Vererbung der Religionen

Kategorien: Meinungen

Eingangsfrage:
Welche Gegebenheiten sind ausschlaggebend für Glaubenszugehörigkeit eines Menschen und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für den Umgang mit anderen Religionsangehörigen?

Welcher Religionsgemeinschaft ein Mensch angehört und ob und wie er seinen Glauben lebt, hängt zunächst einmal davon ab, wo er hineingeboren wird und wie er aufwächst. Denn genauso, wie viele andere Dinge durch die Familie und die Umgebung geprägt werden, so wird auch die Religionszugehörigkeit (bzw. die Nichtzugehörigkeit) erst einmal von den Eltern an die Kinder weitergegeben. Deren Kulturdenken, die Traditionen und die Religion stehen meist in direktem Zusammenhang mit dem Land, in welchem sie leben oder aus welchem sie stammen.

Die Familie gibt aber nicht nur die Religionszugehörigkeit an ihr Kind weiter, sondern sie ist auch in hohem Maße entscheidend dafür, wie sich das Kind in Sachen Bildung und eigenständiges Denken entwickelt. Jedoch nicht nur die Familie, sondern auch gesellschaftliche und soziale Einflüsse der Umgebung spielen eine große Rolle. Zum einen auf die Familie selbst und später in vermehrten Maße auch direkt auf das heranwachsende Kind. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass die religiöse Prägung eines Kindes zunächst einmal durch die Familie und indirekt auch durch das Umfeld, in welchem die Familie lebt, vorbestimmt ist.

Wenn das Kind dann zum Erwachsenen heranwächst und beginnt, sich eigene Gedanken zu machen, kann es passieren, dass sich manch einer mit dem „vererbten“ Glauben nicht mehr identifizieren kann, sich von einer anderen Religion mehr angesprochen fühlt oder sogar ganz vom Glauben abfällt – vielleicht auch nur zeitweise. Ebenso können natürlich auch atheistisch erzogenen Kinder irgendwann zum Glauben finden.

Beginnt dann jemand mit Traditionellem zu brechen, sei es im Glauben oder auch in anderen Bereichen, so hat dieser Mensch oftmals einen schweren Weg vor sich, denn durch solch einen Schritt stößt er in seinem sozialen Umfeld nicht selten auf Unverständnis oder sogar Ablehnung. Dadurch können diesem Menschen die Wurzeln und der Halt verloren gehen. Dies ist in hohem Maße auch davon abhängig, ob und wie diese persönlichen Veränderungen von der Familie und den Freunden (mit)getragen werden.

Der Umgang der Religionsangehörigen miteinander

Wenn es aber nun zunächst einmal gar nicht in unserer Hand liegt, wo und wie wir aufwachsen und leben und welcher Glaubensgemeinschaft wir angehören, bedeutet das folglich nicht umso mehr, dass wir respektvoll auch mit Anhängern anderer Religionsgemeinschaften umgehen sollten? Auch dann, wenn uns manches in den anderen Religionen fremd oder sogar falsch vorkommt? Dürfen wir uns anmaßen über andere und ihren Glauben zu urteilen? Ich denke nicht, denn nur für uns selbst dürfen wir urteilen, annehmen oder auch verwerfen.

 Matthäus 7,1-5
1 „Verurteilt nicht andere, damit Gott nicht euch verurteilt! 2 Denn euer Urteil wird auf euch zurückfallen, und ihr werdet mit demselben Maß gemessen werden, das ihr bei anderen anlegt. 3 Warum kümmerst du dich um den Splitter im Auge deines Bruders oder deiner Schwester und bemerkst nicht den Balken in deinem eigenen? 4 Wie kannst du zu deinem Bruder oder deiner Schwester sagen: Komm her, ich will dir den Splitter aus dem Auge ziehen, wenn du selbst einen ganzen Balken im Auge hast? 5 Scheinheilig bist du! Zieh doch erst den Balken aus deinem eigenen Auge, dann kannst du dich um den Splitter in einem anderen Auge kümmern!“


Nicht belehren, geschweige denn verurteilen sollen wir, sondern miteinander im Gespräch sein und den Anderen in erster Linie als Menschen sehen und nicht als Angehörigen irgendeiner Glaubensgruppe, da ansonsten die Gefahr besteht, dass wir diesen Menschen vorschnell in irgendeine Schublade schieben. Nur durch eine vorurteilsfreie Begegnung ist ein wirkliches Kennenlernen und ein offener, fruchtbarer Dialog und ein friedliches Miteinander möglich. Zu einem offenen Dialog gehört zum einen, dem Anderen zuzuhören und zum andern auch eventuelle Einwände gegen die Auslegungen des eigenen Glaubens zulassen zu können ohne sich angegriffen zu fühlen. Nur so ist ein für alle Seiten erkenntnisbringende Diskussion möglich.

Die Religionen haben oftmals mehr Gemeinsamkeiten, als man auf den ersten Blick vermutet oder sieht. Wir sollten also nicht in erster Linie nach dem Trennenden schauen, sondern uns innerlich frei machen von Ängsten und Vorurteilen, um so den Blick für das Verbindende zu öffnen. Ein Dialog, der vorurteilslos und respektvoll geführt wird, kann helfen einander besser zu verstehen und auch voneinander zu lernen. Es gibt nicht nur einen einzigen Weg um zur Wahrheit zu gelangen. Gott wirkt nicht nur in einer bestimmten Religion. Gott wirkt überall!

Schlussgedanke

Jede Religion nimmt für sich in Anspruch, der richtige Weg zu sein. Das würde im Umkehrschluss bedeuten, dass alle anderen falsche Wege gehen, oder eine falsche Glaubensauslegung haben. Kann man das so einfach sagen? Ist es nicht vielmehr so, dass sich in allen Religionen Weisheit und Wissen finden lassen, durch welche man zur Wahrheit, zu Gott, gelangen kann? Es liegt aber auch an uns selbst, durch eigenes Nachdenken Wissen zu erwerben.

 Prüft aber alles, und das Gute behaltet. – 1.Thess 5,21


Ich sehe die verschiedenen Religionen als verschiedene Wege, die manchmal voneinander wegführen, sich trennen, dann aber auch wieder zusammenführen oder sich sogar überschneiden können. Im Idealfall münden sie aber letztendlich alle zusammen im wichtigsten aller Ziele: bei Gott.