttäuschung, mit großer Hoffnung, erneuter Enttäuschung und einem plötzlichen Wunder „aus heiterem Himmel“. In den Hauptrollen innerhalb dieser persönlichen Geschichte: meine liebe Frau, meine beiden gesunden Kinder, meine Wenigkeit sowie eine helfende, unbeschreibliche, barmherzige Kraft. Diese Geschichte ist dazu fähig – ich bin überzeugt davon, darum teile ich sie – euren Glauben zu stärken und uns daran zu erinnern niemals, wirklich niemals die Hoffnung auf Hilfe aufzugeben!

Aber eins nach dem anderen.

 

Unerfüllter Kinderwunsch – die (kurze) Vorgeschichte

Es war einmal ein junges verheiratetes Paar mit bisher unerfülltem Kinderwunsch seit sechs Jahren Ehe. Leider klappte es nicht – warum auch immer – die klassische Medizin fand keine genaue Erklärung. Eine Kinderwunschklinik sollte es dann sein – das hörte sich vielversprechend an…

Nach den ersten hoffnungsvollen Gesprächen und anschließenden Tests kam es zum Wiedersehen zwischen dem Paar und der leitenden Ärztin dieser Kinderwunschklinik. „Sie werden auf natürlichem Wege keine Kinder bekommen!“, sagte die Ärztin routiniert und ziemlich kalt zu der jungen Frau. „Zudem ist das Risiko einer Eileiterschwangerschaft sehr hoch, wodurch Lebensgefahr für Sie besteht.“

Für die junge Frau brach eine Welt zusammen. Unvorstellbar der eiskalte Schock. Noch vor der Heirat, schmeichelte ihr zukünftiger Ehemann: „Ich wünsche mir, dass Du die Mutter meiner Kinder wirst.“

Die erste künstliche Befruchtung brachte keinen Erfolg. Genauso wie das leere Versprechen einer privaten Krankenversicherung für volle Leistung. Die Kosten für die Behandlung und die Aufbewahrung für die entnommenen Eizellen mussten aus eigener Tasche getragen werden. Dies zwang die damals selbstständige Floristin mit eigenem Blumenladen dazu, ihr Geschäft aufzugeben. Dies sei allerdings nur am Rande erwähnt.

Beim zweiten Versuch kam eine Schwangerschaft zustande, allerdings endete diese bei einer frühen Fehlgeburt. Es verlangt einer Frau garantiert sehr viel Kraft ab, zuerst mit Freude schwanger zu werden, eine Fehlgeburt (Abort) mitzuerleben und dann noch „live“ die Ausschabung (Kürettage) durchzumachen.

Von einem Mann nur Ansatzweise beschreibbar, jedoch kaum vorstellbar, was eine Frau da psychologisch durchmacht.

Das war kurz zusammengefasst die Vorgeschichte.

 

Ärzte wissen viel, aber nicht alles!

Nach dieser Fehlgeburt brach – einige Tage später zu Hause – meine Frau plötzlich in Tränen völlig zusammen und ich konnte mich auch nicht mehr zurückhalten. „Warum? Warum ich Gott?“ (Original: „Neden? Neden ben Allah’ım?“), weinte meine Frau klagend. „Sag sowas bitte nicht. Hab Vertrauen!“, konnte ich nur entgegnen. Aber wir baten beide verzweifelt um Gottes Hilfe. Und ich weiß, dass meine Frau dies auch insgeheim tat – für ein Kind beten.

Dann, ich glaube es war gut eine Woche später, stand meine Frau nach einem Arzttermin vor der Balkontür – weinend – kaum fähig sich auf den Beinen zu halten. Sie schaffte es noch die Botschaft irgendwie über ihre Lippen zu bringen: „Ich bin schwanger…“, und brach komplett in Tränen aus. Plötzlich war sie dann da, aus heiterem Himmel, die Schwangerschaft auf natürlichem Wege. Bloß ein Zufall?

Es war eine Schwangerschaft wie auf den Bildern, die wir beide zuvor bei den ganzen Arztbesuchen und Untersuchungen in den Heften und Broschüren zu Gesicht bekamen – wie aus dem Bilderbuch eben. Nach etwa neun Monaten erblickte dann unser erstes gesundes Mädchen, am 22.01.2010 um 23:53 Uhr, mit stolzen 3950 Gramm und 53 Zentimetern, das Licht dieser Welt – Gott sei Dank!

Ich lasse an dieser Stelle (für alle Skeptiker) ein „Zufall“ durchaus gelten. Aber es geht ja noch etwas weiter.

Nach der Geburt des ersten Kindes kam es noch zu fünf weiteren Schwangerschaften auf ganz natürlichem Wege. Aber leider endeten alle fünf mit einer Fehlgeburt. Ganz bitter sollte die vorletzte und auch in Wochen gesehen längste Schwangerschaft werden – es waren Zwillinge. Zu erst verstarb das eine Embryo und zwei Wochen später das andere. Es gab nach den Zwillingen dann noch eine Fehlgeburt. Um sich psychologisch von diesen „Qualen“ zu erholen, fasste meine Frau, ihre Schwester und eine gute Freundin den Entschluss, für ein paar Tage gemeinsam nach Istanbul zu reisen. Einfach, um auf andere Gedanken zu kommen.

Gesagt und getan – die drei „Mädels“ fliegen nach Istanbul in die Türkei.

 

Eine Prüfung? Er sagte: „Ich habe Hunger…“

Im berühmten Stadtteil Taksim (İstiklâl Caddesi) von Istanbul, ist auch meine Frau eine von tausenden Menschen, die sich dort befinden, um Geschäftliches zu erledigen, einzukaufen, zu verkaufen, zu essen und zu trinken, einfach nur rumlungern, stöbern oder shoppen. An jenem Tag ist es bewölkt und es sieht nach Regen aus. Als sie und ihre Begleiterinnen vor irgendeinem der Läden Regenschirme entdeckt und ein paar davon anschaut, tippt ihr plötzlich ein älterer Herr von der Seite auf die Schulter. Ein offensichtlich Obdachloser oder mindestens arm. Sie schaut und begutachtet erstmal den Herrn, denn es gibt viele Bettler, die einfach keine sind. Zudem haben an diesem Tag schon einige aufdringlich und hinterherlaufend um Geld gebettelt.

„Und? Was möchtest Du? Geld!?“, fragte sie den Herrn mit typisch-türkischer Handgeste. Leicht verwundert erwiderte er: „Nein, mein Kind, ich habe Hunger, kannst Du mir etwas kaufen!?“ (Original: Yok kızım açım, bana birşeyler alır mısın?)

Der ältere Herr bat nicht um Geld, sondern um etwas zu essen.

Genau das war auch der Grund, warum sie nicht lange zögerte, sich gleich umschaute und fragte: „Onkel, was kann ich Dir denn kaufen!?“ (Original: Amca, ben sana ne alabilirim?)

Gar nicht weit entfernt stand ein Simit-Stand: „Komm ich hol Dir Simit“ sagte sie. Der Herr deutete beschämt auf den schlechten Zustand seiner Zähne und sagte: „Dort drüben ist ein Pide-Restaurant. Können wir dorthin?“. „Ok, dann lass uns dahin gehen“, antwortete meine Frau und sie gingen gemeinsam in Begleitung mit ihrer Schwester und Freundin dorthin.

Im Restaurant fragt sie ihn höflich welche Pide-Sorte es sein soll: „Mit Käse oder Hackfleisch?“ Bescheiden antwortete er: „Dann bitte mit Hackfleisch“. „Und was zum trinken?“, wollte meine Frau noch wissen. Erneut mit einer bescheidenen Haltung antwortete er: „Cola bitte.“

Und als man ihm die Cola auf den Tisch stellte:

Allah sana Bebek versin kızım!

…sagte er plötzlich und merkwürdig (zum merken würdig) genau das: „Allah sana Bebek versin kızım!“

Das heißt: „Gott gebe (schenke) Dir ein Baby mein Kind!“

Nicht „danke“, nicht „Gott möge mit Dir zufrieden sein“, nicht „Gott segne Dich“ – was üblicherweise gesagt wird. Nein, er sagte tatsächlich: „Gott gebe (schenke) Dir ein Baby mein Kind“, ohne etwas hinzuzufügen.

Das ist einfach unglaublich!

Vor allem meine Frau, gerade mit ihrer besonderen Vorgeschichte, und ihre beiden Begleiterinnen, waren natürlich völlig hin und weg. Es lief allen eiskalt den Rücken runter. Mit zitternden Knien ging sie zur Kasse, bezahlte das Essen und musste erneut am Tisch, an dem der ältere Herr noch saß, vorbei.

Weißt Du, was er diesmal sagte? Er wiederholte es – exakt das gleiche: „Allah sana Bebek versin kızım!“ („Gott gebe/schenke Dir ein Baby mein Kind!“)

Das ist doch VERRÜCKT… er wiederholte es somit zum zweiten Mal. Meine Frau, natürlich schockiert, konnte nur noch kurz nicken und brach schon vor der Ausgangstür in Tränen aus. Schwester und Freundin auch gleich mit ihr, die beiden kannten schließlich ihre Vorgeschichte.

 

Ist dies die Art und Weise der Kommunikation Gottes?

Wieder in Deutschland, wo die Merkwürdigkeiten keineswegs ein Ende fanden. Nach sieben, vielleicht auch zehn Tagen hat meine Frau dann einen Traum. In diesem Traum befindet sie sich erneut auf dem langen Taksim-Platz in Istanbul, doch links und rechts ist es neblig und verschwommen. Sie hält einen Schwangerschaftstest-Streifen in der Hand und auch hier kann sie nichts erkennen, er ist undeutlich und unscharf. Plötzlich klopft ihr in diesem Traum dieser ältere Mann auf die Schulter und sagt zu ihr: „Mach Dir keine Sorgen mein Kind, Du bist schwanger!“ (Original: „Merak etme kızım, hamilesin!“)

Dieser Satz war der morgendliche Wecker meine Frau und das erste was sie natürlich tut: sich einen Schwangerschaftstest besorgen.

Und was soll ich sagen!? Mit dem ersten Teststreifen war klar; sie ist schwanger! Als sie mir davon berichtete, erlebte ich eine ganz andere, deutlich selbstbewusstere Frau. Sie sagte zu mir: „Ich hab diesmal ein super Gefühl dabei“.

 

Freud und Leid sind eben doch dicht beieinander

Nein, mit dem Baby war alles in Ordnung. Meine Frau hatte jedoch den Drang, den inneren Wunsch, diesem älteren Mann erneut zu helfen. Als sie erfuhr, dass ihre Freundin – die diese Sache live miterlebt hatte – wieder nach Istanbul reist, bittet meine Frau sie darum diesen älteren Mann, dort auf den Straßen in Istanbul / Taksim zu finden und ihm „etwas“ zu geben. Wir – also ich, Frau, Kind – sind gerade parallel zu dieser Zeit in Izmir / Çeşme (Ägäis) im Urlaub. Meine Frau ist etwa im vierten Monat Schwanger. Die Sonne scheint, Getränke sind da und nette Leute hat man bereits kennengelernt als meine Frau einen Anruf bekommt. Der Anruf ist von ihrer Freundin, die sich gerade in Istanbul befindet.

Es war an der Mimik zu erkennen. Der Gesichtsausdruck meiner Frau veränderte sich innerhalb von drei Sekunden und sie brach in Tränen aus. Was ist geschehen? Die Freundin hat zwar herausgefunden, dass der ältere Mann dort nicht unbekannt war, doch leider hat sie auch herausgefunden, dass dieser nicht mehr lebt; er ist verstorben. Er soll etwa ein bis zwei Wochen nach diesem denkwürdigen Ereignis verstorben sein. So die Aussage.

Möge er in Frieden ruhen und ihm sein Schöpfer Gnade erweisen.

 

Wessen Wunsch ging hier in Erfüllung? Wessen Gebet wurde angenommen?

Natürlich baten ich und meine Frau um die Hilfe Gottes für ein zweites Baby. Aber da war ja noch eine dritte Person, die erste Tochter, die sich SO SEHR ein Schwesterchen wünschte – dieser Wunsch, diese Sehnsucht ist einfach unbeschreiblich gewesen…

Ich habe meiner Tochter in Glaubensfragen NIE vorgeschrieben Du musst dies tun oder Du musst das tun – nein. Als sie mich vor den ganzen Ereignissen, zu der Zeit gerade sechs Jahre jung, gefragt hat, ob Gott ihr eine Schwester schenkt, wenn sie dafür betet!? Da hab ich sie umarmt und gesagt: „Das kann ich Dir nicht beantworten Spatzl. Du musst dafür nicht „beten“ (sie meinte das islamisch-körperliche Ritualgebet) aber Du kannst versuchen Gott dafür zu bitten (Duā = Bittgebet) wenn Du möchtest.“

Und in der Tat, ich habe sie ein paar Mal zufällig beim Vorbeigehen an ihrer Zimmertür „erwischt“, wie sie genau das getan hat.

Ich musste diesen Teil hier mit meiner ersten Tochter hinzufügen, denn nach etwa sieben Monaten Schwangerschaft hieß es: Es ist zu 90% ein Mädchen.

 

Gottes Hilfe oder „Mein Gott der Hilft“

Auf der Suche nach einem geeigneten Namen:

Das erste Kind durfte die Mutter benennen. Beim zweiten durfte der Baba, also ich, den Namen aussuchen und natürlich musste er Mutter und Schwester gefallen. Aufgrund der denkwürdigen Ereignisse war mir klar, ich wollte/musste einen besonderen, geeigneten Namen finden.

Ich habe mich letztlich für Elisa entschieden. Elisa mit einem weichen „s“ wie bei Eis und nicht wie zum Beispiel bei Elisabeth. Der Grund meiner Wahl hat auch nichts mit dem Namen Elisabeth zu tun. Der Name Elisa hat seinen Ursprung in der semitischen Sprache, genauer gesagt ist er hebräischen Ursprungs. Und dessen Bedeutung war es schlussendlich, mich für diesen Namen zu entscheiden.

Wer seinen Glauben und die heiligen Schriften kennt, der wird wissen, dass Elisa, Elisha, Elyasa oder auch al-Yasa, ein sowohl in der Tora (Altes Testament) als auch im Koran genannter Gesandter Gottes ist! Im Koran in Sure 6 wird er etwa erwähnt, dazu gleich mehr.

Die Bedeutung: Elisha, auch Elisa, Elisäus (hebräisch אֱלִישָׁע) „Gott hilft“, „Gott hat geholfen“ oder „die Hilfe meines Gottes“. Als ich noch dazu den positiven Kontext im Koran, bei der Erwähnung dieses Gesandten lesen und erfahren durfte, wurde meine Entscheidung weiter gefestigt:

 

Koran Sure 6 (Al-An’ām) Verse 82 bis 90:
6:82 Denjenigen, die glauben und ihren Glauben nicht mit unrechtem Handeln verhüllen, gehört die Sicherheit, und sie folgen der Rechtleitung.
6:83 Das ist unser Beweis, den wir Abraham gegen sein Volk zukommen ließen. Wir erhöhen, wen wir wollen, um Rangstufen. Dein Herr ist weise und weiß Bescheid.
6:84 Und wir schenkten ihm Isaak und Jakob; jeden (von ihnen) haben wir rechtgeleitet. Auch Noah haben Wir zuvor rechtgeleitet, sowie aus seiner Nachkommenschaft David und Salomo, Hiob, Josef, Mose und Aaron – so entlohnen wir die, die Gutes tun – ;
6:85 Und Zakaria, Yahyaa, Jesus und Elias: jeder von ihnen gehört zu den Rechtschaffenen;
6:86 Und Ismael, [Elisa (al-Yasa)], Jonas und Lot: jeden (von ihnen) haben wir vor den Weltenbewohnern bevorzugt;
6:87 Und auch manche von ihren Vätern, ihren Nachkommen und ihren Brüdern. Wir haben sie erwählt und zu einem geraden Weg geleitet.
6:88 Das ist die Rechtleitung Gottes. Er leitet damit recht, wen von seinen Dienern Er will. Und hätten sie (Gott andere) beigesellt, so wäre es ihnen wertlos geworden, was sie zu tun pflegten.
6:89 Das sind die, denen wir das Buch, die Urteilsfähigkeit und die Prophetie zukommen ließen. Wenn diese da sie verleugnen, so haben wir sie Leuten anvertraut, die sie nicht verleugnen.
6:90 Das sind die, die Gott rechtgeleitet hat. Richte dich nun nach ihrer Rechtleitung. Sprich: Ich verlange von euch keinen Lohn dafür. Es ist nichts als eine Ermahnung für die Weltenbewohner.

 

Am 25. Februar 2018 war es dann endlich soweit

Mit stolzen 4400 Gramm, „breiten Schultern“ und 57 Zentimetern Länge wurde unsere zweite Tochter auf diese Welt per Notkaiserschnitt gebracht. Die Kleine war einfach zu groß und zweimal ist ihr Puls drastisch angestiegen. Aber Gott sei gedankt, Mutter und Baby waren wohlauf.

Das erste mal habe ich ein „Zufall“ durchaus durchgehen lassen. Auf Grund der Ereignisse schließe ich beim zweiten Mal ein „Zufall“ aus: Keine Chance!

 

Koran Sure 1 (Al-Fātiha):
Im Namen GOTTES, des Allerbarmers, des Barmherzigen.
Alles Lob gebührt GOTT, dem Herrn der Welten,
dem Erbarmer, dem Barmherzigen,
dem Herrscher am Tag des Gerichts.
DIR allein dienen wir, und DICH allein bitten wir um Hilfe.
Führe uns den geraden Weg, den Weg derer, denen DU Gnade erwiesen hast, nicht derer die DEINEN Zorn erregt haben und nicht der Irrenden.

 

Friede sei mit euch, Gottes Gnade und Barmherzigkeit.

Bücher Schlüssel zum Verständnis des Koran

Schlüssel zum Verständnis des Koran: Schlusswort

Mit der hier vorgestellten exegetischen Vorgehensweise eröffnen sich teils bekannte, teils neue Betrachtungsweisen. Dieses Buch ist so Gott will das erste Buch in einer Reihe von weiteren Büchern zum Verständnis der Lesung für unsere heutige Zeit.

Wichtige Themen wie das Kontaktgebet (salāh), die Läuterung (zakāh) und die Pilgerfahrt zur Debatte (ḥadsch) müssen ebenso umfassend analysiert und zusammengestellt werden. Ein Teil dieser Analysen sind bereits auf unserer Webseite alrahman.de verfügbar.

Die islamische Theologie könnte durch interdisziplinäre Arbeiten sehr viel profitieren und sich so wiederfinden in der Fortsetzung der Blütezeit der Gottergebenheit. So zum Beispiel durch Beiträge von Logikern, die die Aussagen der Lesung logisch aufschlüsseln und analysieren. Genauso können weitere Aspekte zu weiteren Einsichten führen, wie etwa die musikalische Komponente der Lesung. Ein weiteres wichtiges Gebiet wäre eine zeitgenössische Rechtsfindung für unsere heutige Zeit ohne den unnötigen Ballast aus dem Mittelalter. Notwendig sind meines Erachtens insbesondere die Ausformulierung einer gottgefälligen Ökologie (Achtung der Schöpfung Gottes bei gleichbleibender Lebensqualität), gerechten Ökonomie (keine moderne Sklaverei im Großen durch Staatsverschuldung und im Kleinen durch zurückzuzahlende Zinsen auf Schulden bei bedürftigen Menschen), koranische Staatstheorie (eine verbesserte allgemeine Erklärung der Menschenrechte und eine verbesserte Form der Demokratie) und von theologisch begründeten Antworten zu Fragen der Bioethik und der Wissenschaftsethik allgemein, die sich aufgrund neuer Technologien stellen.

Die Zeitverschwendung mit der Auseinandersetzung von erfundenen, der Aufklärung im Weg stehenden und wissenschaftlich oft unhaltbaren und dem Propheten zugeschobenen Aussprüchen (aḥādīṯ) entfällt, wenn der Monotheismus wirklich gelebt wird, indem Gottes Wort allein als Quelle der Lebensordnung herangezogen wird.

Die in diesem Buch angeführten Beispiele können alle weiter behandelt und somit um die nötige Tiefe erweitert werden, um der Bedeutungsvielfalt der Passagen aus der Lesung gerecht werden zu können.

Ebenso muss ein Diskurs stattfinden, um die in der Lesung verwendeten arabischen Begrifflichkeiten ins Deutsche zu übertragen, ohne ihren Sinn zu entstellen. Wir können die Menschen nicht zwingen, dass sie zuerst Arabisch lernen müssen, um überhaupt erst in der Lage zu sein, die Lebensordnung Gottes kennenzulernen. Die mühselige Erklärungsnot entfällt für das Wort Muslim, wenn man einfach die deutsche Entsprechung Gottergebener verwendet. Das Verständnis ist gegeben, auch ohne dass man Arabisch können oder kennen muss.

Genauso muss die gottergebene Aufklärung theologisch untermauert werden, wie etwa durch den Ansatz, dass die eingesetzten Wissenschaften eine Begründung und Beweise für die Zeichen Gottes darstellen. Gleichzeitig muss betont werden, dass wenn wir Wissenschaft betreiben, wissenschaftliche Exzellenz das Mindestmaß sein muss, um gegen Gott keine Lügen zu erdichten. Gegen Gott Lügen zu erdichten ist eine offenkundige Sünde (4:50) und eine Handlung der Ungerechtigkeit (6:21). Wenn sich also eine wissenschaftliche Theorie als falsch erweist, so stellt dies eine gegen Gott erdichtete Lüge dar, da Gottes Wirken und Seine Gesetze und Zeichen in der Schöpfung mit einer falschen Theorie beschrieben wurde, was ein Gottergebener niemals dulden darf. Genauso darf eine wissenschaftliche Theorie nicht pauschal ohne tiefgründige Analyse oder Falsifizierung abgelehnt werden, da man ansonsten Gefahr läuft, ein mögliches Zeichen Gottes aus der Natur vorschnell abzulehnen (angelehnt an 10:38–39). Dies wird in 7:37 auch als Akt der Ungerechtigkeit beschrieben. Genauso müssen wir die Wissenschaft dahingehend vorantreiben, dass es den Dienst am Menschen in den Vordergrund rückt. Die Wissenschaft darf nicht rein der Technologie zuliebe vorangetrieben und danach dem Menschen indirekt aufgezwungen werden.

Alles in allem ist die Lesung Gottes Licht für uns in der Dunkelheit, in der wir uns Gottergebene gerade befinden. Die Aḥādīṯ verdunkeln uns den Weg noch, doch wir stehen am Anfang einer aufregenden, vielversprechenden Zeit, in der die Gottergebenen so Gott will beginnen werden, Gottes Wort wieder lebendig zu machen, damit diese die Gesellschaften, in denen sie leben, bereichern und vorantreiben.

Möge uns Gott leiten und nicht vom rechten Weg abführen und uns lehren, uns nicht durch Gelehrten oder sonstige Geistliche, die im Namen Gottes predigen und lehren, täuschen zu lassen.

Möge uns Gott den Dienst am Menschen durch seine Lebensordnung der Gottergebenheit lehren.

Möge uns Gott lehren, der Eigenschaft gottergeben würdig zu sein.

Schlüssel zum Verständnis des Koran: 4. Der Tunnelblick – Frauen schlagen?

4. Das Wort selbst und seine Mehrdeutigkeit beachten – Der „Tunnelblick“: Frauen schlagen?

Einige arabische Wörter, genauso wie in der deutschen Sprache, können mehr als eine einzelne Bedeutung in sich tragen. Dadurch kann die zugeschriebene Bedeutung manchmal Widersprüche zwischen den Versen der Schrift oder ein merkwürdiges Verständnis nach sich ziehen. Ist es in solchen Fällen nicht ratsam der besten Bedeutung, die abgeleitet werden kann, zu folgen?

 

39:18 die auf das Wort hören und dann dem Besten davon folgen. Das sind diejenigen, die Allah rechtleitet, und das sind diejenigen, die Verstand besitzen.41

 

Hierbei ist es sehr wichtig, dass nur weil Sie eine Bedeutungsschicht eines gegebenen Wortes noch nicht gehört oder gewusst haben, der „neuen Idee“ gegenüber nicht abgeneigt sein dürfen. Dieses allgemeine Prinzip finden wir auch in der Lesung:

 

10:39 Nein! Vielmehr erklären sie das für Lüge, wovon sie kein umfassendes Wissen haben, und schon bevor seine Deutung zu ihnen gekommen ist. So haben es auch diejenigen, die vor ihnen waren, für Lüge erklärt. Schau, wie das Ende der Ungerechten war!42

 

Dieser Vers bezieht sich direkt auf die Lesung (10:38) und gilt deshalb als Prinzip im Umgang mit allem, was mit der Lesung zu tun hat, also auch die Ideen und ihre Auslegungen. Wir haben die Aufgabe, der besten Idee zu folgen (39:18), nachdem wir alle Ideen überprüft haben. Ideen vorschnell ohne gründliches Verstehen abzulehnen wird hier mit den Ungerechten in Verbindung gebracht. Hierbei sollten wir ein weiteres Prinzip befolgen:

 

17:35–36 Und gebt, wenn ihr zumeßt, volles Maß und wägt mit der richtigen Waage! So ist es am besten (für euch) und nimmt am ehesten einen guten Ausgang. Und geh nicht einer Sache nach, von der du kein Wissen hast! Gehör, Gesicht und Verstand, – für all das wird (dereinst) Rechenschaft verlangt.43

 

Hier wird also von uns verlangt, dass wir keine oberflächlichen Analysen einfach so annehmen sollen, sondern sie gründlich abzuwägen und zu prüfen haben. Hierbei dürfen wir nichts annehmen, worüber wir kein Wissen haben. Die Grundhaltung ist in dem Sinne also eher defensiv und zurückhaltend geprägt. Dies hat seinen Sinn, da sich gefestigtes Wissen erst mit der Zeit bildet und die darauf aufbauenden Ideen ein starkes Fundament benötigen, was Zeit und Wissen braucht. So dürfen Sie auch die in diesem Buch präsentierten Vorschläge und Ideen nicht als Wahrheit einfach  so hinnehmen, sondern sollten alles nachprüfen. Wenn ich also Bedeutungen zu arabischen Wörtern angebe, so müssten Sie diese zumindest in den erwähnten Wörterbüchern nachschlagen und das Verständnis der Wurzel nachvollziehen können. In diesen Versen findet sich also sinngemäß der Imperativ „Bediene dich deines eigenen Verstandes“ wieder! Dies bedeutet aber natürlich nicht, dass beispielsweise ein junger Mensch im Alter der Pubertät keine Einsicht haben könnte, im Gegenteil! Hat dieser die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt, kann er unter Umständen gar mehr wissen und auf mehr hinweisen als so manch studierter Gelehrter. Erfahrungsgemäß ist dies leider eher selten anzutreffen, weil das Potenzial der Kinder häufig erstickt wird durch Einschüchterung und Autoritätsdenken in den meisten Koranschulen. Ein klares Beispiel dessen, was ein mehrdeutiges Wort und seine inkorrekte Anwendung an seriösen Problemen verursachen kann, ist das Wort „ḍaraba“ aus 4:34, was von den meisten Übersetzern primär mit “schlagen” übersetzt wird. Hier eine mögliche Übersetzung, wobei das entsprechende Wort in der Transliteration belassen wurde:

 

4:34 Die Männer haben die Frauen zu unterstützen; Angesichts der vielfältigen Gaben, die Gott ihnen gegenseitig geschenkt hat, und angesichts des Reichtums, den sie in Umlauf bringen. Aufrechte Frauen, die achtsam über ihre Privatsphäre sind, bewahren das Verborgene im dem Sinn, wie Gott es vorsieht. Die Frauen aber, deren Verlassenheit ihr befürchtet, gebt ihnen gute Ratschläge und vermeidet sie in den Betträumen und iḍribū sie. Wenn sie aber eure Argumente einsehen, dann sucht keinen Vorwand sie zu ärgern. Gott ist erhaben und groß.44

 

Bild: Patrick Kolencherry, CC BY-NC 2.0

Bild: Patrick Kolencherry, CC BY-NC 2.0

Die Wahl von „schlagen / prügeln“ in diesem Beispiel erzeugt eine bizarre Bedeutung, da der Vers von einem Streit zwischen den Ehegatten handelt. Der Vers schlägt eine Lösung vor, wie schrittweise vorzugehen ist, um die Ehe zu retten. Dass der letzte Schritt seine Frau zu „schlagen“ wäre, ist der Tod für jedweden Respekt und jegliche Liebe und Barmherzigkeit, die vorher in einer Ehe laut der Lesung vorhanden sein musste (30:21)!

An dieser Stelle ist der „Tunnelblick“ anzuwenden in Bezug auf ein bestimmtes Wort aus dem entsprechenden Vers. Hierbei gibt es drei miteinander verbundene Wege, wie Sie dies bewerkstelligen können. Auch hier spielt die Reihenfolge keine Rolle.

 

  1. Wörterbücher: Schlagen Sie die Wörterbücher auf, die Ihnen zur Verfügung stehen und suchen Sie die entsprechende Wurzel heraus mit all ihren weiteren Bedeutungen der Verbstämme und Verbalnomen. Studieren Sie diese eingehend, wobei Sie nach einer Grundbedeutung der Wurzel suchen sollten. Achten Sie hierbei darauf, dass Sie nach den klassisch-arabischen Bedeutungen suchen müssen und nicht nach dem modernen Gebrauch, was den Unterschied zwischen „Kopftuch“ und „Bedeckung“ in 24:31 ausmachen kann.
  2. Semantische Ebene(n): Alle Stellen in der Lesung suchen, in denen dieses Wort und seine Wurzel vorkommen. Die im Vers vorkommenden Worte legen die Bedeutung durch die entsprechende Verwendung fest, wie zum Beispiel als Antonym (Gegensatz) zu einem anderen Wort. Dieser Punkt ist ein zentraler Bestandteil der koranischen Hermeneutik. Berücksichtigen Sie hierbei das im Vers behandelte Thema: Geht es hier um rituelle Pflichten, wird in Gleichnissen vom Jenseits berichtet oder werden grundsätzliche ethische Werte behandelt? All dies spielt eine erhebliche Rolle in der Art und Weise, wie die Wörter in der Lesung zu verstehen sind. Gehen Sie also analytisch vor und begutachten Sie die Verse und die Vorkommnisse des Wortes genau. Auch wenn Sie kein Arabisch können, werden Sie diesen Punkt mit der Zuhilfenahme von Transliterationen erfolgreich durchführen können.
  3. Der Mehrdeutigkeit des Wortes in der eigenen Sprache nachgehen: Wieso soll ich ein arabisches Wort mit dem deutschen Wort und seiner Mehrdeutigkeit vergleichen? Dies möchte ich wie folgt illustrieren, indem ich für den weiteren Verlauf annehme, ḍaraba sei tatsächlich immer nur „schlagen“. Schauen wir beispielsweise im Duden nach, über welches semantische Spektrum sich die Bedeutungen dieses so einfach erscheinenden Verbes erstreckt, so lesen wir von 17 verschiedenen Bedeutungsebenen, unter denen nicht jede Variante ein wörtliches „schlagen“ meinen kann, wie etwa im Satz „Das Gebiet wurde in dem Friedensvertrag zum Osmanischen Reich geschlagen (ihm angegliedert) “.45

 

Wie Sie also aus Ihrer eigenen Sprache heraus verstehen können, ist die Mehrdeutigkeit dieses Wortes eine von der Anwendung des Wortes abhängige Angelegenheit, was Ihnen dabei hilft, Einsicht zu gewinnen in die Vielfalt beider Sprachen, der deutschen und arabischen. Dies geht natürlich mit jeder weiteren Sprache, die Sie gut beherrschen. Mit der Zeit werden Sie auch ein Gefühl für die richtige Wortwahl in der Übersetzung entwickeln und den sogenannten „roten Faden“ der Geschichte nicht aus den Augen verlieren.

Bedenken Sie hierbei auch, dass im Endeffekt die genaue Wortwahl nicht wirklich eine Rolle spielt, wenn Sie diesen „roten Faden“ erst einmal erfasst haben. Die Idee hinter dem Text ist wichtig,  nicht die eingeschränkten Worte. Die Worte dienen lediglich zur Übertragung der Idee in einer uns bekannten und zugänglichen Form. In dem Sinne sollten Sie also die Idee in möglichst viele unterschiedliche Sätze „übersetzen“ können, wenn Sie einen gegebenen Vers wirklich begriffen haben.

Natürlich sollten bei diesem Tunnelblick möglichst viele Wurzel-Konkordanzen aufgeschlagen werden. In unserer Datenbank zu den Wurzeln auf www.alquran.eu lesen wir über „Ḍaraba“:

 

  • Nominativ:
    ضرب [ḍarb] Schlagen, Multiplizieren,
    جدول الضرب [dschadwal aḍ-ḍarb] Einmaleins,
    ضرب ضروب [ḍurūb] Gattung, Art,
    ضربة [ḍarbah] Schlag, Stoß,
    ضِراب [ḍirāb] Paarung,
    ضريبة [ḍarībah] Steuer,
    إضراب [ʾiḍrāb] Streik,
    مِضرب [miḍrab] Schlaginstrument, Schläger, Schlegel
    مضرب [muḍrib] Streikender,
    مضاربة [muḍārabah] Spekulation,
    إضطراب [ʾiḍṭirāb] Unruhe, Schwankung,
  • Verb:
    ضرب [ḍaraba] (ab-)schlagen, (mit Plagen, Schmach, Elend) treffen lassen, (Erdbeben) einschlagen, (Belagerung) einschließen, (mit Kugeln) beschießen, (Musikinstrument) spielen, (Schreibmaschine) schreiben, (Glocke) läuten, (Zelt) aufschlagen, (Beispiel) anführen, (Math.) multiplizieren, (durch Länder) umherziehen, (durch-)reisen, (Wunde) schmerzen, (Tiere) sich paaren, (Münz) prägen, (zwei Sachen) zusammenmischen, (Rekord) brechen
    أضرب [ʾaḍraba] sich abwenden, streiken,
    تضارب [taḍāraba] sich gegenseitig schlagen, Meinungsverschiedenheit haben, kollidieren,
    إضطرب [ʾiḍṭaraba] unruhig sein, erregt sein,
  • Adjektiv:
    ضربي [ḍarbī] multiplizierend, schlagend,
    مضروب [maḍrūb] geschlagen, multipliziert,
    مضطرب [muḍṭarib] unruhig,
    ضريبي [ḍarībī] steuerlich

 

Also haben wir auch auf Arabisch eine beachtliche Bedeutungsvielfalt in einer einzelnen Wurzel. Die Wurzel „Ḍaraba“46 hat in der Lesung selbst auch mehrere Bedeutungen:

 

1. Umherwandern / unterwegs sein:

4:94 O die ihr glaubt, wenn ihr auf Allahs Weg umherreist (ḍarabtum), dann unterscheidet klar und sagt nicht zu einem, der euch Frieden anbietet: “Du bist nicht gläubig”, wobei ihr nach den Glücksgütern des diesseitigen Lebens trachtet. Doch bei Allah ist Gutes in Fülle. So wart ihr zuvor. Aber dann hat Allah euch eine Wohltat erwiesen. Unterscheidet also klar. Gewiß, Allah ist dessen, was ihr tut, Kundig.47

 

2. Etwas oder jemanden schlagen:

47:27 Und wie (sind sie denn), wenn die Engel ihre (Seelen) einzogen, sie schlagen (yaḍribūna) auf ihre Gesichter und ihre Rücken?!48

 

3. Etwas versiegeln, verschließen:

18:11 Da machten Wir in der Höhle ihre Ohren taub (ḍarabnā), so dass sie lange Jahre schliefen.49

 

4. Jemanden oder etwas abwenden / trennen:

43:5 Sollen Wir da die Ermahnung von euch abwenden (naḍrib), weil ihr ein zügelloses Volk seid?50

 

5. Gleichnis prägen:

14:24 Siehst du nicht, wie Gott das Gleichnis eines guten Wortes prägt (ḍaraba)? (Es ist) wie ein guter Baum, dessen Wurzeln fest sind und dessen Zweige bis zum Himmel (ragen).51

 

6. Im Land bewegen:

2:273 Für die Armen, die auf dem Weg Gottes gehindert werden, sich frei im Land zu bewegen (lā yastaṭiʿūna ḍarban). Der Unwissende hält sie für reich wegen (ihrer) Zurückhaltung. Du aber erkennst sie an ihrem Auftreten. Sie betteln die Menschen nicht aufdringlich an. Und was immer ihr an Gutem spendet, wahrlich, Gott weiß es.52

 

Wie Sie sehen, haben wir uns nun ausführlich mit einem einzelnen Wort beschäftigt. Wir hatten den Tunnelblick auf dieses Wort gerichtet. Nach der Wortanalyse soll dieser Tunnelblick wieder verlassen werden, um die ganzheitliche Idee, den roten Faden einzufangen.

Die beste Bedeutung kann nur dann erlangt werden, wenn nach einer logischen, kontextuell vernünftigen und konsistenten Bedeutung gesucht wird. In diesem Falle, wenn die Bedeutung auf „lassen / trennen“ (vierte aufgeführte Bedeutung) gesetzt wird:

 

4:34 Die Männer haben die Frauen zu unterstützen angesichts der vielfältigen Gaben, die Gott ihnen gegenseitig geschenkt hat, und angesichts des Vermögens, den sie in Umlauf bringen. Aufrechte Frauen, die achtsam über ihre Privatsphäre sind, bewahren das Verborgene so, wie Gott es vorsieht. Die Frauen aber, von denen ihr befürchtet, von ihnen verlassen zu werden, gebt ihnen guten Rat, und vermeidet sie in den Betträumen und hinterlasst sie sich selbst. Wenn sie aber eure Argumente einsehen, dann sucht keinen Vorwand sie zu ärgern. Gott ist erhaben und groß.

 

Dies kann dann dahingehend verstanden werden, dass der Ehe der „letzte Schlag“ verpasst wird, weil keine Lösung gefunden werden konnte durch einvernehmliches Reden. Dieser letzte „Schlag“ ist das symbolische Aufgeben der Ehe. Auf diese Weise wird nicht nur ersichtlich, wieso dieser Vers von den meisten Übersetzern mit „schlagen“ übersetzt wurde, sondern ebenso auch, dass eben gerade rein sprachlich kein Zwang besteht, dieses Wort allein als „schlagen“ zu verstehen. Um allfällige Einwände bezüglich der fehlenden Präposition ʿan bereits von vornherein zu klären: Es ist richtig, dass in 43:5 eine Präposition eingesetzt wird, welche die Bedeutung klarstellt. Dennoch dürfen wir nicht vergessen, dass die arabische Sprache und ihre Grammatik erst etwa 100 Jahre nach der Niederschrift der Lesung überhaupt schriftlich festgehalten wurde. Insofern sind also die Verse bedeutsam, die uns mitteilen, dass Gott Gleichnisse anführt (14:24). Denn in diesen Versen wird auch keine Präposition verwendet und dennoch übersetzt man nicht in der Bedeutung, dass Gott Gleichnisse schlage! Hier darf das Argument, dass es sich hierbei ja um eine Redewendung handle, nicht angeführt werden, denn mit welcher Begründung soll 14:24 eine Redewendung sein, 4:34 aber keine? Insbesondere mit dem Hintergrundwissen, dass diese Gelehrten oft aus einer patriarchalisch geprägten Kultur entstammen und ebenso die patriarchalisch durchsetzten Aussprüche (aḥādīṯ) verwenden, wird klar, wieso diese sogenannten Gelehrten heute noch wider besseren Wissens dieses Wort als „schlagen“ übersetzen anstelle der konsistenten Wahl der „Trennung“.

Thema des Monats Dezember 2014: Eine Welt

Im Namen Gottes, des Gnädigen, des Barmherzigen

Der Frieden sei mit euch liebe Leserinnen und liebe Leser, und Gottes Barmherzigkeit wie sein Segen!

So Gott will werden wir jeden Monat ein ausgewähltes Thema unseren Lesern zum Kommentieren anbieten. Damit möchten wir unseren Lesern die Möglichkeit geben, Einblicke zu erhalten, wie unterschiedlich die Menschen zum selben Thema denken können. Ähnlich einer Pinnwand, an der wir unsere Gedanken “pinnen” können, soll hier stichwortartig oder auch in mehreren Sätzen der eigene Gedanke verewigt werden. Einfach am besten spontan antworten!

 Das Thema des Monats Dezember 2014: Eine Welt

Wir alle leben in Einer Welt und sollten darauf achten gut mit unserer Umwelt und unseren Mitmenschen umzugehen. Dies beinhaltet Dinge wie Umwelt- und Tierschutz, Nachhaltigkeit, Nächstenliebe, Freigiebigkeit und vieles mehr. In der Realität sieht es aber leider ganz anders aus:

Wir leben in einer Welt, die einerseits voll ist von Überfluss und die andrerseits geprägt ist von Armut, Hunger, Ausbeutung und Kinderarbeit.
Wir leben in einer Welt, in der Umweltzerstörung aus Profitgier und Unachtsamkeit an der Tagesordnung sind.
Wir leben in einer Welt in der Menschen sich aus den verschiedensten Gründen bekriegen und damit Leid und Zerstörung verursachen.

Uns sollte klar sein, dass alles, was irgendwo auf der Welt passiert, letztendlich auch auf uns zurückfällt. Alles hängt mit allem zusammen. Dort wo Ausbeutung,Unterdrückung und Zerstörung herrscht, wo die Umwelt und somit die Lebensgrundlage vieler Menschen zerstört wird und sie keinen Zugang zu sauberen Wasser und sonstigen Ressourcen haben, kann es keinen dauerhaften Frieden geben. Was wir häufig nicht bedenken ist, dass die Armut der sogenannten „Dritten Welt“ im engen Zusammenhang mit dem Reichtum der „Ersten Welt“ steht. Wir alle tragen Verantwortung dafür, dass die Menschen in den benachteiligten Gebieten der Erde auch ein menschenwürdiges Leben führen können und dass sie und ihre Umwelt nicht durch unser Verhalten ausgebeutet werden.
Wir alle tragen auch Verantwortung für die Umwelt und die Natur und jeder Einzelne sollte sein Konsumverhalten und seine Lebensweise kritisch überdenken und notfalls korrigieren. Besonders der Lebensstil in den Industrieländern führt zu einem sehr hohen Ressourcen- und Energieverbrauch und dadurch zu Klimaveränderungen und zur Zerstörung der Umwelt auch in anderen Teilen der Welt -häufig gerade dort, wo Menschen schon jetzt in Armut leben und nur das Nötigste zum Leben haben.

Gott hat uns in den Schriften vorgeschrieben, dass wir nicht maßlos sein sollen, sondern dass wir nachhaltig mit den Ressourcen der Erde umgehen und dass wir freigebig und friedlich sein sollen. Hier einige Beispielverse aus dem Koran:

2:204-205
Und unter den Menschen gibt es den, dessen Rede dir im diesseitigen Leben gefällt. Doch Gott bezeugt, was in seinem Herzen ist, dabei ist er der Übelste der Streitsüchtigen
Und wenn er sich abkehrt so strebt er auf der Erde danach, auf ihr Verderben zu stiften und den Acker und die Fortpflanzung zu vernichten. Doch Gott liebt nicht das Verderben

6:141
Und Er ist es, der Gärten mit Spalieren und ohne Spaliere entstehen lässt, sowie die Palmen und das Getreide verschiedener Erntesorten, und die Öl- und Granatapfelbäume, die einander ähnlich und unähnlich sind. Esst von ihren Früchten, wenn sie Früchte tragen, und entrichtet am Tag ihrer Ernte, was als Rechtspflicht darauf steht, aber seid nicht maßlos — Er liebt ja die Maßlosen nicht.

15:19-20
Auch die Erde haben Wir ausgebreitet und auf ihr festgegründete Berge angebracht. Und Wir haben auf ihr allerlei Dinge im rechten Maß wachsen lassen.
Und Wir haben auf ihr für euch Unterhaltsmöglichkeiten bereitet, und (auch) für diejenigen, die ihr nicht versorgt.

Wir alle sind dazu angehalten respektvoll und solidarisch mit unseren Mitmenschen und auch mit den Tieren und der Natur umzugehen um auch den nachfolgende Generationen gute Lebensbedingungen zu hinterlassen. Dazu sollten wir unsere Lebensweise und unser Umweltverhalten täglich hinterfragen um zu erkennen, wo wir etwas ändern sollten um friedensstiftend zu leben und zum Erhalt der Schöpfung beizutragen.

Schlüssel zum Verständnis des Koran: Gott rechnet anders

Wenn wir nach Beispielen wie etwa Geschichten oder Verse in der Lesung suchen, um eine Auslegung zu überprüfen, müssen wir uns an etwas erinnern: Das in der Lesung vorgeschlagene Wertesystem wird nicht in allen Belangen, sei es soziologisch, kulturell, politisch oder auch wissenschaftlich mit der unsrigen jetzigen Zeit und vor allem unseren eigenen Empfindungen übereinstimmen. Die Offenbarung Gottes wurde in einer menschlichen, also beschränkten Sprache verkündet. Insofern ist es also nur naturgemäß, dass eine Kluft entsteht zwischen dem heutigen Empfinden von Moral, Ethik und Recht, und den Ideen in der Art und Weise, wie sie in der Lesung vermittelt wurden. Diese Kluft hat die oder der Gottergebene dadurch zu überbrücken, indem sie oder er nach bestem Gewissen und Wissen die Lesung studiert, in ihr oder sich aufsaugt, am weltlichen Leben teilnimmt und dann die Ideen der Lesung in die jetzige Zeit überträgt auf der Suche nach dem besten Verständnis und dem, was Gott näher ist (39:18). Ein Professor, der die Lesung auswendig kann, aber am alltäglichen Leben kaum teilgenommen hat, nützt uns genauso wenig wie der erfahrenste Mensch, der das Buch nicht kennt und das Verständnis dessen deshalb mit Traditionen und Kultur vermischt, welche sich als seine eigenen Neigungen zusammenfassen lassen. Nach Beispielen in der Lesung zu suchen bedeutet auch, die Weisheit zu erkennen, sie im Leben selbst zu erblicken und auch die Notwendigkeit zu erkennen, aktuelle Zustände nicht als absolut endgültig anzunehmen. Diese Menschen, die sich selbst von jeglichen gedanklichen und äußerlichen Zwängen befreien, indem sie „Keine Gottheit außer dem Gott“ bezeugen, also nichts Absolutes anerkennen außer den einzigen Absoluten, den Schöpfer, werden in der Lesung als Achtsame (muttaqī) beschrieben, die Achtsamkeit (taqwá) gegenüber Gott üben.

Wir Menschen sind soziale Individuen, die ihre Meinungen mit der Zeit ändern. Doch laut der Lesung ändert sich Gottes Vorgehen nie und ist demnach in irgendeiner uns zugänglichen Form universell.87 Einige Meinungen aber bleiben in uns angeblich wie in Stein gemeißelt in der eigenen Geisteshaltung. Der wichtigste Schritt beim Verstehen der Lesung ist es deshalb, die eigene Meinung nicht Gott überzustülpen und stets bereit zu sein, sich selbst erneut vollends Gott hinzugeben. Schließlich handelt es sich hierbei um die Worte Gottes. Dies liest sich leichter, als dass man es sich bewusst sein mag. Eine Stütze kann der folgende Gedanke bieten: Ich weiß ja bereits, wie ich denke, doch sollte ich vielmehr daran interessiert sein in Erfahrung zu bringen, was Gott von mir will, dass ich denke, fühle und lebe. Wenn ich dann einfach auf Teufel komm raus meine eigene Sicht bestätigt sehen will, so werde ich auch fündig werden und in Ermangelung der Ergebung in Gott denken, Gott wolle dies oder jenes, obwohl es nur meine eigene Sicht ist.

Die Lesung Gottes ist wie ein Spiegel: schaut ein Affe rein, so schaut ein Affe zurück, weil Gott höchstpersönlich die Hochmütigen und Achtlosen vom Verstehen der Lesung abhält (17:45–46, 18:57). Hört jemand der Lesung auch wirklich zu und ändert sich und seinen eigenen Zustand nach der Lebensordnung (dīn), die Gott für uns in der Lesung beschrieb, und stellt sicher, dass er in diesem geänderten Zustand bleibt, so erlangt dieser eher die Barmherzigkeit von Gott (7:204, 13:11, 8:53).

Ich möchte die Überschrift dieses Kapitels mit einem relativ einfachen Beispiel aus dem Evangelium erläutern:

 

Matthäus 20:1-16, Die Arbeiter im Weinberg

„Ich möchte euch ein Gleichnis erzählen“, sagte Jesus. „Ein Weinbauer ging früh morgens Arbeiter für seinen Weinberg anwerben. Er einigte sich mit ihnen auf den üblichen Tageslohn und ließ sie in seinem Weinberg arbeiten. Ein paar Stunden später ging er noch einmal über den Marktplatz und sah dort Leute herumstehen, die arbeitslos waren. Auch diese schickte er in seinen Weinberg und versprach ihnen einen angemessenen Lohn. Zur Mittagszeit und gegen drei Uhr nachmittags stellte er noch mehr Arbeiter ein. Als er um fünf Uhr in die Stadt kam, sah er wieder ein paar Leute untätig herumstehen. Er fragte sie: „Warum habt ihr heute nicht gearbeitet?“ „Uns wollte niemand haben“, antworteten sie. „Geht doch und arbeitet auch noch in meinem Weinberg!“ forderte er sie auf.

Am Abend beauftragte er seinen Verwalter: „Ruf die Leute zusammen und zahle ihnen den Lohn aus! Beginne damit beim Letzten und höre beim Ersten auf!“ Zuerst kamen also die zuletzt Eingestellten, und jeder von ihnen bekam den vollen Tageslohn.

Jetzt meinten die anderen Arbeiter, sie würden mehr bekommen. Aber sie bekamen alle nur den vereinbarten Tageslohn. Da fingen sie an zu schimpfen: „Diese Leute haben nur eine Stunde gearbeitet, und du zahlst ihnen dasselbe wie uns. Dabei haben wir uns den ganzen Tag in der brennenden Sonne abgerackert!“ „Mein Freund“, entgegnete der Weinbauer, „dir geschieht doch kein Unrecht! Haben wir uns nicht auf diesen Betrag geeinigt?

Nimm dein Geld und geh! Ich will den anderen genausoviel zahlen wie dir. Schließlich darf ich doch wohl mit meinem Geld machen, was ich will! Oder ärgerst du dich, weil ich großzügig bin?“ Ebenso werden die Letzten einmal die Ersten sein, und die Ersten die Letzten.“88

 

Das finden wir ungerecht! Das ist ungerecht, mag es auch rechtmäßig zugehen – weltlich gesehen.

Gott ergeben zu sein ist wie eine schwere Arbeit. Wir müssen für die Gerechtigkeit, Liebe, Toleranz, Koexistenz und das Wissen kämpfen, wir müssen also für die Liebe Dschihad üben (uns bemühen).

Was nun im Gleichnis angeprangert wird, ist nicht der Umstand, wie viel effektiv gearbeitet wird, sondern ab wann. Hier ist natürlich zu berücksichtigen, dass ein Arbeiter, der zu einem späteren Zeitpunkt beginnt, unter Umständen effizienter arbeiten könnte als ein anderer, der früher begann. Wir haben jedoch immer die Chance zu Gott zu finden, und dann spielt es keine Rolle, ob wir bei den Ersten oder bei den Letzten sind. Es spielt für Gott keine Rolle, wann wir den Glauben annehmen, solange wir direkt Seinem Ruf, Seiner Einladung folgen. Gott rechnet anders als wir, was den Glauben angeht. Wenn wir also die Möglichkeit haben, sollten wir sie ergreifen und der Lohn steht uns zu, ganz gleich, in welchem Alter wir sind. Im Gleichnis die Arbeitswelt als Metapher zu verwenden ist wirklich trefflich.

Es ist von entscheidender Bedeutung, im richtigen Moment ein Gottergebener zu werden, falls Gott und Seine Botschaft erkannt wurden, und ebenso als einer zu sterben. Denn, wie kann Gott die Menschen bestrafen, die zuvor noch keinen wahrhaftigen Zeichen Gottes begegnet sind? Nein, Gott vergibt denjenigen, die sich im entscheidenden Moment, auch wenn kurz vor dem Tod, Gott ergeben. Dies finden wir auch in der Lesung bestätigt bei den Illusionisten aus der Zeit Pharaos, die erst kurz vor ihrem Tod Gottergebene wurden und als solche dann starben, weil Pharao sie hinrichten ließ für ihre Untreue an ihm:

 

7:118-126 Bewiesen war die Wahrheit, und ihr Trugwerk war entlarvt. So wurden sie dort besiegt und kehrten danach erniedrigt um. Und die Zauberer trieb es, in Anbetung niederzufallen. Sie sprachen: „Wir glauben an Gott, den Herrn der Welten, den Herrn von Moses und Aaron…“ Pharao sprach: „Glaubt ihr wirklich an Ihn, bevor ich es euch erlaube? Das ist eine Verschwörung, die ihr in der Stadt geschmiedet habt, um ihre Bewohner zu vertreiben. Ihr werdet bald wissen, wie ich eure Untat bestrafen werde. Ich werde eure Hände und Füße wechselseitig abhacken und euch alle zusammen kreuzigen.“ Sie sagten: „Wir werden (sowieso) zu unserem Herrn zurückkehren. Du nimmst uns nur übel, dass wir an die Zeichen Gottes, unseres Herrn, glaubten, als sie uns erreichten. Gott, unser Herr, gewähre uns viel Geduld und nimm uns als Gottergebene zu Dir!“

 

"In Gott vertraue ich und handle treu" (König Wilhelm I. von Württemberg)

Foto: Michael Molthagen , CC BY-NC-SA 2.0

Einige der LeserInnen mögen an dieser Stelle einwenden, dass sie ja dann tun und lassen können, was sie wollen, über die Schnur hauen, jeglicher Moral keines Blickes würdigen und allen Menschen im Umfeld Unrecht tun – und wenn sie dann alt seien, würden sie fromm und tiefgläubig werden. Wenn ich sage: Morgen ändere ich mein Leben – dann habe ich heute schon verloren. Woher weiß ich, ob es mich morgen noch gibt? Was, wenn ich morgen die Steine nicht mehr aus dem Weg räumen kann?

Wir erhalten mindestens das, was wir verdienen, doch im Grunde gewinnen wir mehr, als es unser Verdienst uns erlauben würde. Gott lässt Gnade vor Recht ergehen – bei uns allen. Denn würde Gott Recht vor Gnade walten lassen, würde Folgendes geschehen:

 

16:61 Und wenn Gott die Menschen wegen ihrer Frevelhaftigkeit belangen würde, würde er auf der Erde kein Lebewesen übriglassen. Aber er gewährt ihnen auf eine bestimmte Frist Aufschub. Kommt das festgesetzte Ende, kann niemand es weder vorverlegen noch aufschieben.

35:45 Und wollte Gott die Menschen strafen für alles, was sie tun, Er würde nicht ein Lebewesen auf der Oberfläche (der Erde) übrig lassen. Doch Er gewährt ihnen Aufschub bis zu einer bestimmten Frist. Und wenn ihre Frist eingetroffen ist, so ist Gott doch immer Seinen Dienern gegenüber sehend.

 

Insofern sehen wir ein, dass unser Empfinden nicht der Moral der Lesung entspricht und Gott eben anders rechnet als wir.89 Sind wir also geistig faul und träge und denken, die Wahrheit würde sich uns anpassen, statt dass wir uns der Wahrheit anzupassen haben, so werden wir aufgrund der selbstverschuldeten Achtlosigkeit die Rechtleitung verpassen und können uns zu den Verlierern zählen, die lediglich meinten, sie seien rechtgeleitet (18:103–104). Als Gottergebene müssen wir gegenüber uns selbst ständig Ehrlichkeit üben, um nicht anders zu rechnen als Gott es tut; wir haben stets an etwas zu knabbern – kurz gesagt: Es gibt immer einen Dschihad, also eine Anstrengung.

 

Römer 9:18-21 So erbarmt er sich nun, wessen er will, und verstockt, wen er will. Nun sagst du zu mir: Warum beschuldigt er uns dann noch? Wer kann seinem Willen widerstehen? Ja, lieber Mensch, wer bist du denn, dass du mit Gott rechten willst? Spricht auch ein Werk zu seinem Meister: Warum machst du mich so? Hat nicht ein Töpfer Macht über den Ton, aus demselben Klumpen ein Gefäß zu ehrenvollem und ein anderes zu nicht ehrenvollem Gebrauch zu machen?

Koran 6:88 Dies ist die Rechtleitung Gottes, damit leitet ER recht, wen ER will von Seinen Dienern.

2. Thessalonicher 2:11-12 Darum sendet ihnen Gott die Macht der Verführung, so dass sie der Lüge glauben, damit gerichtet werden alle, die der Wahrheit nicht glaubten, sondern Lust hatten an der Ungerechtigkeit.

Koran 6:112-113 Wir haben den Feinden – die Satane (aus den Reihen) der Menschen und der Djinn – von jedem Propheten erlaubt, zum Trug eingebildete Wörter zu gebrauchen. Und hätte dein HERR es gewollt, hätten sie es nicht getan. Also lass ab von ihnen und ihren Erfindungen. Und das Herz derer, die nicht ans Jenseits glauben, sollen solchen Erfindungen zuhören und sie akzeptieren, damit ihre wahren Überzeugungen aufgedeckt werden.

Jeremia 18:3-6 Und ich ging hinab in des Töpfers Haus, und siehe, er arbeitete eben auf der Scheibe. Und der Topf, den er aus dem Ton machte, missriet ihm unter den Händen. Da machte er einen andern Topf daraus, wie es ihm gefiel. Da geschah des HERRN Wort zu mir: „Kann ich nicht ebenso mit euch umgehen, ihr vom Hause Israel, wie dieser Töpfer?“ spricht der HERR. Siehe, wie der Ton in des Töpfers Hand, so seid auch ihr vom Hause Israel in meiner Hand.

Koran 45:23 Hast du den gesehen, der sich seine eigene Neigung zum Gott nimmt und den Gott auf Grund (Seines) Wissens zum Irrenden erklärt und dem Er Ohren und Herz versiegelt und auf dessen Augen Er einen Schleier gelegt hat? Wer sollte ihn außer Gott wohl richtig führen? Wollt ihr euch da nicht ermahnen lassen?

Koran 18:57 Und wer ist ungerechter als der, der an die Zeichen seines Herrn gemahnt wurde, er wandte sich aber ab von ihnen und vergaß, was seine Hände vorausgeschickt hatten? Wahrlich, Wir haben Schleier über ihre Herzen gelegt, so daß sie es nicht begreifen, und Taubheit in ihre Ohren. Und selbst wenn du sie zum rechten Weg rufst, werden sie nie den rechten Weg einschlagen.

Jesaja 29:16 Wie kehrt ihr alles um! Als ob der Ton dem Töpfer gleich wäre, dass das Werk spräche von seinem Meister: Er hat mich nicht gemacht! und ein Bildwerk spräche von seinem Bildner: Er versteht nichts!

Jesaja 45:9-12 Weh dem, der mit seinem Schöpfer hadert, eine Scherbe unter irdenen Scherben! Spricht denn der Ton zu seinem Töpfer: Was machst du? und sein Werk: Du hast keine Hände! Weh dem, der zum Vater sagt: Warum zeugst du? und zum Weibe: Warum gebierst du? So spricht der HERR, der Heilige Israels und sein Schöpfer: Wollt ihr mich zur Rede stellen wegen meiner Söhne? Und wollt ihr mir Befehl geben wegen des Werkes meiner Hände? Ich habe die Erde gemacht und den Menschen auf ihr geschaffen. Ich bin’s, dessen Hände den Himmel ausgebreitet haben und der seinem ganzen Heer geboten hat.

Hiob 40:2 Mit mir dem Mächtigen willst du dich streiten? Willst du mich tadeln oder gibst du auf?

Koran 6:39 Die aber Unsere Zeichen leugnen, sind taub und stumm in Finsternissen. Gott führt, wen Er will, in die Irre, und wen Er will, den führt Er auf einen geraden Weg.

Koran 6:110 Wir lassen ihre Herzen und ihren Verstand hin und her schwanken, weil sie schon beim ersten Mal nicht glauben wollten. So verharren sie in der Ableugnung, und schlagen sich so weiter im Irrtum herum.

2. Mose 33:19 Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich.

Sura Maun: Betende Glaubensleugner?

Um die Frage besser zu verstehen, müssen wir die Sura Maun, welche aus 7 Versen besteht, unter die Lupe nehmen.

107:1 Sahst du den, der das Glaubensbekenntnis für Lüge erklärt
107:2 Das ist nämlich der, der die Waise zurückweist
107:3 und nicht die Speisung des Armen fördert
107:4 So wehe den Kontakthaltenden,
107:5 die bei ihrem Kontaktgebet geistesabwesend sind
107:6 die sich zur Schau stellen
107:7 und das Hilfesystem verhindern


Schon im ersten Vers hat man in zahlreichen Koranübersetzungen das Wort „Glaubensbekenntnis“ oder „Religion“ degeneriert. Merkwürdigerweise haben viele Übersetzer das Wort „Glaubensbekenntnis“ (دين – diin, auch oft als ‚Religion‘ übersetzt) an dieser Stelle versucht anders zu übersetzen als an anderen Stellen, nämlich abweichend und oft mit dem Wort „Gericht“. Das Wort „Gericht“ (يوم الدين – yawm addiin, wörtlich: Tag des Glaubensbekenntnisses) kommt im Koran dreizehn Mal vor (1:4, 15:35, 26:82, 37:20, 38:78, 51:12, 56:56, 70:26, 74:46, 82:15, 82:17, 82:18, 83:11), wird in 82:17-18 nach einer rhetorischen Frage genauer definiert und ist für das Wort „Glaubensbekenntnis“ oder Religion nicht geeignet.

Die Tatsache ist, dass wir hier mit einer abweichenden Übersetzung konfrontiert werden. Wir fragen uns, was hier mit den Übersetzern los ist, denn das Arabische ist einfach und klar. Wieso fügen die Übersetzer ein nicht im Original vorhandenes Wort ein? Etwa mit Absicht? Die Frage lässt sich womöglich wie folgt erklären: Ersetzt man das Wort „Glaubensbekenntnis“ mit „Gericht“, so wird man „nur“ zum Leugner des Gerichts und nicht der gesamten Religion, was natürlich für manche weniger schlimm ist, als den Glauben total zu verleugnen. Die Übersetzer versuchten durch die Änderung des Wortes die Bedeutung des Verses aufzuweichen und möchten somit die klare und schockierende Mitteilung verändern.

107:2-3 Das ist nämlich der, der die Waise zurückweist und nicht die Speisung des Armen fördert

107:6-7 die sich zur Schau stellen und das Hilfesystem verhindern


Verse 2-3 und 6-7 definieren, wer die Glaubensleugner sind: derjenige, der die Waisen verstößt und derjenige, der zur Speisung der Armen nicht antreibt. Das heißt eigentlich, dass der Koran von uns will, dass wir eine soziale Lebensweise anstreben. Mit anderen Worten sollten wir armen, hilfsbedürftigen, machtlosen, wehrlosen, handlungsunfähigen etc. Menschen helfen (107:2) und auch unseren Mitmenschen diese Hilfestellung empfehlen und sie dazu verleiten (107:3). Außerdem verhindern diese Leugner auch jegliche Hilfestellung, heißt es im letzten Vers (107:7). Nebst dem, dass die Person also weder Hilfe leistet noch die Hilfestellung empfiehlt, verhindert sie noch zusätzlich die Hilfestellung für die hilfsbedürftigen Menschen. Das Wort „Hilfesystem“ (ماعون – mâ’Auun, wörtlich: Hilfsmittel, Behälter) umfasst Wörter wie Wohltätigkeit, Gemeingut und auch Spende.

107:4-5 So wehe den Kontakthaltenden, die bei ihrem Kontaktgebet geistesabwesend sind


Der Koran verflucht diejenigen Menschen, welche diese Hilfestellung nicht leisten, antreiben oder empfehlen oder sie gar verhindern. In einem Satz zusammengefasst würde das bedeuten, dass ein Mensch, welcher die Kriterien der Verse 2-3 und 6-7 erfüllt, die Religion für Lüge erklärt. Hier können wir ganz klar schlussfolgern, dass die Gebete einem nichts bringen, wenn eine Person keine soziale Lebensweise führt (7:156, Sura 107).

Auch Betende können verflucht werden und dies trotz ihrer augenscheinlich tadellosen Gebete (107:4). Das heißt, dass wir trotz unserer Gebete zum Glaubensleugner werden können. Außerdem werden diejenigen umschrieben, welche unwissend ihre Gebete ausführen. Niemand kann vollständig geistesabwesend sein bei seinen Gebeten. Das funktioniert dann besser, wenn die Leute eine Sprache verwenden, welche sie nicht verstehen (siehe hierzu auch Sure 4 Vers 43). Jeder Mensch sollte beim Gebet das Gesagte auch verstehen und nicht einfach rezitieren, ohne zu verstehen. Hierbei spielt die Sprache keine Rolle (siehe hierzu folgende Artikel: Sprache des Koran spielt keine Rolle  und Beten in der Landessprache)

107:6-7 die sich zur Schau stellen und das Hilfesystem verhindern


Die Sura geht noch weiter und offenbart, dass diese Personen ihre Gebete nur zur Selbstdarstellung verwenden (107:6). Hier gibt der Koran eigentlich einen weiteren Menschentypen bekannt, was zusätzlich zu den traditionellen Typen im Islam angefügt werden kann. Einer, der nämlich über zwei Gesichter verfügt. Die traditionellen Typen im Islam kurz zusammengefasst:

  • Gläubiger (Mumin): Glaubt innerlich und bringt das auch zum Wort.

  • Polytheist (Mushrik): Glaubt an Gott und gesellt Ihm noch andere bei.

  • Ableugner (Kafir): Glaubt nicht an Gott und bringt das auch zur Sprache.

  • Heuchler (Munafiq): Sagt, dass er glaubt, tut es aber innerlich nicht.

Durch die Sura Maun kommt nun ein weiterer neuer Typ hinzu:

  • Täuscher (Murâi) – täuscht andere und evtl. sogar sich selbst

Zu diesem Wort „Murâi“, was Arabisch ist, ist leider keine bessere deutsche Übersetzung zu finden. Ein Murâi täuscht die Leute für seine eigenen Vorteile. Mit einem Gläubigen ist er gläubig und mit einem Ungläubigen ist er ungläubig. Während ein Münafiq gegenüber sich selbst ehrlich ist, ist dies beim Murâi nicht der Fall, im Gegenteil, er kann sich unter Umständen sogar selbst täuschen. Dieser Typ ist einer der schlimmsten Typen, weil er ständig seinen Charakter den Umständen anpasst, selbst zum Preis der Selbstverleugnung. Die traditionellen Typen verfügen im Gegensatz zum Murâi über eine halbwegs berechenbare innere Einstellung. Beim Typ „Murâi“ kann man nicht davon sprechen, weil dieser seine Gebete zum Einsatz bringt, um das Vertrauen einer Person zu gewinnen, jedoch besitzt er nicht im geringsten eine Ehrlichkeit. Er ist jemand, der seine Gebete verwendet, um bei anderen Menschen ein tolles Bild abzugeben und davon zu profitieren. Ein Murâi ändert dauernd seinen Charakter nach seinen persönlichen Interessen.

Wir können daraus schlussfolgern: Eine Person kann sehr religiös aussehen und auch ihre Gebete perfekt verrichten und trotzdem ein Glaubensleugner sein. Das Kontaktgebet kann von den Kontakthaltenden zur Selbstdarstellung ausgenutzt werden, um die Menschen hinter das Licht zu führen. Diese Leute, welche das ausnutzen, werden vom Koran verflucht (107:4). Das Wort “kontakthaltend” (muSalliyn – مصلين) kommt aus der Wurzel Sad-Lam-Waw, wovon auch das Wort „Salâh“ (صلوة oder gemäß heutiger Schreibweise: صلاة) abgeleitet wird, was im Allgemeinen „Kontakt“ oder „Verbindung“ bedeutet und im Koran das rituelle Gebet meint, wobei man den Kontakt zum Schöpfer sucht, sich quasi mit seinem Schöpfer durch das Gebet auf der seelischen Ebene verbindet. MuSalliyn sind also jene, die Kontakt halten durch die regelmäßige Verrichtung des Kontakts mit seinem Schöpfer.

Was unterscheidet im Grunde genommen einen Mürâi von einem Munafiq? Genau diese Eigennützigkeit unterscheidet den Murâi-Typ von den traditionellen Typen im Islam. Ein Murâi muss nicht unbedingt bewusste persönliche Interessen verfolgen und kann Ängste, Unsicherheiten, Herausforderungen und auch Schwierigkeiten haben, mit denen er zu kämpfen hat. Ein Murâi kann aber auch absolut hemmungslos sein und sich Lügen und Schauspielereien bedienen, um seine Ziele zu verwirklichen.

Gibt es in der Realität Menschen, welche sich wie ein Murâi verhalten?

Zum Beispiel gibt es Menschen, welche ihre Gebete absichtlich neben bekannten Personen verrichten, um bei diesen den Anschein zu erwecken, dass man ihnen vertrauen sollte, es wird ja schließlich gebetet. Das eigentliche Ziel ist jedoch ein Geschäft abzuschließen. Ein weiteres Beispiel ist, dass gewisse Leute in regelmäßigen Abständen Hilfsbedürftige Menschen als Gäste empfangen, um bei ihren Mitmenschen einen guten Eindruck zu hinterlassen für den eigenen sozialen Status. Doch bei akuten Situationen, in denen Hilfe nötig ist, melden sie sich nicht nur zögerlich, sondern könnten auch anderen im Weg stehen. Es gibt noch zahlreiche weitere Beispiele aus dem alltäglichen Leben, welche hier aber den Rahmen des Artikels sprengen.

Die Sura Maun stellt gewissermassen auch einen Sozialstaat vor, einen Staat, der in seinem Handeln soziale Sicherheit und soziale Gerechtigkeit anstrebt. Die Verse 2, 3 und 7 befürworten eine soziale Lebensweise. Infolgedessen sollte auch ein Staat von diesen Versen geprägt sein. Ein Staat ist verantwortlich für sein Volk, das Volk verantwortlich für die Gemeinschaften und die Gemeinschaften sind verantwortlich für ihre Bürger. Ein Sozialstaat besteht also aus sozialen Mitbürgern, welche ein soziales Leben führen. Ein Sozialstaat verfolgt das Ziel dem Menschen in Notlagen zur Seite zu stehen und durch geeignete Maßnahmen Notlagen vorzubeugen. Die Umsetzung der Sura Maun würde die weltweiten Notlagen wie Armut, Hungersnot, Obdachlosigkeit und etliche weitere soziale Probleme lösen und ein Thema der Vergangenheit werden lassen. Die Lösung dieser Probleme unterstützt auch die soziale Sicherheit der Menschen. Die Verse der Sura Maun verdeutlichen diese Ansicht.

Literatur

Yaşar Nuri Öztürk ein türkischer Jurist, Politiker, Religionsphilosoph und Autor ist ein bekannter islamischer Theologe in der Türkei und vertritt innerhalb des Islams liberale Positionen. Er hat zu der Sura Maun ein Buch namens „Maun Suresi Böyle Buyurdu“ (Deutsch: „Die Sura Maun befiehlt Folgendes“) in türkischer Sprache verfasst. Ein ähnliches Werk zu dieser Sura existiert weltweit nicht. Die im Artikel erwähnten Aspekte sind in einigen Punkten aus seinem 438-seitigen Buch entlehnt. Für umfassendere Informationen können türkischsprachige Leser dieses Buch heranziehen.

Schlüssel zum Verständnis des Koran: Beispiel 5 – Sklaverei im Islam? Ein Widerspruch der Beigesellung

Ich bemerke immer wieder, dass viele Gottergebene (Muslime) verwirrt sind, was Sklaverei in der Gottergebenheit (Islām) und Sklavenhaltung betrifft. Obwohl ihr gesunder Menschenverstand sie überzeugt, Sklaverei abzulehnen, denken sie aufgrund äußerer Einflüsse, dass die Sklaverei in der Lesung nicht nur nicht abgeschafft, sondern geduldet werde. Solch eine Schlussfolgerung kann nicht weiter entfernt von der Wahrheit sein.

 

90:8-18 Machten Wir ihm nicht zwei Augen und eine Zunge und Lippen und wiesen ihn auf beide Möglichkeiten hin? Doch das Hindernis konnte er nicht überwinden. Und was wusstest du über das Hindernis? Es ist einen Sklaven zu erlösen oder eine Speisung an einem Tag der Hungersnot einer nahen Waise oder eines am Boden liegenden Bedürftigen. Dann ist er von denen, die geglaubt haben und sich gegenseitig zur Geduld und auch zur Barmherzigkeit anspornen. Das sind die Angehörigen der Rechten!

 

Der Einfluss der Tradition

Wenn klassische Gelehrte zitiert werden, muss hierbei betont werden, dass die Mehrheit unter ihnen Sklaverei als etwas „Normales“ und „Erlaubtes“ ansahen. Dies liegt darin begründet, dass ihre Definitionen von Freiheit und Menschlichkeit anders waren als unsere heutigen Vorstellungen. Das Wichtigste hierbei ist aber, dass es der Anti-Sklaverei Haltung der Lesung widerspricht. Es war eine Angelegenheit, die den Absichten und Zielen der Offenbarung (maqāsid as-samāʾ / maqāsid al-qurʾān) gegenüber ignorant und rückschrittlich war.

Darüber hinaus lässt sich durch die traditionelle Darstellung der Geschichte ein unglaublich beleidigendes Bild des Propheten zeichnen, denn zusammengefasst wäre Mohammeds Rolle in der Sklaverei, durch traditionelle, der Lesung widersprechende Quellen wie den Ḥadīṯ-Büchern zum Beispiel von Buchārī belegt, wie folgt: Er hatte Sklaven in seiner Familie, ebenso besaß seine erste Frau, Chadīdscha, Sklaven. Der sunnitische Mohammed hatte tiefgreifend mit der Sklaverei zu tun, da sie eine der Hauptwege war, sich zu finanzieren. Er tötete nicht nur Dichter, die anderer Meinung waren als er, sondern ließ ungläubige Männer töten, um ihre Frauen und Kinder als Sklaven halten und für Finanzierungszwecke verkaufen zu können. Er gab Sklaven als Geschenke her oder auch um die sexuellen Gelüste seiner engen Gefährten zu befriedigen. Er erhielt und nahm Sklaven von anderen Herrschern an. Einige seiner Köche waren Sklaven und er hatte einen Sklaven als Schneider. Er sagte auch, dass ein Sklave, der von seinem Meister flieht, nicht erwarten könne, dass seine Gebete beantwortet werden.122

Gott bewahre uns davor, dass wir den Scharlatanen glauben, die sich Imame oder Scheichs nennen, die solches verbreiten und als „normal“ verkaufen. Gott bewahre uns davor, ihnen zu glauben, die unseren Propheten solcherart darstellen und die Religion für einen geringen Preis verkaufen!

Diese klassischen Gelehrten und ihre Anhänger urteilten falsch, als es um fundamentale Prinzipien der Menschlichkeit ging und deshalb ist es klar, dass wir die gesamte Tradition nach anderen Fehlurteilen und Angelegenheiten durchforsten müssen, in denen wir uns entwickelt haben. Die 1400 Jahre alte Tradition kann eine Quelle des Wissens sein, mitunter gar einzelne Edelsteine hervorbringen. So zum Beispiel kannten die gottergebenen Gelehrten bereits vor der Zusammenstellung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte solche Begrifflichkeiten, wie etwa in Uṣūlu-l-fiqh (wörtlich: Wurzeln/Quellen des Verständnisses; Oberbegriff für die gottergebene Rechtsfindung) bekannt als ḥaqqu-l-mukallaf (Rechte des Individuums). Doch da sich die früheren Gottergebenen nicht intensiver mit der Ausarbeitung dieser Theorie beschäftigt haben oder diese uns nicht überliefert wurden, konnten die Gottergebenen nicht die ersten in der Ausformulierung einer solchen Rechtsnorm sein. Vielmehr ist diese Tradition der Rechtsfindung ausgeartet und so wurden Rechtsnormen formuliert, die der Lesung widersprechen, wie etwa bezüglich der Steinigung, der Apostasie oder der Sklaverei. Die Tradition kann also keine fixe, absolute Quelle über Wahrheit und Gerechtigkeit sein. Ansonsten laufen wir Gefahr, giftige Ideen zu verinnerlichen und unsere Seelen zu verderben.

 

4:92 Es steht einem Gläubigen nicht zu, einen Gläubigen zu töten, es sei denn aus Versehen. Wer einen Gläubigen aus Versehen tötet, hat einen gläubigen Sklaven zu befreien und ein Sühnegeld an seine Angehörigen zu übergeben, es sei denn, sie erlassen es als Spende. Wenn er zu einem Volk gehörte, das euer Feind ist, während er ein Gläubiger ist, so ist ein gläubiger Sklave zu befreien. Und wenn er zu Leuten gehört, zwischen denen und euch ein Vertrag besteht, dann ist ein Sühnegeld an seine Angehörigen auszuhändigen und ein gläubiger Sklave zu befreien. Wer es nicht vermag, der hat zwei Monate hintereinander zu fasten. Das ist eine Zuwendung von Seiten Gottes. Und Gott ist wissend und weise

 

Einer der wenigen Skeptiker und gottergebenen Kritiker der Sklaverei war An-Nasafī (gest. 701 nach Hidschra, berühmt für seine ʿaqīdatu-n-nasafī, das Credo des Nasafī), der scharfsinnig bemerkte, dass wenn ein Totschlag durch das Befreien eines Sklaven kompensiert werden kann (4:92), dann jemanden zu versklaven einem spirituellen Todesurteil (mawt ḥukman) gleichkomme, weshalb er Sklaverei (ar-riqq) als ein Überbleibsel der Zeiten der Ableugnung (aṯār al-kufr) und des Unglaubens beschrieb:

 

فتحرير رقبة… التحرير: الإعتاق، والحر والعتيق الكريم فيالأحرار كما أن اللؤم في العبيد، ومنه عتاق الطير وعتاق الخيل لكرامها
والرقبة: النسمة ويعبر عنها بالرأس في قولهم: فلان يملك كذا رأساً من الرقيق {مؤمنة} قيل: لما أخرج نفساً مؤمنة من جملة الأحياء لزمه أن يدخل نفساً مثلها في جملة الأحرار، لأن إطلاقها من قيد الرق كإحيائها من قبل أن الرقيق ملحق بالأموات، إذ الرق أثر من آثار الكفر والكفر موت حكما

 

Eine grobe Übersetzung:

Und das Befreien eines Sklaven/Halses… die Befreiung (altahrīr): Die Erlösung, und die Freien und die noblen Erlösten, das heißt die Befreiten, und ebenso, dass [damit] die Ungleichheit unter den Sklaven [gezeigt ist], und daraus [ist gleichermaßen] der Edelmut der Erlösung des Vogels und des Pferdes [sichtbar].
Und der Hals: [Dieses Wort meint] die Personen [die am Hals festgehalten sind] und es äußert sich darüber durch die Eigentümerschaft (ar-ra’s) in ihrer Aussage: Um solch Eigentum (ra’san) zu besitzen (yumlik) von den Hälsern, {Gläubige} wurde gesagt: hinsichtlich der Vertreibung einer gläubigen Seele von allem Lebendigen (al-ā’hyā’) [d.h. jemanden zu töten] muss eine Seele ihresgleichen [in den Kreis] aller Freien eintreten, weil ihre Loslösung von den Verbindlichkeiten der Sklaverei wie ihre Belebung ist (itlāqhā min qīd ar-riqq ka-iḥyā’hā), wovon folgt, dass die Sklaven den Toten anhängen (ar-raqīq muhlaq bi-l-a’mwāt) [d.h. Sklave zu sein ist dasselbe wie gestorben zu sein], weil die Sklaverei ein Überbleibsel von den Spuren der Ableugnung (‘āṯār al-kufr) ist und Ableugnung ist ein Todesurteil.123

 

Die Sklaverei in der Bibel und ihr Einfluss auf die Gottergebenen

Foto: Jim Reid, CC BY-NC-SA 2.0

Die Praxis der Sklaverei wurde bis zu einem gewissen Maß durch den Einfluss der Juden und Christen gerechtfertigt. Ein hoher Anteil hierbei ist den erfundenen Aussprüchen (Aḥādīṯ) und Gesetzen in der Scharīʿa zuzuschreiben, die Jahrzehnte nach dem Tode des Propheten eingeführt wurden. Es ist eine Ironie, dass die Juden, die am meisten durch die Sklaverei zu leiden hatten und von Gott durch Moses’ Wirken errettet wurden (2. Buch Mose Exodus 1:13–14), später die Versklavung anderer Menschen rechtfertigten, einschließlich dem Verkauf der eigenen Tochter, was Eingang in ihre heiligen Bücher fand (Exodus 21:7–8; 21:21–22,26– 27; 3. Buch Mose Levitikus 25:44–46; Josua 9:6–27).

Obwohl Jesus niemals die Sklaverei billigte, verhielt sich Paulus, der wahre Gründer des modernen Christentums, anders: Er verlangte von den Meistern, ihre Sklaven gut zu behandeln (Kolosser 3:22), von den Sklaven jedoch „in aller Ehrfurcht gegenüber den Meistern ergeben zu sein“ (1. Petrus 2:18; Epheser 6:5; 1. Timotheus 6:2; Kolosser 3:22; Titus 2:9). Sehr viele Christen und Juden konvertierten zur Gottergebenheit aus der Lesung und verbreiteten im Namen des Propheten die althergebrachten Weltanschauungen mittels den Aussprüchen, verbreiteten also im Namen der Religion und somit im Namen Gottes wissentlich oder unwissentlich Lügen. Sehr wahrscheinlich ist es deshalb auf diese zurückzuführen, dass die Sklaverei auch nach der Vollendung der Offenbarung und nach dem Ableben des Propheten aufrechterhalten wurde. Politische Motive sind hierbei natürlich nicht ausgeschlossen. Der Missbrauch der Religion durch die privilegierte Klasse, Menschen zu versklaven und auszubeuten, wurde lebhaft von Desmond Tutu aufgezeigt:

 

Als die ersten Missionare nach Afrika kamen, besaßen sie die Bibel und wir das Land. Sie forderten uns auf zu beten. Und wir schlossen die Augen. Als wir sie wieder öffneten, war die Lage genau umgekehrt: Wir hatten die Bibel und sie das Land.

– Desmond Mpilo Tutu

 

Sklaverei im Lichte der Gottergebenheit

Zur Offenbarungszeit der Lesung war die Sklaverei eine vorhandene Realität (4: 25). In ihr wird aber die gängige, praktizierte Sklaverei abgeschafft (3:79; 4:3,25,92; 5:89; 8:67; 24:32–33; 58:3–4; 90:13; 2:286; 12:39–42; 79:24-25). Die Lesung lehnt die Sklaverei nicht nur als eine grobe Sünde ab, sondern als die gröbste Sünde, als ob man Gott irgendwelche Partner beigeselle, da man sich selbst neben Gott als weiteren Herrn über einen Menschen anpreist durch das Halten irgendeines Sklaven. Dies wird nicht vergeben, wenn diese Beigesellung (schirk) bis zum Tod oder bis kurz davor aufrechterhalten wird (4:116). Einen anderen Meister/Herrn (rabb) als oder neben Gott zu akzeptieren oder sich selbst als solchen (bewusst oder unbewusst) darzustellen wird in der Lebensweise der Gottergebung unmissverständlich abgelehnt (12:39–40; 3:64; 9:31). Jahrzehnte nach Mohammeds Ableben wollten Könige und ihre Verbündete die Sklaverei wiederauferstehen lassen und rechtfertigten diese durch Verzerrungen der Verse, in denen Josef vom Herrn seines Freundes spricht (12:41–42). Sie ignorierten jedoch die Tatsache, dass Josef nie irgendjemand anderen als Gott als seinen Herrn oder Meister bezeichnete. Er schlug seinen Gefährten im Gefängnis vielmehr vor, ihre Freiheit dadurch zu ersuchen, indem sie die unbegründeten Behauptungen ablehnen, sich von falschen Herrn und Meistern bevormunden zu lassen (12:39–40). Es ist auch kein Wunder, dass Gott Pharao verdammt für seine Behauptung, ein Herr über die Menschen zu sein (79:15–26). Gott errettete die Juden aus der Sklaverei und erinnerte sie daran, dass ihre Freiheit wichtiger ist als die Vielfalt an Nahrungsmitteln, die sie vermissten (2:57–61).

 

16:75-76 Gott führt als Gleichnis einen leibeigenen Diener an, der über nichts verfügt, und einen, dem wir von uns eine schöne Versorgung gewährt haben. So gibt er davon heimlich oder offen ab. Sind sie gleich? Lob gehört Gott! Nein! Vielmehr wissen die meisten von ihnen nicht. Und Gott führt als Gleichnis zwei Männer an. Der eine von ihnen beiden ist stumm und verfügt über nichts. Er ist seinem Meister eine Last, wo er ihn auch hinschickt, bringt er nichts Heilvolles. Gleicht er dem, der die Gerechtigkeit befiehlt, wobei er auf einem geraden Weg ist?

 

Die Verse 16:75–76 vergleichen einen Diener (‘abd) mit einem freien Menschen und betonen die Wichtigkeit, ein freier Mensch zu sein. Dies zielt auch darauf ab, sich nicht geistig von anderen Menschen bevormunden zu lassen, was durchaus im imperativischen Sinne Kants verstanden werden kann. Freie Menschen sollten sich also sowohl geistig als auch körperlich nur von Gott abhängig machen. Freie Menschen sind besser dazu in der Lage, Kreativität zu entfalten und Gutes zu bewirken.

Gott untersagt Mohammed des Weiteren, seine Feinde in Friedenszeiten einzufangen, einzukerkern und zu versklaven. Doch Er gibt ihm die Erlaubnis dafür nur als eine Maßnahme gegenüber denjenigen, die Krieg anstiften und in kriegerischen Handlungen tätig sind (8:67). Die Kriegsgefangenen werden nach Vers 47:4 nach Kriegsende freigelassen. In der Lesung wird die Tatsache betont, dass diejenigen, die Gott Partner beigesellen, selbst Sklaven besaßen. Die Sklaven mittels verschiedener Wege zu befreien ist als eine verpflichtende, gottergebene Handlung und Eigenschaft anzusehen (24:32–33; 16:75, 90:13). Gott berücksichtigt die tragische Vergangenheit von Sklaven als mildernden Umstand, indem Er ihnen die Hälfte der Strafe für die Unzucht verschreibt wie für Freie (4:25). Diese Regel lehnt gleichzeitig auch die Todesstrafe durch Steinigung der Sunniten und Schiiten ab, da es logischerweise keine Hälfte der Todesstrafe geben kann!

 

24:32 Und verheiratet die Ledigen unter euch und die Rechtschaffenen von den Dienern und Dienerinnen unter euch. Wenn sie arm sind, wird Gott sie durch seine Huld reich machen. Und Gott umfasst und weiß alles.

 

Der Ausdruck ʿibādukum (eure Diener) in diesem Vers wird generell missverstanden und trotz der klaren Botschaft der Lesung wird der Vers missbraucht, um die Sklaverei zu rechtfertigen. Statt den besagten Ausdruck als „eure Sklaven, die ihr besitzt“ zu verstehen, sollte er besser als „Diener aus eurer Gruppe“ verstanden werden. Beispielsweise gibt es in der Lesung auch den Ausdruck „die Speisung von zehn Bedürftigen so wie ihr eure Angehörigen im Durchschnitt speist“ (5:89), was eben nicht die „Angehörigen, die ihr besitzt“ bedeutet. Ähnlich meint „eure Undankbaren“ (eigentlich: eure Ableugner) auch diejenigen Undankbaren, die unter uns verweilen, und nicht die, die wir besitzen würden (54:43).124

Es lassen sich auch weitere Beispiele gegen die Sklaverei finden, wie etwa in der Geschichte Salomons (27:31 ff.), in der er Könige als Persönlichkeiten beschreibt, die die Menschen unterjochen. Sein Standpunkt gegenüber Unterdrückung und Sklaverei ist beispielhaft. Lebte Salomon heute, versuchte er erst sich selbst als gottergeben bezeichnende Gemeinschaften zu reformieren, wie er damals bei der Königin von Saba verfuhr.

In 58:3–4 wird ein spezieller Umstand beschrieben, in denen die Männer sich von ihren Frauen zu Unrecht scheiden lassen wollten. Als Sühne sollen diese einen Sklaven befreien. Der Anfang des Verses 58:4 (faman lam yadschid, was „wer es nicht vermag“ bedeutet, wörtlich: So wer es nicht fand) weist deutlich darauf hin, dass die zu befreienden Sklaven nicht zu den Gottergebenen gehörten. Ansonsten hätte ein Ausdruck wie „wer keinen Sklaven besitzt“ stehen müssen.

 

Mā malakat aymānukum und mawlá

In der Lesung kommt des Öfteren ein Ausdruck vor, der meist falsch übersetzt als „eure Sklaven“ wiedergegeben wird. Es handelt sich hierbei um die Äußerung „mā malakat aymānukum“125 (ما ملكت أيمنكم), was ungefähr als „was eure Rechte (Hand) besitzt“ übersetzt werden kann. Sektiererische Interpretationen versuchen diesem Ausdruck einen Beigeschmack von Sklaven, insbesondere auch Sexsklaven zu geben, was aber der Offenbarung diametral entgegensteht. Bei diesem Ausdruck handelt es sich um Ausnahmefälle, wie zum Beispiel in 60:10 beschrieben, wobei eine Ehefrau eines Soldaten auf feindlicher Seite die Botschaft der Gottergebenheit hört und annimmt und deshalb von den Feinden verfolgt wurde. Daraufhin kann diese Frau Asyl beantragen bei der gottergebenen Gemeinschaft. Da sie nun nicht durch einen juristisch-formalen Prozess die Scheidung erlangen konnte, wird es ihr in diesem Ausnahmefall durch einen speziellen Vertrag erlaubt, Gottergebene zu heiraten. Dies hat keinerlei Bezug zu Dienern (ʿibād) im herkömmlichen Sinne.

Das Wort yamīn, Singular von aymān, bedeutet „rechts“, „rechte Hand“ oder im übertragenen Sinne auch „Recht“, „Macht“, „Kontrolle“.126 Das Wort „Mawlá“ (Herrscher, Beschützer, Meister) kommt in der Lesung 18 Mal vor, von welchen 13 für Gott verwendet werden (2:286, 3:150, 6:62, 8:40, 9:51, 10:30, 22:78, 47:11, 66:2, 66:4). Die übrigen fünf Stellen gebrauchen das Wort mit einem negativen Beigeschmack (16:76, 22:13, 44:41, 57:15). Die in der Lesung allein für Gott gebrauchte Formulierung „Mawlánā“ (unser Schutzherr, Meister, Beschützer) wurde von gewissen Volksgruppen auch Religionsgelehrten zugeschrieben. In Pakistan und Indien wurde es zum Brauch, die Religionsgelehrten mit dem Titel „Mawlánā“ ( مولىنا ) anzusprechen.127 Das Wort „Waliyy“ (ولي – Verbündeter; plural awliyāʾ أولياء) hingegen wird sowohl für Gott als auch für Menschen gebraucht. Gott ist der Freund und Verbündete der Gläubigen und die Gläubigen sind die Freunde und Verbündete untereinander.128

Deshalb sollte es auch fortan unterlassen werden, andere Menschen als „mawlana“ (Türkisch: mevlana) zu betiteln, da dieser Begriff nur Gott gebührt (2:286).

 

Fazit

Die Gottergebenheit (Islām) lehnte die Sklaverei bereits mit der Bezeugung „Keine Gottheit außer dem Gott“ (lā ilāha illa-llāh) ab. Der Begriff Herr (rabb) wird in mehr als 900 Stellen einzig und allein für Gott gebraucht. Ein Gottergebener kann kein Sklave (raqabah) oder Diener (ʿabd) eines anderen als Gottes sein. Deshalb ist es Götzentum und Beigesellung, irgendeinen Sklaven in irgendeiner Form zu besitzen, denn damit würde man sich als Meister und Herr behaupten und sich neben Gott stellen. Nicht zuletzt aus diesem Grund wurde Pharao verurteilt, weil er sich als Herr der Menschen behaupten wollte.

Ich wiederhole: Gemäß der Lesung kann ein Gottergebener niemals einen Sklaven haben, da dies der Behauptung gleichkommt, der Herr über den Sklaven zu sein. Sich selbst Gott beizugesellen ist die größte Sünde, da man sich als absolute Souveränität, also Gottheit eines Menschen positioniert. Und Gott befiehlt uns:

 

90:13 Befreie den Sklaven!

 

Deshalb:

Wir schulden es uns selbst, der Reinheit der Gottergebenheit wegen, aufzuzeigen, dass Sklaverei eine Abweichung vom gottergebenen Standpunkt bedeutet. Oder um es in den Worten von an-Nasafī zu sagen: Entweder Freiheit (Befreiung der Sklaven) oder Tod (Sklaverei)!

Justitia

Thema des Monats November 2013: Die Waage

Im Namen Gottes, des Gnädigen, des Barmherzigen

Der Frieden sei mit euch liebe Leserinnen und liebe Leser, und Gottes Barmherzigkeit wie sein Segen!

So Gott will werden wir jeden Monat ein ausgewähltes Thema unseren Lesern zum Kommentieren anbieten. Damit möchten wir unseren Lesern die Möglichkeit geben, Einblicke zu erhalten, wie unterschiedlich die Menschen zum selben Thema denken können.

Ähnlich einer Pinnwand, an der wir unsere Gedanken “pinnen” können, soll hier stichwortartig oder auch in mehreren Sätzen der eigene Gedanke verewigt werden. Einfach am besten spontan antworten!

Das Thema des Monats November 2013: Die Waage – das Symbol der Gerechtigkeit

55:1-9 Der Gnädige ist der Lehrer des Korans. Er hat den Menschen erschaffen, lehrte ihn das Artikulieren. Die Sonne und der Mond folgen genauen Berechnungen. Die Pflanzen und die Bäume unterliegen Gottes Willen. Den Himmel erschuf Er hoch und stellte die Waage der Gerechtigkeit auf, damit ihr die Waage der Gerechtigkeit nicht überschreitet. Bei allem sollt ihr gerecht sein, genau auf Gewicht und Maß achten und nichts vermindern.


Die Waage ist das Messgerät, mit dem wir nicht nur unsere Abgaben und Annahmen, sondern auch unsere Gedanken und Taten wiegen. Wer die Waage nicht achtet, der hat sich selbst Unrecht getan. Die universelle Gerechtigkeit überdeckt alle Lebewesen mit dem Verdienten. Sie sieht in der Gottesschöpfung keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern, Rassen, der Schönheit und den Reichtümern. Sie sind nur Werte, die entweder zu dieser oder zur anderen Schale der Waage gehören.

6:160 Wer eine gute Tat vollbringt, erhält zehnfachen Lohn, und wer eine böse Tat begeht, erhält nur eine gleichwertige Strafe. Keinem wird Unrecht getan.


So wie wir das Zählen, Lesen und Schreiben lernen mussten, so mussten wir auch lernen, mit der Waage umzugehen. Doch unserer Erfahrung nach ist das Abwägen nicht so einfach wie zu zählen, zu lesen oder zu schreiben. An welchen Beispielen und Situationen habt ihr, liebe Leser, gelernt, richtig abzuwägen? Seid ihr schon mal über das Ziel hinausgeschossen und habt dann gelernt, wie es hätte besser verlaufen können?

Wie wägt ihr ab?

Kind springt zum Vater

Ethik und Religion – Führt die Moral zu Gott?

Versuche zeigen, dass selbst Babys, die noch keine Lernphase erlebt haben, Empathie und ein Spürsinn dafür haben, das Gute dem Schlechten vorzuziehen, und dass ein Gerechtigkeitsgefühl vorhanden ist.

Moral“ ist im Islam wie auch in vielen anderen Religionen ein äußerst wichtiges Thema. Wird die Geschichte der Philosophie betrachtet, so sind bezüglich der Behauptung einer „angeborenen Moral“ im Wesentlichen drei Arten von Antworten zu finden: die erste behauptet, dass die Menschen als „unbeschriebenes Blatt“ (Tabula rasa) zur Welt kommen, die Moral also nicht von Geburt an vorhanden sei. Die zweite sagt aus, dass die von Geburt an vorhandenen Eigenheiten der Moral der Menschen auf Grund von zufälligen natürlichen Vorgängen entstanden sei. Die dritte Behauptung hingegen, welche ich in diesem Artikel auch als beste Erklärung verteidigen werde, ist der Gedanke, dass diese Eigenschaften von Gott in die Menschen gelegt wurde.

 

Besitzen wir von Geburt an ein Gespür für die Moral?

Den angeborenen Moralsinn unterstützen die modernen psychologische und kognitive Wissenschaften. Viele dieser Daten sind noch neu und wurden in wichtigen Wissenschaftsmagazinen veröffentlicht. Unzählige Philosophen sagten aus, dass die „Empathie“ einer der elementarsten Teile der Moral ist. Psychologen wieSimner und Dimion beobachteten in ihren Experimenten die Reaktion von Neugeborenen auf das Weinen von anderen Babys. Sie zeigten, dass wir von Geburt an Bestandteile sehr komplexer Eigenschaften wie die „Empathie“ besitzen. In vielen unterschiedlichen Versuchen wurde festgestellt, dass Neugeborene Stressreaktionen zeigten und zu weinen begannen, wenn sie andere Babys weinen hörten. Um herauszufinden, ob dies wirklich auf das Weinen hin bezogen war oder lediglich eine Wirkung des empfangenen Geräusches, hat man die Neugeborenen mit derselben Intensität anderen Geräuschen, synthetischem Weinen und ihrem eigenen Weinen ausgesetzt. Jedoch zeigten diese Babys nicht dieselbe Reaktion gegenüber diesen Geräuschen wie auf das Weinen anderer Babys.

Hamlin, Wynn, Bloom und gewisse andere Psychologen zeigten Babys, die das erste Lebensjahr noch nicht beendet hatten, hilfsbereite, behindernde und neutrale Puppen. Nachdem die Kinder die Puppen sahen, wurden sie dazu angeregt, sich zwischen der hilfsbereiten und der behindernden Puppe zu entscheiden. Es konnte beobachtet werden, dass die Kinder auf unmissverständliche Weise die hilfsbereiten den behindernden vorzogen. Die Kinder wählten zwischen den hilfsbereiten und neutralen Puppen die hilfsbereiten, zwischen den behindernden und den neutralen Puppen hingegen die neutralen Puppen.

In gewissen anderen Versuchen wurden Kindern unter zwei Jahren Puppen gezeigt, die mit einem Ball spielten und einige davon „gut“ und andere „schlecht“ waren. Es wurde bei der Vorführung dieser Puppen beobachtet, dass die Kinder die „guten Puppen“ belohnten und die „schlechten Puppen“ bestraften (indem sie zum Beispiel auf ihren Kopf schlugen). Diese Entscheidungen der Babys, die noch keine Lernphase hatten, unterstützen experimentell das Vorhandensein angeborener Moral. All diese Entscheide, die ohne jede Lernphase in so jungem Alter schon Anwendung finden, erfordern sowohl einen dermaßen komplexen Begriff wie Empathie, ein Gespür, das Gute dem Schlechten vorzuziehen, als auch einen Gerechtigkeitssinn, welcher Belohnung und Bestrafung umfasst. Sie sind ein Anzeiger für ihr Vorhandensein von Geburt an. Vor Kurzem haben viele wissenschaftliche Arbeiten – wovon ein kleiner Teil hier Erwähnung fand – aufgezeigt, dass man sich von der Idee des „unbeschriebenen Blattes“ in Gebieten wie Ethik und auch anderen verabschieden sollte.

 

Ein Produkt des Zufalls oder ein Plan Gottes?

Einige Atheisten, die den angeborenen Moralsinn akzeptieren, versuchten diesen mit blind-zufälligen Vorgängen, speziell mit der natürlichen Selektion zu erklären. Die wichtige Angelegenheit, die hier unterstrichen werden muss: Für die monotheistischen Religionen ist jedoch nicht die Frage wichtig, ob diese angeborene Eigenschaft durch die Evolution oder durch natürliche Selektion entstand, sondern ob sie durch blind-zufällige Prozesse oder als Plan Gottes entstanden ist. Denn in monotheistischen Religionen wie dem Islam wird geglaubt, dass Gottes Schöpfungen am meisten durch den Umstand der „mittelbaren Ursachen“ in Erscheinung treten: Wenn es regnet verwendet Gott die Wolken und bei der Schöpfung des Menschen das Zusammenkommen seiner Mutter und seines Vaters als Vorwand, als mittelbare Ursache. In diesem Fall – selbst wenn es schon oft diskutiert wurde – bin ich der Überzeugung, dass Gottes Verwendung der Evolution und der natürlichen Selektion als mittelbare Ursachekeinen widersprüchlichen Aspekt zum fundamentalen monotheistischen Glauben darstellt. Tatsächlich ist es so, dass Wallace, einer der Väter der Evolutionstheorie, welche die natürliche Selektion beinhaltet, sowie Dobzhansky, einer der Väter des Neodarwinismus,und Collins, der Leiter des Projekts für das menschliche Genom, und nebst ihnen noch viele weitere berühmte Biologen, Philosophen und Theologen der Ansicht sind, dass die monotheistischen Religionen und die Evolutionstheorie nicht widersprüchlich sind.

Ich werde mittels zweier Punkte begründen, dass die Ansicht, unsere angeborene Moral als Produkt eines Gottesplans zu sehen, eine bessere Erklärung liefert als die Ansicht, dass sie als Produkt von blind-zufälligen Vorgängen entstand:

  1. Moralbewusstsein;
  2. Rationale Basis

 

Moralbewusstsein

Der generelle monotheistische Glaube geht in die Richtung, dass der Mensch anders als Tiere und Pflanzen eine unterschiedliche moralische Verantwortung trägt. Vergleicht man den Menschen und einige andere Lebewesen, bei welchen ein gewisses „selbstloses“ Verhalten beobachtet wird – so wie man seinesgleichen hilft, besteht ein wichtiger Unterschied darin, ob das Verhalten mit einem „Moralbewusstsein“ versehen ist oder nicht. Die Bienen, die ein „selbstloses“ Verhalten aufzeigen, indem sie ihr Leben opfern, tun dies nicht durch eine bewusste moralische Entscheidung und im „Bewusstsein“ von gut-schlecht und richtig-falsch, sondern als „unbewusste“ Befolger des genetischen Codes in ihnen. Diesem Umstand stimmt ein Großteil der Insektologen zu. Die angeborenen menschlichen Eigenschaften der Moral hingegen umfassen das Vermögen, anders als bei anderen Lebewesen mit dem „Bewusstsein“ von grundlegenden Begriffen wie „gut-schlecht, richtig-falsch, gerecht-ungerecht“ eine moralische Entscheidung zu fällen, was über ein bloßes, automatisches Befolgen eines Zieles hinausgeht.

Die Behauptung erscheint nicht logisch, dass das Auftreten einer sehr komplexen und dem Menschen eigenen Eigenschaft wie„Moralbewusstsein“ als Wirkung von blind-zufälligen Vorgängen hervorgetreten sei. Die monotheistischen Religionen hingegen schließen die blinden Zufälle aus und betrachten die Moral als Bestandteil des Schöpfungsplanes Gottes. Aus der Sicht dieser Religionen gibt es gute Gründe, wieR. Swinburnebereits hinwies, dass dem Menschen anders als anderen Lebewesen eine solch dem Menschen eigentümliche und komplexe Eigenschaft zugewiesen wird. Geht man davon aus, dass Gott die Menschen erschuf, ist es eine wahrscheinliche Erwartung, dass die Menschen ein angeborenes „Moralbewusstsein“ besitzen. Wohingegen bei einer atheistischen Annäherung dies nicht zu erwarten ist. Die Frage „Wieso ist das dem Menschen eigene und komplexe ‚Moralbewusstsein‘ entstanden?“ erhält durch jene Existenzbetrachtung (Ontologie), die Gott ins Zentrum stellt, eine bessere Antwort als durch das atheistische Verständnis.

 

Die rationale Basis der Moral und Gott – Ethik und Religion

Damit hier kein Missverständnis entsteht, möchte ich unterstreichen: Viele Atheisten können natürlich um einiges moralischer sein als die Gläubigen einer monotheistischen Religion. Ein solcher Atheist verhält sich passend zu den am Anfang erwähnten angeborenen Eigenheiten. Doch hier geht es nicht um die Frage „ob man moralisch ist oder nicht“, sondern darum, ob diese Lage eine „rationale Basis“ besitzt oder nicht.

Da die Atheisten die besprochenen angeborenen Eigenheiten als Ergebnisse blind-zufälliger Vorgänge bewerten, sehen sie die Moral wie die atheistischen Biologen Ruse und Wilson als eine „Sinnestäuschung“. (Auch berühmte atheistische Philosophen wie Nietzsche oder Sartre haben darauf hingewiesen, dass die Moralwerte ihre Richtigkeit verlieren werden, wenn Gott nicht vorhanden ist.) Eine der wichtigsten Eigenschaften der Moral ist ihre „Verbindlichkeit“. Nur wenn für die Verbindlichkeit der Grundsätze wie „du sollst nicht töten“ oder „du sollst nicht stehlen“ eine „rationale Basis“ gefunden werden kann, ist es möglich zu sagen, dass die Moral eine rationale Basis besitzt. Unsere angeborenen Moraleigenschaften sorgen nebst der Förderung der Verwirklichung moralischer Handlungen dafür, dass wir komplexe moralische Begriffe kennen und ein Moralbewusstsein besitzen. Wenn diese Eigenschaften jedoch als Produkt von blind-zufälligen Vorgängen akzeptiert werden, können für die Verbindlichkeit von moralischen Imperativen keine „rationale Basis“ angeboten werden. Die Interessen, Wünsche und Sehnsüchte der Menschen können gelegentlich ein Grund dafür sein, dass die moralischen Pflichten auf der Strecke bleiben können.

Nehmen wir zum Beispiel die Situation, in der ein mit Geld randgefüllter Geldbeutel auf dem Boden liegt, und gehen wir davon aus, dass garantiert niemand bemerken wird, wenn man diesen Beutel in die eigene Tasche steckt. Damit das moralische Imperativ „du sollst nicht stehlen“ in dieser Situation nicht seiner Bedeutung beraubt wird, kann hierfür – vorausgesetzt Gottes Nichtexistenz wird akzeptiert – keinerlei „rationale Basis“ gefunden werden. Die erwähnten angeborenen Eigenschaften oder die Erziehungsformen der verschiedenen Kulturen können selbstverständlich dafür sorgen, dass das Geld zurückgegeben wird, doch die „rationale Basis“ hierzu kann nicht mit der atheistischen Weltanschauung aufgezeigt werden. Denn dem naturalistisch-atheistischem Verständnis nach gibt es außerhalb der Natur keine Existenz. Physikalisch gesehen entstand die Natur aus Prinzipien wie Abstoßung-Anziehung, Wellen-Teilchen, Materie-Energie und in keinem dieser Eigenheiten der Natur kann eine unentbehrliche Bedingung der Moral gefunden werden, welche die Fundamente für ihre Verbindlichkeit begründen könnte. Doch die Imperative Gottes als Autorität über dem Menschen können in jeder Hinsicht die notwendige „rationale Basis“ für die Verbindlichkeit der Moral liefern. Das Verständnis, welches den Menschen als Ergebnis von blinden Zufällen akzeptiert, kann keine „rationale Basis“ für die Notwendigkeit finden, dass der Mensch, anders als die anderen Lebewesen, moralische Eigenschaften besitzt. Jene, die dieses Verständnis annehmen, können nicht einmal die grundlegende moralische Ansicht wie den Unterschied zwischen dem Töten von Bakterien beim Händewaschen und dem Töten eines unschuldigen Menschen begründen. Aus der Sicht der Anschauung, dass sich alles aus Zufällen entwickelte: welches ist die „rationale Basis“, die dem menschlichen Leben mehr Bedeutung beimisst als den Bakterien?

Die knifflige Frage, die hier von den Atheisten beantwortet werden sollte, lautet wie folgt: Wieso hat die Natur die angeborenen moralischen Eigenheiten hervorgebracht, die eine „rationale Basis“ nur im Falle von Gottes Existenz ermöglichen? Aus der Sicht der monotheistischen Religionen, welche die Naturphänomene als mittelbare Ursachen Gottes sehen, ist es eine zu erwartende Situation, werden diese Naturphänomene unsere Aufmerksamkeit auf Gott lenken. Doch aus der atheistischen Sicht zur Natur, für welche unsere moralischen Eigenschaften lediglich für das Leben auf dieser Welt und im Kampf um die Vererbung der Gene entstanden sind, gibt es keinen Aspekt, der das Prinzip moralisch zu leben „rationalisieren“ kann.

Als Fazit erklären die Daten der modernen Wissenschaft Annäherungen wie die Idee des „unbeschriebenen Blattes“ für ungültig, indem sie zeigen, dass angeborene moralische Eigenschaften vorhanden sind. Die Menschen haben von Geburt an eine der menschlichen Spezies eigene und sehr komplexe Eigenschaft wie das „Moralbewusstsein“. Nur wenn Gottes Existenz vorausgesetzt wird, finden diese angeborenen Eigenschaften eine „rationale Basis“. Schließlich wird dadurch aufgezeigt, dass die Ansicht, die besprochenen angeborenen Eigenheiten wurden von Gott in die Menschen gelegt, eine bessere Erklärung als die atheistische Vorgehensweiseliefert.

übertragen aus dem Türkischen von Kerem A.