Gott allein

Schlüssel zum Verständnis des Koran: Die Bezeugung als Heilmittel

Den aufmerksamen Studenten der Lesung stellt sich die Frage naturgemäß früh, wie man sich aus dem Zustand der Beigesellung befreien kann, wenn die Beigesellung eine unverzeihliche Sünde darstellt (4:48). Welches sind die ersten notwendigen Schritte? Was muss ich beachten, um nicht nach der Befreiung von der Beigesellung wieder erneut in diese Falle der Beigesellung zu tappen?

Es erscheint plausibel, dass wenn die Beigesellung unter anderem solches Übel wie zuvor beschrieben verursachen kann, das Gegenteil der Beigesellung, also die Vereinheitlichung der Autorität und die Akzeptanz der Einheit Gottes in jeglichen Belangen die Heilung mit sich bringen wird. In der Tat ist auch der erste Schritt zum Glauben, sich vollends Gott zu ergeben (aslama). Denn wie uns in den Versen 49:14–15 mitgeteilt wird, kommt vor der inneren Sicherheit, einem überzeugten Glauben (Īmān) die Ergebung, die Gottergebenheit (Islām). Der Glaube ist hierbei die gesicherte Überzeugung der Gegenwart Gottes in uns und um uns herum, also die Sicherheit im Herzen für sich selbst als auch die Sicherheit vor den Einflüssen der Satane. Wieso beschreibe ich den Glauben als gesicherte Überzeugung? Anders als üblicherweise so auf Deutsch wahrgenommen bedeutet Glaube (Īmān) nicht blindes Vertrauen. Vielmehr handelt es sich bei diesem Wort um eine gefestigte, gesicherte Überzeugung sowohl aufgrund persönlicher Erfahrungen (subjektive Beweise) als auch aufgrund langen Studiums und wissenschaftlich gestützter Erkenntnisse (objektive Beweise) in der Wirkung und Wahrhaftigkeit der Worte und Zeichen Gottes in der Lesung wie auch in der Natur. Die Wurzel von ʾĪmān ist alif-mīm-nūn (ا م ن), was stets mit einer Sicherheit in der Grundbedeutung der Wurzel zu tun hat.75 Aus diesem Grund darf „Glaube“ in dem Sinne, wie es in der Lesung verwendet wird, nicht verwechselt werden mit der gemeinhin wahrgenommenen, deutschen Bedeutung von „Glaube“. Der gottergebene (islamische) Glaube ist eine auf Vernunft und Erfahrung aufbauende Sicherheit im Herzen und kein blindes Vertrauen. Diese Überzeugung dringt erst später in die Herzen ein (49:14–15), nämlich erst nach der Ergebung (Islām), also erst nachdem man ein Gottergebener (Muslim) wurde.

Erst muss man sich komplett lossagen von jeglichem Bezug zu dieser Welt und sich allein Gott dem Erlöser ergeben, Ihn allein als Quelle allen Heils akzeptieren. In dieser Ergebung ist die bewusste Bezeugung (schahādah) der Einheit Gottes (tawḥīd) als die zentrale Botschaft in jeglicher Hinsicht des Monotheismus zu verstehen. Man legt sein Seelenheil und sein Herz vollständig und allein in die Hand Gottes.

Die Bezeugung der Ergebung ist der folgende Ausdruck:

Ich bezeuge, dass es keine Gottheit außer dem Gott gibt.

Dies ist die vollständige Bezeugung der Ergebung. Kein weiterer Satz ist laut der Lesung nötig, um sich als Gottergebener (Muslim) zu identifizieren (3:18–19, 6:19). Dieser Satz und seine Bedeutung beherbergen das Heilmittel gegen den Virus der Beigesellung.

Die als erste Säule der Gottergebenheit bekannte Bezeugung (schahādah) dient dazu, sich zum Glauben zu bekennen, dass es keine andere Gottheit außer dem einen Gott gibt. Die arabische Entsprechung der Bezeugung lā ilāha illa-llāh und ihre Variationen davon76 kommen in der Lesung in 35 Versen 36 Mal vor und wird nirgends mit einem anderen Namen zusammen erwähnt bzw. ergänzt. Sich mit dieser Bezeugung nicht zu begnügen, während wir uns zum Glauben des einzigen Gottes bekennen, Gott allein nicht für ausreichend zu empfinden und neben Seinem Namen irgendwelche andere Namen zu erwähnen, stellt eine Form der Beigesellung dar. Als ob dieser Zustand nicht ausreicht, ist derjenige Vers, der die Bezeugung für alle Gottergebenen festlegt, der einzige Vers (3:18), der diese Bezeugung im selben Vers wiederholt, um die klare Botschaft zu vermitteln, dass kein Name irgendeines Gesandten erwähnt werden muss.

 

3:18 Gott bezeugte, dass es keine Gottheit gibt außer ihm, auch die Engel und die im Wissen Herausragenden, stehend für die Gerechtigkeit. Es gibt keine Gottheit außer ihm, dem Ehrenvollen, dem Weisen.

 

Jahre nach dem Ableben des Propheten Mohammed wurde dem gemeinsamen Spruch aller göttlichen Religionen „Es gibt keine Gottheit außer dem Gott“77 der Name Mohammed beigefügt. Mit dieser Handlung haben jene, die seinen Namen hinzugefügt haben, gegen viele Grundsätze der Lesung verstoßen, allen voran aber sich der Beigesellung schuldig gemacht. In gewissen Moscheen wurden neben Gottes Namen (nebst dem Namen Mohammeds) die Namen wie Abu Bakr, ʿUmar, Uṯman, ʿAli, Ḥasan und Ḥussein und andere idolisierte Namen beigesellt. Die Schiiten haben eine andere Form der Götzenkollektion und haben ihre Moscheen mit den entsprechenden Namen ihrer „Lieblinge“ versehen. Es gibt in der gesamten Lesung nur vier Verse, welche Mohammeds Namen beinhalten. Es kann Einwände geben, ob es denn falsch sei, diese Verse an die Wand der Moschee zu hängen. Wie wäre es, wenn man die Verse über die Hölle an die Wand hängt? Was ist mit den Versen über Jesus oder Moses? Was ist mit den Versen über die Heuchler und Lügner? Wenn die Wände der Gebetsstätten mit der ganzen Lesung verziert wären, gäbe es kein Problem. Aber wenn gewisse Verse ausgewählt werden, dann kommt es darauf an, welche Absicht dahintersteckt, um sicher zu sein, dass man nicht beigesellt. Wenn aus der Lesung Verse ausgewählt werden sollen, sollten wir nur die Verse nehmen, die allein über Gott berichten, wie zum Beispiel 39:44–45 oder 39:11–12. Nebenbei: Es gibt keine Pflicht, Verse an die Wand von Moscheen zu hängen!

 

2:285 Der Gesandte glaubt an das, was von seinem Herrn zu ihm herabgesandt worden ist, und (mit ihm) die Gläubigen. Alle glauben an Gott, seine Engel, seine Schriften und seine Gesandten: „Wir machen bei keinem von seinen Gesandten (den anderen gegenüber) einen Unterschied.“ Und sie sagen: „Wir hören und gehorchen, (dies ist) Deine Vergebung, Herr! Bei dir wird es (schließlich alles) enden.“

 

So wie bereits schon einige Christen haben viele sogenannte „Gottergebene“ (Muslime) die Gesandten unterschiedlich bewertet und stellten der Lesung widersprechende Behauptungen auf. Es wurden Hunderte von Aussprüchen (Aḥādīṯ) und Wundergeschichten erfunden, um den Propheten Mohammed über alle anderen Propheten zu erheben. Beispielsweise wurde das Geschwätz des „heiligen Ausspruchs“ (Ḥadīṯ qudsī), welcher besagt, dass das gesamte Universum nur wegen Mohammed erschaffen worden sei, Gott zugeschrieben:

 

law lāka law lāka lamā chalaqtu-l-ʾaflāka

In etwa wörtlich: Wärst du nicht gewesen, wärst du nicht gewesen, hätte ich die Universen nicht erschaffen!

 

Andererseits existieren zahlreiche Aussprüche, die Mohammed als Sex-Psychopathen darstellen. Allen voran ist das Buch von Buchārī voll mit abscheulichen Übertreibungen über das sexuelle Privatleben des Propheten. Diese sind heute dorthin zu verbannen, wo sie hingehören: in die Geschichte. All diese Erfindungen wurden dem Propheten aus unterschiedlichen Gründen angedichtet, etwa um religiöse Macht auszuüben, die eigenen sexuellen Triebe zu rechtfertigen und um die Massen in Schach halten zu können. Die verherrlichten Gelehrten, die ihre eigenen Sexfantasien dem Propheten Mohammed zugeschoben haben, werden ihre Taten zu rechtfertigen haben (6:112).

 

39:45 Wenn Gott ALLEIN genannt wird, schrecken die Herzen derjenigen, die nicht ans Jenseits glauben, zusammen in Abstoßung. Aber werden Idole neben Ihm genannt, beginnen sie sich wieder zu freuen.

 

Die große Mehrheit der „Muslime“ beharrt trotz der in Vers 3:18 mitgeteilten Bezeugung der Gottergebenheit darauf, Mohammeds Namen in der Bezeugung miteinzuschließen. Dieses Kriterium aus 39:45 stellt klar, dass diejenigen, die sich nicht daran erfreuen können, dass Gottes Name allein erwähnt wird, und auf jeden Fall Mohammeds Namen (oder auch irgendeinen anderen Namen) äußern möchten, in Wahrheit nicht ans Jenseits glauben, da sie sich nicht bewusst sind, dass sie gerade in dieser Angelegenheit geprüft und vor Gott gebracht werden. Jene, die nicht wirklich ans Jenseits glauben, sagen aus, dass die Lesung zum Verstehen zu schwer sei, und sie selbst dürfen laut 17:46 die Lesung nicht verstehen.

Einige Leserinnen und Leser fragen sich sicher auch, was es mit dem folgenden Vers auf sich habe, ob er nicht bestätige, dass wir Mohammeds Gesandtschaft zu bezeugen hätten.

 

3:86 Wie soll Gott ein Volk rechtleiten, das ableugnete, nachdem es glaubte und bezeugte, dass der Gesandte rechtmäßig ist, und zu ihnen kamen ja die Klarheiten. Doch Gott leitet das Volk der Ungerechten nicht recht.

 

Es steht in der Tat eine Ableitung der Wurzel sch-h-d (ش ه د) im Vers, die allgemein fürs Bezeugen von etwas steht. Betrachten wir die 160 Stellen in den 123 Versen78, in welchen Ableitungen dieser Wurzel vorkommen, so verstehen wir, dass diese Wurzel in unterschiedlichen Nebenbedeutungen verwendet wird.

„Bezeugen“ bedeutet in der Lesung nebst der offensichtlich wörtlichen Bedeutung auch

  • am Leben zu sein und den Monat Ramadan zu bezeugen (2:185) oder auch am Jüngsten Tag den Tag selbst erst nach dem Tod zu erleben (19:37),
  • eine Sache oder Angelegenheit, die für sich selbst offenbar ist (9:94, 9:105, 13:9),
  • durch Schlussfolgern und Gebrauch des Verstandes eine Angelegenheit im Hier und Jetzt nachzuvollziehen (12:26),
  • die Wahrheit im Hier und Jetzt zu erkennen (5:83, 22:28),
  • dass man nicht Zeuge sein kann, wie und wann Gott etwas offenbarte (6:144), da man dabei nicht anwesend sein kann,
  • die Anwesenheit von Engeln, die uns im Hier und Jetzt wahrnehmen (z.B. 17:78),
  • im Hier und Jetzt sich zu beraten und auszutauschen (27:32).

Insbesondere Verse wie 28:44, 37:150 oder 2:133 legen die Bedeutung dieser Wurzel fest, dass man stets im Hier und Jetzt etwas bezeugen kann. Insofern erhält dieser Vers auch eine besondere Betonung, wenn die Zeugen nach den Propheten noch einmal für sich erwähnt werden.

 

39:69 Die Erde wird im Licht ihres Herrn erstrahlen. Die Schrift (mit allen Angaben über die Taten der Menschen) wird hervorgeholt werden. Die Propheten und die Zeugen werden vorgeladen. Über die Menschen werden die Urteile gefällt, und niemandem soll Unrecht geschehen.79

 

Wir sehen also, dass die Propheten nicht immer Zeugen sein können, sondern höchstens für ihr eigenes Volk. Dadurch ergeben Verse wie 25:30 Sinn, dass der Prophet Mohammed erst am Jüngsten Tag begreifen wird, dass diejenigen, die sich „Gottergebene“ nennen, die Lesung verlassen haben! Erst am Jüngsten Tag bezeugt er dies, weil er erst dann den Umstand wahrnimmt und erkennt.

Die Art von Bezeugung, von der in 3:86 also die Rede ist, bezweckt eine andersartige, nicht wörtlich ausgesprochene Bezeugung. Es geht mehr um eine zeitlich bedingte Überzeugung, nämlich dass man überzeugt ist, dass Mohammed ein Gesandter war aufgrund seiner Botschaft, die er übermittelt hat. Das Volk war zugegen, wir aber nicht. Wir können also keine direkten Zeugen sein. Doch mit „Gesandter“ ist darüber hinaus nicht nur die Person Mohammeds gemeint, sondern auch die Lesung selbst, die ja zu uns durch den Gesandten übermittelt wurde, uns also auch zugesandt wurde. In dem Sinne kann man sagen, dass man zuerst zu bezeugen hat, dass die Lesung wahrhaftig ist, um überhaupt ein Gottergebener sein zu können. Wir können den Gesandten, also die Lesung, im Hier und Jetzt bezeugen. Den verstorbenen Menschen Mohammed, der nur einer unter vielen Gesandten ist, können wir nicht mehr bezeugen. Es geht hierbei um die innere Einstellung der Sache gegenüber, nicht, dass man irgendwelche Sätze in Form von Formeln über die Lippen bringt. Diese Glaubensformel, die Bezeugung der Ergebung, wurde nämlich bereits in 3:18–19 unabänderlich festgelegt.

Ich sage nicht, dass es eine Beigesellung darstellt, den Propheten Gottes als Diener und Gesandter anzusehen (mit dem Herzen zu bezeugen). Vielmehr besteht die Beigesellung darin, ihn oder irgendjemanden in der ausgesprochenen Bezeugung zu erwähnen, die nur Gott alleine gebührt (39:45, 3:18–19). Die Bezeugung, das erste Gebot Gottes, soll der ganzen Welt sagen, dass es nur einen Gott gibt, der immer existierte und für immer bleibt. Gott erwähnte ja den Propheten in der Lesung als Seinen Diener und als Seinen Gesandten. Deshalb glauben wir ohne Zweifel an diese Worte, die von Gott direkt kommen. Doch die Gesandtschaft des Menschen Mohammed bezeugen im Sinne einer aktiven Erfahrung können weder Sie noch ich, denn der einzige Zeuge, der es mit Sicherheit weiß, ist GOTT alleine.

 

2:133 Oder wart ihr Zeugen, als Jakob dem Tod nahe war? Da sagte er zu seinen Kindern: Was dient ihr nach mir. Sie sagten: Wir dienen deinem Gott, dem Gott deiner Väter Abram, Ismael und Isaak, einem einzigen Gott und ihm sind wir ergeben.

 

Hier antworten wir: Nein Gott, wir waren nicht Zeuge, aber wir glauben an sämtliche Deiner Worte, da wir unbedingtes Vertrauen in Dich haben und weil wir uns vollends Dir ergaben. Zwischen der Überzeugung, dass etwas geschehen ist, und dem Bezeugen einer Angelegenheit liegt ein großer Unterschied, der im soeben zitierten Vers angesprochen wird. Das Zeugnis Gottes entnehmen wir aus der Lesung, denn das ist die richtige Lehre ohne Zufügung oder Verminderung. Wer ist dann wahrhaftiger als Gott und Seine Lehren?

 

3:18 Gott bezeugte, dass es keine Gottheit gibt außer ihm, auch die Engel und die im Wissen Herausragenden, stehend für die Gerechtigkeit. Es gibt keine Gottheit außer ihm, dem Ehrenvollen, dem Weisen.

 

So bezeugen es Gott, die Engel und die Wissenden. Doch die, die nicht wissen, fügen Mohammed oder sonst irgendwelche ihrer Vorfahren diesem allerwichtigsten Satz hinzu.

Es ist leider oft so, dass Menschen blind das wiederholen, was sie von ihren Vätern gelernt haben. Das ist aber nicht der Sinn des Lebens. Denn sonst hätten wir genauso gut in irgendeiner anderen Gemeinde aufwachsen können und hätten dieselben Sätze wiederholt, die von dieser Gemeinde vorgegeben werden, ohne dabei nachzudenken, was richtig oder falsch ist. Der Grundsatz der Bezeugung ist hier im Vers deutlich zu sehen:

 

7:172 Und als dein Herr aus den Kindern Adams, aus ihren Rücken, ihre Nachkommenschaft nahm und sie gegen sich selbst zeugen ließ: „Bin Ich nicht euer Herr?“ Sie sagten: „Doch, wir bezeugen (es)!“ (Dies,) damit ihr nicht am Tag der Auferstehung sagt: „Wir waren dessen unachtsam“80

 

Der Glaube an Mohammed als den letzten Propheten und als ein Gesandter Gottes (33:40) sowie der Glaube an alle Propheten und Gesandten (2:285) ist der Grundsatz unserer Lebensordnung (dīn) und darf nicht fehlen, doch die ausgesprochene Bezeugung gebührt Gott alleine, denn Er hat ja die Welt erschaffen, und weder Mohammed noch irgendein Engel haben etwas mit der Bezeugung zu tun.

Der Irrglaube, man müsse Mohammed in der Bezeugung erwähnen, stammt von den Aussprüchen (Aḥādīṯ) ab. Aussprüche hin oder her. Die Religion ist Gottes und nicht in den Geschichten der Ahnen, die fälschlicherweise dem Propheten angedichtet wurden. Wenn wir etwas über Mohammed oder einen anderen Propheten wissen wollen, dann entnehmen wir das entsprechende Wissen aus einer sicheren Quelle: Die vom Schöpfergott offenbarte Lesung. Vermutungen können die Wahrheit niemals ersetzen.

 

10:36 Und die meisten von ihnen folgen bloß einer Vermutung; doch Vermutung nützt nichts gegenüber der Wahrheit. Siehe, Allah weiß recht wohl, was sie tun.81

 

Solche Vermutungen wie die Überlieferungen, die über einem Jahrhundert nach dem Tode des Propheten entstanden sind, enthalten leider viel Beigesellung (schirk). Ich will auch nicht die Lebensordnung Gottes nach meiner Vorstellung definieren, ich fordere nur dazu auf, Gottes Buch zu öffnen und mit mehr Verstand zu lesen. Denn nur so kann jeder wissen, ob das menschliche Gerede in den Aussprüchen (Aḥādīṯ) und auch sonst wo der Wahrheit entspricht oder nicht. Und nur so erlangt man die Freiheit des Denkens und der Selbstbestimmung. Denn jede Seele ist für sich verantwortlich. Die Gelehrten werden niemanden von der Hölle fernhalten können.

 

53:23 Es sind nichts außer Namen, die ihr und eure Väter benanntet, und für die Gott keine Ermächtigung herabsandte. Denn sie folgen nichts außer der Vermutung und dem, wozu die Seelen neigen, obwohl ihnen von ihrem Herrn die Rechtleitung zukam.

 

Edip Yüksels Kommentar zu diesem Vers:

 

„Die Beigeseller Mekkas besaßen eine abstrakte Auffassung des Polytheismus, der Beigesellung. Zu Zeiten Abrahams, in denen die Anbetung von Statuen weit verbreitet war, wurden die Formen der Beigesellung zwangsweise auf Grund der Bemühungen Abrahams verändert. Die Beigeseller, die glaubten, sie würden dem Weg Abrahams folgen, dachten, dass sie Monotheisten seien (6:23; 16:35), während sie die Namen der verstorbenen „Heiligen“ und der Engel, von denen sie glaubten, dass sie Gott nahe stünden, zwecks Fürsprache gedachten (39:3). Die Beigeseller haben nach Mohammed behauptet, dass die mekkanischen Beigeseller Statuen anbeteten, um die Ähnlichkeit zwischen ihnen und den mekkanischen Beigesellern zu vertuschen. Sie gedenken auf ähnliche Art und Weise der Namen von Mohammed, seinen Gefährten und von „Heiligen“ erneut zwecks Fürsprache. Laut Koran fasteten, pilgerten und beteten die Götzendiener Mekkas (8:35; 9:19,45,54; 2:199).“

 

Etwas Wichtiges möchte ich an dieser Stelle deutlich betonen:

Ein bloßes Aussprechen dieses Satzes der Bezeugung ist keinerlei Garantie für eine sofortige Heilung. Bezeugen mit den Lippen ist einfach und im schlimmsten Fall eine Selbsttäuschung (2:8–9). Erst das Verstehen, Fühlen und Umsetzen, also das Ausleben und das Bezeugen dieses Satzes im Herzen und mit jeder Faser des Körpers führt dazu, dass man sich von der Ignoranz befreit (48:11, 49:3). Erst, wenn wir Gott gegenüber die nötige Ehrfurcht empfinden, wie es Ihm gebührt, werden wir uns und unsere Seelen befreien können (39:67, 36:60, 39:17).

Eine kurze Auflistung der wichtigsten Überzeugungen, welche die Einheit Gottes ausmachen:
Die Weisheit und die Befehlsgewalt sind bei Gott allein. (12:40, 13:41, 4:174–175, 4:65, 33:36, 69:44–46, 6:14, Sura 114, 27:60–64, 21:22) Die Befreiung des eigenen Selbst wie auch von anderen von jeglichen Fesseln ist die ständige Aufgabe des Gottergebenen: Gott ist das einzige Ziel, der Dienst ist in erster Linie nur Ihm gegenüber (1:5, 3:64, 51:56), wobei keine intellektuelle, spirituelle, kulturelle, ökonomische oder sonstige Quelle, in menschlicher oder schriftlicher Form, als nicht hinterfragbar gelten kann. Gott allein ist der Absolute im Zentrum, und Gott allein ist die nicht hinterfragbare Autorität. Dies bedeutet beispielsweise als direkte Konsequenz, dass keine Form von Sklaverei Bestand haben kann, da Sklaverei bedeutet, Menschen als „Herren“ über andere zu erheben. Zur Sklaverei komme ich im zweiten Teil des Buches zurück. Dies bedeutet auch die Herausforderung der herrschenden Klasse, weil keine Regierung unbedingtes Vertrauen genießen kann.82

Der Gottergebene hat fernzubleiben von der Ableugnung Gottes und von der Ablehnung Seiner Zeichen in der Natur, den Himmeln und der Erde und in den Menschen. Dies bedeutet das eigene Bewusstsein dahingehend zu schulen, dass die Psychologie, die Mentalität der Ableugnung (kufr) bereits früh erkannt und abgelehnt wird.83 Auch die Ableugnung wird im zweiten Teil behandelt.

Es gilt das Prinzip: Keine Übertreibung (ghulū – غلو) im eigenen Glauben, indem wir uns ein Beispiel an den Leuten der Schrift nehmen. (4:171, 5:77 – Dies sind sämtliche Verse der Wurzel von ġulū.)

Es gibt laut Gottes Wort nur Gottes Sunna (tawḥīdu sunnatillah): mit „Sunna“ ist hier dasselbe Wort gemeint wie bei der dem Propheten nachträglich zugeschobenen „prophetischen Sunna“ (sunna nabawiyya). Sunna bedeutet hierbei „Weg“ oder „Gesetz“. Die Lesung verwendet dieses Wort nur in Bezug auf Gott und lässt uns unmissverständlich verstehen, dass Gottes Gesetz und Weg allein maßgebend sind und Sein Gesandter nichts Weiteres verkünden durfte. Gottes Weg allein ist die Sunna, das Gesetz. Dies betrifft nicht nur Sein an uns offenbartes Buch, sondern sämtliche Aspekte des Lebens, wie etwa Seine Naturgesetze, Sein Willen, Seine Barmherzigkeit usw. Das heißt, dass wir diesbezüglich keinen Kompromiss eingehen dürfen und zum Beispiel auch die Pflicht haben, eine gesunde, langfristig orientierte Einheit mit der Natur herzustellen. Jeder andere Weg als Gottes Sunna ist zum Scheitern verurteilt. (23:84–85, 19:93, 2:116, 39:67, 4:79, 34:28, 2:85, 2:44, 3:83, 22:18, 34:3, 2:29, 16:10–14, 57:3, 28:88)

Eine weitere Pflicht einer Gottergebenen oder eines Gottergebenen ist das Lesen und Studieren der Zeichen Gottes in der Lesung und in der Natur, um nicht dieselben Fehler unserer Vorfahren zu begehen (55:5, 10:5, 3:137, 6:11, 12:109, 16:36, 27:69, 29:20, 30:9, 42, 35:44, 40:21, 40:82, 47:10, 96:1, 22:46, 55:1 ff.). Sie haben dabei ihren Verstand zu gebrauchen und ihre Sinne optimal einzusetzen (10:100, 8:22, 17:36, 39:18, 10:38 – 39, 74:30, 2:269, 3:7, 13:19, 38:29). Wissenschaftliche Disziplinen wie Mathematik oder Physik, Biologie oder Chemie müssen bis zur Exzellenz vorangetrieben werden, um den Glauben mit tiefer Überzeugung sichern zu können. Siehe hierzu allgemein die 49 Verse und den Kontext dieser Verse, in denen die Wurzel zu „Verstand“ vorkommt: 2:44, 2:73, 2:75, 2:76, 2:164, 2:170, 2:171, 2:242, 3:65, 3:118, 5:58, 5:103, 6:32, 6:151, 7:169, 8:22, 10:16, 10:42, 10:100, 11:51, 12:2, 12:109, 13:4, 16:12, 16:67, 21:10, 21:67, 22:46, 23:80, 24:61, 25:44, 26:28, 28:60, 29:35, 29:43, 29:63, 30:24, 30:28, 36:62, 36:68, 37:138, 39:43, 40:67, 43:3, 45:5, 49:4, 57:17, 59:14, 67:10.

Es darf kein Stammestum, kein Rassismus, keinerlei Bevorzugung aufgrund irgendwelcher Zugehörigkeit oder gewissen Eigenschaften vorherrschen. Wir sind sozusagen als eine große Familie mit unterschiedlichen Kulturen, Sprachen und Hautfarben anzusehen. (49:13, 21:94, 4:1, 11:61, 16:5–7, 16:9, 16:22, 30:22)

Der Gottergebene hütet sich davor, seine eigenen Wertvorstellungen Gott aufzuerlegen. Beispiel: Er hütet sich vor der Illusion, dass nur weil eine Minderheit einer gewissen Meinung ist, diese Meinung nicht die Wahrheit sein kann, da Gott es angeblich nicht zulassen würde, dass so viele Menschen in die Irre gehen. Hier wird der Fehler gemacht, dass man das eigene Empfinden zu einem universalen, ja Gott angedichtetem Gesetz erklärt. Die Wahrheit braucht nicht die Mehrheit, um die Wahrheit zu sein. Gott ist nicht auf die Mehrheit angewiesen.

Insofern ist es zwar keine Garantie, immerhin aber ein positives Zeichen, dass die wahren Gläubigen in der Minderheit sind. Die Geisteshaltung, sich aufgrund der eigenen Mehrheit zu brüsten, wird von Gott scharf kritisiert (72:24). Der Mehrheit anzugehören ist kein positives Zeichen, wie den Versen der Lesung deutlich zu entnehmen ist:

  • Man geht in die Irre, wenn man der Mehrheit folgt. (6:116)
  • Die Mehrheit weiß nicht, dass Gott Zeichen herabsenden kann. (6:37)
  • Die Mehrheit weiß nicht, dass Gott den Lebensunterhalt beschert und Er der Versorger ist. (34:36)
  • Die meisten der Menschen sind Ableugner oder Beigeseller. (12:103,106; 16:83; 17:89; 30:42)
  • Die Mehrheit besteht aus Frevlern. (5:49,81; 9:8; 57:16,27)
  • Die Mehrheit glaubt nicht und hat keine Sicherheit im Herzen. (2:100, 11:17, 13:1)
  • Die meisten Menschen sind unachtsam und beachtungslos. (10:92)
  • Die meisten Menschen sind nicht dankbar. (2:243, 10:60, 12:38)
  • Die Mehrheit folgt nur der Vermutung. (10:36)
  • Die Mehrheit ist stur in der Ableugnung. (25:50)
  • Die meisten der Menschen sind Lügner. (26:223)
  • Die Mehrheit verabscheut die unangenehmen Wahrheiten. (43:78, 23:66)
  • Die meisten wenden sich von der Lesung ab. (41:4 – Und nicht etwa von der Sunna, den Aussprüchen oder sonstigen Zweitquellen)
  • Die meisten Ableugner verwenden ihre Vernunft nicht, sie setzen ihren Verstand nicht ein. (5:103)
  • Die meisten der Menschen wissen nicht, dass Gott die Toten auferwecken und dass der Tag der Auferstehung kommen wird. (16:38, 23:59, 45:32)
  • Die Mehrheit weiß nicht, dass die aufrechte Lebensordnung die Ergebenheit und der Monotheismus ist. (30:30, 3:19, 12:40)
  • Die meisten Menschen wissen nicht, wann der Tag des Gerichts eintreffen wird. (7:187)

Anders betrachtet sind die wertvollen Angelegenheiten, Menschen und Dinge öfters wenig oder in der Minderheit (ein Beispiel für eine Ausnahme wäre Vers 9:38, wonach das diesseitige Leben wenig ist im Vergleich zum Letzten):

  • Dankbar zu sein für die Gaben ist sehr wertvoll, doch es gibt nur wenige Dankbare. Dankbarkeit ist ein Zeichen der Gottergebenheit. (2:243, 10:60, 12:38, 34:13, 7:10, 40:61, 23:78, 27:73, 32:9, 67:23)
  • Diejenigen, die an Noah glaubten und von Gott errettet wurden, waren nur sehr wenige. (11:40)
  • Die Menschen sind im Verlust bis auf die wenigen, die glauben, Gutes tun und zur Wahrheit und Geduld ermahnen. (Kapitel 103, 38:24)
  • Obwohl das nachfolgende Volk von Moses beteuerte, dass sie selbstverständlich für Gott kämpfen würden, nahmen danach nur sehr wenige am Kampf teil. (2:246, 2:249)

Einfach gesagt:

Die Wahrheit ist, weil sie ist. (10:36, 6:116)

 

21:18 Doch wir schleudern die Wahrheit gegen das Falsche, und da zerschmettert sie es, und sogleich vergeht es. Und wehe euch wegen dessen, was ihr da schildert!

Schlüssel zum Verständnis des Koran: Beigesellung (Schirk): Nicht nur Statuen sind Götzen

Millionen von Gottergebenen (Muslimen) glauben heute eine monotheistische Religion zu leben, die aber eher der Beigesellung des Quraisch-Stammes vor der Prophetie Mohammeds ähnelt. Millionen von Menschen von Ägypten bis nach Iran, von Indien bis in die Türkei und in vielen anderen Ländern beten in den Moscheen eindeutig für Gott. Doch nach ihrem Gebet gehen sie über zu den Grabstätten ihrer „Heiligen“ oder gehen zu ihrem Scheich und bitten diesen um Gesundheit, Wohlstand oder Kinder, oder dass diese für sie bei Gott um diese Dinge bitten mögen. Gleichermaßen gibt es Millionen von „Gottergebenen“, die glauben, der Prophet Mohammed könne sie vor Gottes Urteil schützen. So beten sie in ihrem Gebet in der Rezitation des eröffnenden Kapitels zu Gott und versichern ihm, dass sie nur Ihm dienen und nur Ihn um Hilfe erflehen werden (1:5). Als ob sie dieses täglich mehrfach wiederholte Versprechen nie ausgesprochen hätten, bitten sie am selben Tag Mohammed, dass er für sie Fürbitte bei Gott einlegen möge! Wenn man sie auf diesen Widerspruch hinweist, meinen sie, dass sie Mohammed ja Gott nicht beigesellten, obwohl sie wissen müssten, dass der Prophet Mohammed nicht mal die Menschen retten kann, die er liebte (28:56)! Er konnte lediglich zu seinen Lebzeiten (!) nur diejenigen ermahnen, die bereits an Gott geglaubt und sich Ihm ergeben hatten (30:52–53). Nein im Gegenteil, denken diese Leute etwa, Mohammed könnte sie auch jetzt noch hören oder sehen, wobei uns in der Lesung mitgeteilt wird, wie überrascht er sein wird und sich bei Gott über sein eigenes Volk beklagt, dass diese die Lesung verlassen haben (46:9, 7:188, 25:30)?! Solange man ein Beigeseller (Muschrik) ist, wird man nie und nimmer errettet:

 

9:113 Nicht gebührt es den Propheten und denjenigen, die glaubten, dass sie für die Beigeseller um Vergebung bitten, auch wenn sie Nahverwandte wären, nachdem ihnen klar wurde, dass diese die Angehörigen des Infernos sind

 

Nein, sie wollen es auch dann nicht wahrhaben, dass sie in Tat und Wahrheit Mohammed zu Gott beigesellen und sich somit der Beigesellung schuldig machen, wenn ihnen folgender Vers ans Herz gelegt wird:

 

9:80 Ob du für sie um Verzeihung oder nicht um Verzeihung bittest, oder ob du siebzigmal für sie um Verzeihung bittest, Gott wird ihnen niemals verzeihen. Deshalb, weil sie nicht an Gott und Seinen Gesandten glaubten. Und Gott weist den frevelhaften Leuten nicht den Weg.

 

Sie verstricken sich danach in weitere Widersprüche und es ist klar, dass sie Mohammed zum Götzen, zum Beigesellten erhoben haben, ohne dass sie sich dessen bewusst sind oder bewusst sein wollen (10:18). Sie gehören zu jener Gruppe, die Mohammed am Jüngsten Tag ablehnen wird und seine „Fürsprache“ wird daraus bestehen, sie abzulehnen, weil sie entgegen der von ihm überlieferten Lesung ihn idolisierten, ihn zum Götzen erhoben und sich nicht allein auf Gott verlassen haben. Ähnlich werden viele Christen und Juden am Jüngsten Tag überrascht sein, dass sie von Gott als „Beigeseller“ verurteilt werden. Die sogenannten „Gottergebenen“ (Muslime), die von Mohammed Fürsprache erhoffen, sind was die Geisteshaltung betrifft nicht anders als diejenigen Christen, die ihr „Vater unser“ beten und danach hoffen, dass Jesus sie erlösen möge.74 Diese gesellen also Jesus Gott bei. Oder sie sind sogar noch weiter von der Wahrheit entfernt, wenn sie Jesus als Gott ansehen (5: 72, 22: 8), also zu Gottes Wesen etwas beigesellen, was selbst den evangelischen Lehren widerspricht (Markus 10: 18, Lukas 18: 19). Dabei ist es ganz einfach:

 

65:3 … Wer sich auf Gott verlässt, dem genügt Er. …

39:6 Genügt Gott Seinem Diener etwa nicht? …

 

Diese sogenannten „Gottergebenen“ gehören zu jenen, die die Botschaft der Lesung nicht verstanden haben und auch nicht verstehen werden, solange sie ihren Irrtum nicht als Irrtum akzeptieren – oder anders gesagt nicht bereit sind, ihr komplettes Weltbild, ihre gesamte Identität aufzugeben, was im Endeffekt nichts anderes ist als sich Gott zu ergeben und dem Irrglauben ein Ende zu setzen, man sei bereits rechtgeleitet.

Es ist hierbei wichtig zu verstehen, dass die Beigeseller vom Stamme Quraisch die Gebete genauso verrichteten wie wir heute, doch sie hatten damals ihre Götzen Allat, Al-‘Uzzah, Manat und weitere Beigesellte, um für Gesundheit, Wohlstand, Fürsprache oder Kinder zu bitten. Die Beigesellung ist im Prinzip gleich geblieben, nur die Beigesellten, die Götzen sind verschieden. Anders gesagt sind nur die Namen der Beigesellten neu.

 

12:106 Die meisten unter ihnen, die an Gott glauben, gesellen Ihm (andere) bei.

 

Es ist deshalb von äußerster Bedeutsamkeit, die Wahrheit zu verinnerlichen, dass nicht nur Statuen Götzen sein können, die Gott beigesellt werden, sondern beispielsweise auch:

  • Ihre Kinder (7: 190),
  • Ihre Eltern, Geschwister, Verwandten oder Ihr Ehepartner (9: 24),
  • Ihr Geschäft bzw. Ihre Arbeit (18: 35) und
  • Ihr Ego (25: 43).

Zu glauben, dass Gott der Schöpfer der Himmel und der Erde ist, schützt einen nicht vor der Beigesellung, dem Virus des Denkens, der sich in uns einnistet und unsere Gedanken verdreht (12:106), sodass in Tat und Wahrheit unser „Gott“ das ist, was uns am meisten beschäftigt. Merken Sie sich diesen Satz:

 

Ihr Gott ist wer oder was auch immer Ihre Gedanken die meiste Zeit beschäftigt.

– Rashad Khalifa

 

Gott weist uns in der Lesung selbst an, wie wir uns davor schützen können und ich möchte dies nur kurz anschneiden, da man auch dazu ein eigenes Buch verfassen könnte: Wir müssen Gottes häufig gedenken (33:41–42), wie zum Beispiel vor dem Essen (6:121) oder wenn wir über die Zukunft reden (18:23–24) oder allgemein unsere Dankbarkeit zum Ausdruck bringen wollen. Es ist auch nicht von ungefähr, dass wir die Kontaktgebete (ṣalāh) regelmäßig verrichten müssen, da eine ständige, bewusste, richtig aufgebaute und tief empfundene Verbindung mit Gott, also in wirklichem Kontakt zu stehen mit Gott, von den Schändlichkeiten dieser Welt abhalten wird (29:45). Das Kontaktgebet (aṣ-ṣalāh) wird neben anderen zentralen Begriffen wie Läuterung (zakāh), Gerechtigkeit (qisṭ), Debatte (ḥadsch) oder Fasten (ṣawm) mit Gottes Erlaubnis in einem zweiten Buch näher betrachtet.

 

20:14 Wahrlich, Ich bin Gott. Es ist keine Gottheit außer Mir; darum diene Mir und verrichte das Kontaktgebet zu Meinem Gedenken.

 

Cover Schlüssel zum Verständnis des Koran

Schlüssel zum Verständnis des Koran: 5. Verse gleichen Themas zusammenstellen

Die eine Schwäche bei den meisten Gottergebenen, die leider schon seit mehreren Jahrhunderten besteht, ist die Fähigkeit, die Verse ihrem Thema gemäß zusammenzustellen, um die dahinterliegende Bedeutung zu suchen. In der Lesung selbst steht, dass wir eine Zusammenstellung machen sollen – auch bekannt als der Befehl „rattil“:

 

73:2–4 Bleibe die Nacht auf, außer ein wenig: Ihre Hälfte oder verringere davon ein wenig oder füge dazu. Und ordne (rattil – رَتِّل) die Lesung auf ordnende Weise.

 

Wegen der falschen Bedeutung, die in den gängigen Übersetzungen wiedergegeben wurde, ist hier eine Erklärung vonnöten. Rattala (رتّل) steht als arabisches Wort im zweiten Verbstamm, was im Allgemeinen die Verstärkung der Bedeutung aus dem ersten Verbstamm andeutet. Alles in allem geht es bei dieser Wurzel um die „Wohlordnung einer Sache“, nämlich dass sie „regulär“ und „aufgeräumt“ ist. Das Wort „ratila“ kann nicht verwendet werden, wenn etwas irregulär oder nicht geordnet ist oder aus dem Konzept fällt. So wird auf Arabisch eine in einer Linie aufgestellte Reihe an Panzern „ratil dabābāt“ (رتل دبابات) genannt oder auch einfach „ein Konvoi von Panzern“. Wir würden „ratil“ nicht verwenden, wenn die Dinge nicht ähnlich wären. Auch wenn wir zum Beispiel eine Rede vorbereiten und die Rede in ihrem Aufbau ordnen und jemand ausdrücken will, dass der Redner die Zusammenstellung der Rede in ihren Einzelteilen gut strukturiert und die Aussprache klar und deutlich gestaltet hat, so sagt er oder sie einfach „rattala al-kalām“ (رتّل الكلام), weil sowohl der Inhalt als auch die Artikulation eine wohlgeordnete Art und Weise der Rede aufzeigen. Hier sei aber Vorsicht geboten, denn sowohl dieses Verb wie auch das Verbalnomen hierzu, tartīl ( تَرْتِيل ), wurde durch die Jahrhunderte hindurch auf eine einzelne Bedeutung beschränkt, was sich dann auch in die gängigen Übersetzungen eingeschlichen hat. Statt die ursprüngliche Bedeutung der Wurzel als Grundlage zu nehmen, bei der es um diese Wohlordnung geht, wird dieses Wort nur noch im Sinne eines „langsamen Vortragens“ der Lesung verstanden, also nur noch im artikulativen Sinne, was aber den ganzheitlichen Sinn verfehlt.

Aus diesem Grund müssen wir, wenn wir irgendein Thema in seiner Tiefe studieren wollen, alle Verse, die dieses Thema behandeln und über das Buch hinweg gestreut sind, finden und in ihre „Zusammenstellung“ und „Ordnung“ (tartīl) bringen. Nach dieser Zusammenstellung ist der nächste Schritt das „Relativieren der Bedeutung“.

 

73:20 Gewiss, dein Herr weiß, dass du weniger als zwei Drittel der Nacht, die Hälfte oder ein Drittel von ihr aufbleibst, ebenso eine Schar von denjenigen, die mit dir sind. Und Gott bemisst sowohl die Nacht als auch den Tag. Er wusste, dass ihr ihn nicht erfassen werdet; deshalb vergab Er euch. So lest (iqra’ū) von der Lesung, was leicht ist. Er wusste, dass es unter euch Kranke geben wird und andere, die sich auf der Erde durchschlagen, um nach Gottes Gunst zu streben, und andere, die auf dem Weg Gottes kämpfen. So lest von ihm, was leicht ist und haltet den Kontakt aufrecht und steuert zur Verbesserung bei und hinterlasst bei Gott einen schönen Vorschuss. Was ihr für euch selbst an Gutem vorausschickt, werdet ihr bei Gott finden. Es ist besser und ein größerer Lohn. Und bittet Gott um Vergebung. Gewiss, Gott ist vergebend, gnädig.

 

Es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen dem Ablesen eines Textes, einer bloßen Rezitation, und dem gründlichen Lesen, dem studierenden Lesen, dem verstehenden Lesen. Anders gesagt geht es hierbei darum, dass wir das Gelesene mit dem Rest der Lesung in Bezug setzen, dass wir also seine Bedeutung gesamtheitlich relativieren. Beim Vortragen eines Textes, wie etwa wenn eine Person die Nachrichten von einem Blatt Papier oder einem Teleprompter abliest, wird auf Arabisch eher “talā-yatlu” (rezitieren) verwendet und nicht „qara’a“ (lesen). Ein weiteres Beispiel haben wir, wenn eine Lehrerin in Physik ihren Schülern das Konzept der Relativität beibringt, so “taqra’u” (liest sie vor und erklärt dabei) die Bedeutung, ähnlich wie bei einer Vorlesung. Dies lässt sich auch aus den ersten Versen des 96. Kapitels ableiten:

 

96:1–5 Lies im Namen deines Herrn, Der erschuf. Er erschuf den Menschen aus einem Embryo. Lies! Dein Herr ist Der Edelste, Der durch den Stift lehrte. Er lehrte den Menschen, was dieser nicht wusste.

 

Hier wird dem Zuhörer oder Leser nicht einfach das bloße Lesen nahegelegt, sondern auch darauf hingewiesen, dass der Mensch durch den Stift lernt. Durch das flüchtige Lesen eines Buches hab ich es nicht studiert und deshalb nicht tiefgreifend begriffen. Es scheint so zu sein, dass das selbständige Wiederholen durch den Gebrauch des Stiftes das Wissen festigt. Durch den Stift, der heute auch in Form von Rechnern in Einsatz kommt, wurden die Wissensbücher geschrieben, auf denen wir unser Wissen aufbauen und das, was wir noch nicht wussten, mittels desselben Stiftes festhalten, dass es anderen Menschen dienlich sein mag. Dieser Vers legt uns also nahe, „lesen“ als „verstehendes, lernendes Lesen“ aufzufassen. Das Prinzip des ordnenden, verstehenden Lesens führt uns zum wichtigen Schritt, Verse zur selben Thematik auch gleichzeitig zu betrachten. Dies ist das Prinzip des „Das Eine sehen und an das Andere denken.“

 

Beispiel einer Zusammenstellung von Versen über dasselbe Thema – Scheidung

Wenn wir das Thema „Scheidung“ untersuchen, so sehen wir, dass das Thema über drei verschiedene Kapitel verteilt ist (Kapitel 2, 33 und 65), welche erst miteinander kombiniert ein komplettes Bild der Prozeduren und den Gesetzen bzgl. der Scheidung liefern.

 

2:226 Für diejenigen, die sich von ihren Frauen abwenden, ist ein Abwarten von vier Monaten. Und wenden sie sich wieder zu, so ist Gott gewiss vergebend, gnädig.53
2:227 Entschlossen sie sich jedoch zur Scheidung, so ist Gott gewiss hörend, wissend.
2:228 Und die in Scheidung stehenden Frauen selbst haben drei Menstruationszyklen abzuwarten und es ist ihnen nicht erlaubt zu verschweigen, was Gott in ihren Gebärmüttern erschuf, wenn sie an Gott und den letzten Tag zu glauben pflegten. Und ihre Ehemänner sind berechtigter, sie zurückzunehmen, falls sie eine Schlichtung möchten. So gilt für die Frauen Gleiches, wie über ihnen ist, in erkenntlicher Weise, und für die Männer eine Stufe über ihnen.54 Und Gott ist ehrenvoll, weise
2:229 Ist die Scheidung zweimal55, dann entweder in erkenntlicher Weise behalten, oder gutwillig freigeben.56 Und es ist euch nicht erlaubt, etwas von dem zu nehmen, was ihr ihnen zukommen ließt, außer wenn beide fürchten, die Grenzen Gottes nicht aufrecht zu erhalten. Fürchtet ihr aber, dass beide die Grenzen Gottes nicht aufrechterhalten, dann ist für beide kein Verstoß darin, worauf sie verzichtete. Jene sind die Grenzen Gottes, übertretet sie also nicht. Und wer die Grenzen Gottes übertritt – solche sind die Ungerechten
2:230 Ließ er sich dann von ihr scheiden, so ist sie ihm danach nicht erlaubt, bis sie einen anderen Partner heiratet. Lässt dieser sich von ihr scheiden, so ist es kein Verstoß für beide, dass sie zurückkehren, wenn sie meinen, dass sie die Grenzen Gottes aufrechterhalten. Jene sind die Grenzen Gottes, die Er klarstellt für ein Volk, das weiß
2:231 Und wenn ihr euch von den Frauen scheiden ließt und sie ihre Frist vollendeten, dann behaltet sie in erkenntlicher Weise oder gebt sie frei in erkenntlicher Weise. Und behaltet sie nicht aus Schadenfreude, um zu übertreten. Und wer dies tut, tat sich selbst Unrecht. So nehmt euch Gottes Zeichen nicht zum Spott und gedenkt Gottes Gunst an euch und dessen, was Er aus der Schrift und der Weisheit auf euch herabsandte, euch damit zu belehren. Und seid Gottes achtsam und wisst, dass Gott in allen Dingen wissend ist
2:232 Und wenn ihr euch von den Frauen habt scheiden lassen und sie ihre Frist vollendet haben, dann zwängt sie nicht ein, auf dass sie ihre Partner heiraten, wenn sie miteinander in erkenntlicher Weise zufrieden sind. Damit wird der von euch belehrt, der an Gott und den letzten Tag zu glauben pflegte. Dies ist lauterer für euch und reiner. Und Gott weiß, ihr aber wisst nicht

33:49 O ihr, die ihr glaubt! Wenn ihr gläubige Frauen heiratet und euch dann von ihnen scheiden lasst, ehe ihr Geschlechtsverkehr mit ihnen gehabt habt, so besteht keine Wartefrist von ihnen euch gegenüber, die eingehalten werden muss. Darum beschenkt sie und entlasst sie auf geziemende Weise.

65:1 O Prophet! Wenn ihr euch von den Frauen scheidet, beachtet die Wartezeit, die ihr genau berechnen sollt! Fürchtet Gott, euren Herrn! Ihr dürft sie aus ihren Wohnungen nicht ausweisen, es sei denn, sie begehen eine abscheuliche Tat. Das sind die Rechtsbestimmungen Gottes. Wer Gottes Rechtsbestimmungen übertritt, hat sich selbst unrecht getan. Du weißt nicht, vielleicht läßt Gott nach der Scheidung etwas Unerwartetes geschehen.
65:2 Wenn die Wartezeit ihrem Ende zugeht, dürft ihr die Scheidung rückgängig machen und die Frauen in Würde behalten oder euch würdig von ihnen trennen. Ihr sollt zwei rechtschaffene Leute von euch als Zeugen nehmen. Das Zeugnis vor Gott soll genau eingehalten werden. Damit soll der ermahnt werden, der an Gott und an den Jüngsten Tag glaubt. Wer Gott fürchtet, dem schafft Gott aus jeder Not einen Ausweg
65:3 und gewährt Gaben, von wo er sie nicht erwartet. Wer sich auf Gott verläßt, dem genügt Er. Gott setzt Seinen Willen durch. Für alles hat Gott Maß und Zeit bestimmt.
65:4 Für die Frauen, die in der Menopause sind, beträgt die Wartezeit drei Monate, wenn ihr Zweifel hegt. Die Wartezeit für Frauen, die keine Menstruation haben und schwanger sind, endet mit der Entbindung. Wer auf Gott hört, dem erleichtert Gott seine Angelegenheiten.
65:5 Das ist Gottes Vorschrift, die Er euch herabgesandt hat. Wer Gott fürchtet, dem tilgt Gott die schlimmen Taten, und dem erhöht Er den Lohn.
65:6 Laßt sie, euren Möglichkeiten entsprechend, in einem Teil eurer Wohnstätten wohnen. Ihr sollt sie nicht belästigen, um sie in der Wohnstätte zu beengen. Wenn sie schwanger sind, kommt ihr für ihren Unterhalt auf, bis sie gebären. Wenn sie eure Kinder stillen, habt ihr ihnen ihre Aufwendungen zu entrichten. Beratet darüber miteinander auf würdige Weise, wie es Brauch ist. Wenn ihr euch aber nicht einigen könnt, so soll eine andere Frau das Kind stillen.57

 

Hier ist eine Zusammenfassung dieser Regeln für die Scheidung, erhalten durch die Zusammenstellung der ähnlichen Verse:

  • Eine „Abkühlzeit“ von vier Monaten wird benötigt, bevor eine Scheidung überhaupt beginnen kann. (2:226)
  • Wenn immer noch auf die Scheidung bestanden wird, so müssen die Ehefrau und der Ehemann nach dieser Abkühlzeit während der Wartefrist im gleichen Haus zusammenbleiben. (65:1)
  • Wenn sich das Paar versöhnt, lässt sich der Scheidungsprozess widerrufen und die Wartefrist wird unterbrochen. (2:229)
  • Die Scheidung wird automatisch widerrufen, wenn die Partner während der Wartefrist geschlechtlichen Verkehr miteinander hatten. (2:226, 65:1)
  • Die benötigte Wartefrist beträgt drei Menstruationszyklen. Die Wartefrist bei Frauen, die keine Menstruation mehr haben, beträgt drei Monate. Die Zeit bei schwangeren Frauen beträgt solange, bis sie ihr Kind bekommen. (2:228, 65:4)
  • Es kann keine Wartefrist geben (bzw. es wird keine benötigt), wenn noch nie ein geschlechtlicher Kontakt stattfand. Es kann also wieder geheiratet werden. (33:49)
  • Wenn das Paar immer noch wünscht, die Scheidung nach der Wartefrist zu vollziehen, so werden zwei Zeugen gebraucht, um die Prozedur zu vervollständigen. (65:2)
  • Ist dies die dritte Scheidung, so kann das Paar nicht mehr miteinander heiraten, bis die Frau mit einem anderen Mann verheiratet war und sich geschieden hat. (2:230)

Wie in diesem Beispiel der Scheidung gezeigt wird, erbringt der simple Schritt der Untersuchung aller relevanten Verse eine sehr detaillierte Beschreibung der Scheidungsschritte, welche in jeder modernen und zivilen Gesellschaft angewandt werden können. In vielen Ländern hält man sich sogar an die koranischen Gesetze, wenn man die Gesetze des Landes befolgt! Statt diese Methodik anzuwenden haben viele Gelehrte unzählige, nicht mehr zeitgemäße, teils der Lesung extremst widersprechende Gesetze erfunden, die viel Leid hervorgebracht haben, wie etwa Steinigung oder die Strafe für die Apostasie. Es ist Zeit, sich nur noch an Gottes Lesung zu orientieren, denn:

 

 65:3 … Wer sich auf Gott verlässt, dem genügt Er. …

Cover Schlüssel zum Verständnis des Koran

Schlüssel zum Verständnis des Koran: Teil I: Voraussetzungen, Theorie und Rüstzeug

Um die Lesung (Koran) in ihrer gesamtheitlichen Sicht begreifen zu können, muss sich jeder Student dieser Schrift einiger Voraussetzungen im Klaren sein, ohne die kein ausgereiftes Verständnis der Lesung möglich sein wird. In diesem Teil werden die formalen Grundlagen erarbeitet, nach denen wir die Stellen und Texte der Lesung untersuchen werden. Hierbei müssen wir zwei Bereiche genauer durchleuchten.

Der erste und damit vergleichsweise technische, einfachere Bereich ist die äußere und innere Form der Lesung: Mit welcher Textform haben wir es zu tun und welche Herangehensweise führt definitiv zu falschen Ergebnissen? Wie wichtig ist der arabische Text für das Verständnis der Stellen? Gibt es Unterschiede in der Wichtigkeit arabischer Passagen für die theologische Bedeutung? Welche Lesarten gibt es und wie kann ich zwischen ihnen unterscheiden? Wie verstehe ich die Lesung auch ohne tiefgreifende Kenntnisse der arabischen Sprache?

Zweitens muss sich jeder Mensch mit sich selbst auseinandersetzen. Theologen wie Farid Esack kommen hier zur Ansicht, dass es bei der Suche nach dem Sinn keine Objektivität geben kann.5 Dies bedeutet für mich, dass objektive Auslegungen eines Textes nicht möglich sind, da jeder Mensch unweigerlich seine Kultur, seine Sprache, seine Weltanschauung, den „Blick aufs Leben“, seine Geschichte und seine individuell geprägten Fähigkeiten mitbringt. Die Interpretation der Lesung kann also nicht vom Interpretierenden getrennt werden. Ohne den Interpretierenden ist die Lesung nur eine Ansammlung von toten Buchstaben.

Allein die Lesung historisch zu betrachten und nicht sich selbst in einem historischen Kontext zu sehen, wird zu einer verzerrten Wahrnehmung des Textes führen. Objektive Wahrheiten gibt es deshalb nicht und präsentierte „Wahrheiten“ müssen immer in Relation zu Umfeld und Mensch gesehen werden. Denn der einzig Absolute ist der Schöpfer. Die Schöpfung steht stets in Relation zum Schöpfer, aber auch zur Schöpfung selbst. Um aber dennoch nützliche Ideen aus der Lesung abzuleiten, werde ich dem Ideal folgen, dass Wahrheiten vorhanden und ableitbar sind und ich nur meine Auslegungsweisen (die auf einer bestimmten Axiomatik begründete Methodik) wo nötig anzupassen habe, ähnlich den Modellen in der Wissenschaft, welche ebenfalls ständig neuesten Erkenntnissen angepasst werden. Unsere Theorie verkörpert also ein Modell. Um es mit folgendem Zitat zusammenzufassen:

 

„Im Wesentlichen sind alle Modelle falsch, aber manche sind nützlich.“
– George Box, britischer Statistiker

 

Ich bin davon überzeugt, dass das in diesem Buch vorgestellte Modell äußerst nützlich ist.

 

Zur inneren Art und Form der Lesung

Die Lesung ist kein gewöhnliches Buch. Sie ist das arabische Buch, welches die arabische Sprache definiert. Sie ist das Buch, dem über einer Milliarde Menschen zu folgen behaupten. Ihr Einfluss ist immens auf die Menschheit. Doch wieso verstehen sie so wenige? Wieso begehen selbst die Gläubigen leicht zu vermeidende Fehler im Verständnis wie auch in der Ausübung der Lebensweise, die dieses Buch vorschlägt als den aufrichtigsten, besten Weg (17:9)?6 Ein Teil der Antwort liegt in der Art und Weise dieses Buches. Es ist weder chronologisch noch thematisch aufgebaut. Es gleicht vielmehr einem Freund, den man kennenlernen muss, um ihn zu verstehen. Haben Sie schon einmal einen Menschen, gar einen Fremden aus einer anderen Kultur auf den ersten Blick verstanden? Oder begannen Sie seine Handlungen erst dann nachzuvollziehen, als Sie diese Person näher kennenlernten, ihn wie einen Freund behandelten? So ist es mit der Lesung, zugänglich für alle, die ihr Freund werden wollen. Wenn Sie die Lesung also nicht von Anfang an verstehen, so sind Sie damit nicht allein!

Die Lesung ist wie ein lebendiger Organismus, erst im Gesamtbild der Verzweigungen ergibt sich ein schlüssiges Bild. So wie ein Ausschnitt des Bildes nicht dessen gesamte Idee vermittelt, so ist es mit den Versen der Lesung. Allem voran ist zu sagen, dass die Lesung nicht wie die Bibel studiert werden kann. Sie ist nicht narrativ aufgebaut oder in Predigten eingeteilt, die für sich alleine stehen können und in mehr oder weniger abgeschlossener Form fundamentale Ideen übertragen. Die Lesung hingegen überträgt Ideen, während sie auch schon andere Ideen überträgt. Selbst wenn wie beim Beispiel der Scheidung eine Fülle von Versen aufeinanderfolgen (2:228–237, 2:240–241), sind weitere nötige Informationen woanders zu finden (Kapitel 65), manchmal gar nur in einem einzigen Vers eines anderen Kapitels (33:49). Es ist auch zu sehen, dass wie im Beispiel des zweiten Kapitels einfach zwei Verse über ein scheinbar entferntes Thema eingeschoben werden (2:238–239). Auch dies hat seine pädagogische wie auch inhaltliche Bedeutung, nämlich auch in emotional turbulenten und schwierigen Zeiten die Momente der Einkehr und die Verbindung zu Gott nicht zu vergessen.

Wieso scheint es also so zu sein, dass Gott es uns schwer machen will, obwohl Er doch verspricht, dass Er für uns Leichtigkeit und uns keine Bürde auferlegen will?

 

4:28 Gott möchte euch Erleichterung gewähren. Der Mensch wurde ja schwach erschaffen.7

7:2 Ein Buch, das zu dir herabgesandt wurde, so soll in deiner Brust keine Bedrängnis seinetwegen sein. Dies, damit du mit ihm warnst, als eine Erinnerung für die Gläubigen.

 

Wieso nicht einfach alles thematisch aufreihen, um das Ausleben dieser ethischen Lebensweise der Gottergebenheit (Islām) zu vereinfachen? Wie wir aus 4: 28 sehen, weiß Gott also um unsere Schwäche und gerade deshalb möchte Er uns Erleichterung zukommen lassen.

 

21:10 Wir haben ja ein Buch zu euch hinabgesandt, in dem eure Ehre liegt. Begreift ihr denn nicht?8

43:43–44 Halte fest an dem, was dir offenbart wurde! Du bist gewiss auf einem geraden Weg. Es ist wahrlich eine Erinnerung für dich und dein Volk. Und ihr werdet (davon) zur Verantwortung gezogen.

 

Die Lesung bekämpft mit ihrer Beschaffenheit, ihrem Aufbau und ihrer Botschaft die unter den Menschen vorhandene Faulheit und den unnötigen Minimalismus, welcher über die bloße Genügsamkeit hinausgeht. Gott kaut uns nicht alles vor. Als der perfekte Lehrer und unser Schöpfer weiß Er natürlich, dass eine Einsicht aufgrund eines Aha-Erlebnisses viel eher haftet als vorgefertigte Weisheiten in Form von Zitaten auf Versandkarten, deren Inhalte uns eigentlich bei näherer Betrachtung fern erscheinen. Mit diesem Buch wird bei angemessenem Studium das aktive Differenzieren, Analysieren und das tiefe Denken geschult. Der Schüler Gottes, der Gottes Worte ernst nimmt, lernt auch zur selben Zeit Gründlichkeit und Organisation einzuhalten. Er beginnt auch die Geduld zu schätzen und lässt sich deshalb vom Status quo oder den Forderungen von Menschen nicht beirren, ohne in Trägheit zu übergehen. Er begreift auch, wie wichtig das Einüben der Aufrichtigkeit ist – vor allem sich selbst gegenüber. Er schätzt mit der Zeit die Art dieses Buches, weil sie enorm zur Vereinfachung der Verinnerlichung der Inhalte für die Gläubigen und Studenten des Buches beiträgt, etwa durch eine konsistente Wortwahl, durch wiederholte oder ähnliche Formulierungen oder durch pädagogisch wie auch stilistisch passende Formen. So lernt man die Lesung (Koran) doch schneller verstehen als manch andere Bücher gleichen Umfangs, vorausgesetzt man folgt gewissen Regeln und benutzt nach Möglichkeit die vom Schöpfer in uns gelegten Anlagen wie Verstand, Augen, Herz und Gehör.

Während die Lesung wie ausgeführt für ihre Freunde tieferen Zugang gewährt, ist sie für diejenigen, die sie zum Feind machen und nehmen wollen – ob bewusst oder unbewusst – ein siebenfach versiegeltes Buch. So bietet sie viele Fallen und Sackgassen für die, die sich mit einer Oberflächlichkeit begnügen. Sie sorgt für Verwirrung und Ausschluss der Ableugner (kāfirūn) von der ethischen Hochmoral, die diesem Buch innewohnt. Dies erfolgt sowohl auf emotionaler als auch auf rationaler Ebene. Der Geist wie auch der Intellekt der Ableugner werden durch ihre selbstverschuldete ignorante Haltung versiegelt.

So wird die Lesung (Koran) zu einem Buch des Mordes und der ungezügelten Gewalt, wenn man gezielt danach sucht und die Art und Weise missachtet, wie sie Informationen mitteilt. Klassisches Beispiel ist es, Verse aus ihrem Kontext zu reißen.

 

„Bekämpft die Ungläubigen…“

 

hört sich anders an als,

 

„Bekämpft die Ableugner und vertreibt sie, von wo sie euch zuerst vertrieben haben“,

 

obwohl es derselbe Vers und Kontext ist. Ebenso bekannt ist die Missachtung der Lesung in anderen Stellen, wie hier etwa 8:61, 60:7-9, 4:91 und 9:4,6,10,36 9 und vielen weiteren, die uns Prinzipien der Kriegsführung zum Zwecke der Selbstverteidigung mitteilen. Dies aber erst nach einem Angriff eines äußeren Aggressors. Ein eher seltener berücksichtigtes Beispiel ist das Versäumnis der hermeneutischen wie theologischen Verortung von koranischen Prinzipien, wie z.B. des Prinzips „Anstiftung (fitna) ist schlimmer als Töten“ (2:217).

Anders gesagt, wir dürfen das vorgeschlagene Wertesystem aus der Lesung nicht missachten, wenn wir darüber urteilen wollen. Und wir sollten uns unserer eigenen Denkweise bewusst werden, wenn wir solchen Versen begegnen, damit wir geschult sind im Unterscheiden von eigenen Vorstellungen und jenen, die wir aus dem Studium der Lesung gewonnen haben. Die Ideen, die in meinem Kopf entstehen, sind nicht notwendigerweise die Wiedergabe der göttlichen Worte, selbst wenn ich glaube, eine wörtliche Bestätigung gefunden zu haben. Worte sind lediglich Hüllen, die wir mit unserer Idee oder der eines anderen kleiden.

Denn erst bei Berücksichtigung dieser Umstände werden wir in der Lage sein, eine möglichst von subjektiven Vorstellungen befreite Wertung vorzunehmen und einen Vergleich zwischen unserem kulturellen und eines (nicht des!) von der Lesung abgeleiteten Wertesystems anzustellen.

Bücher Schlüssel zum Verständnis des Koran

Schlüssel zum Verständnis des Koran: Anhänge A-D

Auf dieser Seite befinden sich sämtliche Anhänge des Buches ‚Schlüssel zum Verständnis des Koran‘.

 

Anhang A – Wortverzeichnis

In diesem Anhang befindet sich eine tabellarische Übersicht über die wichtigsten in diesem Buch verwendeten deutschen Begrifflichkeiten und ihre arabischen Entsprechungen, um Missverständnissen vorzubeugen. Gleichzeitig kann diese Liste als Grundlage für den Diskurs der Findung von deutschen Wörtern für zentrale arabische Begriffe gelten.

DeutschArabisch
Der AbleugnerAl-Kāfir, Al-Kāfirūn/Al-Kuffār
Die AbleugnungAl-Kufr
Der AchtsameAl-Muttaqī
Die AchtsamkeitAt-Taqwá
Die/Der sich Anstrengende
(fürs Gute)
Al-Mudschāhid
Die Anstrengung (fürs Gute)Al-Dschihād
Der Ausspruch, die AussprücheAl-Ḥadīṯ, Al-Aḥādīṯ
Der BeigesellerAl-Muschrik
Die Beigesellten (auch: Götzen,
Idole)
Asch-Schurakāʾ
Die BeigesellungAsch-Schirk
Die BezeugungAsch-Schahādah
Die (Pilgerfahrt zur) DebatteAl-Ḥadsch
Der (Gott-)Ergebene/FriedensstifterAl-Muslim
Die Friedensstiftung / (Gott-)
Ergebung/Gottergebenheit
Al-Islām
Die GerechtigkeitAl-Qisṭ
Der (überzeugte, gesicherte)
Glaube
Al-Īmān
Der GottAllāh
Der GütigeAl-Muḥsin
Das KontaktgebetAṣ-ṣalāh
Die Läuterung (Läuterungsabgabe)Az-Zakāh
Die Lebensordnung / LebensweiseAd-Dīn
Die LesungAl-Qurʾān (Koran)
Das LetzteAl-Āchirah
Der MonotheismusAt-Tawḥīd
Der MonotheistAl-Muwaḥḥid
Der RechtschaffeneAṣ-Ṣāliḥ
Der Satan (nicht Teufel)Asch-Schayṭān
Die SündeAl-Iṯm

 

Für die Klarstellung von vielen Übersetzungsfehlern können Sie in der Rubrik ‚Übersetzung und Übersetzungsfehler‘ auf alrahman.de stöbern.

 

Anhang B – Literaturangabe zur Ḥadīṯ-Diskussion

Aisha Y. Musa, Hadith as Scripture: Discussions on the Authority of Prophetic Traditions in Islam, Palgrave, 2008.

Koranforschungsgruppe, Die erfundene Religion und die Koranische Religion, online verfügbar auf www.alrahman.de, von mir übersetzt aus dem Türkischen „Uydurulan Din ve Kuran’daki Din“, İstanbul Yayınevi, 2007.

Rashad Khalifa, Koran, Hadith und Islam, online verfügbar auf www.alrahman.de, von mir übersetzt aus dem Englischen „Quran, Hadith and Islam“, Islamic Productions, 2006.

Edip Yüksel, Manifesto for Islamic Reform, Brainbow Press, 2009.

Shabbir Ahmed, The Criminals of Islam, CreateSpace Independent Publishing Platform, 2011.

Abdur Rab, Exploring Islam in a New Light, Brainbow Press, 2010.

Kerem Adıgüzel, Zuverlässigkeit der Ahadith: Die Korrumpierung der Hochreligion Islam, online verfügbar auf www.alrahman.de, 2007.

Allgemein sind auf der Webseite www.alrahman.de sehr viele weiterführende Artikel von unterschiedlichen Autoren vorhanden.

 

Anhang C – Wörterbuchverzeichnis

Hans Wehr, A dictionary of modern written Arabic (Arabic – English), 4th ed.
Dies ist ein aus der deutschen Version 142 übersetztes, beträchtlich erweitertes und sprachlich genaueres Wörterbuch als die deutsche Vorlage. Wie der Titel schon sagt, ist es für den modernen Sprachgebrauch bestimmt und nicht immer in Übereinstimmung mit klassisch-arabischer Anwendung.

Götz Schregle, Deutsch-Arabisches Wörterbuch, Harrasowitz, 1974.
Ein Wörterbuch ähnlich wie das von Hans Wehr für das moderne Standardarabisch. Es enthält auch fachliche und technische Begriffe und umfasst ca. 30.000 Wörter. Die Wörter werden nicht mit lateinischen Buchstaben umschrieben, sondern stattdessen auf Arabisch und voll vokalisiert mit Anwendungsbeispielen wiedergegeben. Eignet sich gut, um von der deutschen Sprache ausgehend die arabischen Entsprechungen zu finden.

Rohi Baalbaki, Al-Mawrid: Arabisch-Deutsches Wörterbuch, MOst, 2005.
Umfasst ca. 38.000 Wörter, die nicht nach dem Stammwort, also der Wurzel, sondern nach dem Alphabet geordnet sind.

 

Leider sind die besten Werke (nebst den arabischen) nur in englischer Sprache verfügbar:

Edward W. Lane, Arabic – English Lexicon, Librairie du Liban, 1968.
Eine riesige Sammlung an Wortbedeutungen in acht Bänden mit vielen Beispielen aus der Anwendung, welche sehr viele Wörterbücher als aufbauende Quellen (insgesamt 112 zitierte Werke) benutzt hat. Die ersten fünf Bände wurden von ihm bis 1872 fertiggestellt, wohingegen die Bände sechs bis acht von seinem Großneffen Stanley Lane herausgegeben wurden mit der Hilfe von Lanes unvollständigen Notizen, die er hinterließ. Deshalb sind diese letzteren Bände voller Lücken und skizzenhaft. Der Fokus dieser Arbeit liegt im Vokabular des klassischen Arabisch.

Francis J. Steingass, The student’s Arabic-English dictionary, 1884.
Für den ungeübten Leser am Anfang verwirrend, erscheinen hier doch verschiedene Wurzelstämme unter derselben Überschrift, so z.B. die Wurzel w-ʿa-d ( و ع د ) und ʿa-d-d ( عدّ ) unter der Überschrift عد.

J. G. Hava, Arabic – English Dictionary for the use of Students, Catholic Press, 1899.
Ein Wörterbuch für das klassische Arabisch. Siehe auch sein Wörterbuch „Arabic – English Dictionary for Advanced Learners“, welches umfassender als das Wörterbuch von Hans Wehr ist, jedoch nicht so klar aufgebaut. Moderne Bedeutungen und Wörter werden hierbei ignoriert (so steht das Wort sayyāra nicht für „Auto“, sondern für „Karawane“ oder „Planet“).

Elsaid M. Badawi & Muhammad Abdel Haleem, Arabic – English Dictionary of Qur’anic Usage, Brill, 2010.
Aufbauend auf Wörterbüchern des klassischen Arabisch und Korankommentaren betont diese Arbeit die Rolle des Kontextes in der Bestimmung der Vielfalt an Bedeutungen eines jeden Wortes. Beispielhafte Angaben aus der Lesung werden im Buch wiedergegeben mit Querverweisen.

John Penrice, A Dictionary and Glossary of The Koran, 1873.
Ein Fotograf, der ein beachtliches Werk hinterließ. Eine kompakte Darstellung von Referenzen zu Wörtern und ihren Bedeutungen. Zahlreiche Editionen dieses Werkes sind bisher erschienen.

Abdullah A. Nadwi, Vocabulary of The Holy Quran, Millat Book Centre, 1983.
Ein nützliches Wörterbuch der Worte im Koran, die in ihre Wurzeln gruppiert wurden. Die Vermittlung der Wortbedeutung baut auf der Grundlage der Wurzelbedeutungen auf. Beispiele werden
auch angegeben.

Malik Ghulam Farid, Dictionary of The Holy Quran, Islam International Publications Ltd., 2006.
Eine von einem Missionar der Ahmadiyya angefertigtes Wörterbuch, die durchaus als Konkordanz der Lesung gelten kann. Das Buch ist leider missionarisch geprägt.

Mustansir Mir, Verbal Idioms of The Qur’ān, 1989.
Obwohl das mittelalterliche Arabisch sehr gut dokumentiert wurde durch muslimische Gelehrte aus dem Mittelalter, gibt es dennoch einige Schwierigkeiten für den Studenten wie auch den Gelehrten dieser Sprache. Dieses Buch versucht diese Schwierigkeiten zu adressieren, indem die zahlreichen Redewendungen und Spracheigentümlichkeiten dargestellt werden, die in der Lesung vorkommen.

 

Da die meisten unter den Leserinnen und Lesern der arabischen Sprache sehr wahrscheinlich nicht mächtig sein werden, führe ich hier nur meines Erachtens die zwei wichtigsten arabischen Wörterbücher auf.

Ibn Manẓūr (gest. 1312), Lisan al-ʿArab (لسان العرب).
Ein 1290 fertiggestelltes, arabisches Werk mit 20 Bänden, das als das bekannteste und umfassendste Wörterbuch der arabischen Sprache gilt.

Ibn Murtaḍá (gest. 1790), Tādsch al-ʿArūs (تاج العروس).
Das nach Lisan al-ʿArab zweitbekannteste arabische Wörterbuch.

 

Anhang D – Transkriptionssystem

Das in diesem Buch verwendete Transkriptionssystem unterscheidet sich leicht von dem der IPA, EALL oder DMG. Nachfolgend eine tabellarische Übersicht:

ArabischTranskription
ا, ʾalifa
ب, bāʾb
ت, tāʾt
ث, ṯāʾ
ج, jīmdsch
ح, ḥāʾ
خ, xāʾ / ḫch (wie in Bach)
د, dāld
ذ, ḏāl
ر, rāʾr
ز, zāynz
س, sīns
ش, šīnsch
ص, ṣād
ض, ḍād
ط, ṭāʾ
ظ, ḍāʾ/ẓāʾ
ع, ʿaynʿ
غ, ġayngh
ف, fāʾf
ق, qāfq
ك, kāfk
ل, lāml
م, mīmm
ن, nūnn
ه, hāʾh
ء, hamzaʾ
ة, tāʾ marbūṭahh
و, wāw (Halbvokal)w
ي, yāʾ (Halbvokal)y
ا, ʾalif (Langvokal)ā
و, wāw (Langvokal)ū
ي, yāʾ (Langvokal)ī
ى, ʾalif maqṣūrahá
ُ  (Kurzvokal)u
َ  (Kurzvokal)a
ِ  (Kurzvokal)i

 

Bei Wörtern, die mit einem Hamza beginnen, wie beim Wort ʾIslām, wurde aus rein ästhetischen Gründen das Hamza-Zeichen ausgelassen: Islām.

Cover Schlüssel zum Verständnis des Koran

Schlüssel zum Verständnis des Koran: Vorwort und Einleitung

Ich suche Zuflucht bei Gott vor dem verworfenen Satan.
Im Namen Gottes, Des Barmherzigen, Des Gnädigen.
Ich bezeuge, dass es keine Gottheit gibt außer Dem Gott.

Nach nun fast einem Jahrzehnt seit der Gründung der Webseite alrahman.de, etlichen Artikeln und Übersetzungen und nach etwa drei Jahren seit Beginn unserer eigenen Koranübersetzung (Hanif), nach meinem Abschluss in Mathematik und meinem Aufenthalt in Ägypten, um bei studierten Lehrern Arabisch und Ägyptisch zu lernen, war für mich die Zeit reif geworden, das angesammelte Wissen von den unterschiedlichsten Bereichen zusammenzuführen in diesem Buch: Schlüssel zum Verständnis des Koran.

Ein weiterer Grund für dieses Buch ist der Wunsch, den deutschsprachigen Muslimen eine Möglichkeit zur Selbstbefähigung zu bieten in der Koranauslegung. Dies in der Hoffnung, dass diese intellektuell und emotional für den Weg gerüstet sein können den Diskurs in den Gesellschaften, in denen sie leben, positiv und für alle Seiten gewinnbringend zu bereichern. Hierbei gehe ich nicht von einer selbstmotivierten Integration aus, sondern bereits von einer vorwärts treibenden Beteiligung an der Gesellschaft! Mein Ziel ist es kurz und einfach gesagt, dass wir als Muslime und Menschen insgesamt beginnen, uns gegenseitig mit Barmherzigkeit, Wissen und Liebe in allen Lebensbereichen zu begegnen.

Es ist unter anderem das ausdrückliche Ziel dieses Buches die „Entarabisierung“ dieser ethischen Hochreligion des „Islām“ zu bewirken. Unsere gemeinsame Sprache ist die deutsche Sprache, in welcher wir uns auch unterhalten möchten. So werden Sie sehr wahrscheinlich mit Gottes Erlaubnis sehen und begreifen, dass viele Begriffe, die Sie vorher nur auf Arabisch hörten, eine gänzlich andere Bedeutung innehaben, als Sie dachten. Wussten Sie, dass „Islām“ wörtlich Ergebung und „Muslim“ Ergebener bedeuten, im Sinne einer Ergebung Gott allein gegenüber? Denken Sie nur einmal darüber nach, woran Sie denken, wenn Sie „Muslim“ lesen oder hören und woran Sie denken, wenn das Wort „Gottergebener“ wahrgenommen und als wahr angenommen wird. Die deutsche Sprache eignet sich in weiten Teilen bestens, um die arabischen Begrifflichkeiten der Lesung (arabisch: al-qur’ān) ins Deutsche zu übertragen. Damit wird es vor allem für die Nichtakademiker einfacher, die Ideen der Lesung (Koran) zu verstehen, wenn wir beginnen, diese Begriffe auch auf Deutsch durchgehend zu gebrauchen und uns mit ihnen zu identifizieren statt mit arabischen Worthülsen. Im Anhang A finden Sie darüber hinaus eine Auflistung der wichtigsten Begriffe und ihre arabische Entsprechung.

Ein weiteres Ziel dieses Buches ist es, eine spezifische Auslegungsmethodik zu formalisieren. Hierbei wird die Hermeneutik beschrieben, wie die Lesung wiederum allein auf Grundlage der Lesung und den der Vernunft zur Verfügung stehenden Mitteln, wie etwa Logik und Sprache, begriffen werden kann, ohne Zuhilfenahme weiterer, besonderer Literaturquellen, die von den traditionsorientierten Gemeinschaften fälschlicherweise als „Pflichtquellen“ der Religion beschrieben und dem Propheten angedichtet wurden und werden.

Es ist nicht das Ziel, die Vielfalt an Bedeutungsmöglichkeiten koranischer Passagen einzuschränken auf eine einzige, allgemeingültige Variante. Dieses Buch bietet nicht die Darstellung einer „einzigen“ Wahrheit. Im Gegenteil werden Sie sehen, dass mittels unterschiedlicher Ansätze mit derselben hier vorgestellten Methodik gleichberechtigte Interpretationen zum Vorschein kommen werden, die sich erheblich unterscheiden, aber auch einander ergänzen können.

Um von diesem Buch am meisten zu profitieren, ist es ratsam, eine einschlägige Koranübersetzung zur Hand zu haben, da nicht jeder Vers in voller Länge oder überhaupt zitiert wird. Da wir der Meinung sind, dass die vorhandenen deutschen Übersetzungen nicht zufriedenstellend sind, werde ich in diesem Buch mit mehreren Übersetzungen und auch mit unserer eigenen arbeiten, die seit einigen Jahren durch unser Ḥanīf-Team angefertigt wird.

An dieser Stelle danke ich Gott, Der mich aus Seiner endlosen Barmherzigkeit heraus in dieser Welt segnete und versorgte, sodass ich gar nicht wissen kann, wie und wann ich mit dem Danken aufhören könnte. Ich danke auch den zahlreichen Menschen, die mir zur Seite standen und ihre konstruktiven Vorschläge für dieses Buch überbrachten. Insbesondere danke ich unter diesen meiner Frau, die mich ausnahmslos und zu jeder Zeit vollends unterstützte und mich wie ein allumsorgter Pascha fühlen ließ. Mein Dank gebührt auch all jenen, die mich auf meinem Bildungsweg unterstützt haben – all diesen noch lebenden oder bereits verstorbenen Lehrern von der Grundschule, Gymnasium oder von der Universität bis hin zu Sokrates oder Kant. Sie haben ein Teil ihrer Läuterungsabgabe (Zakāh) in Form von Wissensvermittlung bei mir durchgeführt.

Möge dieses Buch mit Gottes Erlaubnis

  • ein Vorwand sein, Gottes Wort näher zu begreifen;
  • dazu führen, geistig und intellektuell mündig zu werden;
  • in den Dunkelheiten das Licht der Lesung wiedergeben;
  • dazu dienen, wenn nötig sich vor sich selbst schützen zu können;
  • Gottes Schönheit, Weisheit und Erhabenheit in voller Tiefe spüren lassen;
  • die emotionale, politische, spirituelle und menschliche Macht der Gelehrten über uns vernichten;
  • in allen Buchstaben dieses Buches ein Lobgesang auf Gott sein.

Einleitung

Die Lesung (Koran): Ein Buch, eine Quelle für eine Religion – eine Herausforderung für die Menschheit. Ihre kulturelle Bedeutung auf der globalen Ebene ist unumstritten. Viele befassen sich mit ihr, sind von ihr fasziniert oder angewidert. Doch es scheint so zu sein, dass sie wenige wirklich kennen, nicht etwa wegen fehlendem Vermögen oder mangelnder Intelligenz. Selbst unter den Gelehrten ist zu sehen, dass ihnen schwerfällt, die Verse dieses Buches theologisch zu verorten, und lieber den Status quo besänftigen wollen statt die Kernaussagen des Buches genauer unter die Lupe zu nehmen. Nicht zuletzt deshalb greifen sie auf alte Erklärungsmuster vergangener Gelehrten aus dem achten oder neunten Jahrhundert nach Christus zurück, die teils dem Wesen der Lesung deutlich widersprechen. Aus diesem Grund ist die Tatsache nicht verwunderlich, dass selbsternannte „islamische Länder“ in der Studie aus dem Jahr 2010 „How Islamic Are Islamic Countries“ von Scheherazade S. Rehman und Hossein Askari1, welche die Umsetzung des Islam in einem Land nach den islamischen Regeln misst, im Durchschnitt weit hinten rangieren. Nach dieser Studie sei Neuseeland das islamischste Land auf der Welt überhaupt!

Mit den kulturellen Herausforderungen in jüngster Zeit schaffen es immer mehr Gelehrte, sich vom Ballast der kulturellen, traditionellen, autoritären und sprachlichen Zwängen zu befreien und kehren zurück zum Geiste der Islamwissenschaften aus der Frühzeit der muslimischen Blüte. Dadurch sind sie in der Lage, Lösungen für die Gegenwart zu finden, die mit der alten, der von außen künstlich ins Religionsverständnis eingeführten Tradition brechen, aber gleichzeitig Gottes Religion zu bewahren versuchen.

Dieses Buch richtet sich in erster Linie an alle Interessierten, gleich welchen Hintergrundes, die einen ersten, kritischen Zugang zur Lesung (Koran) finden wollen und nach dem Rüstzeug suchen, um den weiteren Weg mehr oder weniger selbständig gehen zu können. Wie kann ich die Lesung verstehen und seine Geheimnisse am ehesten lüften? Was brauche ich dazu und worauf muss ich besonders achten? Ist das Kennen der arabischen Sprache eine Pflicht beziehungsweise relevant fürs Verständnis der Lesung? Wie kann ich mich von Gelehrten unabhängig zählen im Verstehen und in der Umsetzung der Lesung? Wie erkenne ich den Einfluss der Tradition und der Kultur auf mein Denken und Handeln und den auf die anderen? Was ist, wenn ich mit meiner Meinung allein dastehe? Auf all diese Fragen und noch mehr wird so Gott will in diesem Buch eingegangen.

Wenn Sie in diesem Buch nach einer Wiederholung der muslimischen Gelehrtenmeinungen aus dem Mittelalter, oder noch besser, Ihrer Meinung suchen sollten, können Sie es weglegen. Dann werden Sie keinen Nutzen aus diesem Buch ziehen können. Denn was die heutigen muslimischen Gelehrten nur mühsam erreichen, wollten die mittelalterlichen Gelehrten den zukünftigen schon von Anfang an mitteilen. Abū Hanīfa (geb. 699 in Kufa), dessen Schüler vermutlich in seinem Namen gegen seinen Willen die hanafītische Rechtsschule gründeten, welche die heute einflussreichste und größte der vier Hauptrechtsschulen des sunnitischen Islams darstellt, soll einst der Überzeugung gewesen sein, dass ein Kodex an Gesetzen nicht sehr lange statisch bleiben könne. Sonst wäre man dem Risiko ausgesetzt, dass dieser Kodex nicht mehr den Bedürfnissen der Gesellschaft entspräche. Aus diesem Grund befürwortete er die Interpretationen der Gesetzesquellen (uṣūl al-fiqh) als eine Antwort auf die menschlichen Bedürfnisse der jeweiligen Zeit.2

Ich bin derselben Meinung: Das Verständnis des Gotteswortes muss von gottergebenen (muslimischen) Denkern stets erneuert, von kulturellen Altlasten gereinigt und den Herausforderungen der Zeit entsprechend formuliert werden. Die traditionelle Vorstellung, was unter „Wissenschaft“ oder „Wissen“ (ʿilm) zu verstehen sei, übt gleichfalls hindernde Wirkung auf jede freie oder gar kritische Betrachtung der eigenen Geschichte. Der intellektuelle und politische Zustand vieler Gottergebenen (Muslime) ist alarmierend und widerspricht den grundlegenden Prinzipien der Lesung (Koran). Deshalb ist es wichtig, die Lesung kennenzulernen, damit man als Gottergebener eine gefestigte Identität entwickeln und dadurch aktiv zur Verbesserung sozialer
Umstände beisteuern kann.

Es wäre auf jeden Fall ein großer Gewinn für alle Seiten, wenn sich die Gottergebenen allmählich wieder auf ihre inspirierende, lebhafte Lebensordnung (dīn) besinnen und sich den Herausforderungen ihrer Zeit stellen und einen kulturellen, wissenschaftlichen und gemeinschaftlichen Beitrag in allen Schichten und Ebenen leisten.

Tradition und Religion zu trennen wird der erste Schritt sein müssen, um den Herausforderungen unserer Gegenwart gewachsen zu sein. Dies bedeutet jedoch keineswegs, dass diese Tradition völlig verworfen werden muss, da die Vordenker wie Ibn Chaldūn, Al-Ghazālī, Ibn Sīnā, Aṭ-Ṭabarī und viele weitere Arbeiten hinterlassen haben, auf denen wir bei Bedarf ganz oder teilweise aufbauen können. Es ist jedoch meiner Ansicht nach eine Unumgänglichkeit, dass wir diese Vordenker und Beispiele, die je nach Rechtsschule und theologischer Ideologie als Autoritäten gelten, gerade als Autoritäten ablehnen müssen, selbst wenn diese als sogenannte „Gefährten“ (ṣaḥāba) bezeichnet werden.

Betrachten wir beispielsweise Wörterbücher der arabischen Sprache, so ist in ihnen die Wiedergabe von Wortbedeutungen auf Grundlage von „Autoritäten“ zu finden.3 Dieser Gedanke der „Autoritäten“ lässt sich vielerorts wiederfinden. So etwa der volkstümliche Glaube, dass nur ein Gelehrter, der „über 50 Jahre seines Lebens mit dem Studium des Islām verbracht hat“, wahre und korrekte Meinungen äußern könne und dürfe. In vielen türkischen Moscheen, wie ich es selbst als Kind noch miterlebte, wurden viele Kinder geschlagen oder zumindest verbal und sozial durch die Umgebung eingeschüchtert, wenn sie aufrichtige Fragen zur Evolution oder zu den Hintergründen ritueller Praktiken stellten. Das Verständnis der Lebensordnung oder der Religion wurde hierbei nicht durch tieferes Verstehen entwickelt, sondern oft durch technisches Auswendiglernen von Phrasen und soziale Einschüchterung. Deutschsprachige Gottergebene (Muslime), die nun durch den direkten Kontakt mit anderen Religionen ihre eigene Religion hinterfragt sehen, stehen vor der Herausforderung ihre eigene Religion zu begründen statt einfach die „Glaubensinhalte“ in Form eines Handbuchs wiederzugeben, welches man blind befolgen müsse. Durch diesen Zwang, sich mit den Glaubensinhalten zu beschäftigen, sind viele Menschen von den Antworten enttäuscht, die ihnen geboten werden. Denn sie passen eher ins Mittelalter4, als dass sie die dringenden Bedürfnisse heutiger Gottergebener ansprechen. Die Lebensumstände haben sich heute drastisch geändert und ein Fliehen in mittelalterliche Vorstellungen hilft hierbei bestenfalls kurzfristig. Die Menschen sind oftmals gleichzeitig aber auch verwirrt durch die Inhalte der Lesung.

Es gibt nicht mehr nur die schweizerische, österreichische oder deutsche Kultur. Die DACH-Länder stehen vor der Herausforderung, mit unterschiedlichsten Gemeinschaften Umgang pflegen zu müssen. Immer mehr Gottergebene (Muslime) suchen Identität in ihrer eigenen Religion, die oftmals durchmischt ist mit der Kultur des Migrationshintergrundes. In diesem Buch werde ich eine Möglichkeit für eine pluralistische Gesellschaft aufzeigen, in der Gottergebene (Muslime) mit Menschen anderer Religionen ein friedvolles Zusammenleben führen und gleichzeitig der Lesung treu bleiben können.

Diese Idee einer koranischen Auslegungsmethodik zu fördern wird ein entscheidender Grundstein sein, um eine Sicht zu entwickeln für eine friedliche, pluralistische Gesellschaft, welche sich lossagt vom kulturellen Ballast und traditionsorientierter Lebensweise, welche nicht unzertrennlich mit der Lebensweise verbunden ist, die wir aus dem Studium der Lesung erhalten. Dabei wird auch die eigene Identität als Gottergebener gestärkt.

Hierbei werde ich auch die „eigene Sicht“ mit der „des Anderen“ aus dem koranischen Standpunkt heraus überdenken und damit aufzeigen, dass wir anderen Religionsangehörigen Raum schaffen können, nach der sie ebenso das Seelenheil erlangen können, ohne die eigenen Vorstellungen oder die Lesung zu verleugnen, zu verheimlichen, zu verwässern oder sonst wie abzuändern. Nicht zuletzt wird – so Gott will – dadurch sichtbar werden, dass ein gänzlich neuer Blickwinkel auf rechtsrelevante Fragen wie auch auf Moral und Prinzipien einer gottergebenen Lebensweise (klassisch zusammengefasst als „Scharīʿa“) entsteht. Hierbei werden unter anderem Fragen zum Beispiel zur Kopftuchfrage beantwortet, ob einem Dieb die Hände abgehackt werden dürfen oder wie der Umgang mit Andersgläubigen auszusehen hat.

In diesem Buch wird die Lesung (Koran) als alleinige bindende Quelle gottergebener Theologie und Jurisprudenz vorausgesetzt. Die Begründung hierzu werde ich im ersten Teil des Buches anschneiden. Eine ausführliche Diskussion über den Sinn und Unsinn der angeblichen Aussprüche (aḥādīṯ), die im Stile von Hörensagen gesammelt wurden und deren Wissenschaft (ʿilmu-l-ḥadīṯ) vernünftigen, kritischen Betrachtungen nicht standhält, interne Widersprüche aufweist und der Lesung vielerorts diametral entgegensteht, wie etwa die Thematik der Steinigung („radschm“), wurde bereits an anderen Orten ausführlich erörtert. Dies ist eine notwendige Debatte, die fortgeführt werden muss, da eine blinde Befolgung theologischer Imperative noch niemanden zum spirituellen Meister und überzeugten Gläubigen werden ließ. In diesem Buch wird deshalb diese Debatte vergleichsweise kurz angerissen.

Eine Auswahl an entsprechender Literatur, in denen teilweise auch dargestellt wird, dass diese Diskussion keine neue, sondern eine seit Anbeginn der Bildung muslimischer Gemeinschaften geführte Debatte war, lässt sich in Anhang B finden.

Widerlegung von „Der Koran und die Koraniten“

Ich suche Zuflucht bei Gott vor dem verworfenen Satan,
Im Namen Gottes, des Gnädigen, des Barmherzigen,

Die Homepage antikezukunft hat gegen unsere Auffassung, dass der Koran alleine für das religiöse Heil völlig hinreichend ist, mehrere Artikel verfasst. Eines dieser Artikel wurde bereits von uns widerlegt. Nun folgt, wie angekündigt, die Widerlegung des nächsten Artikels. Dieser zweite Artikel auf antikezukunft ist als eine Erweiterung zum vorangegangenen Artikel zu verstehen und überschneidet sich teilweise mit den Argumenten des Vorgängers. Ich gehe in dieser Widerlegung nur auf die Gegenargumente und nicht auf die am Artikelanfang angeführte Beschreibung ein, da die Widerlegung sonst zu umfangreich wird. Im Vergleich zu unserer Richtung schreibt der Autor über seine Strömung:

 

Die zweite Bewegung hält sich nicht nur an der gelebten Tradition (Sunna), sondern auch an dem schriftlich überlieferten Quellenmaterial fest. Ihre Herangehensweise wird im Grunde als die historisch–kritische Kontextualisierung bezeichnet.

 

Die so genannte historisch-kritische Methode versucht, im Unterschied zu den meisten anderen Gruppen, die Sekundärquellen zeitgemäß auszulegen. Ihr großes Manko ist allerdings, dass sie auf dieselben Quellen zurückgreifen wie alle anderen Strömungen. Dies wirft die Frage auf, wie diese Strömung sich im Recht glauben kann, das „richtige“ Verständnis der Ahadith zu repräsentieren im Gegensatz zu den restlichen Gruppen? Ein Beispiel: Alle vier sunnitischen Rechtsschulen ahnden den Abfall vom Glauben mit der Todesstrafe (Apostasie). Dazu beziehen sie sich auf Ahadith, welche dies legitimieren. Wie will diese Strömung dieses Verhalten verbieten, wo sie doch selbst aus den gleichen Quellen schöpft? Fahren wir fort:

 

“Für Islamoglu war das Projekt der Koranitischen Denkweise vor allem in Indien ohne weiteres eine Intention der Orientalisten gewesen, die vornehmlich bei den Muslimen den Gedanken hervorhebten, die Sunna (Lebensweise und Haltungdes Propheten) mitsamt ihrer Orthopraxie im Angesicht der Moderne als weit überholt verwerfen zu müssen.”

 

Wir sind weder Inder noch mit der indischen Kultur aufgewachsen. Einzig und allein ist der Wahrheitsgehalt einer Aussage ausschlaggebend für uns und nicht, woher das Argument abstammen mag (39:18, 10:38-39). Des Weiteren wurde bereits in der ersten Widerlegung die negative Darstellung von Orientalisten behandelt. Weiter schreibt der Autor:

 

Welchen Ansatz verfolgt eine historisch textualisierte Koranexegese?

Mit dem Ansatz der historischen Kontextualisierung sucht die islamische Koranexegese hauptsächlich die Nähe zu den Erstempfängern.

Sie (Anm.: die Sahabis) wurden direkt mit der Offenbarung konfrontiert, so dass dieser ihre Lage wie auch ihre Gesellschaftlichen Begebenheiten in seinem Kontext miteinbezog, wie dies im folgenden Koranvers ihren Ausdruck findet: „O ihr, die ihr glaubt! Fragt nicht nach Dingen, die, wenn sie euch enthüllt würden, euch unangenehm wären; und wenn ihr danach zur Zeit fragt, da der Koran nieder gesandt wird, werden sie euch doch klar. Gott hat euch davon entbunden; und Gott ist All-verzeihend, Nachsichtig“ (5:101)

 

Auch alle anderen Gruppen verfahren hierzu gleichermaßen, indem sie die Nähe zu den Erstempfängern suchen, es ist also keine Besonderheit der „historisch textualisierten Koranexegese“. Es trifft zu, dass die Ṣaḥābah laut Koran zu verschiedenen Belangen Fragen gestellt haben. Der Autor will jedoch mit dieser Argumentation darauf hinaus, dass man für die Erschließung der betreffenden Koranverse Ahadith benötigt, was zu vielen Stellen im Koran einen Widerspruch darstellt. Für das religiöse Heil ist der Koran alleine völlig hinreichend (5:44,45,47, 42:10, 6:114). Dementsprechend sind die angeblichen Ahadith der Ṣaḥābah unnötig. Auch wenn manche Verse die damaligen Begebenheiten anschneiden, ist der Koran eine „Klärung aller Dinge“ (16:89, 12:11) in der Religion (5:3 – siehe auch die Diskussion mit dem Autor zu dieser Thematik). Die Ṣaḥābah spielen somit heute weder für uns noch für den Koran selbst eine Rolle. Im weiteren Textverlauf werden Überlieferungen präsentiert, also keine Koranverse, um die “historisch kritische Methode” zu legitimieren. Hierzu zitiert der Autor aus unsicheren Ahadithquellen Abdullah ibn Abbas:

 

Wenn ihr mich über ein ungewöhnliches Wort im Koran befragt, sucht es in der Dichtung wie zum Beispiel im arabischen Diwan.

 

Dazu folgende Koranverse:

 

20:97 Wir haben ihn eigens leicht gemacht in deiner Sprache, damit du durch ihn den Gottesfürchtigen frohe Botschaft verkündest und durch ihn hartnäckige Leute warnst. (Siehe auch: 39:27-28, 16:103, 43:3, 41:44, 26:192-195)

 

Der Koran ist also keinesfalls ein Buch mit sieben Siegeln, wie der Autor uns weismachen will. Es sei folgender Hadith zitiert, welcher der Argumentation des Autors diametral entgegen steht:

 

Wer mit dem Koran auskommt und sich nicht auf die Haltung einstellt, auf etwas weiteres nicht angewiesen zu sein, gehört nicht zu uns. (Bukhari, Tauhid, 44; Abu Dawud, Vitir, 20; Darimi, Salat, 171)

 

Ohnehin haben Ahadith im Koran keine Autorität und es gibt noch viele andere Koranverse, die diesem Hadith direkt widersprechen. Dann zitiert der Autor den Kalifen ʿUmar ibn al-Chattab:

 

O ihr Menschen! Sieht zu, dass ihr die Dschahaliyya Dichtung zusammen trägt, weil in diesem das Tafsir für euer Buch (dem Koran) vorhanden ist.

 

Dieser Hadith widerspricht der eben von mir angeführten Quelle. Denn er stellt klar, dass der Koran alleine für das religiöse Heil Sorge trägt. Der angeführte Hadith ist ein klarer Widerspruch zu 5:3, 6:114 und vielen anderen Versen. Schließlich könnte der Autor keine hinreichende Argumentation aufbringen, wonach sein Hadith richtig und meiner falsch wäre. Er will mit seiner selektiven Herangehensweise darauf hinaus, dass der Koran nicht “zur Ermahnung leicht” (54:17,22,32,40) und auch nicht in der “Sprache leicht” gemacht ist (20:97, 44:58), wie dies uns im Koran klar mitgeteilt wird. Somit steht dieses Zitat gegen die von Gott offenbarten Koranverse. Man muss den Autor auch dahingehend fragen, warum Gott etwas so Fundamentales wie die Erklärung des Korans, in unserem Falle die „Dschāhiliyya Dichtung“, an keiner Stelle im Koran erwähnt. Dieses außerkoranische Argument ist letztendlich uninteressant, da man aus Ahadith alles ableiten kann, wie zum Beispiel ihre Vernichtung laut ʿUmar ibn al-Chattab:

 

Omar schrieb den Gefährten des Propheten, die in anderen Städten lebten, Briefe, mit der Aufforderung, all die Kopien der Ahadith, die sie hatten, zu zerstören. (Ibn Abdil Berr, Camiul Bayanil Ilm ve Fazluhu 1/64-65.)

Es gab einen beachtlichen Anstieg der Anzahl an Ahadith während des Kalifats von Omar. Omar wünschte, dass alle Seiten, auf denen die Ahadith geschrieben wurden, die in der Hand der Öffentlichkeit waren, zu ihm gebracht werden. Dann ordnete er ihre Zerstörung an, indem er sagte: “Sie sind wie die Mischnah der jüdischen Leute.” (Ibn Sad, Tabakat 5/140)

Ibn Abbas erzählte: Als die Zeit des Todes des Propheten sich näherte, waren einige Männer im Haus und unter ihnen war ‚Umar Ibn al-Khattab. Der Prophet sagte: „Kommt näher und lasst mich ein Schreiben für euch schreiben, nach dem ihr nie vom rechten Weg abgehen werdet.“ ‚Umar sagte: „Der Prophet ist ernsthaft krank, und ihr habt den Quran. Gottes Buch genügt uns.“ … (Sahih al-Bukhari: 9.468 und 7.573)

 

Der Autor zitiert danach ʿAli ibn Abu Talib:

 

Fragt mich nach dem Buche Gottes. Es gibt keinen Koranvers, weder in der Dunkelheit noch am Tageslicht, wo ich nicht wüsste, weshalb und unter welchen Umständen es offenbart wurde.

 

Dazu gibt es einen zu dieser Haltung direkt widersprechenden Hadith von ʿAli ibn Abu Talib selbst:

 

Ali Ibn Abu Talib, der vierte Kalif, sagte in einer seiner Reden: „Ich ermahne alle, die Niederschriften vom Propheten haben, nach Hause zu gehen und diese zu vernichten. Die Leute vor euch haben sich selber fehlgeleitet, weil sie Ahadith folgten, die von ihren Gelehrten kamen [Anm.: Juden mit ihrer eigenen Hadith-Kollektion, beispielsweise Talmud]. Auf diese Weise verließen sie das Buch Gottes.“ (Sunan Al-Daramy)

 

Es wird bei diesen Argumentationen schließlich selektiv mit Ahadith umgegangen. Die Einstellung der vier Kalifen gegenüber den Ahadith ist eindeutig und deswegen existiert aus ihrer Zeit auch kein einziger Hadith. Weiter geht es folgendermaßen im Text:

 

Nach Abu Zaid hat der Koran eine spezielle sprachliche Kodierungsdynamiken angewendet, um seine Botschaft den Erstadressaten einwandfrei zu übermitteln: „Wir haben es als einen arabischen Koran hinabgesandt, auf dass ihr begreifen möget“ (12:1). Denn in einer Sprache ist zweifelsohne viel mehr als nur das gesprochene Wort enthalten.

 

Der Einwand:

 

6:19 Sag: Welches ist das größte Zeugnis? Sag: Gott (, Er) ist Zeuge zwischen mir und euch. Und dieser Koran ist mir eingegeben worden, damit ich euch und (jeden), den er erreicht, mit ihm warne.

 

Es ist also klar ersichtlich, dass der Koran nicht nur für das Umfeld des Propheten gesandt ist, sondern auch für andere Menschen erschließbar sein muss. Dazu nun folgender Vers:

 

41:44 Hätten Wir ihn zu einem fremdsprachigen Koran gemacht, hätten sie sicherlich gesagt: „Wären doch seine Zeichen ausführlich dargelegt worden!” Ob fremdsprachig oder arabisch, sage: “Er ist für diejenigen, die glauben, eine Rechtleitung und eine Heilung.” Und diejenigen, die nicht glauben, haben Schwerhörigkeit in ihren Ohren, und er ist für sie (wie) Blindheit. Diese sind, als würde ihnen von einem fernen Ort aus zugerufen.

 

Von nun an will uns der Autor anhand eines Beispiels davon überzeugen, dass der Koran nicht so einfach zu verstehen sei und man die Sprachgepflogenheiten der Ṣaḥābah beherrschen müsse:

 

Es gibt unzählige Beispiele im Koran, die diese Annahme bestätigen, wie z. B: „Er hat eure Ehefrauen, zu denen ihr sagt: “Ihr seid mir verwehrt wie der Rücken meiner Mutter, nicht zu euren Müttern gemacht“ (33:4).

 

Diese unzähligen Beispiele soll der Autor bitte anführen. Zum Beispiel mit dem Rücken: Die Redewendung ist hier selbst erklärend, denn es steht in seiner eigenen Erläuterung: Er hat eure Ehefrauen, zu denen ihr sagt: „Ihr seid mir verwehrt wie der Rücken meiner Mutter, nicht zu euren Müttern gemacht.“ Er hat zudem den koranischen Gesamtkontext nicht beachtet, nämlich dass es verboten ist, die eigene Mutter zu heiraten (4:23). Man muss hier also nicht wissen, was der Rückenschwur nun genau ist. Der Koran erklärt es hier selber. Die Verse 58:1-4 erklären den „Rückenschwur“ ausführlich genug. Weiter führt der Autor an, dass die klassischen Korangelehrten die „Offenbarungsanlässe“ (asbab an-nuzul) für eine der grundlegendsten Instrumente bei der Auslegung der Schrift hielten. Gott erachtete diese als nicht grundlegend, denn sonst würden sie in den Koran gehören und nicht in massiv verderbte Quellen. Dem Leser sei auch nicht vorenthalten, wie prekär es um die Offenbarungsanlässe denn selbst steht. Dazu folgendes Video eines Befürworters dieser Strömung. Die Offenbarungsanlässe werden im Koran nirgendwo erwähnt, schon gar nicht, dass diese die Koranverse erklären sollen. Gott allein erklärt den Koran laut 25:33, 55:1-2, 75:19, 11:1 und 6:114. Der Autor muss selber eingestehen:

 

Die Kritiker der „Offenbarungsanlässe“ bemängeln jedoch die zur Verfügung stehenden Materialien, weil nur ein Bruchteil der historischen Quellen schriftlich aufgezeichnet und bis in unsere Tage tradiert wurden. In al-Bukhari findet sich hierfür im 60. Buch der Titel mit der folgenden Überschrift „Buch der Kommentare“. Dort werden nur 358 Erläuterungen des Propheten zu fast ebenso vielen Koranversen aufgeführt, dass macht sage und schreibe 5,7 Prozent aller Koranverse aus.(29) Auch in den klassischen Korankommentaren wie z.B. die von al-Tabari (gest. 923), gehen nicht alle Überlieferungen bei der Erläuterung des Koran, anhaltend auf den Propheten selbst zurück. In seinem monumentalen Werk „Dschami al-Bayan´an ta´wil ay al-Quran“ werden geradewegs 3000 Überlieferungen, die freilich bis auf den Propheten zurück gehen sollen aufgezeichnet. Das macht bei den gesamt Überlieferungen in diesem Werk gerade mal 7,8 Prozent aus. Aus diesem Grund, können die Offenbarungsanlässe bei dem überwiegend größten teil der Koranverse keine Auskunft über die Hintergründe und deren Anlässe geben.

 

Festzuhalten ist dementsprechend, dass die Offenbarungsanlässe nur minimal bedingt helfen können, noch bevor man den Koran zu Rate gezogen hat. Solche Quellen werden im Buche Gottes nicht geduldet. Weiter lesen wir:

 

Die Methodik der Offenbarungsanlässe wird auch dahingehend kritisch betrachtet, weil es die Gefahr mit sich bringt, als sei die Offenbarung nur spezifisch und ursächlich für das siebte Jahrhundert relevant. Dazu Kommentiert Dr. Murad Wilfried Hofmann den folgenden Satz: „Es wäre allerdings eine Übertreibung, den Koran nur im Lichte der Offenbarungsanlässe auslegen zu wollen, als seien sie für die Offenbarung ursächlich gewesen oder schränkten ihre Bedeutung auf den konkreten Anlass ein“.”

 

Anfangs brauche man Offenbarungsanlässe, welche laut dem Autor von den klassischen Koranexegeten „für eine der grundlegendsten Instrumente bei der Auslegung der Schrift“ gesehen werden, jedoch nur einen sehr geringen Teil des Koran erklären. Dann soll man die Erklärung des Koran durch die Erstadressaten nicht ganz so ernst nehmen, um nicht ins siebte Jahrhundert zu verfallen? Damit sind die Offenbarungsanlässe der subjektiven Relativierung des Interpretierenden ausgeliefert! Wessen Ansicht soll hier dann der Maßstab sein? Die Erklärung für den Koran ist somit selbst erklärungsbedürftig und hat keine größere Relevanz? Wenn es also „passt“, benutzt man sie und wenn nicht, dann lässt man sie weg? Wie soll man mit Offenbarungsanlässen umgehen, die nicht mal ansatzweise vollständig und dazu noch voller Ungereimtheiten sind? Beispielsweise, dass es zu manchen Versen gleich mehrere unterschiedliche Offenbarungsanlässe gibt oder auch viele politisch motivierte, wie dies Mouhanad Khorchide selber zugeben muss im eben erwähnten Videobeitrag? Und nun versucht der Autor die Haltung, dass Gott für die Religion alleine ausreicht, direkt einer Widerlegung zu unterziehen. Dazu schreibt er:

 

Warum kann allein der Koran nicht für die kontextuelle Lesart ausreichen? Weil dadurch grundsätzliche Bestandteile und Informationen der Religion verloren gehen. Im Koran wird darauf hingewiesen, dass, bevor die Kaaba als Gebetsrichtung obligatorisch vorgeschrieben wurde, die Muslime ihre Gebete in eine andere Gebetsrichtung ausführten, wie dies aus den folgenden Versen ersichtlich wird. […] Ohne die tradierten Überlieferungen, würde die Information über die damalige und erste Qibla in Jerusalem vollkommen untergehen.

 

Quellen gehen nicht verloren, wenn man der Offenbarung alleine folgt. Allerdings ist die falsche Handhabung dieser Quellen, beispielsweise dass sie immense religiöse Autorität genießen dürfen, und die damit einhergehenden katastrophalen Folgen für Religion und Mensch Grund genug, sie abzulehnen. Der Koran ist jedoch geschützt von Gott (15:9) und die Quellen des Autors erwiesenermaßen nicht. Überhaupt: Könnte es machtpolitische Gründe gegeben haben, dass man diesen Hadith vielleicht erfand oder dass man dies nur erwähnt hat, um Jerusalem vor anderen Städten zu bevorzugen? Die im religiösen Rahmen unbrauchbaren Einzelheiten haben kein Ende. Wir müssen deshalb nicht alle Sekundärinformationen bis zum letzten Punkt erschließen, um die Religion zu verstehen. Fahren wir fort:

 

Auch die nachfolgende Koranverse erläutern nicht annähernd die Kaaba als die neue Gebetsrichtung dar, ..

Hier fragt man sich allen ernstes den „Koraniten“, wie man für die Gebetsrichtung auf die Kaaba kommt, ohne die jeglichen Überlieferungen zu konsultieren?

 

Es wird im Koran klar vorgeschrieben in Richtung der Masdschid al-ḥarām zu beten, wo sich auch mittendrin die Kaaba befindet. Der Autor hat sich weder mit den Argumenten der Gottergebenen, die sich auf Gott allein verlassen (65:3), gründlich auseinandergesetzt, wie nun deutlich wurde, noch den Koran an der richtigen Stelle aufgeschlagen, da Gott im Koran die Richtung angibt und dort ohnehin auch die Kaaba steht. Möchte der Autor den Gläubigen trotz Gottes Wort vorschreiben, dass statt der Masdschid al-ḥarām nur die Kaaba als gültige Definition gilt? Im Koran steht:

 

49:16 Sag: Wollt ihr Gott über eure Religion belehren, wo Gott weiß, was in den Himmeln und was auf der Erde ist? Und Gott weiß über alles Bescheid.

 

Unabhängig davon ist aus folgenden Versen klar ersichtlich, dass mit der Gebetsrichtung auch die Kaaba mit eingeschlossen ist:

 

5:97 Gott hat die Ka’ba (Al-Ka`bata), das geschützte Haus, zu einer Stätte des Gottesdienstes für die Menschen gemacht, und (ebenso) den Schutzmonat, die Opfertiere und die (Opfertiere mit den) Halsgehänge(n). Dies, damit ihr wisset, dass Gott weiß, was in den Himmeln und was auf der Erde ist, und dass Gott über alles Bescheid weiß.

2:127 Und (gedenkt,) als Ibrahim die Grundmauern des Hauses errichtete, zusammen mit Isma’iI, (da beteten sie): „Unser Herr, nimm (es) von uns an. Du bist ja der Allhörende und Allwissende.

2:125 Und als Wir das Haus zu einem Ort der Einkehr für die Menschen und zu einer Stätte der Sicherheit machten und (sagten): „Nehmt Ibrahims Standort als Gebetsplatz!“ Und Wir verpflichteten Ibrahim und Isma’il: „Reinigt Mein Haus für diejenigen, die den Umlauf vollziehen und die sich (dort) zur Andacht zurückziehen und die sich (vor Gott) verbeugen und niederwerfen.“ (Siehe auch besonders: 22:26-29)

 

Und das Spiel des Autors einmal auf ihn selbst umgekehrt: Man soll also zur Kaaba beten, gut aber zu welcher Seite oder genauen Stelle des Komplexes? Oder in welchem Abstand, wenn man vor der Kaaba ist? Oder soll man auch den schwarzen Stein anbeten oder ihn verehren, wie dies aus Ahadith hervorgeht:

Ahadith zum schwarzen Stein

Dem Propheten zugeschriebene Ahadith:

‘Abis bin Rabia berichtete: ‘Umar kam in die Nähe des schwarzen Steins und küsste ihn und sagte: “Kein Zweifel, ich weiß, dass du ein Stein bist, das mir weder Schaden noch Nutzen geben kann. Hätte ich nicht den Gesandten Gottes dich küssen sehen, hätte ich dich nicht geküsst.” (Bukhary, Band 2, Buch 26, Nummer 667)

Salim berichtete, dass sein Vater sage: ‘Ich sah den Apostel Gottes in Mekka ankommen; Ich sah ihn den schwarzen Stein küssen, während er die Tawaf tat und in seinen ersten drei Runden der sieben Runden machte er Ramal (des Tawafs).’ (Bukhary, Band 2, Buch 26, Nummer 673)

Ibn Abbas berichtete: Der Prophet machte ein Kamel reitend die Tawaf der Kaaba. Jedes Mal, wenn er vor dem schwarzen Stein war, zeigte er mit irgendetwas auf ihn und sagte Takbir! (Bukhary, Band 2, Buch 26, Nummer 682)

Der heilige schwarze Stein entstammt aus dem Paradies. Er war schneeweiß, doch die Sünden der Heiden schwärzten ihn. (Hanbal 1/307)

Der heilige schwarze Stein ist Gottes Hand auf Erden. Er schüttelt durch ihn die Hand der Auserwählten. (Dschami-us Sagir 1/151)

Artikel dazu: Ahadith in Widerspruch zur Logik und Auszüge aus der Hadith-Literatur

Das wäre Götzendienst! Und wenn dem so ist, wie lange soll man den schwarzen Stein verehren oder anbeten? Man muss doch bei etwas so wichtigem wie Religion bis zum letzten Detail angeleitet werden! Dann führt der Autor Hakki Yilmaz auf, um ihn für seine Interpretation der Gebetsrichtung zu kritisieren ohne ihn jedoch zu widerlegen. Aus Vers 2:144 wird klar ersichtlich, dass die Qibla als Gebetsrichtung zur Masdschid-al-ḥarām dient. Hakki Yilmaz geht jedoch in seinem Tafsirwerk auch auf dieses Argument ein, kann aber letzten Endes, meiner Meinung nach, nicht hinreichend überzeugen.

Auch die Interpretation von Hakki Yilmaz zu saqar wird vom Autor nicht widerlegt. Er müsste auch wissen, dass beispielsweise Prof. Yasar Nuri Öztürk das Wort saqar auch als Computer deutet (Kuran‘ daki Islam, S.20, Aufl. 42). Man muss auch dahingehend sagen, dass Hakki Yilmaz nur für einen Teil der Gottergebenen spricht und die meisten von uns ihm in seinen Ansichten nicht zustimmen.

Hinzu kommt, dass man dieses Spiel mit dem Autor noch viel drastischer spielen kann, indem man Ahadith vorgibt und ihm vorwirft, wie er die Autoren von solchen Behauptungen als Quelle annehmen kann und mit welchem Recht er einen Teil verwirft, andere wiederum akzeptiert. Als wäre dies nicht genug, kann man einen Vertreter seiner eigenen Strömung vorführen, welcher einen “Koran” veröffentlicht hat (Mustafa Öztürk) und diesen so auslegt, dass er angeblich oder möglicherweise die Meinung der Ṣaḥābah und des Propheten wiedergebe, also wie der Koran aufgrund massiv verderbten Sekundärquellen erschlossen werde. Der Autor dieses Buches macht auch keinen Hehl daraus, dass dies seine Eigeninterpretation sei und man den Koran eben so nicht einfach verstehen könne. Dieser angebliche historische Kontext, also Ahadith und Offenbarungsanlässe, kann den Koran jedoch eben alles aussagen lassen, abgesehen davon, dass dies gleich mehreren Koranversen direkt widerspricht (10:15, 6:115, 11:1, 12:1, 26.2, 44:58, 26:191-195, 20:97, 44:58).

Weiter:

 

Ein subjektives Koranverständnis kann den Koran in der Tat alles sprechen lassen und in die Schrift hinein projizieren, was man persönlich zu beabsichtigen sucht. Prof. Ömer Özsoy bemerkt dazu: „Fängt man einmal an, den Koran als übergeschichtlichen Text zu lesen, führt das zwangsläufig dazu, ihn über jeden möglichen Gegenstand sprechen zu lassen; und das ist nichts anderes als „Entstellung“ (tahrif)

 

Soll hier suggeriert werden, dass mit Ahadith und Offenbarungsanlässen auf einmal alles richtig verstanden werden kann? Genannt seien ISIS, Salafisten und noch alle andere Gruppierungen, die sich den Islam gerade mit Ahadith, und zwar von denselben Individuen, die sich auch der Autor bedient, so zurecht biegen, dass man den Koran alles sagen lassen kann. Keineswegs deutet unsere Strömung den Koran subjektiv, sondern achtet auf den Kontext im Koran (4:82, 25:33). Dem Autor sei folgender Vers ein Denkanstoß für seine Sekundärquellen:

 

15:91-93 Die den Koran auseinandergerissen haben. Bei deinem Herrn! Wir werden sie allesamt zur Rechenschaft ziehen. Für all ihre Taten.

 

Keiner der erwähnten Gruppen, also auch die des Autors, machen sich wirklich Gedanken darüber, wie man den Koran dahingehend auslegt, dass seine Verse innerhalb zu keinem Widerspruch stehen. Das bleibt ihnen natürlich verwehrt. Einmal in Ahadith versunken, kann man den Koran alles sagen lassen, eben was der Autor uns hier selber vorwerfen will. Stellt man sich alleine auf den Koran ein und achtet auf seinen klaren Kontext, wird eine subjektive Auslegung des Koran unmöglich. Fahren wir fort:

 

Zudem gibt es unzählige Koranverse, dessen Wortlaut nicht unbedingt auf dem ersten Blick erschlossen werden kann. Sie kann durchweg sogar zum negativen Verständnis des Lesers herbeiführen, weil der historische Anlass nicht im Wortlaut des Textes explizit zu erschließen ist

 

Dies widerpricht direkt dem Koran (27:1, 41:3, 54:17, 17:9). Hiermit stellt unser Autor Gott als zu unfähig hin, ein vollkommenes (6:115), in der Sprache leicht gemachtes (20:97) und leicht verständliches (54:22) Buch zu offenbaren und widerspricht damit Gottes Versen, die ein ganz anderes Bild vom Koran schildern. Somit ist die angeführte angebliche Problematik des Autors nur für diejenigen relevant, welche den Koran nicht ohne Sekundärquellen verstehen wollen. Für solche Behauptungen hat der Koran ja auch entsprechende Verse: 2:85, 17:45-46, 43:36-37, 18:57.

Ohnehin würden selbst viele liberale Anhänger der tradierten Sunna so einer Behauptung nicht zustimmen. Andersherum werden gerade durch Ahadith Koranverse entstellt, beispielsweise für politische oder kriegerische Zwecke. Und es geht hierbei nicht einfach nur um Randgruppen, sondern um große Kreise innerhalb derjenigen Gelehrten, die sich auf Offenbarungsanlässe oder andere Sekundärquellen verlassen wollen. Um die haltlose Argumentation zu bekräftigen schreibt der Autor:

 

wie dies unter anderem aus der Sure 64 Vers 14-15 demonstriert werden kann: „O ihr, die ihr glaubt, wahrlich, unter euren Frauen und Kindern sind welche, die euch feindlich gesonnen sind; so hütet euch vor ihnen […] „Eure Reichtümer und eure Kinder sind wahrlich eine Versuchung […]“.

Man beachte hier im Vers, dass Frauen und Kinder als eine ontologische Versuchung für den Mann impliziert und dementsprechend negativ assoziiert werden.

 

Der Autor achtet hier nicht auf den genauen Wortlaut, denn es werden nicht alle Frauen und Kinder pauschal mit “feindlich gesonnen” geahndet, sondern nur ein Teil. Dazu kommt, dass er das Wort „Frauen“ selektiv übersetzt. Das besagte Wort an dieser Stelle heißt „azwādschikum“. Viel schlüssiger übersetzt bedeutet dieses Wort „eure Partner“, also Ehemann und Ehefrau zusammen und nicht einfach nur Frauen (siehe folgenden Link, unter „de“ für Deutsch). Dazu schreibt Muhammad Asad:

 

D.h.:“manchmal sind eure Ehepartner…“ Da nach den Lehren des Qur’an alle moralischen Pflichten für Frauen wie für Männer bindend sind, ist offensichtlich, daß der Begriff azwadschikum nicht mit „eure Ehefrauen“ übertragen werden darf, sondern – nach klassisch arabischem Sprachgebrauch – als gleichermaßen auf männliche wie weibliche Ehepartner bezogen zu verstehen ist. („die Botschaft des Koran“ Muhammad Asad, S. 1068 Fußnote 11, Patmos Verlag)

 

Bayraktar Bayrakli kommt zum selben Schluss in seinem Tafsirwerk. Auch Edip Yüksel und Ali Riza Safa (beide die traditionelle Sunna ablehnend) übersetzen gleichermaßen. Die Wurzel des Wortes macht es im klassischen Arabischen ohnehin ersichtlich. Einer der berühmtesten, der Tradition verschriebenen klassischen Gelehrten, Qurtubi, bestätigt zum betreffenden Vers in seinem Tafsirwerk unsere Argumentation (el-Câmiu li Ahkâmi’l-Kur’an, Band 17 S.401 Absatz 3, Buruc Yayinlari). Dass manche klassische Exegeten mit „Frauen“ übersetzen und somit seine Bedeutung verkürzen hat den Grund, dass sie den Vers an entsprechende Ahadith mit Bezug auf Frauen gekoppelt sehen.

Nun zum Argument des Autors, dass man in 64:14 generell „einen Schuldzuspruch aller Frauen auf der Welt“ sehen könne. Obwohl das Wort mit „Partner“ besser übersetzt ist und das Argument des Autors keinesfalls für alle Frauen gelten kann, nehmen wir einmal an, dass diese Übertragung stimme. Selbst mit der selektiven Übersetzung dieses Verses ist die Einstufung als frauenfeindlich übertrieben. Denn es gibt viele Verse im Koran, in denen Gott den meisten Menschen, also auch Männern, Ableugnung attestiert. Keinesfalls stehen generell ein Teil der Frauen und Kinder vor den Männern schlechter da oder sind den Gläubigen pauschal feindlich gesinnt. Wir sehen in den Koranversen 37:147-148, dass der Prophet Jonas ein ganzes Volk zum Glauben bringt. Es ist deswegen nicht richtig die Behauptung aufzustellen, dass jedes Mal, wenn es eine Gruppe von Gläubigen gibt, es dann auch immer Frauen oder Kinder von ihnen geben muss, die diesen feindlich gesinnt sind. Man kann hier also sagen, dass dieser Vers einmal die damaligen Gläubigen ansprach, da schon ohnehin die meisten Menschen, einschließlich Männer, als Ableugner beschrieben werden (11:17, 6:116, 12:103, 13:1).

Zusätzlich ist dieser Vers noch heute für uns wichtig, also universell auszulegen, damit wir daran erinnert werden, Gott über alles und jeden zu stellen – Frauen wie auch Männer. Schließlich sieht der Koran in Frauen und Männern Gläubige wie auch Ableugner. Diese Tatsache macht es unmöglich, dass durch die Erwähnung der teilweise feindlich eingestellten Frauen (mit der selektiven Übersetzung), einfach generell immer ein Teil der Frauen den männlichen Gläubigen gegenüber feindlich eingestellt sein müssen. Mindestens der Vers 30:21 zeigt uns, dass Frauen wie auch Männer für das jeweilige Gegengeschlecht eine Ruhe, Barmherzigkeit und Liebe bedeuten. Auch in 9:71 werden die Frauen positiv erwähnt.

Nun zum Argument, „dass Frauen und Kinder als eine ontologische Versuchung für den Mann impliziert“ seien. Die Verse lauten:

 

64:14-15 O die ihr glaubt, unter euren Partnern und euren Kindern gibt es welche, die euch feind sind; so seht euch vor ihnen vor. Wenn ihr aber verzeiht, nachsichtig seid und vergebt – gewiss, so ist Gott vergebend und barmherzig. Euer Besitz und eure Kinder sind nur eine Versuchung; Gott aber – bei Ihm gibt es großartigen Lohn.

 

Nur die Kinder und der Besitz werden als Versuchung gesehen, nicht auch die durch den Autor selektiv übersetzten „Frauen“. Die Frage ist nun: Sind Kinder wirklich einfach wie Besitz als eine Versuchung einzustufen? Natürlich nicht. Kinder waren damals ein Machtstatus (9:69, 9:85, 18:32-46). Somit sind Kinder selbst nicht pauschal eine Versuchung, sondern der Umstand, die Kinder als Machtsymbol und Stärke anzusehen. Dadurch entfernt man sich davon, sich ganz auf Gott alleine einzustellen. Daran ist aber das Kind selber nicht schuld. Auch werden Kinder im Koran differenziert betrachtet. Als Gläubige (18:81) wie auch Ableugner (18:80). Überhaupt werden auch die Grundzüge der Erziehung von Kindern, am Beispiel des Sohnes von Luqmān, im Koran umschrieben (31:13-16, siehe auch: 46:15-18, 2:83, 4:36). Hieraus wird unmissverständlich klar, wie Kinder sich gegenüber ihren Eltern zu verhalten haben. Damit wurden auch die weiteren Behauptungen des Autors zu diesem Thema, wie etwa die Wiedergabe der Ansicht von Abu´l Lays Samarkandi (dazu: Unzucht treibende Männer werden in 24:2 mit Unzucht treibenden Frauen zusammen erwähnt und im dritten Vers sogar der Mann zuerst), einmal mehr ins ad absurdum geführt. Wichtig zu erwähnen wäre zudem, dass unser werter Samarkandi kein Korananhänger ist, sondern sich der angeblichen Sunna bedient. In der gleichen Quelle, Band 4 auf Seite 298, legitimiert Samarkandi die Steinigung durch die Sunna:

 

… die Steinigung ist durch die Sunna legitimiert. Unser Prophet (s.a.v.) ließ die verheirateten Unzucht begehenden durch Steinigung, unverheiratete durch 100 Hiebe bestrafen, …

Samarkandi, Tefsiru´l Kuran, Bd. 4, S.298, Özgü Yayinlari 2007.

 

Die Steinigung wird im Koran jedoch ausgeschlossen. Nach der so genannten „Methodologie der Rekontextualisierung“ des Autors müsste er jetzt Steinigung gutheißen, was aber dem Koran selbstverständlich widerspricht (10:15).  Nun soll unser Autor folgende frauenfeindliche Ahadith hier alle widerlegen:

 

O das weibliche Geschlecht! Gibt Almosen und bereut. Ich habe gesehen, dass die Mehrheit der Höllenbewohner aus Frauen besteht. (Muslim, Iman 34/132; Ibn Madsche, Fiten 19/4003.)

Wenn ein Mann seine Frau zu Bett ruft und sie lehnt (die Einladung) ab, werden sie die Engel bis zu den frühen Morgenstunden verfluchen. (Bukhary 9/36)

Eine von einer Frau geführten Gesellschaft ist eine dem Untergang geweihte Gesellschaft. (Ibn Hanbal, Musnad 5/43,50; Tirmidhi, Fitan 75 ; Nesai, Kudat 8; Bukhary, Fiten 18.)

Nimmt keine Ratschläge von Frauen an; setzt euch gegen sie, denn die Opposition gegenüber Frauen bewirkt Wohlstand. (Suyuti, Leali II, 147; Ibn Arrak, Tanzihush Sharia II, 210.)

 

Und man achte bei diesen Ahadith auf die Quellen, von denen hier die Rede ist. Der Autor könnte gar nicht daran herum kommen, als diese Ahadith selektiv auszuschließen. Er könnte keine hinreichende Argumentation aufbringen, welche diese Ahadith entkräften während er einem anderen Teil der Ahadith Autorität gibt, gerne in den selben Quellen, wo vielleicht nur ein paar Seiten weiter kritische Ahadith zu Frauen stehen. Die einzige Möglichkeit ist nach wie vor diese Quellen religiös rigoros komplett zu negieren. Weiter schreibt der Autor sich auf die im Koran erwähnten Schutzmonate beziehend:

 

Ohne die historischen Berichte dazu, würden sämtliche Informationen über den Hintergrund der vorislamischen Zeit fehlen. Auch an dieser Stelle kann berechtigt den Koraniten die Frage gestellt werden, wie sie auf solche Hintergrund Informationen gelangen können, wo sie doch nichts anderes als nur den Koran akzeptieren?

 

Es besteht kein Bedarf, dass der Koran aus Quellen erklärt werden soll, welche voller Widersprüche und Lügen sind. Zu den Schutzmonaten gibt es auch einen umfassenden Artikel.

Nochmals sei zum obigen Anhang betont, dass wenn die Pilgerfahrt im Sinne der Ahadith gedeutet wird, dies schwere Konsequenzen für die Praxis nach sich zieht. Sie schränken den Zeitraum des Hadsch drastisch ein und deswegen gab und gibt es immer wieder Tote oder Verletzte durch den daraus resultierenden großen Andrang zur Kaaba. Und wieder einmal wird deutlich, dass unser Autor sich kaum die Mühe gemacht hat, unsere Ansichten zu studieren.

Um die Verse 12:111 und 16:89 zu entkräften, dass hier „alles“ nicht wirklich alles meine, führt der Autor die Verse 27:16 und 18:84 an und schreibt:

 

Im ersten Vers wird vom Propheten Salomo berichtet, wohin dieser sagte, dass Gott ihm alles beschert (kulli šayˈin) hatte. Wenn „kulli šayˈin“ tatsächlich alles im wörtlichen bedeuten sollte, weshalb gelang es Salomo dann nicht seinen Tod aufzuhalten?”

 

Es gilt die goldene Faustregel: Solange etwas mit “alles” bezeichnet wird, ist auch wirklich alles gemeint. Sonst gäbe es das Wort „alles“ im Arabischen nicht. Wenn man beispielsweise auf Deutsch zu irgendeiner Sache oder einem Thema “alles” sagt, dann bedeutet dies entweder wirklich alles, oder der Kontext schränkt das Wort “alles” ein, was auch nahezu immer der Fall ist. Zu argumentieren, dass „alles“ einfach generell nicht alles hieße, bringt im Koran folgenschwere Logikfehler mit sich. Natürlich ist in 16:89 und 12:111 mit “alles” nicht wirklich jede auch nur erdenkliche Information gemeint, sondern „alles“ wird kontextuell auf die Religion beschränkt (5:3). In diesem Rahmen wird dann alles erklärt. Dies kann man auch aus dem Vers 6:114 erschließen durch das Wort mufaṣṣal, was so viel bedeutet wie vollständig detailliert und deutlich erklärt.

Der Autor muss belegen, dass “kulli” (alles) insoweit verkürzt werden muss, dass Gott den außerkoranischen Ahadith eine Autorität gibt. Das ist aus dem Koran her nicht möglich, man kann es nur auf die Religion einschränken. Zu der Argumentation, warum der Tod nicht außer Kraft gesetzt werden kann, lässt sich auch wie folgt begründen. Gott bestimmt alles Mögliche für die Menschen und in 3:185 wird festgelegt, dass jede Seele den Tod kosten wird. Dass im Vers zu Salomo “alles” nicht alles mögliche mit einschließt, ist aus dem Vers selbst zu entnehmen. Denn dann wäre es widersinnig, dass Salomo erwähnt, dass ihm die Sprache der Vögel gelehrt wurde. Somit kann man schon am Vers selbst erkennen, dass ihm hier nicht alles mögliche, was auch Gottes Allmacht umfasst, gegeben wurde. Gott sagt im Koran:

 

51:56 Und Ich habe die Dschinn und die Menschen nur (dazu) erschaffen, damit sie Mir dienen.

 

Dementsprechend hat der Autor wieder einmal den Korankontext missachtet und somit ist anzumerken, dass was Salomo unter “alles” bezeichnet, keinesfalls wirklich alles meinen kann, da er sonst wie Gott selbst wäre, wiederum man aber auch nicht genau ermitteln kann und muss, was „alles“ nun genau mit einschließt. Die Argumentation bezüglich 18:84 ist analog.

Kommen wir nun zum wichtigsten Gegenargument: Wenn man wie der Autor „alles“ auf „nicht wirklich alles“ einschränkt, dann ist Gott auch nicht mehr allmächtig, und zwar in allen Versen, wo derselbe Begriff vorkommt:

 

29:20 Sag: Reist auf der Erde umher und schaut, wie Er die Schöpfung am Anfang gemacht hat. Hierauf läßt Gott die letzte Schöpfung entstehen. Gewiß, Gott hat zu allem die Macht.

Transkription:
Qul Sīrū Fī Al-‚Arđi Fānžurū Kayfa Bada’a Al-Khalqa ۚ Thumma Al-Lahu Yunshi’u An-Nash’ata Al-‚Ākhirata ۚ ‚Inna Al-Laha `Alá Kulli Shay’in Qadīrun (siehe auch: 28:88, 33:27, usw)

 

Die komplette Liste von كل شى (Kulli Shay’in) im Koran sei den Leserinnen und Lesern zusätzlich empfohlen, um zu vergleichen. Kommen wir nun zum letzten Argument, am Ende schreibt der Autor:

 

In seinem Werk „Mecazul´l-Quran“ erwähnt Abu Ubayda Ma´mer ibn ul-Muthanna (gest. 825) ein Dialog zwischen Umar ibn al-Chattab (gest. 644) und ibn Abbas (gest. 688), in dem überliefert wird: „Bestürtzt fragte Umar seinen Gefährten ibn Abbas: „Obwohl die Qibla, das Buch und die Religion eins sind, warum gibt es dennoch Meinungsverschiedenheiten in unserer Umma?“ Woraufhin Abbas sagte: „Wir wussten genau auf wem und weshalb die Koranverse offenbart wurden. Aber jetzt wissen sie es nicht. Deshalb interpretiert ihn jetzt jeder nach seinem eigenen Gutdünken. Wenn sie jedoch auch wie wir wüssten, über wem und weshalb die Verse offenbart wurden, so würden auch sie, ganz bestimmt keine Meinungsverschiedenheiten haben“.

 

Das ist wirklich interessant. Die Ṣaḥābah, welche für den Propheten und den Islām ihr Leben riskiert haben, bekommen auf einmal eine Generalamnesie und wissen nicht mehr, warum jeweilige Koranverse hinabgesandt wurden und laufen wie verirrte Schafe umher. Aber Herr Ibn Abbas hat mit Umar zusammen noch alles richtig in Erinnerung! Dass Offenbarungsanlässe auf die Ṣaḥābah zurückgeführt werden, führt diese Argumentation ins ad absurdum.

Anmerkung: Die Gegenüberstellungen der Ahadith in diesem Artikel dienten nur dazu, die Diskrepanzen dieser Quellen aufzuzeigen. Der Koran ist in Bezug zu allen außerkoranischen Ahadith unmissverständlich ablehnend.

 

Fazit

Der Autor konnte mit seinem Artikel nicht belegen, dass man für die Religion neben Offenbarungen andere Quellen nehmen muss. Er hat die immensen Problematiken der Sekundärquellen nur geringfügig beachtet. Fast nur bei den Offenbarungsanlässen hat er die Problematiken teilweise erwähnt und sich dahingehend selbst widerlegt. Schließlich wollte er aber dem Leser suggerieren, dass man mit den Sekundärquellen den Koran „richtig“ verstehen könne und hat dabei die weitaus wichtigeren Problematiken außerhalb der Offenbarungsanlässe, nämlich den viel umfangreicheren restlichen Ahadith, größtenteils ausgelassen. Sein Beispiel zu der Problematik, dass Apostasie seit Jahrhunderten mit dem Tode geahndet wird, wurde nur erwähnt aber keinesfalls gelöst. Er konnte nirgendwo schlüssig belegen, warum manche Ahadith „historisch kritisch gesehen“ richtig und andere falsch sind. Es wurden auch bei nicht wenigen seiner Argumente die Beachtung des Kontextes innerhalb des Korans oder das klassisch Arabische vernachlässigt. Manchmal wurden sogar Verse nicht einmal vollständig gelesen, woraus dann haltlose Behauptungen aufgestellt wurden. Auch die anfangs und am Ende aufgeführten, selektiven Zitate aus den Ahadith konnten schnell widerlegt werden. Die Problematik für den Autor ist offensichtlich und nicht schön zu reden. Sobald er sich in das Terrain der Ahadtih begibt, finden sich unzählbare Gegenargumente vor, die man ihm entgegenhalten kann, vom Koran selbst noch abgesehen. Sein Versuch, diese ganzen Problematiken durch eine angebliche „kritische“ Herangehensweise zu umgehen, sind schnell widerlegt und viel wichtiger: In der Praxis anderer Sunnaanhänger oft noch anders beurteilt.

 

Im Namen der Religion den Koran als unzureichend zu sehen, bedeutet Gott als unzureichend zu sehen. Ihr sagt zu Gott regelrecht „du hast ein unvollständiges Buch geschickt.“ (Prof. Bayraktar Bayraklı)

 

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Wir wissen alle, dass für uns Gottergebene (Muslime) in der friedlichen Gottergebenheit (Islām) das Schweinefleisch und bezüglich des Schweines nur das Schweinefleisch verboten ist. Gelatine oder andere Teile des Schweins sind also erlaubt (ḥalāl). Doch wie steht es um die allgemeine Schlachtung der Tiere? Man hat doch mal was vom Schächten gehört und dass es rigide Vorschriften gäbe, wie etwa dass das Tier nach Mekka, genau genommen nach der sogenannten Qibla gerichtet werden müsse? Und wie steht es um das von Christen und Juden geschlachtete Fleisch? Gibt es so etwas wie halal Fleisch überhaupt?

Die wichtigste Frage ist jedoch, wie wir herausfinden können, was überhaupt erlaubt und verboten (ḥarām) sein kann. Es gibt eine einfache Art in der Lesung (deutsch für Koran oder „al-qurʾān“), wie man etwas als erlaubt oder verboten bezeichnen kann. In der Lesung gibt es nämlich einen Vers, der folgendes aussagt:

 

6:114 Wen außer den Gott soll ich als Richter suchen, wo er es doch ist, der die Schrift detailliert zu euch herab sandte? Diejenigen, denen wir das Buch zukommen ließen, wissen, dass es von deinem Herrn mit der Wahrheit herabgesandt wurde. So sei nicht unter den Zweiflern.

 

In einem anderen Vers lernen wir, dass die Lesung für die Gottergebenen genügt (29:51). Wenn man die Lesung kennt, so ist es in Wahrheit noch schwerwiegender. Es gilt nur das, was Gott offenbarte. Alles, was Er nicht offenbarte und offen ließ, ist unserem Ermessen überlassen (5:101). Wir dürfen im Namen der Religion keine Falschheiten verbreiten und etwas für verboten erklären, das Gott nicht verboten hat. Denn dadurch würde man sich als weiteren Gesetzgeber und weiteren Richter neben Gott behaupten und sich so seiner Souveränität und Autorität beigesellen. Und die Beigesellung (schirk) ist die Kapitalsünde schlechthin (4:48) in der Lebensweise (dīn), die Gott für uns vorsah. Wir dürfen also nichts Falsches behaupten (16:116) und dürfen nur das wiederholen, was Gott offenbarte:

 

10:59 Sage: „Was meint ihr, dass ihr das für verboten und erlaubt erklärt, was der Gott für euch an Versorgung herabsenden ließ?!“ Sage: „Hat euch dies der Gott erlaubt oder erfindet ihr etwas über den Gott?“

5:87 O ihr, die ihr glaubt, verbietet nicht die guten Dinge, die der Gott euch erlaubte, und übertretet nicht. Gewiss liebt der Gott nicht die Übertretenden.

 

Es ist für uns also verboten, etwas anderes zu behaupten als das, was der Schöpfergott uns herabsandte in seiner Lesung. Nein, es ist nicht nur für uns verboten, sondern darüber hinaus deutlich auch unserem geliebten Propheten Mohammed, etwas Neues zu erfinden (66:1), wonach der Prophet getadelt wird von Gott, etwas Neues hinzugedichtet zu haben, um seinen Partnerinnen zu gefallen, indem er etwas Erlaubtes verboten hat! Dieses Beispiel unseres Propheten zeigt uns klar, dass in Bezug auf das Essbare nur das als wahr gilt, was unser Gott in der Lesung offenbarte. Nur Blut, Totes, Schweinefleisch und das, was anderen Wesen oder Menschen als Gott gewidmet wurde, ist verboten und sonst nichts (2:173, 5:3, 6:145, 16:115)! Erfindungen wie die Richtung beim Schlachten der Tiere oder das angebliche Schächten kommt in der Lesung Gottes nicht vor und sind somit als Lügen und Unwahrheiten abzulehnen.

Doch wenn außer diesen vier Nahrungsmitteln nichts verboten und die meisten Regeln für das „halal Schlachten“ erfunden sind, wie verhält es sich dann mit der Erwähnung des Gottesnamens bei der Schlachtung? Sind wir nicht dazu verpflichtet, Ihn zu erwähnen? Betrachten wir hierzu erst einmal eine klassische Übersetzung des folgenden Verses:

 

6:118 Eßt von dem, worüber der Name Gottes ausgesprochen worden ist, so ihr an seine Zeichen glaubt. (Übersetzung von Khoury)
Transliteration: Fakulū Mimmā Ḏukira Asmu Allāhi `Alayhi ‚In Kuntum Bi’āyātihi Mu’minīna

 

Fast alle Übersetzer geben diesen Vers und verwandte Ausdrücke (z.B. in 5:4, 6:119, 6:121, 6:138, 22:28, 22:34, 22:36, 22:40) auf diese oder ähnliche Art wieder. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie im Vers die entsprechende Formulierung als „worüber Gottes Name ausgesprochen wurde“ interpretieren. Dies wird als Beleg verwendet, dass man doch den Namen Gottes erwähnen müsse beim Schlachten. Jedoch begeht man hier einen folgenschweren Fehler, wenn man dieser falschen Annahme folgt. Die Begründung ist einfach: „Worüber Gottes Name ausgerufen wurde“ bedeutet nämlich nicht dasselbe wie „worüber beim Schlachten Gottes Name ausgerufen wurde“ und darüber hinaus wurde das Essen der Schriftbesitzer, also das Essen der Christen und Juden für erlaubt erklärt:

 

5:5 Heute sind euch die guten Dinge erlaubt. Das Essen derer, denen das Buch zugekommen ist, ist euch erlaubt, und euer Essen ist ihnen erlaubt. …

 

Foto: Luca Rossato, CC BY-NC-ND 2.0

Die eigene Interpretation ist also fehleranfällig, wenn wir Vers 5:5 der Lesung außer Acht lassen. Wir müssen also genau formulieren: Die Aussage „nur das ist erlaubt, worüber Gottes Name ausgesprochen wurde beim Schlachten“ ist als Erfindung und somit als Lüge über den einen Gott zu werten. Es wird von uns nirgends verlangt, das Schlachten der Tiere durch die Schriftbesitzer zu beobachten und nachzuprüfen. Wenn wir aber wissen, dass Gottes Geschöpfe gemäß einer Lebensordnung (dīn) geschlachtet wurden, die fälschlicherweise Gott oder einer anderen Gottheit gewidmet ist, so dürfen wir das Essen nicht konsumieren, da wir ansonsten diese Blasphemie bestätigen. Durch den Vers 5:5 aus der Lesung wird jedoch das Essen von denen, die sich nicht als Gottergebene bezeichnen, für erlaubt erklärt. Wir können also grob gesagt ruhigen Gewissens das Essen verzehren, das in fremden Küchen gekocht oder in uns unbekannten Metzgereien geschlachtet wurde. Betrachten wir jedoch auch die anderen Verse, die ich oben in Klammern erwähnte, so wird folgendes klar:

 

  1. Uns sind die guten Dinge erlaubt und wir haben Gottes Namen zu gedenken, mindestens beim Verzehr. (5:4, 6:118-119, 22:28)
  2. Jede Gemeinschaft hat einen eigenen Ritus, welcher den Namen Gottes in irgendeiner Form beinhaltet (22:34). Dies wäre im Allgemeinen unmöglich, wenn der Name Gottes ausgesprochen werden müsste und geht nur, wenn wir das Verb gedenken angemessen berücksichtigen, was unter anderem sowohl das Aussprechen als auch ein im Herz gesprochener Gedanke bedeuten kann.
  3. Wir als Gottergebene müssen, wenn wir selbst schlachten, des Namen des einen Gottes gedenken. (22:36)
  4. Wenn wir als Gottergebene etwas schlachten oder auch schlachten lassen, so müssen wir einen Teil den bedürftigen Menschen abgeben. (22:28, 22:36)
  5. Die Tiere sind nicht nur zum Verzehr da, sondern bieten uns vielfältigen Nutzen an. (22:28)
  6. Das Schlachten an sich stellt keinen Gottesdienst dar. (22:37)

 

Genauso wenig bedeutet ausgerufen oder ausgesprochen nicht dasselbe wie das in Vers 6:118 verwendete Wort gedenken (ḏukira). Auch in allen anderen, ähnlichen Versen wird dieses Verb gedenken verwendet. Wir sollen also Gottes Namen gedenken, wenn wir essen. Dies kann auch erst beim Essen am Tisch geschehen und kann genau genommen auch nur im Herzen und in Gedanken erfolgen. Nochmals wiederholt: Des Namen Gottes muss mindestens vor dem Essen gedenkt werden, egal wer das Tier wie geschlachtet hat. Nur wenn wir erfahren, dass bewusst der Name Gottes ausgelassen wurde (6:121) oder das Essen einem anderen Wesen als dem Gott oder einem Menschen gewidmet wird, ist es uns verboten (2:173, 5:3, 6:145, 16:115). Doch lesen wir 6:121 einmal genauer:

 

6:121 Und esst nicht von dem, worüber des Namens Gottes nicht gedacht wurde. Das ist wahrlich ein Frevel. Die Satane geben gewiss ihren Verbündeten ein, damit sie mit euch streiten. Wenn ihr ihnen gehorcht, seid ihr gewiss Beigeseller.

 

Auf jeden Fall gehört die Achtsamkeit (at-taqwá) gegenüber Gott und Seiner Schöpfung zu den Tugenden der Gottergebenen.Dieser Vers darf nun nicht missverstanden werden nach all dem, was bisher geschrieben wurde. Bevor man voreilig zu Schlüssen gelangt, sollte man sich folgendes vor Augen führen: Der Vers beginnt mit einer allgemeinen Aussage und gilt nicht nur für Fleisch. Wenn wir uns also auf Vers 6:121 beziehen, gilt dies für sämtliche Nahrungsmittel und überall, wo man etwas essen kann. Das gilt sowohl für die heimische Küche als auch für andere Orte wie Restaurants, Cafes, Kantinen, Mensas, Take Aways und sonstigen Ständen. Des Weiteren müsste man die Schriftbesitzer immer danach fragen, ob sie bei der Zubereitung ihres Essens Gottes Namen gedacht haben, um zu wissen, ob ihr Fleisch auch erlaubt ist. Doch das stünde dem Vers 5:5 entgegen, der uns das Essen der Schriftbesitzer pauschal erlaubt bis auf das bereits Verbotene. Also kann das Gedenken des Gottesnamens nicht allgemein gemeint sein in 6:121, da man ansonsten so gut wie nichts mehr essen dürfte und nicht nur Fleisch damit gemeint ist.

Wie ist der Vers aber nun zu verstehen?

Dafür müssen wir die Verse 6:119, 22:37 und die Verse um 6:138 herum berücksichtigen. Allgemein handelt das sechste Kapitel ab Vers 114 von den Nahrungsmitteln, der Botschaft und den Zeichen Gottes. Dieser Bereich des sechsten Kapitels macht uns deutlich, dass es nur jemanden gibt, der das Essen für erlaubt oder verboten erklären kann und darf: Gott allein. Die Verse 6:136-138 geben uns zu verstehen, dass die Beigeseller ihre eigenen Regeln in Bezug auf die Versorgung Gottes aufstellen und diese erfundenen Regeln Gott zudichten und den Menschen als Lebensordnung Gottes auferlegen (vgl. auch 42:21). In Zusammenhang mit Vers 22:37 wird also klar, dass hiermit eine erfundene Tradition abgelehnt wird: Die Beigeseller erwähnten Gottes Namen bewusst nicht und die Gottergebenen müssen diese Nahrungsmittel vergehen lassen – Gott zuliebe (6:121). Die Gottergebenen wissen nämlich, dass Gott allein der Versorger ist und diese Wahrheit niemals vergessen gehen darf. Es ist also eine spirituelle Rebellion gegenüber dem Fehlverhalten der Beigeseller, eine religiöse Botschaft der Wahrheit.

Bevor ich zum Ende des Artikels gelange, möchte ich noch einen weiteren Gedanken anregen in Bezug auf den fünften Punkt aus der obigen Liste: Gott sagt in der Lesung über die Tiere, dass sie Völker wären wie wir es sind. Damit ist meines Erachtens gemeint, dass sie genau wie wir lebende, fühlende Wesen sind.

 

6:38 Und es gibt kein Tier auf der Erde und keinen Vogel, der mit seinen Flügeln fliegt, ohne dass es Gemeinschaften wären gleich euch. Wir haben im Buch nichts ausgelassen. Danach werden sie zu ihrem Herrn versammelt.

 

Neben diesem Vers wird uns beispielsweise in 5:88 geboten, das zu essen, was erlaubt und gut ist (in gewissen Übersetzungen steht ‚köstlich‘ anstelle von gut). Wir müssen uns demnach die Frage stellen, ob dieses Gebot nach dem Verzehr des Guten nicht direkt auch bedeutet, dass die fühlenden, lebenden Tiere selbst gut behandelt werden müssen. Wenn es ihnen nicht gut geht, wie kann das Fleisch dieser Tiere dann ethisch gesehen gut sein? Siehe hierzu auch die Verse 5:5, 8:69, 7:157, 16:114 und 20:81. Wir müssen uns weiter fragen, ob wir weiteren gedankenlosen Traditionen nachfolgen wie zum Beispiel dem Opferfest.

Auf jeden Fall gehört die Achtsamkeit (at-taqwá) gegenüber Gott und Seiner Schöpfung zu den Tugenden der Gottergebenen.

Gepriesen sei Gott und Dank sei Ihm für all Seine unzählbaren Versorgungen!
Mögen wir als Gottergebene gegenüber Gott und Seiner Schöpfung achtsamer werden.

Widerlegung des Artikels „Ist die Sunna auch eine göttliche Offenbarung, die mit dem Koran gleichzustellen ist?“

Ich suche Zuflucht bei Gott vor dem verworfenen Satan,
Im Namen Gottes, des Gnädigen, des Barmherzigen,

Auf der Seite antikezukunft sind zwei Artikel erschienen, welche versuchen die Grundhaltung derjenigen Gläubigen zu widerlegen, wonach man einen Islam ohne tradierte Sunna praktiziert. Der erste Artikel wird diesmal Gegenstand unserer Widerlegung. Die Widerlegung des zweiten Artikels wird in einem nächsten Artikel erfolgen. Es muss bei dieser Widerlegung vorweg erwähnt werden, dass der Autor in Bezug zu der Kritik gegenüber unserer Haltung sehr schwach argumentiert. Er hat sich in diesem Artikel mit den Argumenten der Gottergebenheit ohne traditionelle Sunna kaum auseinandergesetzt. Als Vorgeschmack soll nun folgendes Zitat des bekannten Islamwissenschaftlers Reza Aslan dienen:

 

Finde mir einen Hadith über welches Thema auch immer, gib mir 24 Stunden, und ich finde dir einen Hadith, der ihm komplett widerspricht. Fakt.

Reza Aslan (bei Twitter)

 

Im Artikel schreibt der Autor:

 

Eine weitere Besonderheit der Sunna ist, dass es viele Situationen gab, wo der Prophet die Offenbarungen erläutern oder ergänzen musste.

 

Der Autor kann keinen einzigen Koranvers aufzeigen, der diese erfundene These aufrecht erhalten kann (40:35,56). Sie widerspricht vielmehr Versen im Koran:

 

12:111 Er (der Koran) ist kein erdichteter HADITH, sondern eine Bestätigung der früheren (Offenbarungen), eine deutliche Darlegung aller Dinge und Führung und Barmherzigkeit für die Gläubigen. (Siehe auch: 16:89)

 

Natürlich geht es bei bei diesen Versen nur um religiöse Belange (5:3). Die Erklärung des Koran:

 

25:33 Und sie bringen dir kein Beispiel, ohne dass Wir dir die Wahrheit und den besten Tafsir brächten. (Siehe auch: 55:1-2, 75:18-19)

 

Man erkennt, allein Gott lehrt und erklärt den Koran. Jedoch wird hierbei gerne der Vers 16:44 missdeutet, um zu versuchen eine Erklärung des Korans durch den Propheten zu legitimieren. Diese Ansicht wurde jedoch bereits ausführlich auf unserer Homepage widerlegt. Zum Argument, dass der Gesandte dem Koran etwas hinzufügen soll:

 

10:15 … Sag: Es steht mir nicht zu, ihn von mir selbst aus abzuändern. Ich folge nur dem, was mir (als Offenbarung) eingegeben wird. (siehe auch: 6:50, 7:203, 46:9)

69:44-48 Und wenn er sich gegen Uns einige Aussprüche selbst ausgedacht hätte, hätten Wir ihn sicherlich an der Rechten gefasst und ihm hierauf sicherlich die Herzader durchschnitten, und niemand von euch hätte (Uns) dann von ihm abhalten können. Er ist wahrlich eine Erinnerung für die Gottesfürchtigen.

 

Indem man dem Koran etwas hinzufügt, ändert man ihn natürlich auch ab. Zudem muss der Autor die Frage beantworten, warum der Prophet die Offenbarung zu erklären hat, wenn er ihr doch nur folgen soll? Und nun folgender Vers:

 

6:115 Das Wort deines Herrn ist in Wahrheit und Gerechtigkeit vollständig / vollkommen. Es gibt niemanden, der Seine Worte abändern könnte. Und Er ist der Allhörende und Allwissende.

 

Wie sollen nun die Behauptungen des Autors, dass „der Prophet die Offenbarungen erläutern oder ergänzen musste“, mit den bis hierhin erwähnten Koranversen einhergehen? Dazu ist auch anzuführen, warum die Ahadith viele Punkte im Koran nicht erläutern und eben nicht alles erklären? Abgesehen davon sind die vorhandenen angeblichen Erklärungen selbst erklärungsbedürftig, voller Widersprüche und verzerren den Koran. Man ist bei diesen Quellen vielmehr mit neuen Fragen konfrontiert, als Antworten zu erhalten und überhaupt finden sie im Koran als Autorität keine Erwähnung, im Gegenteil: Sie werden verworfen im Buche Gottes selbst, wie im weiteren Verlauf aufgezeigt wird. Weiter schreibt der Autor:

 

Z. B. in Bezug auf das Gebet: Der Koran gibt keine direkten Anweisungen wann, wie oft und wie gebetet werden soll.

 

Im Koran sind drei Gebetszeiten wörtlich genannt. Der Gebetsablauf ist im Koran hinreichend umschrieben. “Ṣalāh” (Kontakt/Gebet) kommt im Koran 77 mal vor. Ausführlicher dazu folgende Artikel:

Aber die Aussage einmal zurückgeworfen: Wie betet denn unser Autor selber? Denn schon alle 4 sunnitischen Rechtsschulen beten unterschiedlich. Nach welcher Autorität soll man nun gehen? Sind zum Beispiel die Hände am Bauch oder weiter unten? Und diesen Vorgang kann man auch grenzenlos erweitern, beispielsweise wie lange ein Gebet nun genau zu dauern hat oder wie schnell man bei einzelnen Gebetsabläufen zu sein hat? Oder welche Gebete nun genau zu rezitieren sind? So muss die Sura Fatiha laut manchen Ahadith nicht verpflichtend gelesen werden und man kann beliebig andere Verse beim Gebet rezitieren (Fatiha Suresi Tefsiri 9. Aufl., S.26 Punkt 1, Prof. Yasar Nuri Öztürk, Verlag: Yeni Boyut). Was soll der Gläubige dementsprechend beim Gebet laut den Ahadith nun genau sagen? Detaillierungen sind somit weit über die Grenzen der Ahadithquellen hinaus mit Leichtigkeit herstellbar und man kann die Frage nach unnötigen Details umkehren in Bezug auf die Ahadith. Als Resümee zu dieser Thematik ist festzuhalten, dass man mit Ahadith nicht auf eindeutige Weise beten kann, da sie so unterschiedlich sind, dass man das Gebet gar nicht einheitlich ausführen könnte. Hierbei wird dann gerne das Argument entgegengebracht, dass die Unterschiede doch angeblich klein wären (wenn man mal die Schiiten außen vor lässt). Dazu muss man jedoch fragen, wer so etwas festlegen darf? Wer bestimmt kleine oder große Unterschiede (6:81, 7:71, 12:40, 53:23)? Für den Einen sind sie klein, für den Anderen etwas größer, wieder für jemand Anderen möglicherweise auch mal ganz groß oder laut Koran ausgeschlossen (42:21)! Dazu steht unmissverständlich:

 

5:101 O die ihr glaubt, fragt nicht nach Dingen, die, wenn sie euch offengelegt werden, euch leid tun, wenn ihr nach ihnen fragt zu der Zeit, da der Koran offenbart wird, sie euch (gewiß) offengelegt werden, wo Gott sie übergangen hat. Und Gott ist Allvergebend und Nachsichtig.

 

Warum also nach Details fragen, die vielmehr verwirren als erklären und ohnehin von Gott übergangen werden? Wer hat bei dieser Frage wohl das letzte Wort? Weiter schreibt der Autor:

 

Als Nachweis für die Autorisierung der Sunna gibt Özdil die folgenden Koranstellen an: „Im Gesandten Gottes habt ihr doch ein schönes Beispiel“ (Koran 33:21)

 

Richtig, im Gesandten haben alle Gläubigen ein schönes Beispiel. Warum nennt der Autor dann nicht auch folgende Verse, die sein Beispiel im Koran veranschaulichen?

 

6:50 Sag: Ich sage nicht zu euch, ich besäße die Schatzkammern Gottes, und ich weiß auch nicht das Verborgene; und ich sage nicht zu euch, ich sei ein Engel. Ich folge nur dem, was mir eingegeben wird. Sag: Sind (etwa) der Blinde und der Sehende gleich? Denkt ihr denn nicht nach? (Siehe auch: 7:203, 10:15 und 46:9)

 

Und auch Abraham ist für die Gläubigen laut Koran ein schönes Beispiel (60:4 und 16:120-121). In welchem Hadithbuch ist nun seine Sunna nachlesbar, wenn man die Argumentation des Autors ernst nehmen will? Unabhängig davon ist hier ohnehin vom Gesandten die Rede. Die einzige Funktion eines Gesandten ist nur die Übermittlung der Botschaft (dazu: 13:40, 16:35, 16:82, 24:54), sonst nichts. So also die Gläubigen seinem Beispiel im Koran folgen sollen und nicht in massiv verderbten Quellen, in denen keiner weiß welcher nun stimmt oder nicht, aber viel wichtiger: Der Koran duldet solche Quellen nicht.

 

7:185 Haben sie nicht das Reich der Himmel und der Erde und alles, was Gott geschaffen hat, betrachtet und sich überlegt, dass ihr Ende möglicherweise nahe ist? An was für einen weiteren HADITH wollen sie denn glauben?

31:6 Unter den Menschen gibt es einige, die sich an unbegründete AHADITH wenden (und sie verbreiten), um ohne Wissen von Gottes Weg abirren zu lassen und um damit ihren Spott zu treiben. Ihnen gebührt eine entehrende, qualvolle Strafe.

 

Um die tradierte menschliche Sunna zu legitimieren schreibt der Autor weiter:

 

„Was der Gesandte euch nun gibt, das nehmt an; und was er untersagt, dessen enthaltet euch! (Koran 59:7, Was ist Islam, S. 25).

 

Der Vers in voller Länge:

 

59:7 Was Gott Seinem Gesandten von den Bewohnern der Städte als kampflose Beute zugeteilt hat, das gehört Gott, Seinem Gesandten und den Verwandten, den Waisen, den Armen und dem Sohn des Weges. Dies, damit es nicht nur im Kreis der Reichen von euch bleibt. Was nun der Gesandte euch gibt, das nehmt; und was er euch untersagt, dessen enthaltet euch. Und fürchtet Gott. Gewiß, Gott ist streng im Bestrafen.

 

Ein klassischer Fehler, der gegen Gottergebene, die keine menschlichen, religiösen Quellen neben Gottes Wort dulden, gerne verwendet wird. Jedoch ist unschwer zu erkennen, dass es sich hierbei um die Beuteaufteilung handelt, welche Gott hier selber zuteilt (siehe dazu auch Vers 8:41) und nicht, was der Gesandte generell nach eigenem Ermessen festlegt. Und selbst wenn man diesen Vers aus dem direkten Kontext reißt, bleibt hier immer noch die Rede vom Gesandten und seine einzige Aufgabe ist, wie eben erläutert, nur die Übermittlung der Botschaft, nicht die Erweiterung (13:40, 16:35, 16:82, 24:54, 5:99). Somit wäre dem Gesandten außerhalb seiner einzigen Pflicht eine weitere Aufgabe hinzugedichtet, dementsprechend koranisch unhaltbar.

Weiter führt der Autor an:

 

Bemerkenswerterweise schildert der türkische Koranexeget Mustafa Islamoglu, dass insbesondere die unkonventionelle Grundhaltung, die Sunna komplett zu leugnen, erst in dem damals kolonisierten Indien als eine bestimmte Reformbewegung hervorgetreten sei.

 

Das ist historisch falsch und zeigt, dass Mustafa Islamoglu seine eigenen Quellen nicht hinreichend studiert hat. Denn man kann schon bei Imam Shafi’is Werk  “Kitab Jima` al-`ilm” (150 nach Hidschra) nachlesen, wonach dieser mit einem Vertreter einer Schule disputiert, der die tradierte Sunna komplett negiert. Das Buch gibt es übrigens hier auf Englisch zu kaufen: Hadith as Scripture.

Anmerkung: Nachdem ich den Autor darauf hingewiesen hatte, wurde dieser Teil im Artikel von ihm abgeändert, um die zu anfangs aufgestellte Behauptung, dass Islamoglu den Ursprung unserer Richtung in Indien sieht, nicht mehr herauslesen zu können. Zu seinem Nachteil ist jedoch diese hier erwähnte Fassung in seinem Buch dementsprechend abgedruckt (siehe dazu „der Islam im Diskurs des 21. Jahrhunderts“, S. 102, des Autors Ecevit Polat). Es ist durchaus menschlich, Fehler zu begehen. Doch gerade in Bezug auf die Religion sollten wir unsere Recherchen doch gründlich durchführen! Fahren wir fort:

 

Für Islamoglu war dies ohne weitere eine Intention der Orientalisten gewesen, die bei den Muslimen den Gedanken hervorheben, die Sunna (Lebensweise und Haltung des Propheten) mitsamt ihrer Orthopraxie im Angesicht der Moderne als weit überholt verwerfen zu müssen.

 

Sonderbar erscheint diese Behauptung, nun sind auch noch „die Orientalisten“ schuld! Bemerkenswert. Vor allem ohne Belege, die eine „böse Absicht“ untermauern können. Übrigens ist dieses Spiel, ohne Belege etwas in den Raum zu stellen, koranisch gesehen verwerflich. Konzentrieren wir uns aber auf den Inhalt:

 

Doch gesteht Islamoglu unweigerlich auch ein, dass die Schuldzuschreibung zur Förderung der „Koraniten“ im damaligen Indien nicht allein auf die Orientalisten anzulasten ist: „Den Gedanken nach einem Islam im Koran, wurde unter den Einfluss des orientalistischen Projektes herbeigeführt. Aber die Verantwortung nur auf das orientalistische Projekt zu verschieben, ist auch nicht ganz richtig“ (siehe: Mustafa Islamoglu, Üc Muhammed, S. 192-194).

 

Islamoglu hat sich mit seinem „orientalistischen Projekt“ nur auf die Seite von Verschwörungstheoretikern gestellt, mehr nicht. Fakt ist, dass die meisten Gläubigen, die nur Gottes Wort annehmen, anfangs selber Traditionalisten waren. Dem Leser sei auch folgende Widerlegung von Edip Yüksel zu Mustafa Islamoglu nicht vorenthalten (leider nur auf Türkisch):

Dann ist im Artikel folgendes nachzulesen:

 

Selbst die sogenannten Rechtsbestimmungen werden im großen Umfang von der Sunna des Propheten bestimmt.

 

Die Ergebnisse kann man in den so genannten “islamischen Ländern” sich zu Gemüte führen. Zu erwähnen seien unter vielen anderen Punkten nur, dass mit dem Idschma (Konsens) aller 4 Rechtsschulen die Apostasie, also Abfall vom Glauben, mit dem Tode zu bestrafen sei oder das Abhacken der Hände bei Diebstahl wie auch Frauen zu unterdrücken (beispielsweise den Frauen das Auto fahren zu verbieten). Besondere Beachtung sei auch folgender Hadithlüge geschenkt, welcher bei Bukhary und Muslim verzeichnet ist und An Nawawi ihn mit in seine berühmten 42 Ahadith aufgenommen hat:

 

Mir ist aufgetragen die Menschen zu bekämpfen, bis sie bezeugen, daß es keinen Gott gibt außer Allah und daß Muhammad der Gesandte Allahs ist, und bis sie das Gebet verrichten und die Zakat geben. Wenn sie dies getan haben, haben sie sich dadurch von mir Schutz für ihr Blut und ihr Gut erworben, es sei denn, (sie begehen Taten, die ) nach dem Recht des Islam (strafbar sind), und ihre Anrechnung ist bei Allah, dem Allmächtigen. (Sahih Bukhary, Iman, 17; siehe weiter dazu: Sahih Bukhary Salat 28 [abweichender Wortlaut]; Sahih Muslim Buch 1, Nummer 32 und 33)

 

Koranisch gesehen ist dieser Hadith natürlich vollkommen ausgeschlossen, nicht aber wenn man diesen Quellen eine ganze oder selektive Autorität gibt. Der Autor will zudem ein Bild von einer „bestimmten klaren“ Sunna außerhalb des Koran suggerieren, welche so nicht existiert. Die höchst prekäre Situation der Quellen, aus denen der Autor diese fiktive Sunna schöpft, wird von den am Ende der Widerlegung aufgeführten Artikeln näher behandelt. Des Weiteren ist aus dem Koran klar ersichtlich, dass keine “Rechtsbestimmungen” irgendwelcher Art außerhalb Gottes Wort geduldet wird. Dazu folgende Verse:

 

5:44 Wer nicht nach dem waltet, was Gott (als Offenbarung) herabgesandt hat, das sind die Ungläubigen. (Siehe auch: 5:45, 47, 42:10, Und sie sagen der Koran reich aus! (3/4))

 

Wie kann man bei solch eindeutigen Koranversen außerkoranischen Ahadith Autorität geben? Der Prophet soll nach der Offenbarung urteilen:

 

6:114 Soll ich denn einen anderen Schiedsrichter als Gott begehren, wo Er es doch ist, der das Buch, ausführlich dargelegt, zu euch herabgesandt hat? (Siehe auch: 42:10)

5:48 Und Wir haben zu dir das Buch mit der Wahrheit hinabgesandt, das zu bestätigen, was von dem Buch vor ihm (offenbart) war, und als Wächter darüber. So richte zwischen ihnen nach dem, was Gott (als Offenbarung) herabgesandt hat, … (siehe auch: 5:49 oder 3:23)

 

Festzuhalten wäre hierbei, dass entsprechend der angeführten Verse, in religiösen Belangen nur der Koran alleine autoritativen Charakter besitzen darf. Fahren wir fort:

 

Ihrer interpretatorischen Funktion nach ist die Sunna jedoch mehr danach ausgerichtet, konkrete Bestimmungen zu geben oder die allgemeinen Anweisungen des Korans zu präzisieren (Prof. A. Falaturi, Grundkonzept und Hauptideen des Islam, S. 19).

 

Das ist koranisch unhaltbar. Dazu folgende Verse:

 

11:1 Alif-Lam-Ra. (Dies ist) ein Buch, dessen Zeichen eindeutig festgefügt und hierauf ausführlich dargelegt sind von Seiten eines Allweisen und Allkundigen. (Siehe auch: 6:97-98, 6:114, 6:119, 6:126, 7.52, 41:3, usw)

41:44 Hätten Wir ihn zu einem fremdsprachigen Koran gemacht, hätten sie sicherlich gesagt: „Wären doch seine Zeichen ausführlich dargelegt worden!” Ob fremdsprachig oder arabisch, sage: “Er ist für diejenigen, die glauben, eine Rechtleitung und eine Heilung.” Und diejenigen, die nicht glauben, haben Schwerhörigkeit in ihren Ohren, und er ist für sie (wie) Blindheit. Diese sind, als würde ihnen von einem fernen Ort aus zugerufen.

 

Der Autor meint, dass der Koran zu präzisieren sei und im Koran steht etwas völlig anderes. Interessant ist hierbei auch, dass der Autor keine dieser Verse auch nur erwähnt hat, geschweige denn widerlegen können. Die Widerlegung von „Weshalb ist es notwendig, den Koran im historischen Kontext zu verstehen?“ sei dem Leser zu dieser Thematik zusätzlich empfohlen. Weiter steht folgendes im Artikel :

 

Bereits im 14. Jahrhundert wies der andalusische Gelehrte al-Schatibi (ges. 1388) in seinem monumentalem Werk „al-Muwafaqat“ darauf hin, dass die Sunna in seiner Bandbreite den Koran umgehend erläutert.

 

Gott allein erklärt den Koran wie anfangs im Artikel aufgezeigt (25:33, 55:1-2, 75:18-19). Die Aussage, dass „eine (außerkoranische) Sunna“ den Koran umgehend erläutere, ist haltlos. Der Prophet hat so eine Quelle nicht verfassen lassen. Die Schriften, auf welche sich diese Behauptung stützt, sprechen eine diametral gegenteilige Sprache, denn: Diese tradierte Sunna ist so sehr mit Widersprüchen und Lügen versetzt, dass man mit dieser Sunna aus der Religion alles machen kann. Man kann liberal sein oder das Gegenteil, wie es eben einem gut dünkt und dies ist dann auch schlussendlich die gängige Praxis bei den Traditionalisten. Es sind alle möglichen Versionen des Islams vorhanden, welche die menschlichen Ahadith zur Verfügung stellen. Der Autor versucht dieses Dilemma zu umgehen, indem er unter dem Deckmantel einer angeblich „historisch kritischen“ Methode ganz einfach meint, die richtigen Ahadith aussortieren zu können. Doch dadurch werden Ahadith abgelehnt, falls sie nicht in die zeitgenössische Lebensphilosophie passen, mit der man diese angeblich „historisch kritische“ zu definieren versucht. Wenn es seinem subjektiven Empfinden entspricht, erklärt der Koran für ihn die Ahadith und wenn es nicht passt, umgekehrt. Dementsprechend ist ein klassischer Zirkelschluss vorprogrammiert. Die Ahadith sind ein Feld voller Widersprüche, mal zum Koran oder auch gerne unter sich. Auch dass ein Hadith als sahih eingestuft wird, kann ihn keinesfalls retten. Das ist dem Autor auch bekannt.

Selbst unter Bukharys sahih Hadithsammlungen sind ein großer Teil massiv verderbt. Niemand kann diese Quellen mehr überprüfen. Ohnehin ist dies nicht relevant, da Gott keine Ahadith außerhalb des Koran erlaubt. Die bis hierhin erwähnten Verse sind unmissverständlich eindeutig. Überhaupt stellt sich die Frage, warum der Koran eine umgehende Erläuterung benötigt, wenn er sich ohnehin als eine „Klärung aller Dinge“ (16:89, 12:111) in der Religion (5:3) beschreibt? Der Koran bezeichnet sich schon zu Zeiten des Propheten als abgeschlossen (5:3), wohingegen Ahadith erst Jahrhunderte später zusammengestellt und beurteilt wurden, deswegen auch voller Widersprüche und unvollständig in Bezug zur angeblichen wie auch unnötigen Erklärung des Koran sind. Sie verzerren vielmehr nicht selten den Wortlaut des Koran und ändern Gottes Wort somit ab. Gehen wir weiter:

 

Deshalb wäre es unter keinen Umständen hinnehmbar, die Sunna als Instrument zur Interpretation der Heiligen Schrift beiseite stehen zu lassen. Somit könnte kein Urteil aus dem Koran unter nicht Berücksichtigung der Sunna abgeleitet werden.

 

Und was sagt der Koran?

 

42:10 Und worüber ihr auch immer uneinig seid, das Urteil darüber steht Gott (allein) zu. Dies ist doch Gott, mein Herr. Auf Ihn verlasse ich mich, und Ihm wende ich mich reuig zu. (Siehe auch: 6:114, 18:26, 12:40, Und sie sagen der Koran reicht aus!(3/4))

 

Wieder einmal stehen sich hier der Koran und ein Traditionalist auf Konfrontationskurs. Und weiter schreibt der Autor:

 

Al-Schatibi (gest. 1388) schreibt dazu: „Bei der Ableitung von Urteilen aus dem Koran ist es nicht möglich, die Sunna, die dessen Auslegung und Erklärung darstellt, beiseite zu lassen und sich mit der ausschließlichen Betrachtung des Korans zu begnügen. Denn der Koran ist umfassend formuliert (kulli).

 

  • Der Koran beschreibt sich wörtlich als eine “Klärung aller Dinge” (16:89, 12:111) in religiösen Belangen (5:3).
  • Der Koran erlaubt es nicht, aufgrund von Quellen außerhalb von Offenbarungen zu urteilen (5:44,45,47, 6:114, 42:10).
  • Der Koran beschreibt sich als ausführlich dargelegt (6:114, 6:119, 11:1, 41:3).
  • Der Koran wurde zur Ermahnung leicht gemacht (54:17,22,32,40).
  • Der Koran ist in der Sprache leicht gemacht worden (20:97, 44:58).
  • Der Koran beschreibt sich als deutliches Buch (12:1, 15:1, 26:2).
  • Der Koran darf nicht abgeändert werden (10:15, 69:44-48).
  • Gott teilt mit niemandem sein Urteil (6:57, 12:40, 18:26).
  • Gott erklärt den Koran (25:33, 55:1-2, 75:19).
  • Der Koran ist vollkommen / vollständig (6:115, 5:3).
  • Gott erlaubt keine weitergehende Detaillierung, die nicht dem Koran entnehmbar ist (5:101).
  • Es wurde nichts im Koran ausgelassen (6:38).

Noch viele andere Verse könnte man zu dieser Auflistung anführen, jedoch würde dies den Rahmen sprengen. Weiter steht im Text:

 

In ihm sind umfassende Dinge wie das Gebet, die Zakah (Sozialsteuer), die Pilgerfahrt und das Fasten erwähnt. Es gibt keinen anderen Weg als das Heranziehen der Sunna, die ihn (den Koran) erklärt“ (siehe hierzu: Abu Hanifa, Leben und Werk des Ehrenhaften Großgelehrten, S. 509, Muhammad Abu Zahra)

 

Vor allem haben die reichen Hadithgelehrten es sich wohl zu Eigen gemacht, die Zakah auf bestimmte Summen einzuschränken und entstellen somit den Koran. Kritik zu solchen Aushebelungen lassen sich übrigens auch unschwer im Evangelium finden. Also keine neue Angelegenheit. Die aufgeführten Punkte, um den Koran als unvollständig zu brandmarken, sind natürlich haltlos:

Weiter geht es im Text:

 

Somit wäre eine richtige Deutung des Korans ohne die Einbindung und Kenntnis der Überlieferungen auch nur annähernd nicht möglich.

 

Wie will man den Koran mit Ahadith erklären, wenn diese selbst nicht mal ansatzweise einheitlich sind, welcher nun wahr oder falsch ist und man erwiesenermaßen somit auch Ahadith selbst erklären muss? Wie soll dieser geschichtlich verfälschte historische Kontext des Koran den Gläubigen Gott näher bringen? Und das gilt natürlich auch für sahih Werke. Und die alles entscheidende Frage: Wie soll man mit jenen Koranversen umgehen, welche dem Koran Einfachheit, Klarheit (mubin), eine ausführliche Darlegung und Leichtigkeit für die Ermahnung attestieren (44:58, 20:97, 17:89, 18:54, 17:9)? In welchem Vers des Koran steht, dass dieser schwer zu verstehen ist oder mit anderen Quellen erklärt werden muss? Warum erwähnt der Koran an keiner Stelle auch nur eine einzig andere Quelle als Offenbarungen Gottes? Er kritisiert diese Quellen außerhalb der Offenbarung doch vehement? Warum geht der Autor an keiner Stelle seines Artikels auf genau jene Verse ein, die seiner Argumentation direkt widersprechen?

Denjenigen, die solche Behauptungen aufstellen, seien noch folgende Verse ans Herz gelegt:

 

6:104 Zu euch sind nunmehr Einsicht bringende Zeichen von eurem Herrn gekommen. Wer einsichtig wird, der ist es zu seinem eigenen Vorteil, und wer blind ist, der ist es zu seinem eigenen Nachteil. Und ich bin nicht Hüter über euch. (Siehe auch: 2:99, 2:118, 24:18, 2:159, 2:187, 2:219, 2:221, 6:105, 9:115, ganze Liste im Koran: corpus quran)

 

Der Autor führt Meinungen von angeblichen „Gelehrten“ vor, um die Argumente der Gottergebenen, welche ohne menschliche Sunna auskommen, zu widerlegen. Der Gottergebene wiederum zeigt dagegen Koranverse auf, um ihn seinen Irrtum vor Augen zu führen (18:57, 43:36-37, 43:1-4, 12:1-2, 26:2, 27:1, 28:2, 44:2).

Von nun an geht der Autor in die Richtung derjenigen ein, die eine menschliche Sunna mit Gottes Wort gleichsetzen (der Autor vertritt diese Meinung jedoch selbst nicht), dazu schreibt er:

 

Als Beleg für die Gleichsetzung der Sunna des Propheten mit der Offenbarung des Koran, führte asch-Schafi sämtliche Koranstellen wie diese folgende auf: „Gedenkt stets der Gaben Gottes, des euch herabgesandten Buches und der offenbarten Weisheit“ (2:231).

 

Diese Thematik wird in der Kurzanalyse „Ist Sunna eine Offenbarung?“ näher behandelt. Wie kann der Autor bei Versen wie 3:64 und 9:31 Ahadith eine Autorität geben und sich somit den Propheten oder Gelehrte zu Herren nehmen? Besondere Beachtung sei auch den Versen 3:79-80, 6:162-164, 8:64, 7:3, 31:21 und 2:170 geschenkt. Diese Verse finden unmittelbar eine Anwendung, sobald man Ahadith als eine ergänzende Autorität in die Religion einbaut! Der Prophet war laut Koran nur ein Warner (7:188) und nur ein Mensch (18:110) und kein Gelehrter, der den Koran als Einziger richtig auslegen konnte. Gott allein lehrt und erklärt den Koran. Deswegen sollen auch alle Gläubigen nach Vers 3:79 selber forschen, wie auch den Koran lehren und nicht den angeblichen Propheten in den Ahadith als Herren abkupfern. Und nun folgender Vers:

 

66:1 O Prophet! Warum verbietest du das, was Gott dir erlaubt hat, um nach der Zufriedenheit deiner Frauen zu trachten? Und Gott ist Allvergebend, Barmherzig.

 

Hier greift Gott also selber ein, obwohl der Prophet etwas verbieten will. Da die bis hierhin vorgestellten und anderen Verse so offenkundig es verbieten, dass der Prophet eigenmächtig außerhalb des Koran Ge- oder Verbote erteilen durfte, versuchen viele liberale Anhänger der tradierten Sunna die vielen Ahadith, die das Gegenteil behaupten, durch den Koran selbst zu relativieren und als Fälschung zu deklarieren. Sie würden ja dem Koran widersprechen. Diese Logik sei noch einmal ganz nüchtern veranschaulicht: Zuerst ist der Koran nicht vollständig und bedarf einer Erklärung. Um dieses angebliche Problem zu lösen, wendet man sich an Ahadith. Diese Erklärung des Koran wird dann, wenn man die Neigung dazu verspürt, wieder vom zu Erklärenden selbst, also dem Koran erklärt. Das ist natürlich, wie zuvor erwähnt, ein klarer Zirkelschluss. Dabei soll keinesfalls untergehen, dass diese Ahadith angeblich die Meinung des Propheten selbst darstellen, man in solch einem Fall sozusagen die Angelegenheit dann besser weiß als der Prophet. Zudem gibt es viele Sunnaanhänger, die Ge- und Verbote außerhalb des Koran für verpflichtend halten. Schlussendlich ist es der jeweiligen Person selbst überlassen, ob diese Ge- und Verbote außerhalb des Koran Autorität genießen dürfen oder nicht. Will man sie nicht, sagen die Befürworter dieser Ahadith, dass man den Propheten missachte. Nimmt man diese Ahadith jedoch an, sagen die Leugner dieser Ahadith, dass diese falsch wären, dem Koran widersprechen. Wobei sie jedoch an anderen Stellen diesen Quellen Autorität geben und man sich hier fragen muss, mit welchem Recht diese Gruppe hier selektiv urteilen darf und dabei den dort erwähnten fiktiven Propheten missachten kann. Diese Quellen sind nicht von Gott geschützt wie der Koran und von der Zeit des Propheten mindestens etwa 150 Jahre entfernt.

Weiter geht es folgendermaßen:

 

In den großen Hadith-Sammlungen werden nahezu hundert tausende Hadithe registriert. Wenn die Sunna als solche in ihrer Gesamtheit als Offenbarung (wahy) angesehen wird, weshalb werden diese unterschiedlich in ihrer Authentizität bewertet?

 

Weshalb werden sie überhaupt gebraucht, wenn schon allein die Zahl selbst erkennen lässt, dass die meisten nicht stimmen können und der Koran dazu eindeutig ist? Hinzu kommt, dass die vom Autor erwähnte Authentizität, zum Beispiel die Beurteilung eines Hadiths zu „sahih“, selbst unwissenschaftlich und somit höchst fraglich ist. Fahren wir fort:

 

In seinem Aufsehen erregenden Buch „Scharia-der missverstandene Gott, geht der Münsteraner Religionspädagoge Prof. Mouhanad Khorchide dieser Problematik umfangreich und detailliert nach und zeigt anhand von Primärquellen, wie prekär die Situation um die Hadithe bestellt sind (siehe „Scharia, der missverstandene Gott, S.99-118).

 

Kein Widerspruch, doch dann:

 

Khorchide wirbt für einen sensiblen und kritischen Umgang mit den Hadithen umzugehen und keinesfalls diese pauschal zu verwerfen. Auch wird nachdrücklich darauf hingewiesen, wie wegweisend Überlieferungen in Bezug auf die Ausführung religiöser Rituale sind: „Diese Ausführungen sollten die Notwendigkeit eines sensiblen und kritischen Umgangs mit den Hadithen unterstreichen, aber keineswegs die Hadithe pauschal verwerfen. Gerade solche Hadithe, die das Ausführen religiöser Rituale betreffen, sind für die Muslime unentbehrlich, da im Koran kaum Details dazu zu finden sind“ (Scharia, der missverstandene Gott, S. 118, Mouhanad Khorchide).

 

Diese Aussage widerspricht dem Koran diametral. Wenn Gott es für nötig gehalten hätte, dass man mehr Details braucht, hätte Er sie auch im Koran gegeben und nicht irgendwelchen, erst Jahrhunderte später festgelegten Schriften, die laut dem Autor selbst “in die hundert tausende” gehen, überlassen. Laut den Ahadith dauerte die Herabsendung des Koran 23 Jahre. 23 Jahre hatte Gott sich offenbart und am Ende nach über 6300 Versen, hat Er keinen vollkommenen / vollständigen (6:115, 5:3, 12:111, 16:89) Koran herabsenden können? Unabhängig davon sind selbst die als sahih eingestuften Ahadith, auch nach all diesen Überprüfungen immer noch voller Widersprüche. Die Zuverlässigkeit der Ahadith stehen nicht nur auf höchst dünnem Eis, sondern viel wichtiger: Sie werden vom Koran ausgeschlossen.

Auch die im Zitat erwähnten Rituale sind im Koran völlig hinreichend für die Praxis erklärt. Wenn man die Rituale mit Ahadith verstehen will, stößt man unweigerlich auf große Widersprüche mit dem Koran. Zum Beispiel sollen laut Ahadith der an der Kaaba angebrachte schwarze Stein neben Gott verehrt werden oder es wird die Pilgerzeit zur Kaaba stark eingeschränkt, wodurch ein großer Andrang entsteht und viele Menschen bisher deswegen dort umgekommen sind oder sich verletzt haben. Auch dass man einen Prophetenkult eingeführt hat, zum Beispiel seinen Geburtstag zu feiern und er dadurch nicht selten verheiligt wird, ist koranisch unhaltbar. Im Buche Gottes steht, wie bereits erwähnt, dass der Prophet nur ein Mensch (18:110) und nur ein Warner (22:49) ist. Auch das man unter den Gesandten keinen Unterschied machen soll, wie mehrfach im Koran erwähnt. Ahadith bringen hier schlussendlich nicht nur eine unnötige Erweiterung, sondern das zusätzlich die Religion, sich eben ganz auf Gott alleine einzustellen (zB 39:45, 7:3, 65:3 usw), verworfen wird. Weiter schreibt der Autor:

 

Auch der Gründer der Hanafitischen Rechtsschule Abu Hanifa (gest. 767) bemühte sich indessen, sorgfältig und kritisch reflektierend mit dem Überlieferungsmaterial umzugehen. Bekanntlich überlieferte Abu Huraira (gest. 678) die meisten Hadithe im sunnitischen Raum, um genau zu sagen 5374 Hadithe in der Gesamtzahl.

 

Er verlässt sich bei dieser Behauptung natürlich wieder auf Ahadith. Laut Ibn Khaldoun hat Abu Hanifa nur 17 Ahadith überliefert, die eventuell als „sahih“ gelten könnten. Bukhary hat es 100 Jahre später dann besser gewusst, als er mehrere tausend Ahadith als sahih einstufte? Fahren wir fort:

 

Obwohl Abu Huraira eine sonderliche Stellung innerhalb der sunnitischen Welt einnimmt, wird dieser ungeachtet von Abu Hanifa wegen seiner über den Inhalt nicht scharfsinnig nachgedachtes Tradieren sowie leidenschaftlich alles zu überliefern, kritisiert. Der Schüler von Abu Hanifa, asch-Schaibani (gest. 805) überliefert unverhohlen diesen besorgniserregenden Satz von seinem Lehrer: „Abu Huraira hat ohne über den Inhalt genauer zu überlegen, alles Mögliche überliefert, ohne jedoch Kenntnis von an-nasikh und al-mansukh zu besitzen!“

 

Das ist eben das große Dilemma derjenigen, die Ahadith einen Platz in der Religion einräumen wollen und dann sehen müssen, wie sie die Ahadith nun interpretieren müssen, damit es passt. Welcher Hadith hebt nun welchen auf? Warum hat der Prophet dazu keine Anleitung überliefert? Überhaupt: Warum hat er kein Sunnabuch verfassen lassen und so vielen Widersprüchen Tür und Tor geöffnet? Wieso werden jene Ahadith nicht beachtet, welche diese rigoros komplett verwerfen? Selbst die ersten vier Kalifen haben keine Ahadith geduldet, nicht ein Hadith aus der Zeit ist nachweisbar. Des Weiteren: Wer Abu Huraira nun genau war, ob er selber Ahadith hinzugedichtet hat oder jemand in seinem Namen, wird man nie hinreichend ermitteln können. Und schließlich:

 

Dr. Murad Wilfried Hofmann wies bereits in seinem Buch „Der Islam im 3. Jahrtausend“ auf die Herausforderung und der Problematik für die Muslime im 21. Jahrhundert hin. Die angeführten sechs Punkte jedoch sind bis heute weitestgehend ungeklärt: Sind Koran und Sunna beide Offenbarungen (wahy), oder ist die Sunna nur inspirierte (ilham) Rechtsleitung?

 

Wer auf diese Frage nicht antworten kann, bei so eindeutigen Koranversen, so eindeutigen massenhaften Widersprüchen in den Ahadith, der hat wohl den Koran nicht einmal gründlich gelesen, von einem lückenhaften Studium des Koran ganz zu schweigen.

 

Kann die Sunna den Koran abändern (derogieren)? Kann der Koran die Sunna abändern?”

 

Im Koran wird das Wort Sunna nur in Bezug zu Gott gebraucht. Es gibt keinen einzigen Vers, welcher eine Sunna des Propheten erwähnt. Und welche Sunna? Es sei nochmals betont: Der Prophet hat so ein Buch nicht verfassen lassen. Es gibt nicht die Sunna außerhalb des Koran, sondern viele tradierte Schriften ohne einen klaren Anfang oder Ende, welche Menschen nach eigenen Vorstellungen ausgelegt haben. Aufgrund dieser Vielfalt an Interpretationen gibt es auch über 100 Gruppierungen im Islam. Die Authentizität der Ahadith sind nicht mehr nachprüfbar, voller Widersprüche, wie der Autor auch selbst eingesteht. Man kann es gar nicht genug oft betonen: Ahadith werden im Koran ausgeschlossen.

Es soll jetzt noch ein Argument des nächsten zu widerlegenden Artikels des Autors vorweg genommen werden. Der Autor beschuldigt die Gottergebenen, welche die traditionelle Sunna komplett negieren, mit der Behauptung, dass sie wie Salafisten an den Koran subjektiv herangehen würden. Dazu schreibt der Autor in seinem Kommentarbereich  (Stand: 29.4.15, vom Autor geschrieben am 25.3.2015, 11:30 Uhr):

 

Ecevit Polat: …Baycan Yanar hat auf eine grundlegende Methodik der Salafisten und Koraniten hingewiesen (http://tavhid.de/?p=1712). Danach bedienen beide Strömungen die gleiche Herangehensweise, indem sie Koranverse selektiv entnehmen und zitieren, um ihre beabsichtigte Ideologie zu legitimieren.

Eine Anmerkung hierzu: Der erwähnte Artikel von der Homepage „Tavhid“ wurde von mir bereits widerlegt. Der Autor täte übrigens gut daran, das Wort „tauhid“ im Wörterbuch einmal nachzuschlagen. Zumal dieser Vorwurf direkt zurückgegeben werden kann, da der Autor den Vers 59:7 selektiv zitierte, um seine beabsichtigte, lückenhafte Ideologie zu legitimieren. Der Autor sei dazu eingeladen, die angeblich „selektiv entnommenen Koranverse“ in ihrem Gesamtkontext des Koran aufzuzeigen. Ansonsten ist seine Behauptung ein Ausdruck einer schwachen Rhetorik, die auf nichts fußt.

Es erfolgt jetzt zu diesem Vorwurf folgender Vergleich mit den 3 Strömungen:

Frage 1: Wird den Ahadith außerhalb des Koran Autorität gegeben?

  • Gottergebene, welche nur dem Koran Autorität geben (K): Nein.
  • Salafisten (S): Ja.
  • „Historisch krtitische Methode“ des Autors (HKM): Ja.

Frage 2: Wird der Koran durch widersprüchliche, unvollständige und selektiv ausgewählte Ahadith erklärt?

  • K: Nein.
  • S: Ja.
  • HKM: Ja.

Frage 3: Werden Gelehrte, Anhänger des Propheten oder der Prophet selbst als zweite normative Quelle zu Herren genommen und stehen dementsprechend mit 3:64, 3:79-80 und 9:31 im Widerspruch?

  • K: Nein.
  • S: Ja.
  • HKM: Ja.

Frage 4: Wird der Sunna Gottes, wonach der Prophet nur dem Offenbarten zu folgen hat (6:50, 7:203, 10:15, 46:9), Rechnung getragen?

  • K: Ja.
  • S: Nein.
  • HKM: Nein.

Anhand dieser Tatsachen erübrigt sich jegliche weitere Diskussion zu diesem Thema und es liegt mir fern, wie der Autor dies tut, ihn mit Salafismus gleichzusetzen. Dazu kommt, dass man sich im Koran keinesfalls einen subjektiven Islam zusammenbasteln kann, wie der Autor versucht uns dies hier vorzuwerfen. Dies würde sofort Widersprüche im Koran nach sich ziehen und ist unter anderem in folgendem Vers ausgeschlossen:

 

4:82 Denken sie denn nicht sorgfältig über den Koran nach? Wenn er von jemand anderem wäre als von Gott, würden sie in ihm wahrlich viel Widerspruch finden.

 

Unser Autor jedoch springt bei der Auslegung des Koran, je nach Lage, zwischen Koran und Ahadith. Ihm ist die Erschließung des Korans durch seinen eigenen Kontext allem Anschein nach fremd oder er verweigert sich den klaren Koranversen und folgt somit nicht der Tatsache, wonach Gott den Koran alleine lehrt und erklärt und der Prophet selbst der Offenbarung nur zu folgen hat (6:50, 7:203, 10:15, 46:9) und nichts anderem. Gerade mit Ahadith kann man sich seinen individuellen und somit subjektiven Islam zusammenbasteln (68:38). Denn man entstellt mit diesen Quellen den vollkommenen / vollständigen (6:115) Koran. Dies ist auch seit mehr als einem Jahrtausend leider die gängige Praxis.

 

Fazit

Der Autor hat sich schließlich mit Gottergebenen, die sich ganz auf Gott alleine einstellen, offenbar kaum auseinandergesetzt. Er hat ihre Gegenargumente nahezu ausgelassen. Der Autor hat auf Mustafa Islamoglu verweisend die Behauptung, dass diese Glaubensrichtung “eine Intention der Orientalisten gewesen” sein soll und somit alle Orientalisten ins falsche Licht gerückt werden, nicht belegen können. Ferner ist so eine Argumentation in sich selbst fehlerhaft, denn es geht nicht um „böse“ Orientalisten, sondern wie der Koran nun richtig verstanden werden will. Natürlich kommt bei dieser Behauptung auch der üble Nachgeschmack mit, dass man wohl nur als Muslim den Islam erschließen kann und Außenstehende pauschal ohne koranische Begründung ausgeschlossen werden. Vielmehr ist dem Koran entnehmbar, dass der Gottergebene allen Menschen zuzuhören hat (39:18, 10:37-39). Ausgenommen bei Gott hat der Gläubige “weder Schutzherrn noch Helfer” (4:123, 4;173, 9:116, 29:22) und im Koran steht: “Wer sich auf Gott verlässt, dem ist Er seiner Genüge“ (65:3). Auch folgender Vers ist von herausragender Bedeutung:

 

39:45 Und wenn Gott allein erwähnt wird, verkrampfen sich die Herzen derjenigen, die nicht an das Jenseits glauben. Wenn aber diejenigen erwähnt werden, die es außer Ihm geben soll, freuen sie sich sogleich.

 

Für Diejenigen, welche sich gerne in Details verrennen wollen, sei noch die Geschichte der Kuh eine Lehre (2:67-71).

Der zweite Artikel des Autors reicht qualitativ nicht viel weiter als der bereits hier Behandelte. Diese zweite Widerlegung wird dann im nächsten Artikel erscheinen, so Gott will.

Themenrelevante Artikel:

Eine Kurzanalyse: Ist die Sunna eine Offenbarung?

Ich suche Zuflucht bei Gott vor dem verworfenen Teufel,
Im Namen Gottes, des Gnädigen, des Barmherzigen,

Diesmal wird eine Auffassung näher behandelt, die einem Gottergebenen diametral entgegen steht. Denn Gottergebene dulden in der Religion kein Menschenwerk neben Gottes vollkommenem Wort (6:115), schon gar nicht auf gleicher Stufe. Die Haltung mancher Traditionalisten, dass die tradierte Sunna eine Offenbarung sei und somit mit dem Koran auf gleicher Stufe stehe, ist nicht nur aus religiöser Perspektive offenkundig falsch, sondern auch anhand klarer Tatsachen innerhalb der Quellen unhaltbar, aus denen sich diese Behauptung speist. Merkwürdigerweise wird dies aber immer noch von nicht wenigen Traditionalisten für wahr gehalten. Es erfolgt zu Beginn ein Exkurs in Ahadith (die Mehrzahl von Hadith), um dem Leser die behandelte Thematik verständlich zu machen, wenn man von einer traditionellen Sunna spricht. Darauf folgt dann die Beantwortung der Frage, ob diese traditionelle Sunna mit dem Koran gleichwertig sei, wie manche Traditionalisten meinen.

 

Ein Überblick zu den Ahadith

Jene Quellen, zu denen sich alle tradierten Sunnas im Islam berufen, nennt man Ahadith. Diese wurden, unter vielen anderen Beurteilungen, auch in sahih (gesunde, authentische) Ahadith unterteilt und schlussendlich in so genannten sahih Werken zusammengestellt, welche diese Ahadith nochmal in Themen ordneten (zum Beispiel zum Gebet). Sahih Beurteilungen zu Ahadith wurden jedoch erst ungefähr zwei Jahrhunderte nach dem Ableben des Propheten eingeführt. Es gab zwar laut Ahadith schon vor dieser Zeit Beurteilungen, ob ein Hadith als sicher galt oder nicht, jedoch ist eine sahih Klassifizierung erst bei Bukhary zu finden. Er selbst gibt sich dazu auch als den Ersten an. Im Gegensatz zu Koranfragmenten ist aus heutiger Zeit gesehen kein einziger Hadith von vor ca. 150 Jahren nach Hidschra mehr nachweisbar. Natürlich könnte man dem entgegen bringen, dass es aber zur Zeit der Sammlung der Ahadith frühere Quellen gab. Jedoch ist diese These zuallererst nur eine Vermutung und nicht weiter hilfreich, da die Menge der Ahadith schon zu Bukharys Zeiten enorme Größen angenommen hatte. Die Tradenten der sahih Ahadith berichten hier selbst, dass große Mengen (95-99%) schon zu dieser Zeit als nicht authentisch (sahih) eingestuft werden mussten. Die sahih Ahadith machen also nur einen Bruchteil aller Ahadith aus.

 

Problematiken der tradierten Sunna

Eines sei hier vorweg erwähnt: Das Wort „Sunna“ findet im Koran nur in Bezug zur „Sunna Gottes (sunnatullah)“ Erwähnung (siehe dazu den Artikel: (Das Konzept der Sunna). Eine andere „Sunna“ wird nirgends im Buche Gottes erwähnt.

Gerne geben Traditionalisten der verschiedenen Strömungen im Islam an, „der Sunna“ zu folgen und meinen damit die Interpretation der Überlieferungen ihrer jeweiligen Gruppe, welche neben dem Koran Autorität haben sollen, in unserem Fall gar mit dem Koran nebeneinander stehen. Es zwingt sich hierbei natürlich die Frage auf, warum gerade eine bestimmte Gruppe nun die „richtige“ Sunna haben soll und die Anderen nicht? Denn liberale wie auch konservative Strömungen nehmen ihre jeweilige Sunna, mindestens im sunnitischen Spektrum, aus denselben Quellen. Die daraus resultierende offensichtliche Problematik fällt natürlich sofort ins Auge, denn: Wie soll ich zum Beispiel als ein Liberaler, der Bukhary eine Autorität gibt, einen stark Konservativen davon überzeugen, dass sein Hadith xy nicht stimmen kann, wo ich doch meine tradierte Sunna aus der selben Quelle beziehe wie er? Will ich Ahadith mit Ahadith widerlegen, die denselben Ursprung haben? Will ich den so genannten Koransieb benutzen, wo doch die Ahadith den Koran erklären oder detaillieren sollen? Also somit die Erklärung selbst eine Erklärung braucht? Obwohl der Prophet dort als Autorität gehandelt wird? Wusste der Prophet es nicht besser? Mit welchem Recht kann ich schlussendlich manche Ahadith ausschließen andere jedoch als authentisch sehen? Selbst wenn man sich hierbei nur die Sunna der vier sunnitischen Rechtsschulen anschaut trifft man auf ein Feld, welches so umfangreich und verwirrend ist, dass eine klare Haltung zu dieser Sunna in vielen Bereichen unmöglich wird. Ein Beispiel dazu ist, dass alle vier sunnitischen Rechtsschulen unterschiedlich beten oder beispielsweise eine Rechtsschule Meeresfrüchte zum Essen verbietet, die andere aber dies erlaubt. Fragezeichen türmen sich auf bei noch so vielen anderen nicht erwähnten Beispielen und dabei werden die Widersprüche der sahih Ahadith in Bezug zum Koran noch außen vor gelassen. Die Tatsache, dass je weiter man sich von der Zeit des Propheten wegbewegt, es dementsprechend auch mehr Ahadith gibt, ist ein großer Indikator dafür, dass man sehr viele Ahadith gefälscht haben muss und diese Praxis erwiesenermaßen auch nicht vor „sahih“ Ahadith halt gemacht hat. Es ergeben sich unter anderem folgende Problematiken, wenn man Ahadith eine Autorität zukommen lassen will:

  1. Warum haben wir keinen einzigen Hadith aus der Zeit des Propheten wie Koranfragmente?
  2. Warum wartet man mindestens an die zwei Jahrhunderte und sammelt, überprüft und hält sie erst dann schriftlich fest? Somit hat man keine zuverlässige Quelle, viel schlimmer noch: eine massiv verderbte Quelle!
  3. Warum hat der Prophet seine “Offenbarungen” oder Ahadith nicht in einem Buch niederschreiben lassen, wenn sie doch unerlässlich sind und somit auch gegen Fälschungen hätte vorbeugen können, die heute überall in sahih Ahadith anzutreffen sind?

Das Gegenargument ist dann immer, dass man ja die Ahadith damals mit dem Koran hätte verwechseln können.

  • Aber: Sie sind doch in unserem Fall sowieso Offenbarung?
  • Sind sie weniger wert? Mit welcher Begründung?
  • Hinzu kommt: Wie soll der unnachahmliche Koran (17:88) verwechselt werden?
  • Und warum hat man den Koran nicht mit “Ahadithoffenbarungen” kommentiert?
  • Es wird doch gerne behauptet, dass Ahadith den Koran erklären. Waren die Menschen damals zu unwissend ein Buch zu schreiben, welches Koran und Kommentar enthalten und man diese durch Erklärungen dem Leser hätte unterscheiden lassen können? Sie haben doch den Koran überliefert.

 

Die Quellenlage am Beispiel von Bukhary

Bukhary hat ca 230 Jahre nach dem Propheten angefangen, Ahadith zu sammeln und sie schriftlich festzuhalten. Sein Werk, das aus mehreren Bänden besteht, gilt als höchste Autorität bei den sunnitischen Anhängern. Bukhary hat die Ahadith nämlich nicht nur aufgezeichnet und gesammelt, sondern auch als sahih klassifiziert. Für uns wichtig ist, dass eine sahih Beurteilung eines Hadiths erst nach ca 230 Jahren erfolgte. Jene Ahadith, die für ihn als sicher galten, stufte er als “sahih” ein. Andere wiederum als weniger authentisch. Diese Formulierung erweckt beim Leser wahrscheinlich den Eindruck, dass es sich hierbei um einen logischen und nachvollziehbaren Vorgang gehandelt haben muss, es ist in Wahrheit aber eine Mogelpackung. Denn Bukhary hat die Beurteilung eines Hadiths mit “sahih” nicht unter nachvollziehbaren und Vernunft orientierten Kriterien erörtert, zum Beispiel nach dem Inhalt des jeweiligen Hadiths, sondern anhand seiner Überlieferungskette, ob diese zum Beispiel lückenlos war oder die Überlieferer selber als zuverlässig galten, was aber schon damals zu überprüfen nicht mehr möglich war, da die Zeitspanne zum Propheten und seiner Anhänger bereits viel zu weite Dimensionen angenommen hatte. Natürlich gibt es dementsprechend zu der Beurteilung von Überlieferern der Ahadith selbst auch gerne Widersprüche. So hat ein anderer Hadith-Sammler bekannt als Muslim (und Bukharys Autorität nahe kommend), 400 Überlieferer von Bukhary als nicht vertrauenswürdig eingestuft und Bukhary umgekehrt bei Muslim 600. Ferner verhält es sich dahingehend, dass Muslim andere Kriterien für “sahih” aufstellte und dementsprechend gibt es manche Ahadith bei Muslim, welche für ihn als sahih gelten, nicht aber bei Bukhary verzeichnet sind und natürlich auch umgekehrt. Deswegen werden heutzutage auch Bände zum Verkauf angeboten, die nur Ahadith enthalten, welche von Bukhary und Muslim zusammen als sahih eingestuft wurden. Anhand dieser Tatsachen ist es kaum verwunderlich, dass man beispielsweise in Bukharys sahih Zusammenstellung auf Ahadith trifft, die sich gegenseitig ausschließen. Der nächste Punkt ist, dass die Quellenmenge, die Bukhary analysiert haben will, so groß ist, dass dies schon allein mathematisch unmöglich ist. Bukharys Werk über Ahadith, die von ihm als sahih eingestuft wurden, sind ein fester Bestandteil des sunnitischen Islam, für sie nicht wegzudenken. Um so erschreckender ist es, wie verderbt selbst diese Ahadith sind, Bukhary diese aber trotzdem mit aufnahm (siehe dazu auch die Artikel: Koranischer oder sunnitischer Mohammed?, Zuverlässigkeit der Ahadith und Frauen im Koran und in der erfundenen Religion). Schaut man sich die dort enthaltenen Ahadith an, ist die Behauptung, dass man ein authentisches Werk vorliegen hätte, nicht mal ansatzweise haltbar. Man kann Bukharys “individuelle” Vorgehensweise bei der Beurteilung von Ahadith auch an folgendem Beispiel festmachen: Bukhary hat keinen einzigen Hadith von Abu Hanifa, zu ihm sich die Hanafitische Rechtschule als Gründer beruft und mit zu einer der vier sunnitischen Rechtsschulen gehört, überliefert – schlimmer, ihn harsch verurteilt. Gerne wird dann hierbei versucht diese Ahadith durch andere zu relativieren, also ein klassischer Zirkelschluss. Es würde Bände füllen die Ahadith einmal generell zu kritisieren, denn die Missstände in diesem Feld sind so enorm groß, dass ich es hier nur anschneiden kann (zur ausführlicheren Behandlung dieses Themas, empfehle ich aus unserer Homepage die Rubrik: Hadith und Sunna). Und was sagt der Koran?

 

6:21 Und wer ist denn ungerechter, als wer gegen Gott eine Lüge erdichtet oder seine Zeichen für Lüge erklärt? Denen, die Unrecht tun, wird es sicher nicht wohl ergehen. (siehe auch: 11:18)

 

So wurde dem Leser bis hierhin ein genereller Einblick in die großen Problematiken der Ahadith gegeben, damit ihm klar wird, dass es eben nicht die bestimmte, eine, klare Sunna außerhalb des Korans gibt und man nicht mal sagen kann, wo diese Sunna anfangen oder aufhören soll. Auch welche sahih Ahadith nun wirklich authentisch sind oder nicht, kann niemand mehr nachvollziehen. Die Widersprüche und Fehler innerhalb dieser Quellen sind schlussendlich sehr groß und deshalb hier auch nur angeschnitten. Von den Folgen der Ahadith für den Islam und die Menschen mal ganz abgesehen. Überhaupt ist diese Sunna aus dem Koran nicht herleitbar, sondern im Gegenteil: der Koran duldet keine anderen Quellen. Dies ist dann auch das ausschlaggebende Ausschlusskriterium für diese Sunna. Es ist also noch nicht mal relevant ob ein Hadith authentisch ist oder nicht, er ist koranisch nicht tragbar als jedwede Autorität innerhalb der Religion. Doch trotz dieser erdrückenden Tatsachen sehen die meisten Traditionalisten diese Quellen als unerlässlich. Der Koran ist für sie nicht ausreichend. Manche stellen sie gar mit dem Koran auf die gleiche Stufe.

 

7:3 Folgt dem, was zu euch von eurem Herrn herabgesandt worden ist, und folgt außer Ihm keinen (anderen) Schutzherren! Wie wenig ihr bedenkt!

 

Die koranische Haltung

Die traditionellen Sunnaanhänger, die menschliche Ahadithsammlungen mit dem Koran auf die gleiche Stufe stellen, berufen sich meist gern auf die Verse 53:1-4 des Koran. Sie argumentieren, dass Muhammad nicht aus eigener Neigung spricht, sondern Offenbarungen sein Geistesgemüt leiten. Eigentlich ein möglicher logischer Schluss, der große Haken an der Sache aber ist, was koranisch gesehen als Offenbarung gilt. Spricht der Prophet also nie aus eigener Neigung und nur aus Offenbarungen heraus? Und sind diese Dinge, die der Prophet verlautet, auf gleicher Stufe mit dem Koran? Oder ist es nicht vielmehr so, dass die Offenbarung, von der hier die Rede ist, nur den Koran meint? Diese Fragen wollen wir jetzt genauer klären.

Der Koran erklärt sich als ein Buch, das eine “Klärung aller Dinge” (16:89 und 12:111) in der Religion (5:3) ist. Nun werden aber die Befürworter dieser Position hier entgegenbringen, dass zwar der Koran eine „Klärung aller Dinge“ ist, jedoch laut 53:1-4 der Koran auch andere Offenbarungen mit einschließe. Schauen wir uns aber dazu mal Vers 5:101 an, dort steht:

 

5:101 O die ihr glaubt, fragt nicht nach Dingen, die, wenn sie euch offengelegt werden, euch leid tun, wenn ihr nach ihnen fragt zu der Zeit, da der Qur’an offenbart wird, sie euch (gewiß) offengelegt werden, wo Gott sie übergangen hat. Und Gott ist Allvergebend und Nachsichtig.

 

Der Koran duldet also keine Detaillierung seiner selbst, sie werden übergangen – von Gott selbst! Somit ist eine andersartige Sunna schon jetzt ausgeschlossen, da sie außerhalb des Korans liegen müsste. Dazu muss man auch die Frage stellen, wenn denn nun eine wie auch immer gehandhabte Sunna außerhalb des Korans Autorität haben soll, die erst Jahrhunderte später gesammelt und beurteilt wurde, voller Widersprüche ist, sich mit folgendem Vers vertragen soll, der schon viel früher da war:

 

5:3 Heute habe Ich euch eure Religion vervollkommnet und Meine Gunst an euch vollendet, und Ich bin mit dem Islam (Ergebung) als Religion für euch zufrieden.

 

Der Koran jedoch enthält keine Widersprüche (4:82). Kommen wir nun zum Propheten selber. Der Prophet ist laut Koran keine vollkommene Person (9:43, 66:1, 47:19, 48:2) wird aber an anderen Stellen gelobt. Somit hatte er schlussendlich einen außergewöhnlichen Charakter, was auch im Koran Anklang findet. Der Koran fordert den Propheten auf, nicht nach seiner eigenen Neigung zu gehen:

 

2:120 Wenn du jedoch ihren Neigungen folgst nach dem, was dir an Wissen zugekommen ist, so wirst du vor Gott weder Schutzherrn noch Helfer haben. (siehe zB auch: 2:145, 5:48, 5:49)

 

Wir sehen also, dass der Prophet durchaus eine eigene Neigung hatte und dementsprechend keinesfalls sein ganzer Gemütszustand als Offenbarungsquelle gemeint sein kann, wie man es in den Versen 53:1-4 vorgeben will. Wir müssen auch beachten, dass ein Prophet und ein Gesandter nicht dasselbe sind. Somit ist in den Versen 53:1-4 nur die Gesandtenfunktion gemeint, wonach ein Gesandter wie alle Gesandten nur die Botschaft, also den Koran zu übermitteln haben (16:35). Da Offenbarungen nicht vom Gesandten selbst kommen, sondern Gott sie ihm eingibt, haben wir dementsprechend keinen Widerspruch in den Versen, wenn diese Muhammad keine Neigung attestieren. Aber ein Prophet ist nicht vollkommen, wie wir aus den eben genannten Versen entnehmen können und so wird der Prophet mit seiner Gesandtenfunktion zusammen im Koran auch dementsprechend nur als Warner gesehen:

 

7:188 Ich bin nur ein Warner und ein Frohbote für Leute, die glauben. (siehe auch: 27:92, 35:23)

 

Wir sehen der Prophet und Gesandte ist nur ein Warner. Nun, womit hat er denn gewarnt? Schauen wir auf folgende Verse:

 

32:2-3 Die Offenbarung des Buches, an dem es keinen Zweifel gibt, ist vom Herrn der Weltenbewohner. Oder sagen sie: „Er hat es ersonnen“? Nein! Vielmehr ist es die Wahrheit von deinem Herrn, damit du ein Volk warnst, zu denen noch kein Warner vor dir gekommen ist, auf dass sie rechtgeleitet werden mögen.

 6:19 Sag: Welches ist das größte Zeugnis? Sag: Gott (, Er) ist Zeuge zwischen mir und euch. Und dieser Qur’an ist mir eingegeben worden, damit ich euch und (jeden), den er erreicht, mit ihm warne. Wollt ihr denn wahrlich bezeugen, daß es neben Gott andere Götter gibt? Sag: Ich bezeuge (es) nicht. Sag: Er ist nur ein Einziger Gott, und ich sage mich von dem los, was ihr (Ihm) beigesellt. (siehe auch 42:7, 7:2-3)

 

Wir erkennen, dass die einzige Funktion Muhammads ein Warner ist und dies anhand des Korans geschieht. Es gibt keinen einzigen Vers im Koran, der Offenbarung mit etwas Anderem als den Koran oder den vorangegangenen heiligen Büchern in Verbindung bringt. Was sagt der Koran weiter über Muhammad?

 

18:110 Sag: Gewiss, ich bin ja nur ein menschliches Wesen gleich euch… (siehe auch 41:6)

 

Über Muhammad wird also mit Berücksichtigung des Kontextes gesagt, dass er nur ein Mensch, nur ein Warner ist. Der nächste Punkt ist, was vor Gott nun als Offenbarung gilt. Folgende Verse beantworten die Frage:

 

2:22-23 … So stellt Gott nicht andere als Seinesgleichen zur Seite, wo ihr (es) doch (besser) wißt. Und wenn ihr im Zweifel über das seid, was wir unserem Diener offenbart haben, dann bringt doch eine Sura gleicher Art bei und ruft eure Zeugen außer Gott an, wenn ihr wahrhaftig seid!

17:82: Und Wir offenbaren vom Qur’an, was für die Gläubigen Heilung und Barmherzigkeit ist; den Ungerechten aber mehrt es nur den Verlust. (siehe auch: 2:23, 45:1-2, 12:2, 5:48)

 

Die Bejahenden der Frage “Ist Sunna eine Offenbarung” sollen uns jetzt aus dem Koran belegen, dass es andere Offenbarungen außerhalb des Korans und den vorangegangenen Büchern gibt. Es gibt im Koran nur folgende Einwände, die man machen könnte:

 

66:3 Als der Prophet einer seiner Gattinnen eine Mitteilung im geheimen anvertraute. Als sie sie dann kundtat und Gott es ihm offen darlegte, gab er (ihr) einen Teil davon bekannt und überging einen (anderen) Teil. Als er es ihr nun kundtat, sagte sie: „Wer hat dir das mitgeteilt?“ Er sagte: „Kundgetan hat (es) mir der Allwissende und Allkundige.“

 

Gott teilt also dem Propheten etwas mit, das im Koran keine Erwähnung findet. Im Vers kommt jedoch das Wort “Offenbarung” (arabisch: vahy) hier gar nicht vor und Gott es hier nur „offen darlegt“. Deswegen hat es mit dem Status “Offenbarung”, die für uns auch relevant ist, nichts gemein. Die Details in diesem Vers sind für uns sowieso völlig hinreichend, um daraus für den Glauben die nötigen Schlüsse zu ziehen. Nächster Vers:

 

8:6-7 und sie mit dir über die Wahrheit stritten, nachdem (es) klargeworden war, als ob sie in den Tod getrieben würden, während sie zuschauten. Und als Gott euch versprach, daß die eine der beiden Gruppen euch gehören sollte, und ihr (es) lieber gehabt hättet, daß diejenige ohne Kampfkraft euer sein sollte! Aber Gott will mit Seinen Worten die Wahrheit bestätigen und die Rückkehr der Ungläubigen abschneiden, …

 

Zwar hat sich Gott hier tatsächlich den Gläubigen in der Vergangenheit mitgeteilt, jedoch wird auch dazu Offenbarung selbst nicht erwähnt. Natürlich ist der Vers selbst Offenbarung und gibt uns alle nötigen Details, damit wir als Gläubige erkennen können was hier genau in der Vergangenheit mitgeteilt wurde. Zum Einwand, dass es hier außerhalb des Korans Offenbarung geben soll, kann man folgenden Vers aufzeigen:

 

16:101 Und wenn Wir einen Vers anstelle eines (anderen) Verses austauschen – und Gott weiß sehr wohl, was Er offenbart -, sagen sie: „Du ersinnst nur Lügen.“ Aber nein! Die meisten von ihnen wissen nicht.

 

Gott hat also in 8:6-7 die letzte Form dieser Geschichte, in einer für Ihn genügenden Weise, beschrieben. Wir haben also im Koran die vollkommene (5:3), ausführlich dargelegte (6:114, 11:1, 41:3, 41:44), vollständige (auch: vollkommene) (6:115), nichts ausgelassene (6:38) und alles erklärende (16:89, 12:111) Fassung der Offenbarungen, die für uns erlaubt sind (5:44,45,47). Ich möchte auch anmerken, dass Muhammad als Prophet, also nicht in seiner Gesandtenfunktion, sich zu beraten hatte (3:159). Warum soll sich Muhammad beraten da er doch nicht aus eigener Neigung spricht? Im Koran steht doch:

 

6:57 Das Urteil gehört allein Gott. Er berichtet die Wahrheit, und Er ist der Beste derer, die entscheiden.

 

Natürlich handelt es sich in 3:159 nur um weltliche Angelegenheiten, die der Prophet mit Einbeziehung seiner Landsleute zu entscheiden hatte und nicht um religiöse Belange. Doch wenn wir sagen, dass Muhammad nur Offenbarungen von sich gab, haben wir hier einen klaren Widerspruch zu 6:57.

 

Die Weisheit, die nicht die Sunna ist

Ich möchte noch auf ein weiteres Gegenargument eingehen. Es wird in Bezug zu dieser Argumentation gerne die Behauptung aufgestellt, dass zwar Offenbarung nicht direkt mit der tradierten Sunna in Beziehung stehe, jedoch die Weisheit, welche laut Koran Muhammad gegeben wurde, diese Sunna darstellen soll. Gerne wird dabei folgender Vers präsentiert, um diesem Argument Nachdruck zu verleihen:

 

3:164: Gott hat den Gläubigen wirklich eine Wohltat erwiesen, als Er unter ihnen einen Gesandten von ihnen selbst geschickt hat, der ihnen Seine Zeichen verliest, und sie läutert und sie das Buch und die Weisheit lehrt, obgleich sie sich zuvor wahrlich in deutlichem Irrtum befanden.

 

Hier möchte ich zuallererst den Leser darauf aufmerksam machen, dass von Weisheit die Rede ist, nicht aber von einer Sunna. Im Koran ist das Wort Sunna bekannt und findet, wie anfangs erläutert, nur in Beziehung zur Sunna Gottes Erwähnung. Aber auch aus den eigenen Quellen der Sunniten kann man unschwer erkennen, dass Weisheit unterschiedlich interpretiert wurde. Wenn wir zum Beispiel einer Überlieferung von Ibn Abbas glauben schenken wollen, so hält er selbst Weisheit für Koranwissen.

Die oben zitierte Verskonstellation kommt so mehrfach im Koran vor. Jedes mal fängt es in diesen Versvarianten immer damit an, dass Zeichen (der Koran) verlesen werden. Man kann dem Argument, dass Weisheit Sunna sein soll, folgendermaßen schnell entgegnen, indem man anführt, dass der Gesandte hier das Buch und die Weisheit nur mit dem Koran weitergibt. Jetzt ist die Behauptung „eine bestimmte Sunna muss das regeln“ nur noch an einer Frage zu klären: Verliest der Gesandte die Zeichen und die Weisheit nur aus dem Koran? Für die Bestätigung unserer These und die Bejahung dieser Frage seien folgende Koranverse genannt:

 

17:39 Das ist etwas von dem, was dir dein Herr an Weisheit (als Offenbarung) eingegeben hat. Und setze neben Gott keinen anderen Gott, sonst wirst du in die Hölle geworfen, getadelt und verstoßen.

10:1 Alif-Lam-Ra. Dies sind die Zeichen des weisen Buches.

 

Insbesondere Vers 17:39 folgt nach einer Fülle von Anordnungen für die Gläubigen in den vorherigen Versen, womit ein direkter Bezug zum Koran hergestellt ist. Auch folgende Verse bestätigen nochmals unsere These:

 

27:91-92 Mir ist nur befohlen worden, dem Herrn dieser Ortschaft zu dienen, Der sie geschützt hat und Dem alles gehört. Und mir ist befohlen worden, einer der (Ihm) Ergebenen zu sein. und den Qur’an zu verlesen. Wer sich nun rechtleiten lässt, der ist nur zu seinem eigenen Vorteil rechtgeleitet. Und wenn einer irregeht, dann sag: Ich gehöre ja nur zu den Überbringern von Warnungen.

 

Weitere Betrachtungen zur Bejahung der Frage, ob Weisheit nur dem Koran entnommen werden kann, finden Sie in den am Artikelende verlinkten Beiträgen. Die Befürworter der Behauptung, dass Sunna eine Offenbarung sei, können hingegen keinen einzigen Koranvers aufbieten, in dem Weisheit eine ergänzende Sunna sein soll. Es gibt keinen einzigen Vers im Koran, der Weisheit anders erklärt als in Bezug zur Offenbarung in den abrahamitischen Büchern. Sunna selbst wird, wie eben erwähnt, im ganzen Koran nur in Bezug zu Gott verwendet. Für diejenigen Leser, die eine traditionelle Sunna nicht als Offenbarung sehen, ihr aber trotzdem Autorität geben, kann man noch folgende Argumente aufbringen: Immer steht in diesen Verskonstellationen, dass der Gesandte „sie läutert”. Wenn wir argumentieren, dass dies mit der Sunna geschehe, widerspricht das eindeutig Koranversen, in denen Gott sagt:

 

28:56 Gewiß, du kannst nicht rechtleiten, wen du gern (rechtgeleitet sehen) möchtest. Gott aber leitet recht, wen Er will. Er kennt sehr wohl die Rechtgeleiteten.

 

Deswegen kann der Gesandte nicht über eine eigene Sunna rechtleiten/läutern. Der vorletzte Punkt dazu ist, dass wieder vom Gesandten die Rede ist und das ist auch in allen anderen betreffenden Verskonstellationen der Fall. Die einzige Funktion für einen Gesandten ist überall im Koran nur die Übermittlung der Botschaft. Sollte also der Gesandte außerhalb des Koran etwas hinzufügen, widerspricht das der mehrfach im Koran erwähnten einzigen Funktion, dass der Gesandte nur die Offenbarung zu übermitteln hat.

Für die Befürworter der Behauptung, dass Sunna eine Offenbarung sei, kommt in Bezug zum eben erwähnten Vers 28:56 noch folgende Frage hinzu: Wenn der Prophet selbst nicht rechtleiten kann, wen er will, obwohl er ja nach der Meinung der Befürworter nur Offenbarungen von sich gibt, wieso kann er dann nicht rechtleiten, wen er will? Hat er jetzt doch eine eigene Persönlichkeit oder Teilpersönlichkeit? Und wenn dem so ist, wie will man das denn nun genau trennen? Gibt es einen Koranvers, der das regelt? Wohl kaum! Ich schließe den Artikel mit folgenden Versen ab:

 

43:15 Und sie stellen Ihm einen Teil von Seinen Dienern (als Seinesgleichen zur Seite). Der Mensch ist ja offenkundig sehr undankbar.

6:155 Und dies ist ein Buch, das Wir (als Offenbarung) hinabgesandt haben, ein gesegnetes (Buch). So folgt ihm und seid gottesfürchtig, auf daß ihr Erbarmen finden möget!

 

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