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Jerusalem, Felsendom

Auserwählt oder verflucht: Was sagt der Koran über die Juden aus?

In einem kürzlich in der Tageszeitung Le Parisien veröffentlichten Manifest gaben über 250 französische Intellektuelle ihre Bedenken über den wachsenden Antisemitismus in Frankreich bekannt. Das Manifest entfachte eine große Kontroverse, nicht nur weil die Liste der Unterzeichner Berühmtheiten wie den ehemaligen Präsidenten Frankreichs Nicolas Sarkozy, den ehemaligen Ministerpräsidenten Manuel Valls, den Sänger Charles Aznavour und den Schauspieler Gérard Depardieu umfasste, sondern auch wegen seinem provokativen Unterton. Genauer gesagt macht das Manifesto die Lehren des Koran für die jüngsten antisemitischen Anschläge in Frankreich − dem Land mit der größten muslimischen und jüdischen Bevölkerung − verantwortlich und empfiehlt eindringlich, dass Muslime die Koranverse denunzieren, die ihrer Meinung nach die Muslime dazu motivierten, die Juden zu töten. Sie verlangen auch von Politikern und der französischen Öffentlichkeit damit aufzuhören, politisch korrekt zu sein und zuzugeben, dass der „muslimische Antisemitismus“ eine ernsthaftere Bedrohung als Islamophobie sei.

Dies war weder der erste Versuch noch wird es der letzte sein, eine Verbindung zwischen Islam und Gewalt herzustellen. Zeitgenössische atheistische Denker wie Richard Dawkins und Sam Harris beschuldigen die koranischen Lehren für die terroristischen Angriffe im Westen. Im Jahr 2015 schrieb ein Kulturanthropologe von der Universität Utrecht an The Guardian, dass der Koran für den wachsenden Antisemitismus im Westen verantwortlich sei. Die britische Journalistin Melanie Phillips hat letzte Woche, obwohl vorsichtiger in ihrer Einschätzung, von „muslimischem Antisemitismus“ gesprochen und argumentiert, dass Islamophobie von Muslimen geprägt worden sei, um Kritik am Islam und der islamischen Welt abzuwehren.

Das französische Manifest kränkte Muslime auf der ganzen Welt und erhielt eine Vielzahl von Antworten. Einige Muslime erinnerten die französischen Intellektuellen an gewalttätige und scheinbar antisemitische Verse in der Bibel. Da diese Antwort jedoch nichts über den Islam aussagt, geht sie nicht auf das Hauptproblem ein. Außerdem hatten die Unterzeichner auch bereits ihr Unbehagen mit den sogenannten antisemitischen Versen in der Bibel ausgedrückt. In der Tat haben sie ihre Wertschätzung für die kirchliche Verurteilung gegen den Antisemitismus ausgesprochen und muslimische religiöse Führer aufgefordert, dasselbe zu tun. Andere Muslime, darunter der türkische EU-Außenminister Ömer Çelik, tadelte französische Intellektuelle dafür, die Koranverse für politische Zwecke zu manipulieren und, haarsträubend wie der IS es macht, Gewalt aus dem Koran abzuleiten.

 

Was sagt der Koran über die Juden aus?  Stachelt er die muslimischen Massen zu Antisemitismus an?

Zunächst sind die Handlungen der Muslime oft nicht koranisch motiviert. So gab zum Beispiel Youssouf Fofana, der Anführer der berüchtigten Bande der Barbaren, zu, dass seine Bande 2006 einen jüdischen Mann wegen des Lösegeldes entführt und gefoltert habe. Darüber hinaus stehen manchmal die Handlungen der Muslime im Widerspruch zum Koran. Zum Beispiel haben die Muslime, die den Anschlag auf Charlie Hebdo im Jahre 2015 verübten, den Koran missachtet, da der Koran die Menschen dazu auffordert, diejenigen, die Gott und die Religion ins Lächerliche ziehen, aus Protest alleine zu lassen (4:140). Der Koran verhängt keine weltliche Bestrafung für diejenigen, die den Islam verhöhnen. Dennoch empfanden die Terroristen den im Koran erwähnten Protest als unzureichend und beschlossen, die Mitarbeiter von Charlie Hebdo zu töten. Indem sie ihren eigenen religiösen Gefühlen nachgingen, verrieten diese Terroristen die koranischen Prinzipien.

Terroristen, die angeblich im Namen des Islam handeln, sind in der Regel ungebildet, was den Koran betrifft. Zum Beispiel fehlten den britischen Terroristen Mohammed Ahmed und Yusuf Sarwar grundlegende Informationen über den Islam und so bestellten sie vor ihrer Reise nach Syrien, um sich dem IS anzuschließen, „Koran für Dummies“ und „Islam für Dummies“ über Amazon. Ein durchgesickerter Geheimdienstbericht der Regierung, der auf ausführlichen Interviews basiert, zeigt, dass diese beiden keine Ausnahmen waren; Terroristen sind normalerweise schlecht über die Hauptlehren des Islam informiert und führen islamische Rituale nicht regelmäßig durch. Im Gegenteil, einige von ihnen sind Drogenkonsumenten, trinken Alkohol, essen Schweinefleisch und suchen Prostituierte auf. Der Bericht kommt zum Schluss, dass Religiosität eine Radikalisierung gar verhindern könnte.

Auch wenn einige Täter antisemitischer Angriffe in Frankreich Muslime sind, heißt das nicht, dass sie durch ein richtiges Verständnis des Koran motiviert werden. Um das zu zeigen, müsste man darlegen, dass es im Koran tatsächlich antisemitische Verse gibt.

 

Der Koran über die Juden

Einige Muslime argumentierten als Reaktion auf das Manifest, dass eine wörtliche Auslegung des Koran der Grund dafür ist, die koranische Einstellung gegenüber Juden zu missverstehen; zeitgenössische Muslime sollten den Koran symbolisch und nicht wörtlich lesen. Das eigentliche Problem betrifft jedoch das Rosinenpicken und die Fehlinterpretation bestimmter Verse über Juden, während man andere, welche die Juden loben, übersieht. Eine korrekte und gründliche Lektüre des Korans – eine, die alle Verse zu diesem Thema berücksichtigt – zeigt, dass der Koran nicht antisemitisch ist.

Nach dem Koran ist keine Rasse und kein Volk ontologisch anderen überlegen. In der Tat warnt der Koran die Gläubigen davor, andere Volksgruppen herabzusetzen:

 

49:11 Ihr, die ihr glaubtet, lasst nicht ein Volk ein anderes verhöhnen; vielleicht sind diese ja besser als sie. […]

 

Wenn Juden also im Koran kritisiert oder gelobt werden, geschieht dies gänzlich aufgrund ihrer Taten, nicht aufgrund ihrer Rasse oder Religion – wie es bei Muslimen der Fall ist. Zum Beispiel werden Muslime dafür kritisiert, dass sie tratschen (24:12) und den Koran als Leitfaden aufgeben (25:30). Selbst der Prophet Muhammad wurde für seine Fehler kritisiert, etwa als er dafür kritisiert wurde, einen Blinden abzuweisen, während er den Eliten seiner Gesellschaft den Islam predigte (80:1-10).

Obwohl der Koran besagt, dass Gott seine Gunst den Juden geschenkt hat (2:47), kritisiert er sie auch für ihr Fehlverhalten. So werden gewisse Juden kritisiert, wiederum nur wegen ihrer Taten, da sie ihre Propheten töteten (5:70), andere Götter verehrten (9:30-31), ihren Bund brachen (2:83), behaupteten, dass das Paradies ausschließlich für die Juden bestimmt sei (2:94), Gott verleumdeten (4:50, 5:64), sich über den Islam und die Muslime lächerlich machten (5:57) und Gott gegenüber undankbar (45:16-17) waren. Aber Juden werden in ihren eigenen Schriften – der hebräischen Bibel – aus ähnlichen Gründen kritisiert. In Jeremia (2, 19, 26-28) zum Beispiel werden Juden dafür kritisiert, dass sie ihren Bund mit Gott brechen, Gott undankbar sind, andere Götter anbeten und ihre Söhne töten.

Der Koran, wie die Hebräische Bibel auch, behauptet nicht, dass alle Juden Übeltäter wären. Durchaus bestätigt er die Rechtschaffenheit von Juden und Christen (3:113-115; 3:199; 7:159; 7:168). Während der Koran einige Juden wegen ihrer Ungerechtigkeit kritisiert, lobt er andere für ihre Rechtschaffenheit. Hierbei stellt er keine pauschalen Behauptungen über alle Juden als Volksgruppe auf.

Wie Muslime werden auch Juden, die an Gott glauben und gute Taten vollbringen, belohnt:

 

2:62 Gewiss, diejenigen, die glaubten und die Juden und die Christen und die Sabäer, wer an Gott und den letzten Tag glaubte und Rechtschaffenes tat, sie haben ihren Lohn bei ihrem Herrn und weder Angst sei über ihnen noch sollen sie traurig sein.

 

Außerdem werden Synagogen und Kirchen zusammen mit Moscheen im Koran gepriesen, da diese Orte sind, an denen der Name Gottes oft erwähnt wird (22:40).

Wenn der Koran feststellt, dass Juden, die den Bund brechen, Gesandte töten und andere Götter verehren, verflucht sind, werden sie nicht wegen ihrer Rasse, sondern aufgrund ihrer Taten verflucht. Solange sie gute Taten vollbringen, hilft Gott den Juden in dieser Welt weiter und verspricht ihnen, sie im Jenseits zu belohnen.

 

Verbietet es der Koran Muslimen, Juden zu Freunden zu nehmen?

Während es einen Vers gibt (5:51), der zu implizieren scheint, dass Muslime niemals Juden und Christen als Freunde oder Verbündete nehmen sollten (Awliyāʾ), erklärt der Koran nur sechs Verse später in derselben Sure selbst, welche Arten von Juden und Christen nicht als Awliyāʾ genommen werden sollten (5:57-58):

 

5:51 Ihr, die ihr glaubtet, nehmt euch nicht die Juden und die Christen zu Verbündeten. Sie sind untereinander Verbündete. Wer von euch sie zu Verbündeten nimmt, gehört zu ihnen. Gewiss, Gott leitet das ungerechte Volk nicht recht.

5:57 O ihr, die ihr glaubtet, nehmt euch aus den Reihen derer, denen die Schrift vor euch zugekommen ist, nicht diejenigen, die eure Religion zum Gegenstand von Spott und Spiel nehmen, und auch nicht die Ableugner zu Verbündeten. Und seid Gottes achtsam, so ihr gläubig seid.
5:58 Wenn ihr zum Gebet ruft, nehmen sie es zum Gegenstand von Spott und Spiel. Dies, weil sie Leute sind, die ihren Verstand nicht brauchen.

 

So schließt der Koran nicht Freundschaften mit allen Juden und Christen aus, sondern nur mit jenen, die sich über Gott und die Religion lächerlich machen. Tatsächlich gibt dieselbe Sure, als Beweis für die tiefen Freundschaften, die Muslime mit Christen und Juden haben dürfen, Muslimen die Erlaubnis (5:5), sowohl Christen als auch Juden zu heiraten. Wenn der Koran es Muslimen nicht erlaubte, Freundschaften mit Christen oder Juden zu schließen, wie sollten sie diese dann heiraten können? Zu guter Letzt können die Muslime, in Anbetracht der Umstände zur Offenbarungszeit des Koran, jüdische und christliche Freunde haben, die gegenüber Muslimen nicht feindlich gesinnt sind, Muslime kriegerisch bekämpfen oder Muslime aus ihren Ländern vertreiben (60:1, 60:8-9).

 

Weltliche Bestrafung für die Fehler der Juden?

Selbst wenn die muslimischen, antisemitischen Angreifer in Frankreich Recht gehabt hätten, dass die von ihnen angegriffenen Juden nicht rechtschaffen waren, gibt der Koran den Muslimen nicht die Erlaubnis, sie zu bestrafen. Im Gegenteil, im Koran wird dem Propheten Muhammad befohlen, Übeltäter zu vergeben und sie zu tolerieren:

 

5:13 Weil sie aber ihren Bund brachen, verfluchten wir sie und ließen ihre Herzen hart werden. Sie entstellen den Sinn der Worte. Und sie vergaßen einen Teil von dem, womit sie ermahnt worden waren. Und du wirst immer wieder Verrat von ihrer Seite erfahren — bis auf wenige von ihnen. Aber verzeih ihnen und lass es ihnen nach. Gewiss, Gott liebt die Gütigen.

 

Gott wird laut Koran über ihre Handlungen richten:

 

45:16 Wir gaben ja den Kindern Israels die Schrift, das Urteil und das Prophetentum und versorgten sie von den guten Dingen und begünstigten sie vor den Weltenbewohnern.
45:17 Und Wir gaben ihnen Klarheiten in der Angelegenheit. Sie wurden aber erst uneinig, nachdem das Wissen zu ihnen gekommen war – aus Missgunst untereinander. Gewiss, dein Herr wird am Tag der Auferstehung zwischen ihnen über das entscheiden, worüber sie uneinig zu sein pflegten.

 

Natürlich erlaubt es der Koran, gegen jüdische Feinde zu kämpfen, wenn sie gegen Muslime Krieg führen oder denen helfen, die gegen Muslime Krieg führen. Diese Verse sind jedoch nicht auf Juden beschränkt. Der Koran erlaubt es Muslimen, sich gegen alle Angreifer unabhängig von ihrem Glauben zu verteidigen:

 

22:39 Erlaubnis (zum Verteidigungskrieg) wurde denjenigen, die bekämpft werden, erteilt, weil ihnen Unrecht zugefügt wurde. Und gewiss, Gott hat die Macht, ihnen zu helfen.

 

Aber Muslime dürfen keinen Krieg gegen eine Gruppe führen, nur weil diese Gruppe an eine andere Religion glaubt. Muslime dürfen nur kämpfen, wenn sie angegriffen werden. Was wiederum zählt, sind die Handlungen der „Anderen“, nicht ihre Identität.

 

Französische Politik und das Manifest

Obwohl nur ein winziger Teil der sechs Millionen Muslime in Frankreich an antisemitischen Angriffen beteiligt war, wird dieses Manifest wahrscheinlich die Islamophobie verstärken, indem es offiziell eine Verbindung zwischen dem Koran und dem Antisemitismus in den Köpfen der Franzosen herstellt.

Das ist genau das, was der IS will. IS-Führer haben erklärt, dass sie die große Mehrheit der Muslime im Westen anvisieren, um gewöhnliche Muslime zu „Dschihadisten“ zu machen. Die Islamophobie, die durch dieses Manifest verstärkt wird, hilft dem IS, Muslime davon zu überzeugen, dass der Westen sie hasst. Das Manifest hilft dabei, fruchtbaren Boden für potenzielle IS-Rekruten zu schaffen.

Schließlich hätten der frühere Präsident Sarkozy und der ehemalige Premierminister Manuel Valls, anstatt dieses provokante Manifest zu unterzeichnen, härter daran arbeiten können, die politischen und sozialen Bedingungen zu reformieren und zu verbessern, die zu anti-muslimischen und antisemitischen Gefühlen in Frankreich beitragen. Die Entwicklung von Strategien für die Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts, die Verringerung der sozialen Ungleichheit und die Verbesserung der sozialen Gerechtigkeit, die Reform der Bedingungen in französischen Gefängnissen und die Verhinderung von Radikalisierung unter den Insassen wären definitiv effektiver als die Muslime dazu aufzurufen, ihre heilige Schrift anzuprangern.

aus dem Englischen von Kerem Adıgüzel

Die Stellung der Juden und Christen (Schriftbesitzer) im Koran

Ich suche Zuflucht bei Gott vor dem verworfenen Teufel,
Im Namen Gottes, des Gnädigen, des Barmherzigen,

Frieden,

in diesem Artikel werde ich erörtern, ob die oftmals aufgestellte Behauptung stimmt, Juden und Christen flögen auf der Überholspur in die Hölle, um dort ewig zu brennen, oder ob der Koran hier eine andere Position vertritt. Wir werden in diesem Artikel sehen, dass dieses Thema von konservativen Traditionalisten, vor allem im Bezug zum Koran sehr oft einseitig verstanden oder sogar der unmittelbare koranische Kontext nicht beachtet wird. Ich werde den Begriff “Islam” näher erörtern und aufzeigen, dass dieses Wort nicht einfach nur eine Worthülse, ein Freifahrtschein für das Paradies ist, sobald man die fast immer entstellte Bezeugung (Siehe: Die Shahadah: Das Glaubensbekenntnis der Ergebenen) und die angeblichen fünf Säulen des Islams befolgt. Zuallererst gebe ich die Grundbedingung im Islam an, die nötig ist, um ins Paradies zu gelangen. Vorher möchte ich noch auf folgendes hinweisen:

Niemand außer Gott kann bestimmen, dass eine Person einen sicheren Platz im Garten Eden hat.
Laut Koran werden nämlich selbst die Gesandten am jüngsten Tag befragt (39:69, 7:6).

Aber zurück zu unserer Grundbedingung:

 

64:9 Wer an Gott glaubt und rechtschaffen handelt, dem tilgt Er seine bösen Taten, und den wird Er in Gärten eingehen lassen, durcheilt von Bächen, ewig und auf immer darin zu bleiben; das ist der großartige Erfolg. (Siehe auch 2:62 und 5:69)

 

Generell hat also jeder Mensch, mit Berücksichtigung von 2:62 und 5:69, die Chance ins Paradies zu gelangen, der:

  • an Gott und an den Jüngsten Tag glaubt
  • und rechtschaffen handelt

Und nun zu den  Juden und Christen:

 

2:62: Diejenigen, die glauben, und diejenigen, die dem Judentum angehören, und die Christen und die Säbier – wer immer an Gott und den Jüngsten Tag glaubt und rechtschaffen handelt, – die haben ihren Lohn bei ihrem Herrn, und keine Furcht soll sie überkommen, noch werden sie traurig sein. (Siehe auch: 5:69)

 

Hier wird also den Juden, Christen und Säbiern die Belohnung Gottes ermöglicht. Aber ich höre schon im Hintergrund die Traditionalisten aufspringen, die mit den Ahadith wedeln, um den Vers zu entstellen! Die traditionellen Gelehrten verstellen – unbewusst oder mit Absicht – durch einen Hadith diesen Vers und behaupten, dass hier (2:62) nur die vor dem Islam existierenden Juden Christen und Säbier gemeint sein sollen! Es wird übergangen, dass es Gott allein ist, der den Koran erklären darf (Siehe auch: Und sie sagen der Koran reicht aus! (4/4)). Darüber hinaus ergibt sich ein Widerspruch, wenn behauptet wird, 2:62 meine nur die vorherigen Christen und Juden. Laut Koran wurde die Religion von Gott selbst vervollkommnet und sein Wort geschützt (5:3, 15:9). Demzufolge ergäbe es keinen Sinn, dass ein vollkommenes Buch einer Erklärung im Nachhinein bedürfe, wo Gott persönlich sagt, dass Er selbst die besten Erklärungen liefern werde (25:33). Es kann also nicht sein, dass ein Hadith eine nachträgliche inhaltliche Änderung eines Verses liefert und sich dabei nicht auf Koranverse stützt. Im Endeffekt sind die Ahadith sinnlos in dieser Hinsicht und der angewendete Hadith hat somit keinen Bestand und ist eine klare unerlaubte, inhaltliche Veränderung des Koranverses. Ferner kann man sagen, dass der Koran oft allgemeine Definitionen über Gläubige liefert, ohne sie in eine Gruppe einzuordnen (64:9, 2:82, 4:124, 7:42, 11:23).

Aus den eben erwähnten zwei Grundbedingungen heraus beleuchten wir nun im weiteren Verlauf den Koran – hauptsächlich in Bezug zu den Juden und Christen. Diese beiden Religionsgruppen werden im Koran als Leute der Schrift bezeichnet. Sie,  also die damaligen Juden und Christen, werden im Koran teilweise stark kritisiert aber auch gelobt. Dies hat den Grund, dass ihre Geschichten Beispiele für uns darstellen, dass wir sowohl die guten Beispiele umsetzen als auch die schlechten Beispiele als Warnung sehen sollen, dieselben Fehler zu vermeiden. Mit Sicherheit kann man aber sagen, dass Juden und Christen im Koran keinesfalls pauschal als Leugner der Wahrheit (Kāfirūn) bezeichnet werden.

Leugner der Wahrheit sind nicht, wie gerne falsch übersetzt wird, Menschen, die nur nicht glauben, wie zum Beispiel Atheisten. Dazu mehr im Artikel ‚Die Eigenschaften der Ungläubigen‚. Vielmehr sind es Menschen, die die Wahrheit in den Offenbarungen erkennen, sie aber leugnen. Ein Mensch zum Beispiel, der für den eigenen Profit bewusst Gesetze aus den Offenbarungen bricht und nicht bereut, fällt in die Kategorie Leugner der Wahrheit (2:89-90, 2:109, 2:211).

Es wird jetzt Anhand von Koranversen aufgezeigt, dass Juden und Christen nicht einfach als homogene Gruppe im Koran gesehen werden, sondern eine klare Differenzierung stattfindet:

 

3:113-114 Sie sind nicht (alle) gleich. Unter den Leuten der Schrift ist eine standhafte Gemeinschaft, die Gottes Zeichen zu Stunden der Nacht verliest und sich (im Gebet) nieder wirft. Sie glauben an Gott und den Jüngsten Tag und gebieten das Rechte und verbieten das Verwerfliche und beeilen sich mit den guten Dingen. Jene gehören zu den Rechtschaffenen.

5:82 Du wirst ganz gewiss finden, dass diejenigen Menschen, die den Gläubigen am heftigsten Feindschaft zeigen, die Juden und diejenigen sind, die beigesellen. Und du wirst ganz gewiss finden, dass diejenigen, die den Gläubigen in Freundschaft am nächsten stehen, die sind, die sagen: „Wir sind Christen.“ Dies, weil es unter ihnen Priester und Mönche gibt und weil sie sich nicht hochmütig verhalten.

3:55 Als Gott sagte: „O Jesus, Ich werde dich (nunmehr) abberufen und dich zu mir emporheben und dich von denen, die ungläubig sind, reinigen und diejenigen, die dir folgen, bis zum Tag der Auferstehung über diejenigen stellen, die ungläubig sind. Hierauf wird eure Rückkehr zu Mir sein, und dann werde Ich zwischen euch richten über das, worüber ihr uneinig zu sein pflegtet.

 

Wir sehen, dass Juden und Christen differenziert betrachtet werden und nicht von allen Schriftbesitzern die Rede sein kann, wenn sie unter “Juden” oder “Christen” kritisiert werden. In den folgenden Versen sehen wir, dass Gott sich nicht in Bezug auf Juden, Christen oder Muslimen als “Gruppe” festlegt, sondern den Wert auf die vorhin genannten Grundbedingungen stützt. Dementsprechend, wenn Gott im Koran sagt…

 

3:85 Wer aber als Religion etwas anderes als den Islam begehrt, so wird es von ihm nicht angenommen werden, und im Jenseits wird er zu den Verlierern gehören.

 

… bedeutet Islam nicht einfach einer Religion anzugehören, die Bezeugung oder die fünf Säulen des Islams zu befolgen, sondern auch die anderen Offenbarungen ernstzunehmen und an diese zu glauben. Islam bedeutet “Ergebung in Gott”- es ist also eine aktive Handlung, die ihre Details im Koran aber auch in den vorangegangenen Offenbarungen erfährt. Eine nähere Erläuterung von „Muslim“ finden Sie im Artikel ‚Die Charaktereigenschaften der Muslime‚.

Im Koran werden Juden und Christen kritisiert, sich jeweils als einzige Gruppe zu sehen, die als Gläubige gelten würden (2:120, 2:135, 4:123, 57:29). Natürlich sehen wir das gleiche Verhalten nicht nur in der damaligen Geschichte, sondern auch in der Gegenwart bei vielen Anhängern der abrahamitischen Religionen, also auch bei Muslimen. Aber laut Koran ist der Islam keine neue Religion und der Islam, wie gesagt, nicht einfach eine „Gruppe“, sondern eine aktive Lebenseinstellung ohne individuelle Gruppenzugehörigkeit. Diese Thesen belegen besonders folgende Verse:

 

3:67 Abraham war weder ein Jude noch ein Christ, sondern er war Anhänger des rechten Glaubens, einer, der sich Gott ergeben hat, und er gehörte nicht zu den Götzendienern.

4:125 Wer hätte eine bessere Religion, als wer sein Gesicht Gott hingibt und dabei Gutes tut und dem Glaubensbekenntnis Abrahams folgt, (als) Anhänger des rechten Glaubens? Und Gott nahm sich Abraham zum Freund.

 

Dass der Koran sich im Glauben nicht einfach nur auf bestimmte Offenbarungen fixiert, zeigen unter anderem folgende Verse:

 

4:123-125 Es geht weder nach euren Wünschen noch nach den Wünschen der Leute der Schrift. Wer Böses tut, dem wird es vergolten, und der findet für sich außer Gott weder Schutzherrn noch Helfer. Wer aber, sei es Mann oder Frau, etwas an rechtschaffenen Werken tut, und dabei gläubig ist, jene werden in den Garten eingehen, und es wird ihnen nicht ein Dattelkerngrübchen Unrecht zugefügt. Wer hätte eine bessere Religion, als wer sein Gesicht Gott hingibt und dabei Gutes tut und dem Glaubensbekenntnis Abrahams folgt, (als) Anhänger des rechten Glaubens? Und Gott nahm sich Abraham zum Freund.

16:123 Und hierauf haben Wir dir (Muhammad) eingegeben: „Folge dem Glaubensbekenntnis Abrahams, (als) Anhänger des rechten Glaubens, und er gehörte nicht zu den Götzendienern.“

 

Wir sehen also, dass der Islam nicht einfach “die neueste einzig richtige Religion” ist, sondern die gleichen, vorherigen Offenbarungen bestätigende Religion ist (siehe auch 5:48, 6:92, 10:37, und das Buch Koran, Hadith und Islam). Es wird zwar im Koran bestätigt, dass jede Gemeinschaft ihre eigene kultische Richtung hat (2:148), jedoch sind die Gemeinsamkeiten der Schriften überaus deutlich zu sehen. Wir haben also im Koran, der Tora und dem Evangelium eine sich gegenseitig bestätigende Offenbarungswelle, die in ihrem Wesen gleich sind, also voneinander abhängige Religionen darstellen. Das zeigen folgende Verse unumstößlich:

 

16:43 Und Wir haben vor dir nur Männer gesandt, denen Wir (Offenbarungen) eingegeben haben. So fragt die Leute der Ermahnung, wenn ihr nicht wisst. (Siehe auch 21:7)

 

Der Koran gilt als unverfälschtes Wort Gottes, der die Streitigkeiten unter den damaligen Schriftbesitzern aufklärt (16:64). Schauen wir nun auf die Stellung der Schriftbesitzer. Der Koran erlaubt die Heirat mit Schriftbesitzern:

 

5:5 Heute sind euch die guten Dinge erlaubt. Und die Speise derjenigen, denen die Schrift gegeben wurde, ist euch erlaubt, und eure Speise ist ihnen erlaubt. Und die ehrbaren von den gläubigen Frauen und die ehrbaren Frauen von denjenigen, denen vor euch die Schrift gegeben wurde, …

 

Hätten die konservativen Traditionalisten also Recht, dann dürften Muslime mit solchen verheiratet sein, die ihrer Meinung nach Ableugner der Wahrheit sind. Doch der Koran verbietet die Heirat mit Götzendienern oder Leugnern der Wahrheit (Kāfirūn):

 

60:10 … Und haltet nicht am Bund mit den der Wahrheit leugnenden Frauen fest. …

2:221 Und heiratet Götzendienerinnen nicht, bevor sie glauben.

 

Somit können mindestens nicht alle Schriftbesitzer Leugner der Wahrheit sein. Sie müssen aber auch nicht Anhänger Muhammads sein (5:43-48), müssen aber an den Koran glauben, da es widersprüchlich wäre an Gott zu glauben und gleichzeitig eine Seiner Offenbarungen abzulehnen, was wir gleich sehen werden. Wir sehen also, dass die Stellung der Schriftbesitzer keineswegs eindeutig ist und einer genauen Analyse bedarf. Nicht alle Schriftbesitzer sind Leugner der Wahrheit (Kāfirūn), doch waren es die meisten zum Zeitpunkt der Offenbarung und sind es auch heute noch (5:59, 5:68, 12:103, 12:106). Jetzt wird der Frage nachgegangen, ob Christen an den Koran glauben müssen. In Vers 16:64 wird beschrieben, warum der Koran gesandt wurde:

 

16:64 Und Wir haben auf dich das Buch nur hinab gesandt, damit du ihnen das klar machst, worüber sie uneinig gewesen sind, und als Rechtleitung und Barmherzigkeit für Leute, die glauben.

 

Der Koran versteht sich also als Erklärung der Meinungsverschiedenheiten unter den Schriftbesitzern,  nicht aber im Sinne einer Richtigstellung von Verfälschungen der vorangegangenen Schriften!
 

Zum Verständnis der verwendeten Begriffe: Der Koran gibt nur den Evangelien Autorität (Apokryphen inbegriffen) nicht aber der ganzen Bibel, genauso wie bei Juden nur der Tora. Die Bibel besteht aus dem Altem Testament und dem Neuem Testament. Das AT besteht aus der Tora und den restlichen folgenden Schriften bis zum NT. Das NT besteht aus den Evangelien und den restlichen Schriften bis zum Ende der Bibel.

 Der Koran sieht sich als Bestätigung dieser Schriften:
 

2:41 Und glaubt an das, was Ich (als Offenbarung) hinab gesandt habe, das zu bestätigen, was euch bereits vorliegt. (Siehe auch: 2:91, 2:97, 2:101 und viele andere Verse)

5:68 Sag: O Leute der Schrift, ihr fußt auf nichts, bis ihr die Tora und das Evangelium und das befolgt, was zu euch (als Offenbarung) von eurem Herrn herab gesandt worden ist. Was zu dir (als Offenbarung) von deinem Herrn herab gesandt worden ist, wird ganz gewiss bei vielen von ihnen die Auflehnung und den Unglauben noch mehren. So sei nicht betrübt über das ungläubige Volk!

 

Die Schriftbesitzer sind also verpflichtet an den Koran zu glauben. Das Befolgen bezieht sich nicht einfach nur auf den Koran, sondern auf alle drei Bücher – denn sie alle sind in ihrem Wesen gleich. Gott sagt deswegen über den Koran, wie eben auch erwähnt, dass er die vorangegangenen Schriften bestätigt, nicht aber Verfälschungen innerhalb der Schriften korrigiert! Es gilt auch: Wie die Schriftbesitzer an den Koran zu glauben haben, ist es auch den Muslimen in Bezug zur Tora und zum Evangelium eine Pflicht, sie auch heute noch als Gottes Offenbarungen zu akzeptieren:

 

29:46 Und streitet mit den Leuten der Schrift nur in bester Weise, außer denjenigen von ihnen, die Unrecht tun. Und sagt: „Wir glauben an das, was (als Offenbarung) zu uns herab gesandt worden ist und zu euch herab gesandt worden ist; unser Gott und euer Gott ist Einer, und wir sind Ihm ergeben‘.“ (Siehe auch: 4:47)

2:136 Sagt: Wir glauben an Gott und an das, was zu uns (als Offenbarung) herab gesandt worden ist, und an das, was zu Abraham, Ismael, Isaak, Jakob und den Stämmen herab gesandt wurde, und (an das,) was Moses und Jesus gegeben wurde, und (an das,) was den Propheten von ihrem Herrn gegeben wurde. Wir machen keinen Unterschied bei jemandem von ihnen, und wir sind Ihm ergeben. (Siehe auch 2:285 und 3:84)

 

Der Koran erwähnt eine angebliche Verfälschung der Tora oder des Evangeliums in keinem Vers! Im Koran steht stattdessen:

 

2:121 Diejenigen, denen Wir die Schrift gegeben haben, lesen sie, wie es ihr zusteht; sie glauben daran. Wer sie jedoch verleugnet, das sind die Verlierer.

 

Der Koran hält also dazu an, die vorangegangenen Schriften richtig zu lesen. Vergessen wir nicht: Jesus selbst sagt im Evangelium, dass er zu den Menschen nur in Gleichnissen spricht (Lukas: 8:10). Laut Koran sollen die Christen nach dem urteilen, was sie im Evangelium vorfinden, und die Juden nach der Tora:

 

5:47 Und so sollen die Leute des Evangeliums nach dem walten, was Gott darin herab gesandt hat. Wer nicht nach dem waltet, was Gott (als Offenbarung) herab gesandt hat, das sind die Frevler.

5:43 Wie aber können sie dich richten lassen, während sie doch die Tora haben, in der das Urteil Gottes (enthalten) ist, und sich hierauf, nach alledem, abkehren? Diese sind doch keine Gläubigen.

 

Wir müssen also davon ausgehen, dass die Tora und das Evangelium mindestens insoweit authentisch sind, dass Juden und Christen mit ihnen urteilen können. Wenn es direkte Widersprüche mit dem Koran gibt, ist er vorzuziehen. Man muss aber auch sagen, dass diese „kritischen Stellen“, seien sie in der Tora oder im Evangelium, meistens auch Koran konform gelesen werden können und man nicht von einer Verfälschung sprechen muss. Ich möchte hier anmerken, dass die Tora und das Evangelium zu Zeiten Muhammads die gleichen Schriften waren, wie wir sie heute vorliegen haben. Traditionalisten entgegnen der Verpflichtung, die Tora ernstzunehmen, mit folgendem Vers:

 

4:46 Unter denjenigen, die dem Judentum angehören, verdrehen manche den Sinn der Worte‘ und sagen: „Wir hören, doch wir widersetzen uns“ und: „Höre ohne zu hören!“ und : „Hüte uns!“, wobei sie mit ihren Zungen verdrehen und die Religion schmähen. Wenn sie gesagt hätten: „Wir hören und gehorchen“ und: „Höre!“ und: „Schau auf uns!“, wäre es wahrlich besser und richtiger für sie. Aber Gott hat sie für ihren Unglauben verflucht. Darum glauben sie nur wenig.

 

Hier wird nur kritisiert, dass der Sinn der Worte verdreht wird und nicht die Tora selbst. Ähnlich verhält es sich, wenn mittels der Ahadith die Worte des Koran verdreht werden. Wenn wir den Vers so auslegen, also im Sinne einer direkten Verfälschung der gesamten Tora, würde es mit unzähligen Versen kollidieren, die der Tora Autorität zusprechen:

 

3:93 Alle Speisen waren den Kindern Israels erlaubt außer dem, was Israel sich selbst verbot, bevor die Tora offenbart wurde. Sag: Bringt doch die Tora bei und verlest sie dann, wenn ihr wahrhaftig seid.

5:66 Wenn sie nur die Tora und das Evangelium und das befolgten, was zu ihnen von ihrem Herrn herabgesandt wurde, würden sie fürwahr von (den guten Dingen) über ihnen und unter ihren Füßen essen. Unter ihnen ist eine gemäßigte Gemeinschaft; aber wie böse ist bei vielen von ihnen, was sie tun. (Siehe auch 5:43, 5:44, 5:68, 49:29, usw.)

4:47 O ihr, denen die Schrift gegeben wurde, glaubt an das, was Wir offenbart haben, das zu bestätigen, was euch (bereits) vorliegt, bevor Wir Gesichter auslöschen und nach hinten versetzen oder sie verfluchen, wie Wir die Sabbatleute verfluchten. Gottes Anordnung wird (stets) ausgeführt.

6:91 Sie schätzen Gott nicht ein, wie es Ihm gebührt‘, wenn sie sagen: „Gott hat nichts auf ein menschliches Wesen herab gesandt.“ Sag: Wer sandte die Schrift herab, die Moses als Licht und Rechtleitung für die Menschen brachte, die ihr zu Blättern macht, die ihr offen zeigt, während ihr vieles verbergt, und es wurde euch gelehrt, was ihr nicht wusstet, weder ihr noch eure Väter? Sage: Gott. Sodann lasse sie mit ihren schweifenden Gesprächen ihr Spiel treiben. (Siehe auch 3:71)

 

Es wird also verborgen und nicht allgemein die Schrift selbst verfälscht.
 

Auswertung

Keinesfalls verhält es sich so, dass Juden und Christen automatisch in der Hölle landen müssen. Ihnen ist aber auferlegt an den Koran zu glauben (2:99, 2:41, 3:110, 5:19, 5:68, 7:40, 7:182). Das heißt aber nicht, dass ihnen auferlegt ist, Muslime im Sinne der letzten Religion zu werden – den Koran so zu befolgen, dass somit die jüdischen und christlichen Richtlinien verlassen werden sollten und ihre Offenbarungen ungültig sind. Der Koran macht einen klaren Unterschied zwischen den Schriftbesitzern und den Gläubigen, die nach dem Koran urteilen, sieht aber beide als Gläubige an, solange der Glaube richtig ausgelebt wird. Die vorangegangenen Schriften sind primär keine sich vom Koran unterscheidenden Schriften. Deswegen fordert der Koran uns auch auf, an manchen Stellen die Kundigen der Schriftbesitzer zu befragen, wenn man manche Dinge nicht weiß (16.23, 21:7). Somit können sie ihre Riten weiter verfolgen und jeweils nach dem Evangelium oder nach der Tora urteilen (5:47, 5:43). Ihre Religion muss aber im Lichte der Berichtigungen ihrer Streitigkeiten innerhalb des Koran entsprechend ausgelebt werden, zum Beispiel durch die Ablehnung der katholischen Trinität. Bitte beachten, dass ich hier nicht von einer allgemeinen Verfälschung spreche, sondern davon, die vorangegangenen Bücher richtig zu lesen (2:121).  Zum Beispiel kann man die Bibel so lesen, dass die Trinität bestätigt wird, oder auch so, dass die Trinität keine Begründung findet. Es verhält sich sehr ähnlich, wenn wir berücksichtigen, dass der Koran zwar unverfälscht ist, aber vor dem gleichen Dilemma steht, wenn der Text falsch verstanden wurde oder man Sekundärquellen bei der Erklärung des Korans benutzt hatte, die den Sinn der Worte verdrehen. Das bedeutet somit auch, dass die Leute der Schrift den Koran, an den sie glauben müssen, auch richtig verstehen müssen. Angenommen ein Christ befolgt das Evangelium nach Gottes Richtlinien und glaubt nicht so an den Koran, wie die meisten Muslime ihn mit Ahadith auslegen, ist dieser viel besser dran als die meisten Muslime, weil er eigentlich die Ahadith ablehnt und nicht den Koran. Die Inhalte des Koran wurden ihm ja noch gar nicht vermittelt.

Im Umkehrschluss ist für die Muslime der Glaube an die Tora und das Evangelium verpflichtend – unter dem Aspekt sie richtig zu lesen, wie es bereits den Schriftbesitzern auferlegt ist (2:121). Da der Koran die letzte Offenbarung ist und die Streitigkeiten der Schriftbesitzer klärt, muss die Auslebung der Streitpunkte Koran konform sein  und tatsächlich gibt es auch nicht wenige gläubige Christen, die zum Beispiel das Dogma der Trinität ablehnen. Aber auch ist das Evangelium für die Muslime wichtig, wie Jesus zum Beispiel in Bezug zur Ehe argumentiert, und manche Muslime den Koran dennoch so auslegen, als ob man unendlich Sklavinnen ehelichen dürfe (Siehe hierzu: Sklaverei im Islam? Ein Widerspruch des Polytheismus!). Alle Angehörigen der drei abrahamitischen Religionen sitzen also im selben Boot. Dass die Tora und das Evangelium generell verfälscht sein sollen und somit keine Autorität haben, ist aus dem Koran nicht herleitbar.

 

3:64 Sag: O Leute der Schrift, kommt her zu einem zwischen uns und euch gleichen Wort: dass wir niemandem dienen außer Gott und Ihm nichts beigesellen und sich nicht die einen von uns die anderen zu Herren außer Gott nehmen. Doch wenn sie sich abkehren, dann sagt: Bezeugt, dass wir ergeben sind.

 

Ich hoffe, dass dieser Artikel einige vorgefertigte Meinungen widerlegen konnte und schließe diesen Artikel mit folgendem Koranvers ab:
 

5:48 Für jeden von euch haben Wir ein Gesetz und einen deutlichen Weg festgelegt. Und wenn Gott wollte, hätte Er euch wahrlich zu einer einzigen Gemeinschaft gemacht. Aber (es ist so,) damit Er euch in dem, was Er euch gegeben hat prüfe. So wetteifert nach den guten Dingen! Zu Gott wird euer aller Rückkehr sein, und dann wird Er euch kundtun, worüber ihr uneinig zu sein pflegtet.

 
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Schlüssel zum Verständnis des Koran: Beispiel 6 – Juden und Christen: Keine Freunde der Ergebenen?

5:51 Ihr Gläubigen! Nehmt euch nicht die Juden und die Christen zu Freunden! Sie sind untereinander Freunde (aber nicht mit euch). Wenn einer von euch sich ihnen anschließt, gehört er zu ihnen (und nicht mehr zu der Gemeinschaft der Gläubigen). Gott leitet das Volk der Frevler nicht recht.129

 

Ich wurde schon des Öfteren nach Vers 5:51 gefragt, welcher davon spräche die Juden und die Christen nicht zu Freunden zu nehmen, wenn wir Gottergebene seien. Dieser Vers brachte bereits Reaktionen wie folgende hervor: „Bin ich überhaupt nicht mit einverstanden! Überhaupt „Juden und Christen“ in einen Topf zu schmeißen und dann noch „Volk der Ungerechten“ zu nennen! Dieser Vers sät tatsächlich Zwietracht!“

Für ein besseres Verständnis dieses Verses analysieren wir als Erstes, wie sich das fünfte Kapitel der Lesung „entwickelt“:

5:1-2Verbote bei der Pilgerfahrt
5:3-5Nur vier Nahrungssorten sind verboten
5:6-7Die Waschung vor dem Gebet
5:8-10Macht keine falschen Zeugenaussagen
5:11Gott beschützt und verteidigt Seine Gläubigen
5:12Bedingungen, um unter Gottes Schutz stehen zu dürfen
5:13Konsequenzen der Missachtung des Bundes mit Gott
5:14Auch Christen müssen dem Gesandten Gottes gehorchen
5:15-16Die Lesung: Gottes Botschaft für die Christen und die Juden
5:17-18Die gravierende Blasphemie
5:19-20Wie habt ihr den Gesandten, der zu euch kam, aufgenommen
5:21-23Gott gibt das heilige Land den Juden
5:24-26Trotz all den Wundern, welche die Juden gesehen hatten
5:27-30Der erste Mord der Menschheitsgeschichte
5:31Die Lehre des Raben
5:32Der Wert eines Individuums – die Grobheit des Tötens
5:33-35Todesstrafe und Krieg: Wann ist sie legitim?
5:36-37Der Preis des Ableugnens
5:38-40Die Ressourcen der Diebe beschlagnahmen
5:41-43Die Verzerrung des Kontextes der Schrift durch die Juden
5:44Thora: Weisheit und Licht für das Volk der Juden durch Gott ergebene Propheten
5:45Das Gesetz der Äquivalenz (Leben um Leben, Auge um Auge…)
5:46-47Das Evangelium Jesu: Weisheit, Licht und Rechtleitung wurde durch Jesus überliefert.
5:48-50Die Lesung: die letzte gültige Quelle
5:51-53Gewisse Juden und Christen können keine „Freunde“ sein
5:54Wenn Gläubige von ihrer Religion abfallen…
5:55-56Die wahren „Freunde“
5:57-63Das Verhalten gewisser Juden und Christen
5:64Blasphemie gegenüber Gott
5:65Erlösung für Juden und Christen
5:66Sie sollten an diesen Koran glauben
5:67Der Gesandte muss nur überliefern
5:68Folgt den Schriften, die zu euch gesandt wurden!
5:69Minimale Anforderungen für das Seelenheil
5:70-71Der Bund Gottes mit den Kindern Israels
5:72-76Das heutige Christentum ist nicht die Religion Jesus‘
5:77-78Wählt eure Freunde sorgfältig aus

 

und so weiter.

Das Kapitel behandelt also reichlich Fragen, welche das interreligiöse Leben betreffen. Kommen wir zurück zur Frage: Was meint Gott mit „nehmt keine Juden und Christen zu Freunden“?

Diejenigen Juden und Christen, mit denen es verboten ist, „Freundschaften“ zu schließen, haben ganz bestimmte Absichten, wie wir aus der Liste sehen können. Diese werden in 5:57 erläutert. Innerhalb der Schriftbesitzer (Juden und Christen) gibt es auch gute Menschen (3:113). Das Essen dieses Volkes kann gegessen werden (5:5) und ihre Frauen können geheiratet werden. Insofern kann nicht die gesamte Gemeinschaft der Juden und Christen als ungerecht eingeordnet werden. Hier stellt sich doch die Frage: Wieso sollte uns Gott erlauben, Juden oder Christen zu heiraten, wenn doch bereits die Freundschaft verboten sei? Die Verse 5:57, 49:13 und 60:8–9 geben uns die wichtigsten Ermahnungen und legen die Hauptprinzipien fest, mit welchen Menschen und Völkern wir Beziehungen pflegen sollen. Nicht nur eine Koexistenz, sondern auch ein aktives Kennenlernen wird von uns Gottergebenen verlangt (49:13).

Es ist also durchaus erlaubt, Juden und Christen als Freunde, ja sie gar als Ehepartner zu haben (5:5).

 

5:57 O ihr, die ihr glaubt, nehmt euch nicht die zu Beschützern – von jenen, denen vor euch die Schrift gegeben wurde, und von den Ungläubigen -, die mit eurem Glauben Spott und Scherz treiben – und fürchtet Gott, wenn ihr Gläubige seid.130

4:140 Und Er hat euch schon in dem Buch herabgesandt, dass – wenn ihr hört, dass die Zeichen/Verse Gottes geleugnet und verspottet werden – ihr nicht bei ihnen sitzt, bis sie zu einem anderen Gespräch übergehen; ihr wärt sonst wie sie. Wahrlich, Gott wird die Heuchler und die Ungläubigen allesamt in der Hölle versammeln.131

3:113-115 Sie sind nicht gleich, unter den Leuten der Schrift gibt es eine aufrechte Gemeinschaft. Sie tragen die Zeichen Gottes im Laufe der Nacht vor, während sie sich unterwerfen. Sie glauben an Gott und an den letzten Tag, sie gebieten das Erkenntliche, unterbinden das Verwerfliche und eilen um der guten Taten willen. Und jene sind von den Rechtschaffenen. Und was sie an Gutem tun, wird ihnen nicht geleugnet werden, und Gott ist wissend über die Achtsamen

60:8-9 Gott verbietet euch nicht, gegen diejenigen pietätvoll und gerecht zu sein, die nicht der Religion wegen gegen euch gekämpft, und die euch nicht aus euren Wohnungen vertrieben haben. Gott liebt die, die gerecht handeln. Er verbietet euch nur, euch denen anzuschließen, die der Religion wegen gegen euch gekämpft, und die euch aus euren Wohnungen vertrieben oder bei eurer Vertreibung mitgeholfen haben. Diejenigen, die sich ihnen anschließen, sind die (wahren) Frevler.132

3:64 Sage: Ihr Leute der Schrift, kommt her zu einem Wort, das gleich ist zwischen uns und euch, dass wir nichts dienen außer Gott, ihm nichts beigesellen und dass wir einander nicht als Herren nehmen anstelle Gottes. Doch wenn sie sich abkehrten, so sage: Bezeugt, dass wir Ergebene sind

49:13 O Menschen! Siehe, Wir haben euch alle aus einem Männlichen und einem Weiblichen erschaffen, und haben euch zu Nationen und Stämmen gemacht, auf dass ihr einander kennenlernen möget. Wahrlich, der Edelste von euch in der Sicht Gottes ist der sich Seiner am tiefsten bewusst ist. Siehe, Gott ist allwissend, allgewahr.133

 

Wie wir sehen, reicht diese Methode allein schon aus, um diesen Sachverhalt zu klären. Dennoch sollte die Wahrheit die oberste Priorität sein, denn dies ist nicht der einzige Umstand, der in dieser Bedeutung unter den Übersetzungen merkwürdig erscheint. Denn für den aufmerksamen Studenten gibt es auch noch andere Verse, die weiter belegen, dass Gott von uns ein friedliches Zusammenleben mit anderen Kulturen will. Deshalb will ich diesen Vers noch sprachlich analysieren.

 

Sprachlicher Aspekt von „Waliy“

Der arabische Wortlaut des Verses 5:51 ist hier zu sehen:

 

يايها الذين ءامنوا لا تتخذوا اليهود والنصرى اولياء بعضهم اولياء بعض ومن يتولهم منكم فانه منهم ان الله لا يهدي القوم الظلمين

Transliteration:
yā ʾayyuhā al-laḏīna ʾāmanū lā tattachiḏū al-yahūda wan-naṣārá ʾawliyāʾa baʿḍuhum ʾawliyāʾa baʿḍin wa man yatawallahum minkum fa ʾinnahu minhum ʾinna allāh lā yahdī al-qawma aẓ-ẓālimīna

 

Eine weitere Übersetzung dieses Verses:

 

5:51 O ihr, die ihr glaubt! Nehmt nicht die Juden und die Christen zu Beschützern. Sie sind einander Beschützer.134

 

Wie zu sehen ist, gibt es in der Übersetzung bereits unterschiedliche Ansätze, wie das Wort awliyā’ (اولياء) übersetzt wird. In diesem Vers handelt es sich nämlich nicht um Freundschaften, sondern um eine politisch wie auch diplomatisch orientierte Beziehung. Es ist ein Umstand, in dem Macht und Einfluss eine Rolle spielen. Es ist auch unverständlich, weshalb die Übersetzer irrtümlicherweise gerade dieses Wort wählen, obwohl das arabische Wort für Freund (arabisch: ṣadīq) in der Lesung bereits in anderen Versen vorkommt:

 

24:61 Kein Vorwurf trifft den Blinden, noch trifft ein Vorwurf den Krüppel, kein Vorwurf trifft den Kranken oder euch selbst, wenn ihr in eurem Haus, im Haus eures Vaters oder eurer Mutter… oder (im Haus) eures Freundes (ṣadīqakum)…135

26:101 noch einen warmen Freund (ṣadīq).

 

Schauen wir in der Wurzelbeschreibung des Begriffes Waliy nach, lesen wir:

ولىWaliya
المولى – الولي[al-mawlá – al-waliy] Der Gebieter, Der Schutzherr, Der Verbündete
Nomen
مولى[mawlá] Schutzherr,
ولي[waliy] Verbündeter, Treuer,
ولاية[walāyah] Vormundschaft, rechtliche Gewalt,
ولاية[wilāyah] Souveränität, Autorität, Provinz, Staat,
الولايات المتحدة[al-wilāyātu-l-muttaḥidah] Die vereinigten Staaten,
ولي العهد[waliyu-l-ʿahd] Thronfolger,
ولي الأمر[waliyu-l-ʾamr] Sachwalter, Vormunder,
إستيلاء [ʾistīlāʾ] Besitznahme
Verben
ولى [waliya] jmdm beistehen, sich mit jmdm verbünden, zur Seite stehen, jmdm folgen,
ولى [wallá] (von einer Sache) sich abwenden, flüchten,
تولى [tawallá] (Amt) innehaben, bekleiden, übernehmen, in Besitz nehmen, (von einer Sache) sich abwenden,
تولى الحكم[tawallá al-ḥukm] Macht übernehmen,
توالى[tawālá] ununterbrochen aufeinanderfolgen,
إستولى [ʾistawlá] in Besitz nehmen, sich bemächtigen,
يلي[yalī] folgen,
كما يلي[kamā yalī] wie folgt,
فيما يلي [fīmā yalī] im folgenden,
أولى لك[ʾawlá laka] ist dir am aller besten …

 

Wie wir bei unserer Übersetzung des Wurzelbegriffes sehen, kommt das Wort Freund überhaupt nicht vor. Vielmehr geht es beim Wort (waliy, pl. awliyāʾ) um den Bund, den man bei großen Koalitionen mit anderen Organisationen auf politischer Ebene schließt. Es ist auch klar, dass wir als Gottergebene im Falle der Wahrheitsfrage niemals die traditionellen Kirchenträger wie zum Beispiel den Papst um Hilfe bitten sollen, da sie ihren eigenen weltlichen Interessen bzw. Ideologien folgen, die sich nicht mit der Gerechtigkeit für alle Menschen vereinbaren lassen. Außerdem wird zu einem Freund im Arabischen nie Waliy gesagt.

„Wer sie aber trotzdem als Verbündete nimmt, dann ist er einer von ihnen“ lautet der Vers weiter. Wer also in diese Kategorie fällt, so pflegt diese Person ihre eigene Tradition wie alle die anderen vielen religiösen, politisch verdorbenen Organisationen. Ähnlich verhält es sich mit den arabischen Nationen gegen Ende des 19. Jahrhunderts, die bei ihrer Koalition mit dem Westen gegen das geschwächte osmanische Reich vorgingen, wobei viele unnötige Massaker in der eigenen Bevölkerung und Millionen von Todesfällen verursacht wurden.

Ich hoffe, dass zukünftig Korrekturen an den Übersetzungen vorgenommen werden.

 

59:22-24
Er ist Gott, außer Dem kein Gott ist;
Er ist der Kenner des Verborgenen und des Sichtbaren.
Er ist der Allerbarmer, der Barmherzige.
Er ist Gott, außer Dem kein Gott ist;
Er ist der Herrscher, der Einzig Heilige, der Friede, der Verleiher von Sicherheit, der Überwacher, der Erhabene, der Unterwerfer, der Majestätische.
Gepriesen sei Gott über all das, was sie (Ihm) beigesellen.
Er ist Gott, der Schöpfer, der Bildner, der Gestalter.
Ihm stehen die schönsten Namen zu.
Alles, was in den Himmeln und auf Erden ist, preist Ihn, und Er ist der Erhabene, der Allweise.

Die erfundene Religion und die Koranische Religion – Kapitel 29: Lektionen, die wir von den Juden und Christen lernen müssen

In der Vergangenheit hat es Fälle von Verehrungen von Propheten und Heiligen, Erfindung von Leitfäden und unter den Anhängern Spaltungen in Interessensgruppen gegeben, trotz der ausdrücklichen Warnung durch Gottes Ermahnungen.

Der vom Klerus erhobene Einwand gegen das Drucken und Übersetzen der Bibel ist ein Beispiel der befangenen Einstellung des Fanatismus. „Es ist wahr, dass durch die Erfindung des Drucks die Anzahl der Bücher gewaltig angestiegen ist und zur Bildung der breiten Öffentlichkeit beigetragen hat. Es ist aber auch eine Tatsache, dass Meinungsverschiedenheiten und Uneinigkeiten unter dem Volk einem ähnlichen Trend folgten. Die Menschen stellten fortan Fragen und zweifelten an den Lehren, die in ihren Köpfen eingeprägt waren. Sie lasen, verstanden und beteten in ihren eigenen Sprachen. Unter den Umständen gab es kein weiteres Bedürfnis mehr, sich an die Priester zu wenden, um über religiöse Angelegenheiten aufgeklärt zu werden. Dies war natürlich zum Nachteil des Klerus. Um sie zu schützen, sollten die religiösen Vorgaben ausschließlich dem Klerus unterliegen.“ Es war der Klerus, der die Entwicklung der Wissenschaften verhinderte und verzögerte. Die Spaltung in Gruppen und Sekten des Klerus führte zu unsagbarem Blutvergießen. Das Volk, das versuchte, in seiner eigenen Sprache zu beten, wurde dem Ordal der Exkommunikation, der Zuerkennung von Ablass und den päpstlichen Inquisitionen ausgesetzt, um angebliche Ketzereien zu bekämpfen.

Die Verse 6:154 und 7:145 haben dieselbe Neigung: Trotz der Tatsache, dass die Juden in ihren Händen die Offenbarung hatten, die an sie durch Moses herabgesandt wurde, erstellten sie neue zusätzliche Autoritäten unter den Namen Mischna und Gamara. Die Fanatiker des Judentums hatten viel mit denen des Islam gemeinsam.

5:44 Gewiss, Wir haben die Thora hinabgesandt, die Rechtleitung und Licht beinhaltet. Damit haben die Propheten, die sich (Gott) hingaben, den Juden Recht gesprochen, und so auch die Rabbiner und die Gelehrten, denn ihnen wurde aufgetragen, das Buch Gottes zu bewahren, und sie waren Zeugen…

5:47 Die Leute des Evangeliums sollen nach dem urteilen, was Gott darin herabgesandt hat. Und diejenigen, die nicht nach dem urteilen, was Gott herabgesandt hat, das sind die Frevler.

 

Trinität

Das heute älteste Neue Testament in unseren Händen ist eine lateinische Übersetzung. Dieses Evangelium, ursprünglich auf aramäisch offenbart, besteht nicht länger. Wir wissen nicht, was die ursprünglichen Wörter waren, die auf Latein ihre Entsprechungen als ‚Vater‘ und ‚Sohn‘ fanden. Allerdings bemerken wir selbst in der lateinischen Version, dass diese Wörter nicht nur für Christus, sondern auch für die gesamte Menschheit verwendet werden. Jedes einzelne Geschöpf Gottes wird als Sohn Gottes/des Vaters bezeichnet.

Matthäus 5:45 Damit ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel.

Johannes 20:17 „Ich fahre auf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.“

Die Äußerung ‚Sohn‘ und ‚Vater‘ sind lediglich metaphorische Ausdrücke.

Schlachter 2000, Johannes 9:35 Jesus hörte, dass sie ihn ausgestoßen hatten, und als er ihn fand, sprach er zu ihm: „Glaubst du an den Sohn Gottes?“ (vgl. auch Elberfelder 1905, Reinhardt 1910 Evangelien, Luther 1912, Johannes Greber 1936 NT)

Grünwaldbibel 1924, Johannes 9:35 Jesus hörte, dass sie ihn ausgeschlossen hätten. Als er ihm begegnete, da fragte er ihn: „Glaubst du an den Menschensohn?“ (vgl. auch Konkordantes NT, Neue evangelistische Übersetzung)

Wir fordern Sie auf, auf die Umwandlung der Äußerung ‚Sohn des Menschen‘ in ‚Sohn Gottes‘ Acht zu geben. Im folgenden Vers des Evangeliums nach Matthäus ist es interessant, die Verfälschung der Äußerung ‚Vater‘ zu bemerken:

Matthäus 23:9 Und ihr sollt niemanden unter euch Vater nennen auf Erden; denn einer ist euer Vater, der im Himmel ist.

Die Kirche ist die hauptverantwortliche Körperschaft

Wir nehmen wahr, dass kein Mensch auf Erden ‚Vater‘ genannt werden darf, da der einzige Vater der Eine im Himmel ist. ‚Vater‘ ist der biologische Erzeuger des Menschen. Es ist unsere Überzeugung, dass die hier mit dem Wort ‚Vater‘ übersetzte Äußerung einem Wort entsprechen haben musste, das den Schöpfer in sich begriff. Jedoch sind die Übersetzungen nicht an erster Stelle verantwortlich zu machen, da ein unparteiischer Betrachter den Ausdruck interpretiert haben muss, mit der Rücksichtnahme auf die metaphorische Bedeutung.

Die Interpreter der katholischen und orthodoxen Kirchen sind der Meinung, dass der Name ‚Sohn‘ für die Gläubigen metaphorisch und in der wahren Bedeutung für Jesus verwendet wird. Diese fragwürdige Angelegenheit wird noch schwieriger wiedergegeben, weil das ursprüngliche Evangelium nicht verfügbar ist, wohingegen der Koran in seiner ursprünglichen Form vorhanden ist. Deswegen ist es leicht, das auszusortieren, was der Offenbarung Gottes fremd ist. Wir müssen hier der Tatsache erinnert werden, dass die Kirche der Klerus war. Der Gerichtshof, der entschied, Christus hinrichten zu lassen, bestand aus Rabbis. Die größten Beschädigungen, die den offenbarten Religionen zugefügt wurden, waren von gewissen Rabbis, Priestern und Imamen.

9:31 Sie nehmen sich ihre Rabbis und ihre Mönche zu ihren Herren neben Gott.

9:34 Ihr Gläubigen! Es gibt zweifelsohne viele untern den Rabbis und Priestern, die durch Falsches das Gut der Menschen verschlingen und sie vom Wege Gottes hindern.

Es ist schade, dass die Muslime diesen Worten zuhören, als ob ein Märchen erzählt werden würde. Diese Geschichten sind in Wahrheit Parabeln, die erzählt werden, um ein Beispiel für die zukünftige Menschheit darzustellen. Dem Klerus wurde die Eigenschaft der göttlichen Autorität zugeschrieben, während die Imame im Islam die göttliche Autorität annahmen, mit der Macht, Fatwas, Idschtihads und sektiererische Urteile zu erheben! Wie bereits im Fall der Christenheit, die daran nicht scheitert, Ausreden zu finden, um die Wege zu rechtfertigen, welche der katholische und orthodoxe Klerus übernommen hat, so hat auch der Islam die Traditionalisten. Desmond Tutu, der Nobelpreisträger und Priester aus Südafrika, hat folgendes darüber zu sagen, wie die Kirche die Religion für materielle Ziele ausnützt: „Als die Missionare nach Afrika herüber kamen, hatten wir unser Land und sie hatten ihre Bibel. Dann sagten sie uns, unsere Augen zu schließen und zu beten. Als wir unsere Augen jedoch öffneten, sahen wir, dass die Bibel in unserer Hand und das Land in ihrem Besitz war.“

In all dem gibt es Beispiele für die Juden und Christen, sowie auch für die Muslime, denen sie folgen sollten. Die Anhänger dieser drei Religionen können ihre Religion nicht wirklich begreifen, sofern sie die Sekten und ihre Oberhäupter nicht beiseite schieben. Was heute gepredigt wird, ist weder die Religion der ursprünglichen Bibel (bzw. Tora) noch des Koran. Die Diktate der Kirchen, Heiligen und Rabbiner haben sie ersetzt. Was menschlich war, wurde in einer heiligen Tracht verkleidet, so dass das Heilige mit menschlichen Erweiterungen verbunden wurde. Eine weitere Perversion der Religionen war die manifesten Wahrheiten der Schriften zu mystifizieren, indem die Bedeutung der Wörter willkürlich verstellt wurden.

5:13 Sie verdrehten die Wörter von ihren Stellen und missachteten einen Teil von dem, womit sie ermahnt wurden.

2:75 Eine Gruppe von ihnen hörte Gottes Wort und verdrehte es dann (bewusst), nachdem sie es verstanden hatte.

Hinweise auf Mohammed in der Tora und den Evangelien

Ein Beispiel der in der Tora und den Evangelien gemachten Veränderungen ist die Missinterpretation der Passagen, die auf die Ankunft von Mohammed andeuteten.

Haggai 2:7-9 Und ich will alle Nationen erschüttern. Dann wird das Begehrenswerte (Himada) aller Nationen hierher kommen und dieses Haus mit Herrlichkeit füllen, spricht der Herr Zebaoth. Mein ist das Silber und mein ist das Gold, spricht der Herr Zebaoth. Es soll die Herrlichkeit dieses neuen Hauses größer werden, als die des ersten gewesen ist, spricht der Herr Zebaoth; und ich will Frieden (shalom) geben an dieser Stätte, spricht der Herr Zebaoth.

Das in Vers 7 von Haggai erwähnte hebräische Wort ‚Himada‘ stammt von derselben Wurzel ab wie H M D der arabischen Sprache, welche die Wurzel des Namen ‚Mohammed‘ ist, in etwa dieselbe Bedeutung tragend. Dadurch wird der Name des Propheten oder die Bedeutung seines Namens mit Bezug auf ein glorreiches, zukünftiges Ereignis genannt. Die Ankunft von Mohammed, welche der Bibel nachfolgte und seine Botschaft anging, Gottes Existenz für Milliarden von Jahren zu verkünden, war dieses glorreiche Ereignis. Das Wort shalom (Frieden) in Vers 9 kommt von derselben Wurzel, wie das Wort Islam.

Johannes 14:15-16 Liebt ihr mich, so werdet ihr meine Gebote halten. Und ich will den Vater bitten, und er wird euch einen andern Helfer (Paraklet) geben, dass er bei euch sei in Ewigkeit.

Johannes 16:7-8 Aber ich sage euch die Wahrheit: Es ist gut für euch, dass ich weggehe. Denn wenn ich nicht weggehe, kommt der Helfer (Paraklet) nicht zu euch. Wenn ich aber gehe, will ich ihn zu euch senden. Und wenn er kommt, wird er der Welt die Augen auftun über die Sünde und über die Gerechtigkeit und über das Gericht.

Johannes 1:20-21 Und er bekannte und leugnete nicht, und er bekannte: „Ich bin nicht der Christus.“ Und sie fragten ihn: „Was dann? Bist du Elia?“ Er sprach: „Ich bin’s nicht.“ „Bist du der Prophet?“ Und er antwortete: „Nein.“

Wer kann derjenige sein, der nach Christus kommen und vom Einen Gott predigen soll?

Gemäß den obigen Zitaten ist es deutlich, dass ein weiterer Prophet erwartet wurde. Die Geschichte erlebte keine andere Person, die die Eigenschaften eines Propheten annahm, als Mohammed. Die Tatsache, dass die Worte peryclitos und Mohammed dieselbe Konnotation haben, darf nicht als purer Zufall bewertet werden. Prof. Maurice Bucaille hat die Interpretation kritisiert, nach welcher das Wort Paraklet der Heilige Geist (Gabriel) bedeute, und argumentierte, dass das Wort Paraklet auf einen Propheten anspielte, dessen Ankunft vorausgesagt worden war. Der Punkt ist gemäß seiner Meinung nicht eine Frage der Inspiration durch den Heiligen Geist, sondern hat die Konnotation, wie auf griechisch, der Verbreitung unter Menschen. Die griechischen Wörter aquo und laleo können interpretiert werden, dass sie mit physikalischen Körpern zu tun haben, die Organe vom Gehör und von der Sprache haben, was nicht dem Heiligen Geist zugeordnet werden kann. Deswegen, sagt er, bezieht sich der Paraklet im Evangelium nach Johannes auf ein physikalisches Wesen wie Christus selbst, mit den Sinnen des Hörens und Sprechens ausgestattet. Der Griechische Text setzt dies definitiv voraus. Er ist überzeugt, dass Christus die Ankunft eines Propheten vorausgesagt hatte, der ihm nachfolgen sollte, eine Person mit den Sinnen Gehör und Sprache ausgestattet, womit sie die Botschaft Gottes der Menschheit kundtun würde. Die Betrachtung des Heiligen Geistes der vorhandenen Texten scheint absichtlich abgeändert worden zu sein, mit der Absicht die dazugehörige Bedeutung in der Botschaft zu verändern, welche die Ankunft eines Propheten nach Jesus Christus ankündigte. Dies war dem Klerus zu verdanken, welcher Christus als den letzten der Propheten zu sehen wünschte.

Echte und falsche Propheten

Matthäus 7:15-20 Seht euch vor, vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber reißende Wölfe sind. An ihren Früchten sollt ihr sie erkennen. Kann man denn Trauben lesen von den Dornen oder Feigen von den Disteln? So bringt jeder gute Baum gute Früchte; aber ein fauler Baum bringt schlechte Früchte. Ein guter Baum kann nicht schlechte Früchte bringen, und ein fauler Baum kann nicht gute Früchte bringen. Jeder Baum, der nicht gute Früchte bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen. Darum: an ihren Früchten sollt ihr sie erkennen.

Nirgends in den Evangelien wird ausgesagt, dass kein weiterer Prophet kommen wird. Das folgende Kriterium wird im Evangelium gegeben: „Untersuche die Frucht und unterscheide denjenigen, der ein Lügner ist.“ Wenn kein weiterer Prophet, der nach Jesus Christus kommen sollte, prophezeit wurde, hätte er „Wer auch immer nach mir kommt, und behauptet Prophet zu sein, ist ein Lügner.“ sagen können. Die Methode, die Jesus vorschlug, um die echten und falschen Propheten auseinander zu halten, ist ein ausreichender Beweis der Ankunft eines Propheten nach Jesus. Diese Tatsache sollte für Christen annehmbare Beweise darstellen. Jemand, der nach Jesus kam, an Gott glaubte, sein Vertrauen in Gott legte, Ihn liebte und dazu behilflich war, Gesellschaften losgelöst von ihren Abgöttern einzuführen, kann keine andere Person außer Mohammed sein.

Trotz all diesen expliziten Beweisen und Zeichen im Alten Testament sowie im Neuen Testament haben die Rabbis und der christliche Klerus miteinander gewetteifert, sie zu vertuschen. Die Ansichten der katholischen oder orthodoxen Kirchen, der Papst in Rom und die Erzbischöfe, dessen Namen in keines der Evangelien erwähnt sind, scheinen für die Mehrheit der christlichen Bevölkerung autoritativer als die Schriften zu sein.

Die traditionalistischen Muslime machen ihrem Ärger über Päpste, Erzbischöfe, katholische und orthodoxe Sekten Luft; doch sie haben eine natürliche Zuneigung für sunnitische/schiitische Sekten, die Ahadith und die sektiererischen Imame!

Ist der Weideschuss mit dem Islam vereinbar?

Ḥalāl-Fleisch und Fleisch aus ökologischer, artgerechter Tierhaltung waren lange voneinander getrennt, so dass Muslim:innen sich entscheiden mussten, auf das eine von beiden zu verzichten. Dabei wurde bei der ḥalāl-Zertifizierung hauptsächlich auf die Art des Tötens geachtet und das vorherige Leben vernachlässigt, bei der Öko-Zertifizierung umgekehrt eine gute Lebensweise verlangt, aber die Diskussion um den Tötungsprozess kam zu kurz. Während einerseits mehr und mehr Bewusstsein über ein (möglichst) artgerechtes Leben der Tiere vor der Schlachtung in die ḥalāl-Diskussion einfließt, werden andererseits in der Bio-Haltung neue Schlachtmethoden entwickelt, die dem Tier auch am Lebensende so weit wie möglich gerecht werden. Eine dieser neuen Entwicklungen ist die Hof- und Weideschlachtung, die das Tier in seiner vertrauten Umgebung belassen und ihm dadurch jeglichen Stress ersparen soll.

Warum Weide- bzw. Hofschlachtung?

Der moderne konventionelle Schlachtbetrieb setzt die Tiere, gerade wenn sie es gewohnt sind, ihr Leben in der Herde zu verbringen, unter großen Stress, wenn sie, oft mit Zwang und Hektik verbunden, verladen und in eine neue Umgebung gebracht werden. Zur Entwicklung von der traditionellen Hofschlachtung hin zu groß ausgelegten Schlachthöfen trugen erhöhte Hygienevorschriften bei. Technische Neuerungen sollen nun die Hygiene wieder zum Hof bringen und den Tieren den Transport ersparen.

Die rechtliche Situation

Die Schweiz erlaubt diese Form der Tötung seit 2020, allerdings ist sie durch die kantonale Behörde genehmigungspflichtig. In Deutschland gilt EU-Recht, das seit April 2021 den Mitgliedsstaaten zugesteht, mobile Schlachthäuser unter Einhaltung der Hygienebestimmungen für maximal drei Rinder, sechs Schweine oder drei als Haustiere gehaltene Einhufer (das sind z.B. Pferde) zu erlauben. Damit dürfte die Bedingung hinfällig sein, dass die Tiere das ganze Jahr über auf der Weide gehalten werden. Sowohl in der Schweiz als auch in Deutschland gelten folgende weitere Bedingungen: Bei der Tötung muss ein:e Tierärzt:in anwesend sein, die Zeit zwischen Betäubung und Ausbluten darf 60 Sekunden bei der Hofschlachtung bzw. 90 Sekunden bei der Weideschlachtung nicht überschreiten, das Tier muss innerhalb von 45 Minuten im Schlachthof zerlegt werden. Anträge auf Genehmigung sind von Viehhalter und Schlachthof gemeinsam zu stellen.

Der Ablauf

Beim Weideschuss werden die Tiere aus der Herde heraus mit einem Gewehr aus ca. 3-10 Meter Entfernung in die Stirn geschossen; dies löst eine irreversible Zerstörung des Hirns aus und entspricht dem Hirntod; d.h. das Blut zirkuliert weiter, das Empfinden ist aber nach aktuellem Stand der Wissenschaft ausgeschaltet. In Videos ist zu sehen, wie das getroffene Tier zusammenbricht, die umstehenden Tiere stieben beim Schussgeräusch auseinander, beruhigen sich aber schnell wieder. Laut Aussagen von Landwirten ist diese Art der Tötung sowohl für das geschossene Tier als auch für die anderen Herdenmitglieder stressfrei. Das betäubte Tier wird mit einer Hebevorrichtung, z.B. einem Traktor mit Frontlader, an den Beinen angehoben, durch Stich in den Hals direkt über dem Herzen ausgeblutet und danach auf dem Anhänger zum Schlachthof gefahren.
Bei der Hofschlachtung werden die Tiere spätestens ein paar Tage vor dem geplanten Schlachttermin an das Fanggitter mit Fressplatz gewöhnt. Am Tag der Schlachtung soll das ausgewählte Tier (oder eines der schlachtreifen Tiere) freiwillig das Fanggitter betreten. Es wird dann durch Umlegen eines Metallstabs am Kopf fixiert, bevor der Betäubungsbolzen direkt am Kopf angesetzt wird. Hier wird darauf hingewiesen, dass die Tiere frühzeitig an Berührungen an Kopf und Stirn gewöhnt werden sollen, ggf. mit einer Bolzenschuss-Attrappe. In einem der Videos ist zu sehen, wie das Tier schon mit dem angesetzten Bolzen sich nach dem Futtereimer streckt, was auf seine Ruhe hindeutet.
Nach der Betäubung wird das Tier mit einer Vorrichtung über den Schlachtanhänger gehoben, mit einem Stich ausgeblutet und auf einen speziellen Anhänger gelegt, in dem es zum Schlachthof gefahren wird.
Die Hofnahe Schlachtung funktioniert ähnlich, nur ist hier das Fressgitter Teil einer Mobilen Schlachteinheit; nach der Betäubung wird das Tier in die mobile Schlachtbox gezogen und dort in Seitenlage durch einen Stich in den Hals ausgeblutet. Die gesamte Schlachteinheit wird dann zum Schlachthof gefahren, wo das Tier zerlegt wird.

Anforderungen an die Schlachtung laut Koran

Relevant für den Verzehr von Fleisch sind im Koran vor allem die Verse 2:173, 5:3-5, 6:118-121, 6:145 und 16:115, die, nachdem sie im selben oder im vorhergehenden Vers grundsätzlich alle Nahrung erlaubt haben, gewisse Einschränkungen machen, nämlich das Verbot von Schweinefleisch, Verendetem (mayta) und Blut sowie von dem, das jemand anderem als Gott gewidmet (uḥilla) wurde; in einer Notlage sollen diese Einschränkungen aber nicht gelten. Vers 6:145 spezifiziert das Blut als ausgeflossenes und erklärt das Verbot des Schweinefleischs mit dessen Unreinheit, wobei nicht eindeutig ist, ob sich die Unreinheit auf das Fleisch oder das Schwein an sich bezieht; grammatikalisch möglich wären beide Varianten. 5:3-5 weicht etwas von den anderen Versen ab: zunächst werden die Verbote vorgestellt, erst danach die grundsätzliche Erlaubnis konstatiert; zudem wird das Verendete spezifiziert als das Erwürgte, das Erschlagene, das zu Tode Gestürzte, das zu Tode Gestoßene und das von wilden Tieren Angefressene, wiederum mit der Einschränkung dessen, was geschlachtet wurde (ʾillā mā ḏakkaitum), und was auf Steinaltären geopfert wurde. 5:4 gibt darüber hinaus die Erlaubnis zur Jagd mit abgerichteten Tieren und zum Verzehr des Gejagten, es soll aber der Name Gottes darüber erwähnt werden; Vers 5:5 gibt die Erlaubnis, die guten Dinge (ṭayyibāt) sowie die Speisen derjenigen, die die Schrift bekamen (d.h. Juden und Christen, je nach Verständnis auch weitere Religionsgruppen), zu essen, so wie diesen auch die Speisen der Angesprochenen (d.h. der Muslime) erlaubt sein sollen.
Erwähnt werden ferner vorislamische Speiseverbote, die der Koran zurückweist (6:143-144) bzw. bei den Juden als Ausnahme darstellt (6:146). In den Versen 118-121 der Sure 6 schließlich wird dazu aufgefordert, das zu essen, worüber der Name Gottes gesprochen wurde, aber sich dessen zu enthalten, worüber nicht der Name Gottes gesprochen wurde (ḏukira smu llāhi ʿalaihi bzw. lam yuḏkari smu llāhi ʿalaihi). Allerdings beschränkt der Wortlaut diese Vorgabe nicht auf tierische Produkte bzw. Fleisch; zum anderen wird auch nicht gesagt, wann der Name Gottes gesprochen werden soll.

Stellung der Tiere im Koran

Die Erwähnung von Tieren im Koran geht weit über die Verse zu Schlachtung und Verzehr hinaus, ihr Funktion ist vielfältig: Einerseits werden sie in ihrer Funktion für die Menschen hervorgehoben: als Nahrung (Fleisch und Milch), Schutz (Haut und Wolle), aber auch zum Transport oder aufgrund ihrer Schönheit (z.B. 16:5-8, 66, 80; 23:21-22; 36:71-73; 43:12-13); umgekehrt symbolisieren sie aber auch (minderwertige) weltliche Werte im Gegensatz zum höherwertigen Jenseits (Pferde in 3:14) oder sind eine Versuchung (Fische in 7:163) oder gar Hilfsmittel Satans (Pferde in 17:64). Einige Tiere wie Schweine und Affen (5:60; 2:65/7:166), aber auch Esel (31:19; 62:5) symbolisieren schlechte Eigenschaften des Menschen. Andere Tiere wie der Wiedehopf (27:20-29) und die Ameise (27:18-19) haben eine aktive Rolle und sprechen mit den Menschen; ein Rabe lehrt Kain, seinen Bruder zu bestatten (5:31); die Biene erhält gar Eingebung (waḥy) von Gott (16:68-69), und generell wird über die Landtiere und Vögel gesagt, sie seien Gemeinschaften wie die der Menschen (6:38) und beteten zu Gott (24:41). Verse wie 36:71, die die Herrschaft der Menschen über die Tiere konstatieren (als Tatsache, nicht als Erlaubnis), beklagen gleichzeitig den Hochmut der Menschen, die es versäumen, Gott für diese gute Versorgung zu danken.

Ist die Weideschlachtung mit islamischen Grundsätzen vereinbar?

Orientiert man sich ausschließlich an den im Koran gemachten Vorgaben, dürfte das Hauptproblem beim Verzehr von Fleisch aus Hof- oder Weideschlachtung sein, dass in den meisten Fällen vermutlich nicht die tasmiya (Bismillah, d.h. Im Namen Gottes, vgl. 6:121) gesprochen wurde. Hier ist nun die Frage, ob man durch Vers 5:5 die Notwendigkeit der tasmiya aufgehoben sieht oder nicht, ob diese vor der Schlachtung geschehen muss oder zu einem beliebigen Zeitpunkt vor dem Essen und ob man von der Gleichsetzung der in Deutschland lebenden Menschen mit ahl al-kitāb ausgeht. Interessant ist, dass zwei der in den Videos (s.u.) interviewten Bäuer:innen die Seele des Tieres erwähnen, was zumindest für eine spirituell geprägte Grundeinstellung spricht, die der im Koran bezeugten respektvollen Haltung gegenüber Tieren als Schöpfung Gottes nahekommt.
Zum anderen muss man selbst entscheiden, ob man den Hirntod und ggf. kompletten Tod einige Sekunden bis zu 1,5 Minuten vor der Entblutung als zu mayta führend betrachtet oder nicht. Ebenso könnte man den Bolzenschuss mehr noch als den Kugelschuss mit mawqūḏatu (zu Tode gestoßen) gleichsetzen. Auch hier steht aber ggf. Vers 5:5 als generelle Erlaubnis dem Verbot entgegen.
Umgehen liessen sich beide Probleme durch eine eigene Schlachtung, die die tasmiya einschließt, und statt des Bolzenschusses die (reversible) Methode der elektrischen Betäubung wählt, die allerdings auch die Gefahr der Überdosierung (mit Folge Herzstillstand) oder Unterdosierung (und damit mangelnde Betäubung und Verstoß gegen deutsches Gesetz) birgt.
Islamische Gelehrte haben sich schon seit hunderten von Jahren mit der Frage beschäftigt, welches die Prinzipien hinter den offenbarten Aufforderungen sind, um diese auf neu aufkommende Fragen anzuwenden (die sog. maqāṣid al-šāriʿ [Ziele der Scharia]). Auch wenn Tiere in den traditionellen Zielen nicht gesondert erwähnt wurden, sind sie doch in den damals herausgearbeiteten Zielen Leben (nafs) und Nachkommenschaft (nasl) nicht explizit ausgeschlossen. Freiheit von Leid war interessanterweise nicht unter den traditionell erarbeiteten Zielen, diese sind jedoch sowieso nicht zwangsläufig die einzig möglichen. Aus dem koranischen Verbot bestimmter Tötungsarten kann man ableiten, dass der Tod, wenn er denn stattfinden soll, möglichst schonend sein soll.

Fazit

Wie oft bei Fragen des Islam lässt sich auch bei der Frage der Zulässigkeit der Hof- und Weideschlachtung keine eindeutige Antwort geben.
Wenn man die grundsätzliche Erlaubnis der Speisen über die strenge Auslegung einiger Vorschriften stellt, wird man eher dazu kommen, dass Hof- und Weideschlachtung kein Problem für den Verzehr des Fleisches darstellen.
Mir persönlich scheint die stressarme Hof- bzw. Weidetötung eher mit dem Respekt vor der Schöpfung Gottes vereinbar. Diesen Respekt kann ich bekräftigen, indem ich vor dem Essen (generell und speziell von Fleisch) bismillah sage.
Im Zusammenleben wird man aber immer vor der Problematik stehen, dass viele Muslim:innen mehr Wert auf Ḥalāl-Zertifikate legen und diese oft strengere bzw. andere Kriterien anlegen. Im Zweifelsfall bleibt die Option vegetarischer Speisen, so dass alle guten Gewissens davon essen können.

Dieser Artikel ist die Kurzfassung einer Hausarbeit; Quellen können gern erfragt werden.

Die im Text genannten Videos zur Weideschlachtung sind hier zu finden:

https://www.youtube.com/watch?v=MLwhspkLKx4
https://m.youtube.com/watch?v=hE5omWWEwWQ
https://m.youtube.com/watch?v=r6dIiFGtOcU

Supernova N49 (NASA, Chandra, 11/29/2006)

Der Lichtvers (24:35)

Bismillah al Rahman al Raheem

Wie eine Umarmung und mit der Strahlkraft einer Supernova steht diese Aya Kraft spendend, tröstend und erhellend, neben den anderen Ayat herausstechend, in dieser Sure – zutiefst ästhetisch, mystisch und wortgewaltig.

Allah allein ist es, der das dunkle Nichts durch Licht und Sinn belebt.

Der Vers dringt in die Tiefe des Islams ein – Allah, der die Dunkelheit von uns nimmt und Geist und Seele der nach Ihm Suchenden mit dem Licht der Einsicht und Erkenntnis füllt, der den auf dunklem Weg Suchenden oder vom Weg Abgeirrten immer ein Licht zur Leitung aufstellt, aber auch der, der es vermag, das Verschlossenste in uns ans Licht zu bringen.

Seiner Leitung können wir uns anvertrauen, und Seinem Licht bleibt nichts verborgen.

Aber Licht erhellt nicht nur – es wärmt auch. So ist das Licht auch als Allahs unendliche, wärmende Liebe zu deuten, in die Er uns in Seiner unbegrenzten Gnade und Barmherzigkeit hüllt – den Trauernden und Verzweifelten ein Trost.

Ist Allah nicht der beste Beschützer? Und ist Allah nicht der beste Versorger?

Dann können wir vermuten, dass das einem funkelnden Stern gleichende Glas, von welchem das Licht geschützt wird, Sinnbild für den Schutz des nie endenden Lichtes, der Liebe zu Seiner Schöpfung ist.

Das Öl könnte als Symbol für Allah als eine unerschöpfliche Quelle der Versorgung stehen. Eine unerschöpfliche Quelle der Liebe, aus welcher das Licht sich speist.

Und wofür steht dieser „Ölbaum, nicht östlich, nicht westlich“?

Dürfen wir Gläubige hoffen, dass auch wir damit gemeint sein könnten, die wir Allahs Liebe und Licht erfahren und es so gut wir es vermögen durch Hingabe im Gebet an Gott und durch Aufmerksamkeit unseren Geschwistern und der Schöpfung insgesamt gegenüber Ihm Sein Licht reflektieren – und vielleicht helfen dürfen, das Licht zu entzünden?

Auch im Juden- und Christentum kommt dem Licht eine große Bedeutung zu … „nicht östlich, nicht westlich“ … vielleicht die größte Interaktion zwischen Gott und denen, die an Ihn glauben und Ihm dienen … Gottergebene aller Religionen.

Lasst uns Allahs Licht und Leitung wertschätzen und genießen, Ihm dafür danken, und lasst Sein Licht durch jeden Einzelnen von uns hell strahlen!

Gott ist das Licht der Himmel und der Erde. Sein Licht ist einer Nische vergleichbar, in der eine Lampe ist. Die Lampe ist in einem Glas. Das Glas ist, als wäre es ein funkelnder Stern. Es wird angezündet von einem gesegneten Baum, einem Ölbaum, weder östlich noch westlich, dessen Öl fast schon leuchtet, auch ohne daß das Feuer es berührt hätte. Licht über Licht. Gott führt zu seinem Licht, wen Er will, und Gott führt den Menschen die Gleichnisse an. Und Gott weiß über alle Dinge Bescheid.

Koran 24:35 – Übersetzung nach Khoury
Homosexualität und Islam: Zwei Männer in Anzügen, die über ein Feld an einem sonnigen Tag spazieren, während sie Händchen halten

Homosexualität und Islam

Ein Vortrag vom muslimischen Islamwissenschaftler Andreas Ismail Mohr:

Islam und Homosexualität – geht das zusammen? | Teil 1: Vortrag
Islam und Homosexualität – geht das zusammen? | Teil 2: Fragerunde

Nun der Artikel zu Islam und Homosexualität:

Im Namen Allahs, des Allerbarmers, des Barmherzigen beginnt diese Arbeit. Denn zu Ihm nehmen wir unsere Zuflucht, und in Seinem Namen beginnen wir. Und ich bitte Ihn, mir beizustehen, diese Aufgabe angemessen zu bewältigen und mich dabei nicht irregehen zu lassen, so dass sie zum Nutzen für den Islam und für die Muslime werden kann.

Das hier behandelte Thema ist für viele Muslime weiterhin ein sehr heikles Thema. Sie sind mehrheitlich der festen Meinung, dass Homosexualität und alle homosexuellen Handlungen Harâm (verboten) im Islam seien.

[…]

Der Qur’ân wurde von Allah mit der Wahrheit offenbart. Und es ist in der Hand eines jeden Menschen, sich an dessen Wortlaut zu halten und diese Wahrheit anzunehmen und nicht davon abweichenden Vorstellungen zu folgen:

Wahrlich, Wir haben dir [Muhammad] das Buch mit der Wahrheit hinabgesandt für die Menschen. Wer sich rechtleiten lässt, der [tut es] für sich; und wer irregeht, der geht irre zu seinem Schaden. Und du [Muhammad] bist nicht Wächter über sie.

Koran 39:41

[…]

In Diskussionen mit Muslimen kann man immer wieder die Erfahrung machen, dass sie ein Verbot von Homosexualität als einen festen Bestandteil des Islams ansehen, der kaum einmal in Frage gestellt wird. Zu demselben Ergebnis kommt man gewöhnlich auch, wenn man von Muslimen verfasste religiöse Literatur daraufhin untersucht.

Sie glauben zu wissen, was für Verhältnisse in Lots Volk herrschten, obwohl sie sich dabei weder auf den Text des Qur’ans, noch auf betraubare Überlieferungen oder gar historische Fakten stützen können – sie glauben fest an etwas, das man ihnen vermittelt hat, aber sie hinterfragen und prüfen es nicht.

Unter Muslimen gab und gibt es ebenso Homosexuelle wie unter anderen Menschen, zum Teil mit eigenen Subkulturen von langer Tradition. In der Regel ist aber Homosexualität in muslimischen Gesellschaften ein Tabu, wenn auch jeweils von unterschiedlicher Intensität, sogar in solchen Ländern, in denen sie nicht strafbar ist. Das Tabu wird auf den Islam zurückgeführt. Ob seine authentischen Quellen tatsächlich hierfür herangezogen werden können oder ob der Islam wie in vielen anderen Fragen nur wieder Vorwand und missbrauchtes Mittel ist, soll der Ansatzpunkt für die folgenden Seiten sein.

Als Grund für die herkömmliche Auffassung werden Qur’ân-Verse und bestimmte Hadîthe angeführt, die als Beleg dafür gehalten werden.

Diese Arbeit soll nicht mehr als ein Versuch sein, diese Textstellen und die Gültigkeit der aus ihnen abgeleiteten Schlussfolgerungen zu überprüfen. Gleichzeitig sollen auf den folgenden Seiten auf der Grundlage des Qur’âns, dessen Wortlaut allein die Basis für eine islamische Antwort sein kann, der Rahmen und die Möglichkeiten für homosexuelle Partnerschaften untersucht werden.

[…]

Das Überwuchertsein des religiösen Denkens mit bestimmten Interpretationen, nicht angezweifelten Annahmen, Spekulationen, Tabus u.a. machten und machen vielfach immer noch eine sachliche Auseinandersetzung mit anderen Muslimen über viele Themen fast unmöglich. Das wird auch bei den zitierten muslimischen Autoren immer dann unübersehbar, wenn sie die von ihnen verkündeten Grundsätze nicht mehr als gültig ansehen, sobald sie sie auf Homosexualität anwenden könnten.

Im Laufe der Untersuchung wird sich zeigen, in welchem Ausmaß die Muslime schon sehr früh unter bestimmten – außerislamischen – Einflüssen die weitgefassten Aussagen des Qur’âns einschränkten, sich damit der in ihm liegenden interpretativen Möglichkeiten begaben und diese zum Teil sogar in deren Gegenteil verkehrten. Das betrifft in Grundzügen auch den Bereich der Sexualität und lässt sich ebenfalls in einer Reihe anderer Fragen aufzeigen.

In vielen Dingen übernahmen sie das Erbe der Christen und Juden. Wo der Qur’ân nur andeutungsweise berichtet, ergänzten sie es manchmal kritiklos um überkommene Mythen und Erzählungen, ohne sie akribisch gegen den Text des Qur’âns zu prüfen. Und sie taten es wohl in guter Absicht, überzeugt von der Richtigkeit ihrer Vorgehensweise. Denn die Muslime der Frühzeit ihrer Geschichte waren ja mehrheitlich Christen oder Juden gewesen, bevor sie zum Islam übertraten, mit einem definierten Welt- und Menschenbild, mit festen Überzeugungen, die sie in das neue Bekenntnis mitnahmen.

Unsere Überzeugung als Muslime jedoch, dass sowohl der Qur’ân, das Wort Gottes, als auch die Schöpfung auf den einen Urheber zurückgehen, lässt es nicht zu, uns auf Ansichten vergangener Jahrhunderte zu beschränken und beim Lesen des Qur’âns verfügbare Erkenntnisse des jeweiligen wissenschaftlichen Standes außer acht zu lassen.

Für jeden Menschen ist Sexualität ein wichtiger Bestandteil seines Lebens, die ihn in seinem ganzen Wesen beeinflusst, seine Empfindungen, seine Gedanken und seine Vorstellungswelt beherrscht, sein Triebverhalten bestimmt – ein untrennbarer, von Gott so gewollter Teil seiner Persönlichkeitsstruktur. Hierzu gehört auch Homosexualität als ein Teilaspekt des breiten Spektrums menschlicher Sexualität.

[…]

Unter Homosexuellen werden hier Personen verstanden, die sich sexuell von Menschen angezogen fühlen und in ihnen die ihnen gemäßen Partner sehen, die dasselbe Geschlecht wie sie selbst haben. Bestimmte Verhaltensausprägungen spielen auf den folgenden Seiten nur insofern eine Rolle, wie sie vom verwendeten Material her in die Diskussion gebracht werden.

Wo im Text von Homosexuellen die Rede ist, sind Männer und Frauen gemeint, soweit der Zusammenhang dies nicht ausdrücklich ausschließt.

[…]

Es werden detailliert die Belege im Qur’ân angeführt. Sie widersprechen unübersehbar der traditionellen Sicht. Und es wird gezeigt, woher die traditionelle Vorstellung von den Muslimen übernommen wurde.

Der Qur’ân

Was Islam ist, hat Allah in klaren Worten im Qur’ân offenbart:

… Heute habe Ich eure Religion (arab.: dîn) für euch vollendet und Meine Gnade an euch erfüllt und euch den Islam zum Bekenntnis (arab.: dîn) erwählt. …

Koran 5:3

Mit anderen Worten: An jenem Tag hat Allah im Qur’ân den Islam vollendet und für uns zum Bekenntnis erwählt, und Er gab dieser Lehre den Namen Islam. Er hat ihn vollendet, d.h. alle späteren Ergänzungen in den verschiedenen Lehrtraditionen sind nicht Teil der offenbarten Lehre.

Und wer eine andere Glaubenslehre sucht als den Islam (so wie Allah ihn offenbart hat): nimmer soll sie von ihm angenommen werden, und im zukünftigen Leben soll er unter den Verlierenden sein.

Koran 3:85

Und im Qur’ân hat Allah den Propheten (S.) zu einem schönen Vorbild für uns erklärt:

Wahrlich, ihr habt an dem Propheten Allahs ein schönes Vorbild für jeden, der auf Allah und den letzten Tag hofft und Allahs häufig gedenkt.

Koran 33:21

[…]

Der Islam ist gemäß seinen Quellen eine Religion, die die Menschen so akzeptiert, wie Allah sie hat entstehen lassen, erschaffen hat. Allah erschuf den Menschen in der besten Form:

Wahrlich, Wir haben den Menschen in der besten Form erschaffen.

Koran 95:4

In (49:13) sagt Allah, wonach Er die Menschen beurteilen wird:

Wahrlich, der Angesehenste von euch vor Allah ist der Gottesfürchtigste unter euch. Siehe, Allah ist allwissend, allkundig.

Koran 49:13

Allah hat alle Menschen erschaffen, und zwar in „der besten Form“ (95:4), dazu zählen auch alle männlichen und weiblichen Homosexuellen mit ihrer besonderen (فطرة) fiTra – Disposition, Natur. Und Er erschafft die Menschen auf diese Weise immer wieder:

In Allahs Vorgehensweise wirst Du nie eine Änderung finden; und in Allahs Vorgehensweise wirst Du nie einen Wechsel finden.

Koran 35:43

Mit anderen Worten: Ein Teil der Menschen hatte und hat einen auf das gleiche Geschlecht gerichteten Geschlechtstrieb, von Allah so geschaffen und gewollt.

Wie sieht der Qur’ân sexuelle Partnerschaften?

In einem zentralen Vers zu dieser Frage setzt Allah alle zwischenmenschlichen Partnerschaften auf eine und dieselbe Stufe:

Unter Seinen Zeichen ist dies, dass Er (männliche bzw. weibliche) Partner (ازواج) für euch (Männer und Frauen) aus euch selber erschuf, auf dass ihr (Männer und Frauen) Frieden bei ihnen findet, und Er hat Liebe und Zärtlichkeit zwischen euch gesetzt. Hierin sind wahrlich Zeichen für ein Volk, das nachdenkt.

Koran 30:21

Im Qur’ân (30:21) beschreibt Allah folglich alle sexuellen Partnerschaften als gleichwertige, wünschenswerte Verbindungen, wenn man nicht willkürlich einfache Regeln und Möglichkeiten der arabischen Sprache missachtet.

Der verwendete Plural أَزْوَاجً (azwâj) – Partner, Gatten, Gattinnen ist der Plural sowohl von زوج (zauj, m. – Teil eines Paares, Paar, Partner, Partnerin …) und زوجة (zauja, f. – Partnerin, Gattin, ..), er ist somit geschlechtsneutral. Ebenso spricht Allah hier zu allen Menschen, unabhängig von ihrem Geschlecht, da das Arabische die männliche Form verwendet, wenn Frauen und Männer angesprochen werden.

Der Ausdruck إِلَيْهَا – ilay-hâ – (hier wiedergegeben mit: bei ihnen) ist ein Femininum Singular und bezieht sich auf das vorstehende Wort أَزْوَاجًا – azwâjan – (Partner, Partnerinnen), ein arabisches Wort in gebrochener Pluralform. Dazu Carl Brockelmann:

„…Auch die sog. (= so genannten) gebrochene Plurale … sind eigentlich bloß Kollektivformen. Die Sprache betrachtet sie als Singulare generis feminini und konstruiert sie demgemäß …“.

Carl Brockelmann, Arabische Grammatik, S. 94 f.

Somit sind auch alle Regeln für einen نكاح (nikâH = Ehe/Ehevertrag) bzw. زواج (zawâj = Ehe, Partnerschaft) für alle gültig. Denn er macht die Menschen erst zu Partnern (ازواج, azwâj). Zumal es nirgendwo im Qur’ân ein Heiratsverbot gibt zwischen Menschen desselben Geschlechts. Folglich sind unter einem نكاح (nikâH) homosexuelle Verbindungen ebenso legal wie heterosexuelle. الحمد لله – al-Hamdu lillah.

Jeder Homosexuelle, Muslima oder Muslim, sollte von daher die von Allah so gewollte sexuelle Disposition dankbar akzeptieren.

Vorab die Fakten und das Ergebnis der Untersuchung in Kurzform:

Bis hierher beurteilt der Qur’ân alle zwischenmenschlichen sexuellen Partnerschaften als gleichwertig und gleichberechtigt. Eine Ehe zwischen zwei Personen des gleichen Geschlechts wird im Qur’ân nicht untersagt. Der Islam ist somit die einzige (mono-)theistische Lehre, die Homosexuelle und ihre Partnerschaften voll akzeptiert, الحمد لله.

Im Qur’ân untersagt Allah, etwas zu verbieten, was Er nicht verboten hat:

Wer ist ungerechter als der, welcher eine Lüge wider Allah ersinnt?

Koran 6:144

Zusammenfassung: Islam ist allein die offenbarte Lehre im Qur’ân, spätere Ergänzungen (Verbote, Gebote) durch Menschen gehören nicht dazu.

Worauf beruht die homosexualitätsfeindliche Argumentation der traditionellen Lehre?

Die traditionelle Argumentation führt als Beleg für ein Verbot von Homosexualität die Verse über Lot und sein Volk an.

Was aber sagen diese Verse tatsächlich aus?

Kein Wort im Qur’ân deutet an, dass die Passagen von Lot und seinem Volk im sexuellen Sinne zu verstehen seien. Ganz im Gegenteil. Es gibt 4 Passagen (7:80-81; 26:165-166; 27:54-55; 29:28-29), in denen Lot sein Volk tadelt, die alle mit denselben Worten eingeleitet werden.

“wa lûTan id qâla li-qaumi-hi” (و لوطا اذ قال لقومه)
„und (gedenke) Lots, als er zu seinem Volk (allen Männern und Frauen) sprach“,

In mehreren Koranversen

Der Leser wird in allen diesen Fällen besonders darauf hingewiesen, dass Lot alle Männer und Frauen seines Volkes, seiner Leute, in seinen Tadel einschliesst.

Ob Lots Worte in seinem Tadel (7:81, 27:56) „Kommt ihr zu den Männern anstatt/und nicht zu den Frauen bei einem Begehren (شهوة)“ eine sexuelle Bedeutung haben, kann man sehr leicht durch Anwendung einfacher Logik prüfen: Sein Tadel richtet sich an القوم (al-qaum), alle Männern und Frauen seines Volkes. Wenn seine Worte auf beide Gruppen im sexuellen Sinne anwendbar sind, können sie eine sexuelle Bedeutung haben, wenn nicht, müssen wir diese Bedeutung vermeiden.

Angewendet auf die Frauen: Glaubt wirklich jemand, dass das beabsichtigte Ergebnis seines Tadels “kommt ihr zu den Männern anstatt zu/neben den Frauen” ist, dass Lot wollte, dass die Frauen sich lesbisch verhalten? Warum sollte er das tun? In den beiden vorgenannten Versen wird das Wort (شهوة – schahwa) verwendet, das in den meisten Qurân-Übersetzungen als sexuelles Begehren (z.B. „Sinnenlust“) verstanden und übersetzt wird.

Das Wort schahwa kommt indes einschließlich der Verbformen an weiteren 11 Stellen im Qur’an vor:

  • schahawât (pl.): 3:14, 4:27 und 19:59
  • als Verbum (VIII. Stamm): 16:57, 21:102, 34:54, 41:31, 43:71, 52:22, 56:21, 77:42

An allen diesen Stellen hat es ganz klar keinen sexuellen Bezug. Dieser entstand und verstärkte sich erst durch die traditionelle Qur’ân-Interpretation der Verse von Lot und seinem Volk.

Es gibt keine historisch verlässlichen Zeugnisse über Lot und sein Volk und das, was in ihrer Stadt geschah. Es gibt nur eine Erwähnung im Alten Testament der Bibel, wo ein einziges Wort in einem der Bücher Mose zu einer verbreiteten Fehlinterpretation führte (die Quelle für bestimmte mawâlî-(موالي) –Überlieferungen).

Die Verse von Lot und seinem Volk

Über den Propheten Lot sagte der Qur’ân:

Und (Wir leiteten) Ismael und Elisa und Jonas und Lot; sie alle zeichneten Wir aus unter den Völkern.

Koran 6:86

Wann lebte Lot?

Die Antwort auf diese Frage hilft bei der Prüfung, ob es vor Lot bereits Homosexualität nachweislich gab. Denn in der traditionellen Interpretation wird anderes behauptet. Direkt auf Lot bezogene Angaben enthielten die befragten Nachschlagewerke nicht, dafür jedoch Zeitangaben über seinen Zeitgenossen und Verwandten Abraham.

Abraham, Stammvater der Israeliten und Araber, aus Ur in Chaldäa; kam um 1800 v. Chr. nach Kanaan; bei Hebron begraben.

Das Herder-Bücherei Lexikon, Band 1, Spalte 3

Abraham, erster der drei at. [= alttestamentlichen] Erzväter, zog zwischen dem 19. und 17. Jh. v. Chr. aus Haran oder Ur nach Kanaan.

rororo lexikon, Duden-Lexikon, Taschenbuchausgabe, Seite 15

Ungefähr um 2000 v. Chr. bauten hier Abraham und sein Sohn Ismael zusammen im Namen Gottes einen Altar, der Ka’ba genannt wurde.

Syed Muzaffar-ud-Din Nadvi, A Geographical History of the Qur’ân, Seite 53

Nach Reclams Bibellexikon, Seite 310, ist Lot (arabisch: lûT) der „Brudersohn Abrahams, der mit ihm nach Kanaan zieht, sich in Sodom niederlässt und dem Gericht über die Stadt entkommt.“ Nach dem Qur’ân ist er zudem ein Gesandter Gottes (26:162) unter dem Volk, bei dem er lebt.

Der folgende Abschnitt soll alle wichtigen Aspekte der Geschichte von Lot und seinem Volk zusammenfassen, so wie der Qur’ân sie schildert. Das kann dabei helfen, die Umstände besser zu verstehen, unter denen Lot lebte. Um einen vollständigen Überblick darüber zu erhalten, sind die einzelnen Teile, die an verschiedenen Stellen des Qur’âns zu finden sind – teils verkürzt, teils ausführlicher -, die einander ergänzen bzw. Wiederholungen darstellen und zum Teil in einander verschachtelt berichtet werden, thematisch zu sichten und zusammenzufassen.

Hierbei ergeben sich folgende Hauptthemen:

  • Lot und Abraham
  • Lot und das Volk
  • Die Gesandten
  • Die Vernichtung des Volkes
  • Lots Geschichte im Vergleich zu der anderer Gesandter

Sie lassen sich wiederum weiter unterteilen. Im Folgenden werden die Verse, die sich auf die Geschichte Lots beziehen, in der angegebenen thematischen Aufteilung wiedergegeben, erforderliche Erklärungen und Zusammenfassungen werden jeweils eingeschoben.

Lot und Abraham

Abraham wurde von einem Anschlag seines Volkes gegen sein Leben errettet und ging mit Lot, der mit ihm auswanderte, in das Land, das Allah segnete.

Sie [das Volk] wollten eine List gegen ihn [Abraham] anwenden. Doch Wir machten sie zu den größten Verlierern. Und Wir erretteten ihn und Lot in das Land, das Wir für die Menschen in aller Welt [wörtlich: für alle Welten] segneten.

Koran 21:70-71

Und Lot glaubte ihm [Abraham], und er sagte: „Ich werde zu meinem Herrn auswandern [wörtlich: hijra machen]. Er ist der Mächtige, der Weise.“

Koran 29:26

Demnach wirkte Lot unter Menschen, zu denen er als Fremder kam, nachdem er seine Heimat verlassen hatte. Mit Bailey, einem anglikanischen Autor, muss man annehmen, dass Lot sich als Fremder in der Stadt, in der er sich danach niederließ und über die der Qur’ân berichtet, nur mit eingeschränkten Rechten leben durfte.

Lot und sein Volk

Lot empfing von Gott Weisheit und Wissen:

Und Lot gaben Wir Weisheit [Hukm] und Wissen [‚ilm], und Wir erretteten ihn aus der Stadt [al-qarya], die Schlechtigkeiten [chabâ’ith] beging. Sie waren ein böses Volk [qaum], Frevler [fâsiqîn]. Und Wir ließen ihn in Unsere Barmherzigkeit eingehen; denn er war einer der Rechtschaffenen.

Koran 21:74-75

Lot war Gesandter Allahs, und Lot rief das Volk zu gottesfürchtigem Leben auf und betonte, dass er für sein Wirken keine Entlohnung erwarte. Lot bezeichnet sich als rasûl amîn, als einen zuverlässigen Gesandten, als jemanden, der zuverlässig, vertrauenswürdig und ehrlich ist, laut E.W. Lane auch faithful, d.h. wahrheits- und wortgetreu und glaubwürdig. Mit anderen Worten: Er wird niemanden einer Tat beschuldigen, die dieser nicht begangen hat.

Und Lots Volk [qaum lûT] zieh die Gesandten der Lüge, da ihr Bruder Lot zu ihnen sprach: „Wollt ihr nicht gottesfürchtig sein? Denn ich bin euch ein zuverlässiger Gesandter. So fürchtet Allah und gehorcht mir. Und ich verlange von euch keinen Lohn dafür [, dass ich euch die Offenbarung übermittle]. Mein Lohn ist allein beim Herrn der Welten.“

Koran 26:160-164

Lot kämpfte gegen etwas Abstoßendes, das es bis dahin noch nicht unter Menschen gab. Daraufhin drohte das Volk ihm mit Vertreibung.

Und [Wir entsandten] Lot, da er zu seinem Volk sprach: „Wollt ihr etwas Abstoßendes begehen, worin keiner in aller Welt euch vorangegangen ist. Ihr kommt zu Männern bei einem Begehren, nicht [auch] zu den Frauen. Nein, ihr seid ein das Maß überschreitendes Volk [qaum musrifûn].“

Koran 7:80-81

Kommt ihr unter allen Geschöpfen zu Männern, und lasst unbeachtet, was euch euer Herr an euren Partnern erschaffen hat? Nein, ihr seid ein übertretendes Volk [qaum ‚âdûn].“

Koran 26:165-167

Und [Wir entsandten Lot], da er zu seinem Volk sprach: „Wollt ihr etwas Abstossendes begehen, während ihr seht? Kommt ihr denn zu Männern bei einem Begehren, nicht [auch] zu Frauen? Nein, ihr seid ein unwissendes Volk [qaum tajhalûn].“

Koran 27:54-55

Und [Wir entsandten] Lot, da er zu seinem Volk sprach: „Ihr begeht etwas Abstoßendes, worin keiner in aller Welt euch vorangegangen ist. Kommt ihr denn zu Männern und zerschneidet den Weg? Und in eurer Versammlung [nâdî-kum] begeht ihr Verwerfliches [munkar]?“ Doch die Antwort seines Volkes war nur, dass sie sprachen: „Bring uns Allahs Strafe, wenn du die Wahrheit sagst.“ Er sprach: „Mein Herr, hilf mir gegen das Volk, das Unheil anrichtet [mufsidîn].“

Koran 29:28-30

Über das Wort – nâdin – Versammlung – schreibt G. Lüling:

[…] der Stamm ndw [hat] ganz allgemein eine außergewöhnlich hehre, im profanen wie auch im religiösen Bereich erhabene Bedeutung. Während der IV. und V. Stamm fast ausschließlich eine profane Erhabenheit umschreibt (‚edel, großmütig sein, sich freigiebig zeigen‘), zeigt besonders der Sprachgebrauch des Qur’âns selbst, aber auch die alte arabische Poesie, dass die Stämme I und III ihren bevorzugten Platz in der religiösen Terminologie haben, als die Verben, die in Sonderheit für den feierlichen Aufruf zur Besinnung, zum Glauben stehen, auch für die Anrufung Gottes (z. B. 11,42; 21,83 und oft) […].

G. Lüling, Über den Ur-Qur’ân, Seite 63

Unter der ‚Versammlung‘ ist daher wenigstens eine Ratsversammlung, wenn nicht sogar eine religiöse Versammlung kultischen Inhalts zu verstehen. Die Worte ‚ihr … zerschneidet den Weg‘ können bedeuten, dass die Angesprochenen den Weg, d.h. die Verbindung nach außen, zu anderen Menschen außerhalb der Stadt unterbrechen; darauf weist auch, dass die Leute Lot daran erinnern, dass sie ihm den Kontakt zu anderen Menschen untersagt haben (s. 15:70). Sie können aber auch aussagen, dass das Volk den Handels- und Reiseweg, der an der Stadt vorbeiführt und den es auch später noch gibt (s. 15:76), unterbrochen haben. Zu dem Ausdruck ‚ihr … zerschneidet den Weg‘ schreibt Muhammad Ali:

[…] qaT’us-sabîl ist nach Kf [kassâf von abûl-qâsim maHmûd ibn ‚umar az-zamachscharî] ‚die Arbeit von Räubern, die Menschen töten und sich deren Eigentum aneignen‘. JB [jâmi’ul-bayan fî tafsîril-qur’ân von mu’înud-dîn ibn Sâfiyud-dîn] fügt nach den Wörtern taqta’ûna`s-sabîl als Erklärung hinzu: ‚Denn sie ermordeten gewöhnlich die Vorbeikommenden und beraubten sie ihres Eigentums‘. Andere Kommentatoren geben ähnliche Erklärungen.

Muhammad Ali, The Holy Qur’ân, Seite 766

Welche Art von Verwerflichem die Leute in ihren Versammlungen begehen, wird im Qur’ân nicht weiter ausgeführt, außer dass Lot dafür die Strafe Gottes angekündigt hat. Der Vorwurf kann sich einerseits auf die gemeinsame Vorbereitung und Planung ihrer schlechten Taten (z. B. Wegelagerei) und ihres Übereinkommens, das Gastrecht für Fremde nicht anzuerkennen, beziehen. Wenn man ‚Versammlung‘ andererseits im kultischen Sinne verstehen will, so kann sich der Vorwurf auf ein frevelhaftes Ritual beziehen, das sich nicht auf den Glauben an den einen Gott gründet.

Und die Antwort seines Volkes war nur, dass sie [die einen zu den anderen] sagten: „Treibt sie hinaus aus eurer Stadt [qarya]. Denn sie sind Leute [unâs], die sich rein halten.“

Koran 7:82

Doch die Antwort seines Volkes war nur, dass sie [die einen zu den anderen] sagten: „Treibt Lots Anhänger [âl lûT] hinaus aus eurer Stadt [qarya]. Denn sie sind Leute [unâs], die sich rein halten.“

Koran 27:56

Die Antwort der Leute ist recht ungewöhnlich. Sie sagen: „Treibt sie aus eurer (nicht aber: treiben wir sie aus unserer) Stadt“. Daraus kann man nur schließen, dass Unruhe entstanden ist und es starke Interessen gibt, Lot und seine Anhänger auszuweisen. Einige befürworten zwar eine solche Aktion, wollen die Verantwortung dafür aber nicht übernehmen, solange formale Handhaben gegen ihn fehlen. Sie fordern daher andere auf, dies zu übernehmen. Seine Anhänger werden von ihnen als Leute beschrieben, die sich rein halten wollen. Das ist sicher spöttisch gemeint, wenn auch offensichtlich unter Verwendung eines Ausdruck, den Lot und seine Anhänger selbst verwenden; denn die Menschen in der Stadt verstehen ihr Tun sicher nicht als unrein. Worauf sich der Ausdruck ’sich rein halten‘ neben der allgemeinen Bedeutung ’sich einer untersagten Sache enthalten‘ beziehen kann, wird ersichtlich, wenn man dessen Gebrauch in der frühen Zeit des Alten Testaments berücksichtigt. Unter dem Stichwort ‚rein und unrein‘ heißt es u. a. in Reclams Bibellexikon:

In frühen alttest. Texten bezieht sich ‘r.’ [= rein] und ‘u.’ [= unrein] auf Hygiene- und Speisevorschriften (Richt 13, 4; 2 Sam 11,4). Bei den Profeten sind ‘r.’ und ‘u.’ umfassende religiöse-sittliche Kategorien. Unrein macht vor allem der Kult fremder Götter (Hos 5, 3; 6, 10; oft bei Ezechiel, z.B. Ez 20, 7).“

Reclams Bibellexikon, Seite 424 f.

Der Zusammenhang der beiden Verse, in denen der Ausdruck ’sich rein halten‘ vorkommt, zeigt, dass es hier nicht um Hygiene- und Speisevorschriften geht, sondern darum, dass sich Lot und seine Anhänger nicht am Tun der anderen Leute beteiligen. Man könnte daher auch davon ausgehen, dass damit der Kult fremder Götter gemeint ist, von dem sie sich fernhalten, wie die Fruchtbarkeitsreligionen jener Zeit in Kanaan.

Sie sprachen: „Wenn du nicht ablässt, Lot, so wirst du zu den Vertriebenen gehören.“ Er sprach: „Gewiss verabscheue ich euer Tun. Mein Herr, rette mich und die Meinen [ahl] vor dem, was sie tun.“

Koran 26:167-169

Bis zu diesem Zeitpunkt haben die Bewohner der Stadt Lot offensichtlich gewähren lassen. Um sich für die Zukunft eine formale Handhabe gegen ihn zu verschaffen, greifen sie zu der Forderung, seine Aktivitäten einzustellen, und kündigen ihm für den Fall der Zuwiderhandlung die Vertreibung an. Damit machen sie ihm deutlich, dass sein Aufenthalt als Fremder nur unter einschränkenden Bedingungen geduldet wird.

Die Gesandten

Die Gesandten sind zuerst bei Abraham:

[Abraham] sprach: „Was ist euer Auftrag, ihr Gesandten?“

Koran 15:57

[Abraham] sprach: „Was ist euer Auftrag, ihr Gesandten?“ Sie sprachen: „Wir sind entsandt zu einem sündigen [mujrimîn] Volk, auf dass wir Steine aus Ton auf sie niedersenden, bezeichnet von deinem Herrn für die, die das Maß überschreiten.“

Koran 51:31-34

Sie sprachen: „Wir sind entsandt zu einem sündigen Volk, Lots Anhänger [âl lûT] ausgenommen; sie alle sollen wir erretten, bis auf seine Frau. Wir bestimmten es. Sie gehört zu denen, die zurückbleiben.“

Koran 15:58-60

Und da unsere Gesandten Abraham die frohe Botschaft [von der Geburt eines Sohnes] brachten, sprachen sie: „Wir werden die Bewohner dieser Stadt [ahl hâdihî`l-qarya] vernichten; denn ihre Bewohner [ahl] sind Missetäter [Zâlimîn].“ [Abraham] sprach: „Doch Lot ist dort.“ Sie sprachen: „Wir wissen sehr wohl, wer dort ist. Wir werden ihn und die Seinen [ahl] sicherlich retten bis auf seine Frau, die zu denen gehört, die zurückbleiben.“

Koran 29:31-32

Und als die Furcht von Abraham gewichen war und die frohe Botschaft zu ihm kam, da stritt er mit Uns über Lots Volk. Denn Abraham war milde, mitleidig und weichherzig. „O Abraham, steh ab davon. Denn der Befehl deines Herrn ist schon ergangen, und über sie kommt eine unabwendbare Strafe.“

Koran 11:74-76

Die Gesandten kommen zu Lot:

Und als die Gesandten zu Lots Anhängern [âl lûT] kamen, da sprach [Lot]: „Ihr seid Leute, die man [in unserer gefährdeten Lage besser] verleugnet [qaum munkarûn].“

Koran 15:61-62

M. Hamidullah übersetzt, Seite 242: „[…] des gens insolites […]“ – ungewöhnliche Leute; Max Henning, Seite 248, sagt: „[…] fremde Leute.“ Die Antwort der Gesandten aber ist: „Nein, im Gegenteil, […]“ und unterstützt diese Wiedergabe nicht: Die Gesandten sind Lot ja fremd und – wenn sie, wie allgemein angenommen wird – Engel sind – ungewöhnliche Leute.

Rudi Parets Wiedergabe, Seite 184: „[…] verdächtige Leute“, trifft von der Antwort der Gesandten her eher zu („Wir sind mit der Wahrheit gekommen“). Denn verdächtig sind sie in zweifacher Hinsicht:

  • Aus Sicht der Bewohner der Stadt, weil sie sich an Lot, einen Fremden, wenden und seine Gäste sind
  • Aus Lots Sicht, weil er äußerst vorsichtig sein muss und ihre Gegenwart seine Lage weiter verschärfen kann. Denn jeder Kontakt zu Fremden ist ihm untersagt (s. 15:70).

Die hier gewählte Übersetzung berücksichtigt eher die Wortbedeutung und die Antwort der Gesandten: „Nein, im Gegenteil [verleugne uns nicht …]“, und sie betonen, dass sie mit der Wahrheit gekommen sind und um ihn und die Seinen zu retten.

Nach H. Wehr, Seite 1313, bedeutet ankara: „Nicht kennen wollen (hu j-n), nicht wissen wollen (von e-r S.); nicht anerkennen, in Abrede stellen, leugnen; verleugnen (etw.) […] verwerfen, missbilligen […]“.

Sie sprachen: „Nein, im Gegenteil. Wir sind zu dir gekommen mit dem, woran sie zweifelten. Wir sind zu dir gekommen mit der Wahrheit; und gewiss, wir sind wahrhaftig. So mache dich auf mit den Deinen [ahl] in einem Teil der Nacht und folge ihnen [als letzter]. Und niemand von euch wende sich um, sondern geht, wohin euch geboten wird.“

Koran 15:63-65

Und als die Gesandten zu Lot kamen, war er ihretwegen besorgt und fühlte sich um ihretwegen hilflos und sprach: „Das ist ein schlimmer Tag.“

Koran 11:77

Und als Unsere Gesandten zu Lot kamen, war er ihretwegen besorgt und fühlte sich um ihretwegen hilflos. Sie sprachen: „Fürchte dich nicht. Denn wir sind hier, um dich und die Deinen [ahl] zu retten bis auf deine Frau, die zu denen gehört, die zurückbleiben. Denn wir werden über die Bewohner dieser Stadt [ahlu hâdihî`l-qarya] ein Strafgericht vom Himmel niedergehen lassen, weil sie sündigten [yafsuqûna].“

Koran 29:33-34

Das Verhalten des Volkes nach Ankunft der Gesandten:

Und sie suchten, ihn von seinen Gästen abwendig zu machen. Da blendeten Wir ihre Augen [und sprachen]: „Kostet nun Meine Strafe und Meine Warnung.“

Koran 54:37

Die Aussage des Qur’âns, dass die Leute Lot von seinen Gästen abwendig zu machen suchten, und die Betonung Lots, dass die Gesandten seine Gäste sind (15:68), vor denen sie ihn nicht beschämen sollen, stellt ganz klar, worum es dem Volk geht: Es will Lot dazu bringen, seinen Gästen das Gastrecht zu entziehen, und es will ihm damit ‚Schande antun‘ (15:68) und ihn ‚in Schmach stürzen‘ (15:69). Damit tritt es ein in jener Zeit fundamentales Recht des Fremden – besonders in Gebieten mit unsicheren Wegen und feindseligen Gruppierungen – mit den Füßen und folgt blind nur seinen gegen Lot gerichteten Absichten. Ebenso verweist die Stelle (11:79) auf das Gastrecht. Aus diesem Grunde betont auch Muhammad Ali im Zusammenhang mit 15:69 dies:

„[…] Lot war ein Fremder unter den Sodomitern und, wie der Vers zeigt, war es ihm vom Volk verboten worden, Fremde als Gäste aufzunehmen oder ihnen Schutz zu geben.“

Muhammad Ali, The Holy Qur’ân, S.515

Unter dem Stichwort ‚Gastfreundschaft‘ führt Reclams Bibellexikon über das Gastrecht in der Zeit des Alten Testaments folgendes an:

[…] Der Reisende war in der Antike vielfach auf die G. [Gastfreundschaft] angewiesen, die ihm unentgeltlich Unterkunft und Verpflegung bot. Sie zu verweigern galt als Schande […], sie zu verletzen als Frevel […].

Reclams Bibellexikon, Seite 154 f.

Und die Bewohner der Stadt [ahlu`l-madîna] kamen frohlockend.

Koran 15:67

Offensichtlich, weil sie glauben, Lot selbst habe ihnen einen Anlass geliefert, ihre Absichten ihm gegenüber zu verwirklichen.

Er sprach: „Das sind meine Gäste; so tut mir nicht Schande an. Und fürchtet Allah und stürzt mich nicht in Schmach.“ Sie sprachen: „Haben wir dir nicht ein Verbot hinsichtlich anderer Menschen [wörtlich: der Welten, d.h. außerhalb der Stadt] auferlegt?“

Koran 15:68-70

Auch hier wird wieder deutlich, dass die Absicht der Leute in dem hier geschilderten Fall sich in erster Linie gegen Lot richtet, von denen dieser daher für sich Schmach und Schande befürchtet, und die Anwesenheit der Fremden in seinem Haus lediglich ein wohlfeiler Anlass dazu ist. Die Leute erinnern Lot daran, dass eine der Auflagen, unter denen ihm und seinen Anhängern der Aufenthalt in der Stadt zugestanden worden ist, darin bestehe, dass er zu anderen Menschen von außerhalb der Stadt keine Kontakte haben darf. Dadurch, dass Lot die Gesandten aufgenommen und ihnen das ihnen zustehende Gastrecht gewährt hat, hat er dagegen verstoßen und befürchtet Böses („Das ist ein schlimmer Tag“, 11:78, ein Tag, der schlimme Folgen haben wird). Aber auch angesichts seiner bedrängten Lage bleibt er rechtschaffen und verstößt nicht gegen ein in der damaligen Zeit für Reisende lebenswichtiges Grundrecht, das Gastrecht. Er kann und will sich nicht dem ungesetzlichen Verhalten der anderen anschließen, sondern hat den Gesandten mutig Schutz und Obdach gewährt, um sie vor den Leuten, denen das Gastrecht nichts bedeutet, die es mit Füßen treten und Reisende wohl auch ausrauben (29:29), zu schützen.

Er sprach: „Dies sind meine Töchter [nehmt sie als Garanten für mein und meiner Gäste Wohlverhalten], wenn ihr etwas tun wollt.“ Bei deinem Leben, in ihrer Trunkenheit irren sie hin und her.

Koran 15:71-72

Und sein Volk kam zornbebend zu ihm gelaufen; und schon zuvor hatten sie Böses verübt. Er sprach: „O mein Volk dies hier sind meine Töchter; sie sind reiner für euch. So fürchtet Allah und bringt nicht Schande über mich in Gegenwart meiner Gäste. Ist denn kein vernünftiger Mann unter euch?“ Sie antworteten: „Du weißt recht wohl, dass wir kein Anrecht auf deine Töchter haben, und du weißt auch, was wir wünschen.“

Koran 11:78-79

Zu diesen Versen sagt Muhammad Ali:

„Lot, so zeigt es sich in 1 Mose 19, 9 war in der Stadt ein Fremder: ‚Ist da einer als Fremdling hierhergekommen und will schon den Richter spielen‘, und da die Gesandten [ebenfalls] Fremde waren, wollten die Stadtbewohner ihm nicht erlauben, sie zu beherbergen. Lot bot seine Töchter als Geiseln an, damit es ihm erlaubt würde, seine Gäste bei sich zu behalten; denn nach (15:70) besaß er nicht die Genehmigung, irgendeinen Fremden in sein Haus kommen zu lassen: ‚Haben wir dir nicht ein Verbot hinsichtlich anderer Menschen auferlegt?‘, d. h. ihnen Schutz zu gewähren. Das kann von der ständigen Gefahr von Stammeskämpfen herrühren. […].“

Muhammad Ali, The Holy Qur’ân, Seite 453

Die Aussage, dass Lot auf seine Töchter verweist, verstehen viele Kommentatoren als Argument für ihre Vermutung, dass das Volk (die Männer und Frauen) die Gesandten zur Befriedigung ihrer sexuellen Absichten von Lot fordert. Sie gehen davon aus, dass die Gesandten Engel in der Gestalt von Männern sind. Manche sagen, dass sie junge Männer, andere, dass sie gutaussehende junge Männer seien (z. B. Yusuf Ali, The Holy Quran, Band 1, Seite 649 zu 15:67; ibn kathir, Band 2, Seite 451 zu 11:69-73, Seite 453 zu 11:77-79, Seite 554 zu 15:61-64; Muhammad Asad, Seite 327 zu 11:77, S. 389 zu 15:67). Diese Annahme ist frühestens bei dem jüdischen Schriftsteller Josephus (37 oder 38 – nach 100 n. Chr.) nachweisbar, der damit einer Tendenz folgt, die außerhalb der Schriften des Alten Testaments, des rabbinischen Schrifttums und damit außerhalb der vorherrschenden religiösen Tradition des Judentums liegt und deren Ursprung nicht bekannt ist. Sie hat sich über die christliche Tradition bis zu den Muslimen erhalten.

Der Qur’ân sagt nicht ausdrücklich, dass die Gesandten Engel sind. Doch schließen die klassischen Kommentatoren es aus dem Wort ‚Gesandte‘, das auch für Engel verwendet wird (s. Muhammad Asad, Seite 325). Und nur unter dieser Voraussetzung sind die Verse (51:32-34) verständlich. Über das Aussehen oder das Alter der Gesandten gibt es im Qur’ân keinen Hinweis. Jede dahingehende Äußerung lässt sich nicht aus ihm ableiten und ist reine Spekulation.

Es ist kaum vorstellbar, dass Lot seine Töchter den Leuten überantworten würde, damit sie sie missbrauchten (ebenso wenig wie man es sich in Bezug auf den Propheten Muhammad (S.) und seine Tochter oder einen der anderen Propheten vorstellen kann). Nach dem Wortlaut des Alten Testaments, das von ’seinen Schwiegersöhnen, die seine Töchter heiraten wollten‘ (1 Mose 19, 14) spricht, hat Lot sie diesen schon versprochen.

Ebenso ist die Annahme, dass das Volk die Gesandten für sexuelle Ausschweifungen fordert, nicht aus dem Wortlaut des Qur’âns zu belegen. Zudem ist es unverständlich, warum die Leute nicht auch die anderen Männer unter Lots Anhängern, zumal die jungen und gutaussehenden, oder gar Lot selbst begehren, wenn sie tatsächlich so hemmungslos auf gleichgeschlechtliche Befriedigung den Gesandten gegenüber versessen waren. Weiterhin bleibt unverständlich, welchen Grund ein Teil des Volkes, nämlich die Frauen (qaum = Volk, d.h. die Männer und Frauen des Volkes), gehabt haben soll, sich diesem Ansinnen anzuschließen; dem Wortlaut nach gehören sie zum Volk.

Lots Verweis auf seine Töchter wird damit erklärt, dass

  1. Lot sie dem Volk zur Heirat anbietet, um die Leute von ihrem sexuellen Ansinnen gegenüber den Gästen abzuhalten
  2. Lot damit bedeuten will, dass Frauen die für das Volk angemessenen Geschlechtspartner seien.

Die erste Annahme würde zu keinem befriedigendem Ergebnis führen, weil nur wenige Männer (entsprechend der Zahl der Töchter) eine Ehe eingehen könnten. Vor allem aber verweist die Antwort der Leute (11:79) diese Ansicht in den Bereich der Spekulation; sie sagen: „Du weißt doch, dass wir kein Recht [= mâ la-nâ fî banâti-ka min Haqq, nicht: sexuelles Interesse] auf deine Töchter haben, und du weißt auch, was wir wollen.“

Hans Wehr gibt für das Wort Haqq in Verbindung mit der Präposition fî auf Seite 276 die folgenden Bedeutungen an: „Recht, Anrecht, Anspruch, Rechtsanspruch (fî auf).“

Soweit Lots Töchter unverheiratet sind, haben die Leute grundsätzlich ein Recht darauf, sie zu ehelichen. Nur in dem Fall, dass diese bereits verheiratet sind, haben sie es nicht und gibt ihre Antwort einen Sinn. Doch muss wohl ausgeschlossen werden, dass Lot ihnen seine verheirateten oder verlobten Töchter zur Ehe anbietet, weil er damit gegen Gebote Gottes verstoßen würde und seiner Aufgabe, die Menschen auf den rechten Weg zu führen, nicht gerecht werden würde.

Wir wissen nichts Näheres über die sozialen Verhältnisse und die Auswirkungen des Gastrechts zur Zeit Lots. Doch könnte man aus den Versen schließen, dass die Leute nach ihrem Rechtsverständnis Lots Töchter nicht ehelichen konnten, weil Lot bei ihnen das Gastrecht in Anspruch nahm und er und seine Anhänger damit nicht die vollen Bürgerrechte besaßen, was gegebenenfalls einen solchen Kontrakt ausschließen würde, oder dass die Leute einer anderen Religionsgemeinschaft angehörten als die von Lot vertretene, was eine eheliche Verbindung unter Umständen ebenfalls nicht zulassen würde.

Einige Kommentatoren (Hinweise gibt es dazu bei Muhammad Asad, Seite 327 zu 11:78; Muhammad Ali, Seite 453, u. a.) beziehen den Ausdruck ‚Töchter‘ auf die Frauen im Volk, da Lot als Gesandter im übertragenen Sinne deren Vater sei. Auch dadurch wird die Antwort des Volkes nicht verständlicher: Denn die Männer in ihm haben ein Recht – sicherlich auch nach Ansicht Lots -, Frauen zu ehelichen. Muhammad Ali zu dieser Frage zu 11:77:

[…] Eine andere Ansicht ist, dass Lot seine Töchter zur Heirat anbot, da er dadurch kein Fremder mehr unter ihnen sein würde, sondern einer von ihnen. Einige Kommentatoren haben vorgeschlagen, dass Lot nicht auf seine eigenen Töchter verwies, sondern auf die Frauen des Stammes, weil ein Prophet von den Frauen seines Stammes als von seinen Töchtern sprechen würde (Rz [= at-tafsîrul-kabîr von fachrud-dîn râzî], JB [= jâmi’ul-bayân fî tafsîril-qur’ân von mu’înud-dîn ibn Sâfiyud-dîn]), und in diesem Falle nur auf die natürliche Beziehung von Mann und Frau verwiesen hätte. Die Antwort seines Volkes scheint sich jedoch auf seine Töchter zu beziehen.

Muhammad Ali, Seite 453 f.

Ganz generell spricht gegen die Annahme, dass das Volk gegenüber Lots Gästen sexuelle Absichten hege, der Wortlaut des Qur’âns, der eine solche Aussage nicht macht. Damit entfällt auch die zweite oben angeführte Annahme. Zudem ist die Antwort der Gesandten an Lot (11:81): „Sie sollen dich [= Lot] nicht erreichen [mit ihren bösen Absichten]“, d. h. das Volk verfolgt gegenüber Lot bestimmte Absichten, nicht aber gegenüber den Gesandten. Wenn Lot vertrieben wird, kann er als Folge allerdings das Gastrecht gegenüber seinen Besuchern nicht ausüben. Deshalb fühlt er sich ihretwegen besorgt und hilflos (11:77).

Die naheliegendste Erklärung auf Grund des Wortlautes des Qur’âns ist sicherlich, dass Lot versucht, sein Wohlverhalten und das seiner Gäste mit dieser Geste zu bekräftigen und das Recht der Fremden auf Gastfreundschaft zu betonen, und er dabei an die Einsicht vernünftiger Menschen appelliert (11:78). Außerdem betont er mit dem Hinweis auf seine Töchter die Gleichwertigkeit von Frauen und Männern auch als Garanten.

Denn, wenn die Leute sagen, dass sie auf die Töchter Lots keinen Rechtsanspruch haben, als Lot sie ihnen als Austausch für die Sicherheit seiner Gäste anbietet, bedeutet das auch, dass die Frauen in ihren Augen nicht rechtsfähig sind, nicht als Garanten akzeptiert werden können, Frauen bei ihnen rechtlos, wenigstens von minderem Rechtsstatus sind.

Mit anderen Worten: Dass das Volk die Töchter nicht als Garanten akzeptiert, kann von daher nur bedeuten, dass der Status der Frauen in dem sozialen Verbund der Stadt außergewöhnlich gering ist. Mit ihnen kann Lot daher ihrem Rechtsanspruch auf Garanten oder Geiseln nicht genügen. Für diese Deutung spricht auch, dass die Leute bei Verfolgung ihrer materiellen Bestrebungen (= ‚Begehren‘) sie unbeachtet lassen und diese Geschäfte nur von Männern abwickeln lassen, obwohl Gott sie für sie als Gefährten und Partner erschaffen hat (26:165-166).

Es ist auch eine andere Erklärung möglich: Lot ist nur unter eingeschränkten Rechten ein Aufenthalt in der Stadt zugestanden worden. So ist es ihm untersagt, Kontakt mit Fremden außerhalb der Stadt aufzunehmen (15:70). Für die Bewohner der Stadt bedeutet das offensichtlich, dass er Fremden gegenüber auch nicht das Gastrecht ausüben darf. Aus ihrer Sicht kann er daher seine Zuwiderhandlung nicht dadurch folgenlos für sich machen, dass er auf seine Töchter als Garanten verweist, und sie lehnen es ab, auf seinen Vorschlag einzugehen, weil sie unter diesem Aspekt keinen Rechtsanspruch auf sie für sich ableiten können und wollen.

Und sein Volk kam zu ihm gelaufen; und schon zuvor hatten sie böse Taten [sayyi’ât] verübt. Er sprach: „Mein Volk, dies sind meine Töchter; sie sind reiner für euch. So fürchtet Allah und bringt mich nicht hinsichtlich meiner Gäste in Schande. Ist denn kein vernünftiger Mann unter euch?“

Koran 11:78

Das Volk kommt – wie schon früher – in böser Absicht zu ihm. Um seinen Gästen das Gastrecht zu sichern, bietet er seine Töchter als Garanten für das Wohlverhalten seiner Gäste mit der Begründung an, sie seien reiner als das Vorhaben, das den Fremden zustehende Gastrecht zu verletzen.

Sie sprachen: „Du weißt doch, dass wir kein Recht [ Haqq] auf deine Töchter haben, und du weißt, was wir
wollen.

Koran 11:79

Schon einmal haben sie ihm angedroht, ihn zu vertreiben, wenn er nicht von dem ablässt, was sie ihm untersagt haben.

Er sprach: „Hätte ich doch die Macht euch gegenüber, oder könnte ich mich nach einer starken Stütze wenden!“

Koran 11:80

Lot ist sich seiner gefährdeten Lage bewusst, als sein Versuch misslingt, die Leute zu besänftigen und die Einhaltung des Gastrechts für die Gesandten sicherzustellen. Selbst der Verweis auf seine Kinder, seine Töchter, und der Appell an vernünftige Männer im Volk führen zu nichts. In ihrer Blindheit wollen sie nicht auf Lots Angebot eingehen. Sie erinnern ihn daran, dass auch er wisse, was sie eigentlich von ihm wollen. Lot seinerseits weiß um seine schwache Position. Seine Äußerung: „Hätte ich doch die Macht euch gegenüber, oder könnte ich mich nach einer starken Stütze wenden!“ zeigt seine Hilflosigkeit ganz deutlich und führt den Leuten noch einmal vor Augen, dass er alleinsteht und daher der Auflage nachgekommen ist, von sich aus keine Kontakte zu Menschen außerhalb der Stadt aufzunehmen. Denn Unterstützung für sich und seine Mission kann er – wie die Situation sich darstellt – nicht in der Stadt finden, sondern nur außerhalb.

Und Wir ließen die Gläubigen, die dort waren, fortgehen. Allein, Wir fanden dort nur ein Haus von Muslimen. Und Wir hinterließen darin ein Zeichen für jene, die die qualvolle Strafe fürchten.

Koran 51:35-37

Lot und seine Anhänger, die Gläubigen bzw. Muslime, lebten in einem Haus zusammen. Vielleicht geschah es, weil die anderen sie dazu veranlassten und sie besser unter Kontrolle behalten wollten, sie gleichsam ghettoisieren wollten, vielleicht weil die Anhänger Lots selbst nur diesen Weg sahen, um einander besser zu beschützen und sich von dem Tun der anderen fernzuhalten. Und es zeigt, dass sie nur wenige Leute waren.

Sie sprachen: „Lot, wir sind Gesandte deines Herrn. Sie sollen dich nicht erreichen [mit ihren bösen Absichten]. So mache dich auf mit den Deinen [ahl] in einem Teil der Nacht, und niemand von euch wende sich um als deine Frau. Denn, was jene dort treffen wird, das wird sie [ebenfalls] treffen. Siehe, der Morgen ist ihre festgesetzte Frist. Ist der Morgen nicht nahe?“

Koran 11:81

Um Lot vor weiteren Bedrängnissen durch die Bewohner zu bewahren und ihn und die Seinen vor der Vernichtung zu retten, sollen sie die Stadt verlassen.

So mache dich auf mit den Deinen [ahl] in einem Teil der Nacht und folge ihnen [als letzter]. Und niemand von euch wende sich um, sondern geht, wohin euch geboten wird.

Koran 15:65

Die Vernichtung des Volkes

Und Wir verkündeten ihm diesen Ratschluss, dass die Wurzel jener abgeschnitten werden sollte am Morgen.

Koran 15:66

Und Lot war gewiss ein Gesandter, da Wir ihn und die Seinen [ahl] alle erretteten, bis auf eine alte Frau unter denen, die zurückblieben. Dann vernichteten Wir die anderen.

Koran 37:133-136

So erretteten Wir ihn und die Seinen [ahl] alle, bis auf eine alte Frau unter denen, die zurückblieben. Dann vernichteten Wir die anderen.

Koran 26:170-172

So erretteten Wir ihn und die Seinen [ahl] bis auf seine Frau; sie gehörte zu denen, die zurückblieben. Und Wir ließen einen gewaltigen Regen über sie niedergehen. Nun sieh, wie das Ende der Sünder war!

Koran 7:83-84

So erretteten Wir ihn und die Seinen [ahl] bis auf seine Frau; sie ließen Wir unter denen, die zurückblieben. Und Wir ließen Regen über sie niedergehen; und schlimm war der Regen den Gewarnten.

Koran 27:57-58

Alle Anhänger Lots folgen der Aufforderung, die Stadt zu verlassen. Nur seine Frau/eine alte Frau bleibt mit den anderen zurück. Die Erwähnung dieser Frau und die Tatsache, dass Frauen zu dem Volk gehören, zeigt zudem, dass der Grund für die Bestrafung des Volkes nicht in irgendwelchen homosexuellen Aktivitäten der Männer zu suchen ist, sondern in anderen Taten, denen sich diese Frau auch verbunden fühlt, so dass sie nicht mit Lot geht.

Das Volk Lots erklärte die Warnungen als Lüge. Da sandten Wir einen Sandsturm über sie außer über die Anhänger Lots [âl lûT], die Wir im Morgengrauen erretteten als eine Gnade von Uns. So belohnen Wir den, der dankbar ist. Und er hatte sie vor Unserer Strafe gewarnt, sie aber bezweifelten die Warnungen.

Koran 54:33-36

Als Unser Befehl eintraf, da kehrten Wir in dieser [Stadt] das Oberste zuunterst [ja’al-nâ ‚âliya-hâ sâfila-hâ] und ließen auf sie Steine aus Ton niederregnen Schicht auf Schicht. Gezeichnet [für sie] bei deinem Herrn. Und das ist nicht fern von den Frevlern [Zâlimîn].

Koran 11:82-83

Da erfasste sie der Schrei bei Sonnenaufgang. Und Wir kehrten das Oberste zuunterst [ja’al-nâ ‚âliya-hâ sâfila-hâ] und ließen auf sie Steine aus Ton niederregnen.

Koran 15:73-74

Und in der Morgenfrühe ereilte sie eine dauernde Strafe. „So kostet Meine Strafe und Meine Warnung.“

Koran 54:38-39

Und Wir haben davon ein klares Zeichen zurückgelassen für Leute, die verstehen.

Koran 29:35

Über die religiösen Verhältnisse in der Stadt wird wenig mitgeteilt. Jedoch zwei Verse im Anschluss an die Geschichte Lots in Sura 27 sind aufschlussreich:

Sprich [Muhammad]: „Aller Preis gebührt Allah, und Frieden sei über jenen seiner Diener, die Er auserwählt hat. Ist Allah besser oder die Götter, die sie [Ihm] an die Seite stellen? Wer hat denn Himmel und Erde erschaffen, und wer sendet Wasser für euch vom Himmel nieder, durch das Wir prachtvolle Gärten sprießen lassen? Ihr vermögt nicht, ihre Bäume sprießen zu lassen. Gibt es einen Gott neben Allah? Nein, sondern sie sind ein Volk, das [Ihm Götter] gleichsetzt [oder: das (vom rechten Weg) abweicht].“

27:59-60

Wenn man diese Verse in enger Verbindung zu der Geschichte Lots liest, weisen sie darauf hin, dass das Volk Götzendienst ausübte oder wenigstens von ihm im religiösen Leben stark beeinflusst war. Die Tatsache, dass der Qur’ân die Anhänger Lots als Gläubige und Muslime bezeichnet (51:35-36), nicht aber das übrige Volk, weist in die gleiche Richtung.

Lots Geschichte im Vergleich zu der anderer Gesandter

Die Zerstörung der Stadt, in der Lot eine Zeitlang lebte, war in der Menschheitsgeschichte kein einmaliges Geschehen und muss nicht die Folge irgendwelcher sexueller Missetaten gewesen sein wie andere Berichte im Qur’ân zeigen. Andere Städte und Völker wurden nach dem Qur’ân ebenfalls und aus anderen Gründen vernichtet und die Propheten und ihre Anhänger zuvor gerettet. In der 7. Sura, in der auch über Lot und sein Volk berichtet wird, heißt es z. B. über

  • Noah und sein Volk (7:64):
    Doch sie leugneten ihn, dann erretteten Wir ihn und die bei ihm waren in der Arche, und ließen jene ertrinken, die Unsere Zeichen verwarfen. Sie waren gewiss ein blindes Volk.
  • hûd und das Volk ‚âd (7:72):
    Sodann erretteten Wir ihn und die mit ihm waren durch Unsere Barmherzigkeit, und Wir schnitten den letzten Zweig derer ab, die Unsere Zeichen leugneten und nicht Gläubige waren.
  • SâliH und das Volk thamûd (7:76-78):
    Da sprachen die Hoffärtigen: „Wir glauben nicht an das, woran ihr glaubt.“ Dann erfasste sie das Erdbeben, und am Morgen lagen sie in ihren Wohnungen auf dem Boden hingestreckt.
  • schu’aib in madyân (7:91-92):
    Dann erfasste sie das Erdbeben, und am Morgen lagen sie in ihren Wohnungen hingestreckt. Jene, die schu’aib der Lüge beschuldigt hatten, wurden, als hätten sie nie darin gewohnt – sie waren die Verlorenen.

Dann heißt es über diese Städte:

Nie sandten Wir einen Propheten in eine Stadt, ohne dass Wir ihre Bewohner mit Not und Drangsal heimsuchten, auf dass sie sich demütigen mögen. Darauf verwandelten Wir den üblen Zustand in einen guten, bis sie anwuchsen und sprachen: „Auch unsere Väter erfuhren Leid und Freude.“ Dann erfassten Wir sie unversehens, ohne dass sie es merkten. Hätte aber das Volk der Städte geglaubt und wären sie rechtschaffen gewesen, so hätten Wir ihnen ganz gewiss vom Himmel und von der Erde Segnungen eröffnet. Doch sie bezeichneten [die Gesandten] als Lügner; so erfassten Wir sie um dessentwillen, was sie sich erwarben. Sind die Bewohner der Städte sicher, dass Unsere Strafe nicht über sie kommt zur Nachtzeit, während sie schlafen? Oder sind die Bewohner der Städte sicher, dass Unsere Strafe nicht über sie kommt zur Mittagszeit, während sie beim Spiel sind?

Koran 7:94-98

Dies sind die Städte, deren Kunde Wir dir gegeben haben. Ihre Gesandten waren zu ihnen gekommen mit deutlichen Zeichen. Allein sie mochten nicht an das glauben, was sie zuvor als Lüge bezeichnet hatten. Also versiegelte Allah die Herzen der Ungläubigen. Und bei den meisten von ihnen fanden Wir kein Worthalten, sondern fanden die meisten von ihnen als Frevler [fâsiqîn].

Koran 7:101-102

Ähnliches finden wir in der 11. Sura. Abschließend heißt:

Das ist von der Kunde der [bestraften] Städte, die Wir dir erzählen. Manche von ihnen stehen noch aufrecht da, und [manche] sind niedergemäht worden. Nicht Wir taten ihnen Unrecht, sondern sie taten sich selber Unrecht an; und ihre Götter, die sie statt/neben Allah anriefen, nützten ihnen ganz und gar nichts, als deines Herrn Befehl eintraf; sie mehrten nur ihr Verderben. Also ist der Griff deines Herrn, wenn Er die Städte erfasst, weil sie freveln [Zâlima]. Wahrlich, Sein Griff ist schmerzhaft und streng.

Koran 11:100-102

Zusammenfassung

Eine Reihe von Fragen, die der Bericht des Qur’ân aufwirft, müssen unbeantwortet bleiben. Es ist u.a. nicht klar,

  • warum Lot sich von Abraham trennt und gerade in diese Stadt geht,
  • warum er der ‚Bruder‘ (26:161) seines Volkes genannt wird, obwohl er ein Fremder unter ihnen ist
  • was mit ihm und seinen Anhängern nach der Vernichtung der Stadt und ihrer Bewohner geschieht.

Das Volk bzw. die Leute, bei denen Lot und seine wenigen Anhänger leben, sind die Bewohner einer Stadt, die im Qur’ân ungenannt bleibt und unter der man sich eine Art Stadtstaat mit einer Ratsversammlung vorzustellen hat. Der religiöse Hintergrund dieser Menschen wird aus den Aussagen Lots nicht deutlich. Lots Betonung, dass er für sich keinen Lohn – außer bei Allah – erwarte, lässt die Annahme zu, dass er dort bezahlte, für den sakralen Bereich zuständige Leute vorfindet. Darüber hinaus weisen die Verse im Anschluss an seine Geschichte auf eine Form des Götzendienstes.

Im Unterschied zum Alten Testament, das nur von den Männern spricht, verwendet der Qur’ân zur Bezeichnung von Lots Volk das Wort qaum, das im Zusammenhang mit Propheten jeweils die Männer und Frauen eines Volkes umfasst. Damit wird einer einseitig homosexuellen Interpretation der Geschichte von Lot weiterer Boden zu entzogen (es hat aber nicht verhindern können, dass Muslime sich des alten Interpretationsmusters bedienten). Auch wird dadurch der eigentliche Grund für Lots Verweis auf seine Töchter deutlicher hervorgehoben: Er bietet sie als gleichwertige Garanten für seine Gäste an.

Lot erklärt sich den Leuten als zuverlässigen Gesandten Gottes und ruft sie zur taqwa, Gottesfurcht, Rechtschaffenheit, auf und zum Gehorsam sich gegenüber. Er wendet sich gegen etwas Abstoßendes, das vor diesen Leuten noch niemand begangen habe, und er tadelt, dass sie alle bei einem ‚Begehren‘ zu den Männern kommen, nicht jedoch zu den Frauen. Außerdem sollen sie Vorüberziehende, d.h. Reisende überfallen und ausrauben, statt ihnen das Gastrecht zu gewähren. Verwerfliches begehen sie auch in ihren Versammlungen, indem sie dort Aktionen beschließen, die den damals akzeptierten Grundrechten zuwiderlaufen. Sie sind ein unwissendes, übertretendes, jedes Maß überschreitendes und Unheil anrichtendes Volk.

Lot wird von den Stadtbewohnern zum Lügner erklärt, was seine Mission betrifft. Er und seine Anhänger werden als ‚Leute, die sich reinhalten‘ wollen, bezeichnet. Das ist sicherlich spöttisch gemeint, gibt andererseits wohl auch das Selbstverständnis von Lot und den Seinen – den Muslimen bzw. Gläubigen – wieder und verdeutlicht, dass sie sich von den anderen in bestimmten Bereichen fernhalten.

Die Bewohner der Stadt bilden offenbar eine Gemeinschaft, die nicht tolerieren kann, dass es Widerstand gegen bestimmte Aspekte ihrer Lebensform gibt, so dass Lot mit seinen Anhängern nur die Möglichkeit bleibt, in einem Haus zusammenzuleben, wenn sie sich davon fernhalten wollen. Zur Aufrechterhaltung ihrer besonderen sozialen und/oder kultischen Verhältnisse beschuldigen die Leute Lot der Lüge.

Lots Wirken offenbart die unduldsame Haltung der Bevölkerung und führt dazu, dass die Leute einander anstacheln, ihn aus der Stadt zu vertreiben. Niemand will zunächst dafür die Verantwortung übernehmen, da der Anlass anscheinend nicht ausreichend für eine solche Maßnahme ist. Doch wird ihm – wohl um für die Zukunft nicht ohne formale Handhabe ihm gegenüber zu sein – jede weitere Aktivität unter Androhung der Vertreibung untersagt. Außerdem darf er keinen Kontakt zu Außenstehenden aufnehmen. Damit soll offensichtlich verhindert werden, dass er Unterstützung und Schutz außerhalb der Stadt sucht. Als Folge dieser Maßnahmen macht sich jeder Fremde verdächtig, der sich an ihn wendet oder gar als Gast zu ihm kommt. Diese Situation legt Lot äußerste Umsicht und Vorsicht im Umgang mit Fremden auf; denn jeder Besucher kann seine Lage unhaltbar machen.

Er befindet sich in einer schier ausweglosen Lage: Verhält er sich ruhig entsprechend den Auflagen der Stadt, so wird er seiner Aufgabe als Gesandter Gottes nicht gerecht, die Menschen zum rechten Weg aufzurufen. Setzt er hingegen seine Arbeit offen fort, so gefährdet er seine Sicherheit und die seiner Anhänger; und wird er infolgedessen vertrieben, so kann er ebenfalls seine Aufgabe bei diesen Menschen nicht mehr erfüllen. Unter diesen schwierigen Gegebenheiten kommen die Gesandten zu ihm. Er kann und will ihnen das ihnen zustehende Gastrecht nicht vorenthalten und nimmt sie auf. Ihm sind die Folgen bewusst, sagt dies auch seinen Gästen und erklärt ihnen seine Hilflosigkeit in dieser gefährdeten Lage.

Froh über diesen ‚Verstoß‘ gegen ihre Auflagen kommen die Bewohner der Stadt zu ihm geeilt und wollen ihre Absichten ihm gegenüber verwirklichen. Zunächst suchen sie ihn zu veranlassen, sich von seinen Gästen abzuwenden und ihnen das Gastrecht zu entziehen, und wollen ihn auf diese Weise bloßstellen und in Schande stürzen. Denn gibt Lot nach, so setzt er sich vor seinen Gästen ins Unrecht, straft vor allen Leuten seinen Anspruch Lügen, ein zuverlässiger, vertrauenswürdiger Gesandter zu sein, und bestätigt damit den Vorwurf, ein Lügner gegenüber seiner Mission zu sein. Weigert er sich, muss er mit den angekündigten Gegenmaßnahmen rechnen. In dieser ausweglosen Situation versucht er, die Leute zum Einlenken zu bewegen, zumindestens die vernünftigen unter ihnen, verweist auf seine Töchter und bietet sie als Garanten für sein und seiner Gäste Wohlverhalten an. Doch die Leute sind blind und trunken angesichts dieser günstigen Gelegenheit, sich seiner zu entledigen. Sie sehen nur die formalen Aspekte von Lots Verstoß, nicht aber die Unrechtmäßigkeit ihres eigenen Verhaltens. Sie lehnen folglich seinen Vorschlag ab und verweisen darauf, dass sie keinen Anlass sehen, aus seinem Verstoß gegen ihr Verbot ein Recht auf seine Töchter abzuleiten.

Die Gesandten hingegen versichern Lot, dass die Bewohner der Stadt ihn mit ihren Absichten nicht erreichen werden, sondern er sich zuvor von sich aus mit den Seinen aus der Stadt entfernen soll. Dann wird sie mit allen verbliebenen Bewohnern vernichtet.

Die Verse über Lot und sein Volk und der Sodom-Mythos

Unter dem Sodom-Mythos wird hier die unter Christen und Muslimen gängige Vermutung verstanden, dass Lot bei einem Volk lebte, in dem die Männer durchweg homosexuell gewesen seien, eine Annahme, die unter Berücksichtigung von Evolution und Biologie absurd ist. Diese Situation könnte daher nur durch ein „Wunder“ entstanden sein, ein Begriff, den der Qur’ân nicht kennt. Und ein „Wunder“ könnte ja nur von Allah veranlasst worden sein, und damit wären die Männer für ihr Verhalten nicht verantwortlich.

Wie ist es möglich, dass – wie die Sodom-Mythos-Anhänger annehmen – der männliche Teil der Bevölkerung homosexuell gewesen sei? Homosexualität ist nach allem, was wir wissen, keine Krankheit, die vielleicht durch Viren, Pilze, Bakterien oder andere Erreger übertragen werden könnte. Die Antwort darauf ist für Muslime, die der traditionellen Interpretation folgen, besonders schwierig: Sie gehen gemäß ihrer Qur’ân-Interpretationen davon aus, dass es zuvor keine Homosexualität gegeben habe. Wie entstand diese Homosexualität? Über veränderte Erbeigenschaften bei einem Individuum, vielleicht sogar dominante? Es würde selbst dann eine Unzahl Generationen dauern, bis sie sich durchgesetzt hätte, zumal zudem homosexuelle Männer andere Männer als Geschlechtspartner vorziehen, so dass eine Weitergabe dieser Eigenschaft sehr spärlich sein würde. Und woher kamen die Frauen, von denen der Qur’ân spricht? Und wie konnte die Bevölkerung eine Stadt füllen – sie müsste eigentlich allmählich ausgestorben sein? Und Homosexualität müsste zudem mit der Vernichtung dieser Stadt beendet sein.

Über die Lage oder Überreste der Stadt Sodom gibt es keine wissenschaftlichen Erkenntnisse. Im Archäologisches Bibel-Lexikon heißt es dazu:

Die Versuche S. [= Sodom] zu lokalisieren, blieben bislang ohne Erfolg. Es wurde am Süd- oder Nordende des Toten Meeres vermutet und sogar auf seinem Boden. Der Name „S.“ hat sich in dem arabischen Gebel Usdum, einem Bergrücken aus Salz nahe dem Südwestufer des Toten Meeres erhalten.

Archäologisches Bibel-Lexikon, Hrsg. Avraham Negev, S. 412

Mit anderen Worten: Wir wissen nichts über die Stadt, und da selbst ihre Lage unbekannt ist, gibt es auch keine Schrift- oder sonstigen Funde, die über das soziale Leben Auskunft geben könnten. Was über sie und ihre Bewohner später erzählt wurde, ist damit nichts als bloße Spekulation. Die älteste Bezugnahme auf Lot und seine Stadt ist im Alten Testament der Bibel zu finden. Im Neuen Testament spricht Jesus nur von der fehlenden Rücksichtnahme auf das Gastrecht dort (Matthäus 10,11–15, Matthäus 11,23–24, Lukas 10,10–12).

Die Vorstellung, dass die Bevölkerung in Lots Stadt homosexuelle Wünsche an Lots Besucher richtete, erwies sich als eine sehr phantasievolle, aber falsche Interpretation eines einzigen Wortes in nur einem Vers im 1. Buch Mose (1 Mose 19, 5, = Gen. xix. 5, siehe Derrick Sherwin Bailey, Homosexuality and Western Christian Tradition, 1955, auf Seite 1-8). Bailey (1910 – 1984) war ein Anglikanischer Theologe mit überzeugenden und klaren linguistischen und kontextuellen Argumenten. Er erwähnt auch, dass alle Bezugnahmen auf Lots Stadt in den anderen Büchern des Alten Testaments nie von einem sexuellen Fehlverhalten der Menschen in Lots Stadt sprechen. In der englisch-sprachigen Wikipedia heißt es u.a. über Bailey:

… Anerkannt als führender Experte der Kirche für Sexualethik, … halfen Baileys Schriften der Church of England, auf die theologische Frage der Homosexualität, auf die Homosexuellen selbst sowie auf die Gesetze Englands zu reagieren. Diese Periode von 1954 bis 1955 im Moral Welfare Council lieferte wichtige konzeptionelle Leitlinien für spätere Diskussionen über Homosexualität, nicht nur in der Church of England, sondern im gesamten Christentum.

Wikipedia

Zu diesem Vers sagt Bailey:

Der Vers, der bisher oft als Hinweis auf homosexuelles Ansinnen verstanden wurde, ist 1 Mose, 5: 5 Sie riefen Lot und sagten: ‚Wo sind die Männer, die heute abend zu dir gekommen sind? Bringe sie zu uns heraus, damit wir sie erkennen!‘

Die herkömmliche Auffassung von der Sünde Sodoms […] rührt von der Tatsache her, dass das Wort, das hier mit ‚erkennen‘ (yâdha‘) übersetzt ist, ‚geschlechtlich verkehren‘ bedeuten kann. Ist das in diesem Passus gemeint?

Das [hebräische] Verb yâdha‘ kommt sehr häufig im Alten Testament vor [in der Fußnote: Nach F. Brown, S. R. Driver und C. A. Briggs, A Hebrew and English Lexikon of the Old Testament (Oxford, 1952), 943 mal], doch mit Ausnahme dieses Textes und seiner unzweifelhaften Ableitung in Richter 19,22 wird es nur zehnmal (ohne Einschränkung) gebraucht, um Geschlechtsverkehr zu bezeichnen [in der Fußnote: 1 Mose 4, 1, 17, 25; 19, 8; 24, 16; 38, 26; Richter 11, 39; 19, 25; 1 Samuel 1, 19; 1 Könige 1, 4.]. In Verbindung mit mishkâbh, das in diesem Zusammenhang den Vorgang des Liegens bezeichnet, kommt yâdha‘ an fünf weiteren Stellen vor [in der Fußnote: 4 Mose 31, 17, 18, 35; Richter 21, 11 […], 12 […] ]. Auf der anderen Seite findet man shâkhabh (von dem mishkâbh herkommt) etwa fünfzigmal in der Bedeutung ‚liegen‘ im geschlechtlichen Sinne. Während yâdha‘ sich immer auf heterosexuellen Geschlechtsverkehr bezieht (wenn man zunächst die kontroversen Stellen 1 Mose 19, 5 und Richter 19, 22 außer Betracht lässt), wird shâkhabh überdies sowohl für homosexuellen Geschlechtsverkehr als auch den mit Tieren verwendet zusätzlich zu dem zwischen Mann und Frau.

So findet man yâdha‘ also nur ausnahmsweise im geschlechtlichen Sinne gebraucht […]. Linguistische Betrachtungen allein unterstützen daher [… die Ansicht], dass es hier nichts weiter als ‘kennenlernen’ bedeuten kann. Warum wurde dann aber eine anscheinend vernünftige Forderung auf so heftige Art und Weise vorgebracht? Was für eine Schlechtigkeit war es, die Lot erwartete und von der er die Sodomiter abbringen wollte? […] Unsere Unkenntnis der lokalen Gegebenheiten und sozialen Verhältnisse lässt uns keine andere Möglichkeit als die Motive zu erraten, die dem Verhalten der Sodomiter zugrunde liegen; da aber yâdha‘ meistens ‘kennenlernen’ bedeutet, kann die Forderung, die Besucher, die Lot bewirtete, ‘zu erkennen’, gut einen ernsthaften Bruch der Regeln des Gastrechts [wörtlich: hospitality = Gastfreundschaft] eingeschlossen haben. […]

Derrick Sherwin Bailey, Homosexuality and the Western Christian Tradition, S. 2

Spricht der Text des Qur’âns für oder gegen den Sodom-Mythos?

In keinem Vers über Lot und sein Volk wird gesagt, dass das sexuelle Interesse der Männer im Volk homosexuell ist oder sich auf Lots Gäste richtet. Jedoch ergänzen die muslimischen Anhänger des Sodom-Mythos beim Lesen einiger Verse des Qur’âns diese entsprechende Vorstellungen ziemlich willkürlich. Im Gegenteil, an allen vier Stellen, in denen Lot sein Volk tadelt, stehen als Einleitung zum Zitat von Lot dieselben Worten: „und (gedenke) Lots, als er zu seinem Volk (allen Männern und Frauen) sprach“,

“wa lûTan id qâla li-qaumi-hi” (و لوطا اذ قال لقومه)

„und (gedenke) Lots, als er zu seinem Volk (allen Männern und Frauen) sprach“,

In mehreren Koranversen

Es wird in diesem Vers unübersehbar gesagt, dass Lot zu „seinem Volk“ sprach, den Männern und Frauen unter ihnen. Somit werden beide Gruppen mit denselben Worten Lots getadelt werden. Welchen Sinn macht der Vorwurf, dass die Frauen zu den Männern kommen und nicht zu den Frauen? Sollen sie statt zu den Männern zu den Frauen kommen? Hieraus wird deutlich, dass hier kein sexuelles Verhalten gemeint sein kann. Denn das wichtigste Prinzip bei der Interpretation des Qur’âns ist, dass die Bedeutung aus dem Qur’ân heraus gesucht werden sollte und niemals eine Passage so interpretiert werden sollte, dass sie im Widerspruch zu anderen steht.

Der Einfluss der mawâlî (konvertierte Christen und Juden) auf die Muslime

In der Literatur finden wir einige eindrucksvolle Beschreibungen über deren zahlreichen Aktivitäten in der Frühzeit der muslimischen Geschichte.

„Die Clienten [= mawâlî] verstanden es in der That, die Araber zu überholen, denn sie waren die ersten, welche die gelehrten Studien pflegten und sich hiedurch ein immer zunehmendes Ansehen errangen. Sie aktivirten mit besonderer Vorliebe die theologischen und juridischen Studien und vermittelten den Import fremder Ideen in den Islam. So kam durch jüdische Proselyten die so sehr an den Talmud erinnernde Gewohnheit des Commentirens des heiligen Buches, die Vorliebe für die Tradition und deren Sammlung, der spitzfindige in Kleinigkeiten so gerne sich breit machende und wichtig thuende Ton der Schulmeisterei in die arabische Literatur.“

Alfred von Kremer, Kulturgeschichte des Orients, Band 2, Seite 158 f.

„Seit langem ist bekannt, wie kräftig die Entwicklung hebräischer Philologie unter den Juden im Mittelalter durch das Vorbild arabischer Grammatiker stimuliert wurde, und wie tief die muslimische Theologie und Philosophie das jüdische Denken jener Periode beeinflußte. Dass der Prozeß, der weit davon entfernt war, einseitig zu sein, wechselseitig war, dass der Mohammedanismus vom Judentum wenigstens ebenso viel erhielt wie er ihm gab – und wir sprechen hier nicht vom biblischen Judentum, sondern in erster Linie von seiner rabbinischen Erweiterung jenes unermeßlichen Überbaus von Gesetz und Legende, der auf den hebräischen Schriften beruhte, der in der Literatur des Talmud [religionsgesetzliches Sammelwerk] und Midrasch [erbauliche Auslegungen alttest. Bücher durch jüdische Schriftgelehrte vom 2. bis 6. Jh. n. Chr.] eingeschlossen ist. […] Einiges wenigstens hat eine deutliche christliche Färbung und muß in den Gesichtskreis der Muslime durch die Schriften des Klerus der Syrischen Kirche gekommen sein, der es seinerseits von den Juden übernahm. Es bleibt jedoch genug, das man nur als das Ergebnis persönlichen Kontakts mit Juden erklären kann, von denen es während des neunten und zehnten Jahrhunderts der üblichen Zeitrechnung, dem goldenen Zeitalter der arabischen Kultur, eine breite, fest gegründete und gut informierte arabisch sprechende Gemeinschaft im Zentrum der mohammedanische Zivilisation gab, nämlich im Irak und insbesondere in seiner Hauptstadt, dem Sitz des Kalifats Bagdad, wo man leicht von den maßgeblichen Vertretern und Interpreten des Judentums die erforderlichen Informationen über seine Überlieferungen erhalten konnte. […] Die mohammedanischen Legenden über biblische Gestalten können daher nicht als das Resultat eines unabhängigen Studiums des Alten Testaments seitens der Muslime entstanden sein, sondern sie müssen körperlich von rabbinischer Überlieferung übernommen worden sein. Dass die Autorität der Juden im Hinblick auf diese Überlieferungen den Muslimen uneingeschränkt akzeptabel war, wird ausdrücklich in fast allen Werken mohammedanischen Hadîths festgestellt, und dass jüdische Gelehrte zu diesem Zweck konsultiert wurden, wird durch Tabari und andere bezeugt. […].“

Samuel Rosenblatt, Rabbinic Legends in Hadîth, The Moslem World 35 (1945), Seite 237-252, auf Seite 251-252

[…] Von Anfang an waren Juden, die in den Schriften bewandert waren (‚Habr‘ [Pl. ‚aHbâr‘] = hebräisch ‚Haber‘), von großer Bedeutung, für solche Details zu sorgen; […].

Diese aHbâr nehmen eine wichtige Position auch als Quelle für Informationen in Bezug auf den Islam ein. Es soll hier genügen, auf die vielen Lehren in den ersten beiden Jahrhunderten hinzuweisen, die unter den Namen ka’b al-aHbâr (st. 654) und WAHB IBN MUNABBIH (st. circa 731) aufgezeichnet sind. An erster Stelle verdankt der Islam diesen Quellen seine Ausarbeitung biblischer Legenden; viele dieser Ausarbeitungen sind in den kanonischen Hadîth-Werken enthalten. […]

Der Islam entlieh im Laufe seiner Entwicklung auch eine große Zahl gesetzlicher Vorschriften aus der jüdischen Halacha [religionsgesetzliche Vorschriften für Lebenswandel, Kultus und Ritus]. Die Bedeutung, die der ’niyya‘ (= ‚intentio‘) beigelegt wird bei der Ausübung der gesetzlichen Vorschriften, ruft auf den ersten Blick die Erinnerung an die rabbinische Lehre über ‚kawwanah‘ wach, auch wenn nicht alle Einzelheiten übereinstimmen. Die mohammedanischen Vorschriften, die das Schlachten betreffen, jene, die sich auf die persönlichen Qualifikationen des ‚Sohet‘ (arabisch: ‚DâbiH‘) beziehen, ebenso wie jene in Bezug auf die Einzelheiten des Schlachtens, zeigen klar den Einfluß der jüdischen Halacha, wie ein Blick in Gesetzbücher selbst beweist […]

The Jewish Encyclopedia, Band VI, Seite 656, unter dem Stichwort ‚Islam‘

[…] Die isrâ’îliyyât, d.h. Traditionen, in denen jüdischer Einfluß erkennbar ist. Der allgemeine orthodoxe Standpunkt ist, so lange wie die isnâde als gesund erklärt werden, dass Muhammad diese Äußerungen getan haben muss. Stets wird an diesem Punkt die Toleranz des Islams gegenüber den anderen monotheistischen Religionen betont. Andererseits haben Gelehrte, die den Hadîth einer erneuten Kritik unterziehen wollen, darauf hingewiesen, dass die zwei wichtigsten Übermittler von isrâ’îliyyât, ka’b al-aHbâr und wahb b. munabbih, auf subversive Weise versuchten, den Islam zu unterminieren, indem sie jüdische Elemente in seine Glaubensanschauungen einführten.“

G.H.A. Juynboll, The Authenticity of the Tradition Literature, Discussions in Modern Egypt, Seite 14

[…]

Die Verse über Lot und sein Volk ohne Berücksichtigung des Sodom-Mythos

Der Sodom-Mythos ist nichts weiter als eine Art Fabel, phantasievolle Erfindung, auf die sich die Generation der mawâlî als ehemalige Christen und Juden stützte. Diese Worte sind eine zu schwache Basis als Argument in einer Interpretation. So können wir uns nur an die Worte des Qur’âns halten. Die mawâlî, frühere Christen und Juden, die viele Jahrhunderte nach Lot lebten, bildeten sehr schnell die Mehrheit unter den frühen Muslimen. Sie wussten von den Zuständen in Lots Stadt genau so wenig, wie wir heute, da alle historischen Belege darüber fehlen.

Ein weiterer Hinweis, dass die Geschichte von Lot und seinem Volk nicht von Homosexualität handelt, sind die Worte im Qur’ân:

Und (gedenke) Lots, da er zu seinem Volk [qaum] (, den Männern und Frauen), sprach: Wollt ihr etwas Abstoßendes [al-fâHischa] begehen, worin keiner in aller Welt euch vorangegangen ist. Ihr kommt zu den Männern und zerschneidet den Weg? Und in euren Versammlungen begeht ihr Verwerfliches [al-munkar]?

Koran 29:28

Generell nimmt man die Lebenszeit Abrahams – und damit Lots – zwischen 2000 v. Chr. und dem 14./15. Jahrhundert vor Chr. an. Wir haben historische Beweise, Texte, über Menschen vor Lot, die homosexuelle Beziehungen miteinander hatten (Encyclopedia of Homosexuality, Stichwort “Egypt, Ancient”). Auch diese Offenbarung Allahs spricht vor dem Hintergrund der historischen Belege gegen eine sexuelle Deutung.

Worum geht es im Tadel von Lot seinem Volk gegenüber?

Das Abstoßende, das Lot bei dem Verhalten der Männer und Frauen rügt, ist ein historisches Faktum, das es bei anderen Menschen vor Lots Volk noch nicht gab. Es ist ein historisch erstmaliges, sozial einzustufendes Phänomen, das nichts mit sexuellem Verhalten zu tun hat, sondern mit der Rechtlosigkeit und der untergeordneten Rolle der Frauen, die von allen Männern und Frauen als gegeben akzeptiert wird, so dass von beiden Gruppen nur Männer bei wichtigen Angelegenheiten (schahwa) konsultiert werden.

So bot Lot seine Töchter dem Volk an als Garanten für das Wohlverhalten seiner Gäste. Aber das Volk (die Männer und Frauen) wies sie zurück mit den Worten, dass es keinen Haqq (حق = Recht, Anspruch) auf sie hätte (11:79), sie sagen nicht: Kein sexuelles Begehren/Verlangen. Das bedeutet, dass es hier um eine Frage von rechtlicher Bedeutung geht, nicht um sexuelle Wünsche. Lot zeigte durch sein Angebot, dass Frauen den Männern gleichwertig sind, sogar in dieser speziellen Situation.

Auszug (S. 1-27) aus der Kurzversion zu Islam und Homosexualität gemäß dem Qur’ân und den authentischen Hadîthen (الاحاديث الصحيحة)

Brand Islam Ep. 1: Die Macht der Wörter

Kerem Adıgüzel war zu Gast bei der ersten Episode des neuen Podcasts „Brand Islam“. Wir sprachen über die Macht der Wörter und was gewisse Schlüsselwörter wie Islam, Koran, Muslim, Dschihad, Zakah im Koran wirklich bedeuten:

Auch auf YouTube:

Die Abschrift des Podcasts (vom Host uns zugesendet):

Hallo und herzlich willkommen zu der ersten Ausgabe von BRAND ISLAM.

Heute mit dem Thema: Der Koran, der traditionelle Islam und die Macht der Wörter. Fast ausschließlich alle deutschen Koranübersetzungen übersetzen gewisse Schlüsselwörter nicht ins deutsche. So steht dann mitten in einer deutschen Übersetzung, ein arabisches Wort. Wir gehen der Frage nach, welche Tragweite dieser oftmals nicht ins deutsche übersetzten Schlüsselwörter, sowohl in der Wahrnehmung, als auch in der Interpretation mit sich bringen.

Ausgewählte Verse aus dem Koran sollen daher herangezogen werden, um Differenzen in der Wahrnehmung aufzuklären. Welches der stereotypischen Vorstellungen vom traditionellen Islam sind erkennbar, und was steht eigentlich im Koran. Welche Tragweite diese deutschen Übersetzungen, bei einem vorwiegend deutschen Lesepublikum mit sich bringen, stellen den Kernpunkt dieser Episode dar. Die Macht der Wörter. Worte schaffen Bilder. Wörter besitzen eine unglaubliche Macht, da sie Bilder erzeugen können, sowie Emotionen bei uns Menschen auslösen können.

In weiterer Folge können daraus Auffassungen und Betrachtungsweisen erzeugt werden. Wörter können unüberlegt, aber auch gezielt eingesetzt werden. Sei es in den Medien, in der Geschichtsschreibung, in der Liebe, in den Religionen, in der Politik, in der Werbung oder in der Propaganda. In allen Sphären unseres Lebens, können und werden Wörter eingesetzt, die uns beeinflussen. Zum Guten, wie auch zum Bösen. Wörter werden seit jeher gezielt genutzt, auch um unsere Meinungen zu lenken. Dazu möchte ich an dieser Stelle, die Bücher von Gustave le Bon, wie zum Beispiel sein Buch mit dem Titel „Psychologie der Massen“, sowie das Buch „Propaganda“, geschrieben von Edward L. Bernays aus dem Jahre 1928, Ihnen empfehlen. Aber auch Goethe, Hegel, Kant, Rumi und viele mehr, zeigen uns, welche Bedeutung Worte in unserem Leben einnehmen.

Viele Begriffe haben sich im laufe der Zeit geändert und ihre ursprüngliche Bedeutung über die Jahre verloren. Viele Wörter und Begriffe haben eine Geschichte hinter sich. So schreibt der Wissenschaftsphilosoph Ian Hacking – ich zitiere: Begriffe haben Erinnerungen an Ereignisse, die wir vergessen haben.“ Diese Erinnerungen, beziehungsweise die ursprünglichen Bedeutungen, können bewusst, aber auch unbewusst verloren gehen. Ein Wort ist eine selbstständige sprachliche Einheit in der natürlichen Sprache besitzt es, im Gegensatz zu einem Laut oder eine Silbe, eine eigenständige Bedeutung. Wörter gehören zu den ältesten abstrahierenden symbolischen Formen der Menschheit. Je nach Blickwinkel, sind verschiedene Kriterien möglich ,um Wörter zu identifizieren, die je nach theoretischem Hintergrund und Erkenntnisinteresse, miteinander kombiniert oder ergänzt werden. Fest steht, dass Begriffsgeschichte für die Geschichtsschreibung relevant ist. Begriffe, Ausdrucke, sowie Worte, können so eingesetzt und gewählt werden, dass sie uns beeinflussen können. Es gibt keine Immunität gegen die Beeinflussung durch Wörter oder vorgefertigte Meinungen. Gleichzeitig gilt, je mehr wir über die Techniken der Beeinflussung bzw. über Manipulationstechniken wissen, umso mehr können wir entgegentreten. Nun, was hat das Ganze mit dem Koran und dem traditionellen Islam zu tun?

Dazu darf ich heute bei unserem Podcast Kerem Adigüzel herzlich begrüßen. Er ist ein Schweizer Autor und Koranexeget, und sieht sich als islamischer Reformer, der den Koran, als einzige Quelle für den Islam annimmt. Er betätigt sich als Koranübersetzer und Übersetzer von Artikeln und Büchern aus dem Englischen und und Türkischen, über Philosophie und Islam. Er ist Mitglied der Koran Forschungsgruppe Istanbul – IKRA – Er hält Vorträge, leitet Workshops und Seminare, und tritt im Radio auf und verfasst Texte zu den Themen Islam, Moderne und Integration. Kerem Adigüzel machte es einen Universitätsabschluss in Mathematik in Zürich mit Nebenfach Informatik, genoss seine Ausbildung in Arabisch in Kairo am internationalen Sprachinstitut „IH Cairo“, ist als Offizier Miliz im schweizerischen Militär tätig und arbeitet als Softwareentwickler. Er gründete 2017 den Verein Al-Rahman – mit Vernunft und Hingabe. Sein Ziel ist es, einen aufklärerischen Islam zu vermitteln und eine offenen Moschee zu gründen, in der Frauen vor beten dürfen, sowie Homosexuelle, Schiiten, Sunniten, Sufis etc. zusammen Beten können. Des weiteren betreibt Kerem Adigüzel einen Youtube Kanal, in dem verschiedene Themen des Islam behandelt werden.

>> Hallo und Frieden werter Bruder Kerem. Friede sei mit Ihnen und allen Zuhörenden. Fangen wir mit der ersten Frage an. Zurzeit arbeiten sie unter anderem, gemeinsam mit Kollegen an der Übersetzung des Koran ins Deutsche. Welche Erfahrungen haben sie dabei machen können?

>> KA: Mit der Übersetzung haben wir Erfahrungen machen können, dass die deutsche Sprache sich in weiten Teilen relativ gut eignet, dass die arabischen Begrifflichkeiten aus dem Koran ins deutsche übertragen werden können, aber dabei haben wir auch gesehen, dass viele Bezeichnungen, die alltäglich erscheinen, wie Muslim, Islam und auch weiterführende Begriffe wie Mutmin und Iman und dergleichen, dass die eine tiefer gehende Bedeutung haben, als sie auch von Muslimen selbst verwendet werden und die irgendwie nicht immer bewusst zu sein scheinen. Und diese Erfahrung hat dann dazu geführt, dass wir viele Worte nochmals genauer angeschaut haben und das Ergebnis ist dann, dass wir dadurch bei gewissen Worten eine alternative, eine andere Übersetzung gewählt haben, die für uns so erscheint das sie genauer die Wortbedeutung wieder gibt.

>> Eine Koranübersetzung ist die inhaltliche Wiedergabe des Korans in einer anderen Sprache, als der arabischen Ausgangssprache. Nun zu meiner Frage. Warum werden gewisse Schlüsselwerte aus dem Koran nicht ins Deutsche übersetzt und welchen Einfluss nimmt dabei die Tradition ein, die sich fast ausschließlich für ihre Koran Interpretation, der Hadith Literatur bedient?

>> KA: Das ist eine schwierige Frage also die Tradition spielt insofern eine Rolle, dass sie auch schon festlegt, wie gewisse Worte zu verstehen sind oder wie gewisse Worte auch übersetzt werden. Ein einfaches Beispiel wär Zakat, was als Almosensteuer übersetzt wird, aber weder mit Steuer noch mit Almosen was zu tun hat, sondern mehr mit Läuterung, also mit seelischer, spirituelle Reinigung, Läuterung zu tun hat, und auch andere Aspekte beinhaltet. Ja, es ist natürlich auch ein Versuch, die Bedeutungen festzulegen, so dass dann auch die Kontrolle über die Interpretation der Religion besteht. Dadurch, dass man kontrolliert, wie die Religion verstanden wird, kontrolliert man die Gedankenwelt der Menschen und kann dadurch auch einfacher gewisse Argumentationsstrukturen und Weltbilder auch transportieren und überzeugend darstellen. Dadurch, dass man sich aber nicht diesen Argumentationsstrukturen unterwirft, es ist dann auch schwieriger anderen gegenüber, die eben mit diesem alltäglichen Gebrauch dieser Begriffe leben, die näherzubringen zu diesen ursprünglichen oder näher liegenden Bedeutungen. Also im Endeffekt ist es eine schwierige Angelegenheit, weil es auch eine theologische, auch eine sprachliche Diskussion ist, die also nicht rein objektiv geführt werden kann leider und auch historische Dokumente leider fehlen. Also wir haben nicht immer historische Dokumente, die belegen, dass ein Wort diese Bedeutung hat ,aber es liegt auch daran, und das ist ganz normal sprachwissenschaftlich bekannt, dass die Bedeutungen der Worte, sich über Jahrhunderte verändern können, und wir haben das auch auf Deutsch, wir haben es auf Englisch oder Französisch auf Türkisch, dass ist in jeder Sprache zu beobachten, und ein einfaches Beispiel wär das Wort Märtyrer. Kommt aus dem Griechischen und bedeutet eigentlich auch Zeugen, Zeugnis ablegen, und das ist dasselbe wie Schahāda und Schahīd, also der Schahīd, der Zeuge ist, aber nicht ein Märtyrer im heutigen Sinne, also jemand der sich umbringt und sozusagen kämpferisch sein leben hergibt, für was auch immer, sondern ein Zeugnis ablegt. Diese Bedeutungswechsel die stattfinden, führen dann auch dazu, dass es schwierig wird, über Jahrhunderte hinweg, die Bedeutungen zu dokumentieren, und was wir machen können, ist einfach die Wörterbücher, die uns zur Verfügung stehen – zur arabischen Sprache, die Grammatik erarbeiten von frühen Grammatikwerke von Sprachwissenschaftlern aus dem Mittelalter, dass wir diese gut studieren und dann mit dem Qur’an in Verbindung bringen, und dann herausfinden, was die ursprüngliche Bedeutung gemeint sein kann. Aber das ist nicht immer eindeutig, und dass es auch eine Wissenschaft für sich.

>> Was mir auffällt ist, wie bereits vorhin erwähnt, dass gewisse Schlüsselwörter in den deutschen Koranübersetzungen, vom arabischen nicht ins Deutsche übersetzt werden. Eines dieser arabischen Wörter, die oftmals nicht ins deutsche übersetzt werden, ist das Wort Islam. Was bedeutet das arabische Wort Islam auf Deutsch übersetzt?

>> KA: Da kommt es darauf an, wie man die Grundbedeutung der Wurzel, also die arabische Sprache ist so aufgebaut, dass jedes Wort sozusagen ein Stamm hat, eine Wurzel. Das ist so wie auf Deutsch, wenn man zum Beispiel – Schreiben nimmt, kann man aus dem Schreiben einiges ableiten, wie zum Beispiel der Schreiber oder Schreibende, geschrieben und so weiter, und auf Arabisch ist das ein bisschen ähnlich, nur dass dort Konsonanten verwendet werden. Drei bis vier Konsonanten als Wurzel und Islam wird abgeleitet aus der Wurzel sīn-lām-mīm. Das ist s-l-m und hat in der Grundbedeutung die Idee einer Hingabe, einer Ergebung, eine Unterwerfung, eine Widerstandslosigkeit und bedeutet dementsprechend auch jemand der der eine Ergebung in sich trägt, also eine Hingabe, ein hingebungsvoller Mensch ist und das bedeutet in Bezug auf Gott dann, wenn sie mit religiösen Kontext passiert, dass man sich Gott hingibt und sich Gott ergibt, also dass Gott die einzige Autorität darstellt der man sich einfach ergibt und das bedeutet also ein Gottergebener auf Deutsch. In einer anderen Form, kann es auch sein, dass man das mit dem Frieden in Verbindung bringt. Also Salām, wird als Frieden übersetzt, und es gibt einige die auch sagen, Islam und Muslim sollte eigentlich als Friedensstiftung oder Friedensstiftender übersetzt werden. Islam ist ein Verbalnomen und Muslim ist dann das aktive Partizip, also das wäre dann die Hingabe, die Ergebung und der Muslim wär der – sich-hingebender oder sich-ergebender, oder der friedensstiftende oder die friedensstiftende.

>> Der Begriff Islam kommt also vom arabischen und bedeutet auf Deutsch übersetzt, so viel wie Hingabe, Ergebung oder wie sie sagten Widerstandslosigkeit oder Friedensstiftender. Die Bezeichnung für denjenigen der sich hingibt, also dem Islam folgt ist Muslim Sie schreiben in ihrem Beitrag mit dem Titel: Die Charaktereigenschaften der Muslime, ich zitiere: Der Name Muslim stellt keinen besonderen Status oder auch keinen spezifischen Namen dar, sondern ist das Paradigma aller Gläubigen, so auch für Juden und Christen. Wie meinen sie das bzw. wie kann man das verstehen?

>> KA: Das kann ich mit einer persönlichen Erfahrung ein bisschen erläutern. Dadurch, dass ich im interreligiösen Dialog und auch in interreligiösen Gebeten mitwirke, hatte ich immer wieder Auseinandersetzungen, Unterhaltungen, Dialoge mit Pfarrern, Priestern, und die fragen dann auch, ja was bedeutet Muslim und weil sie können mich nicht wirklich einschätzen. Ich bin ja kein Sunnit oder kein Schiit, kein Ahmadi. Ich folge keiner bestimmten Richtung und sage dann – ja, ich sage es einfach auf deutsch, ich bin ein Gottergebener, und ich bekomme dann die Rückmeldung – ja, das sind wir ja auch. Also, da ist der Anspruch, dass Christen und Juden – ja auch Gottergebene sein möchten. Das ist nichts neues in dem Sinne, das ist auch etwas was im Koran bestätigt wird. Also in Kapitel 3 Vers 52 haben wir eine Geschichte die aufgegriffen wird über Jesus und die Jünger, und dort steht dann, dass er zu seinen Jüngern sagt: Wer sind meine Helfer zu Gott; und die Jünger sagten; wir sind die Helfer Gottes; wir glaubten an Gott; so bezeuge, dass wir ergebene sind. Also hier wird auf Arabisch das Wort Muslimūn verwendet, der Plural von Muslim und hier besagen also die Jünger von Jesus, dass sie ergebene sind, oder Gottergebene. und dementsprechend bedeutet das also, dass es eine Einstellung, eine Haltungsfrage ist wie man Gott gegenüber eingestellt ist. Ist man gegenüber Gott ergeben oder nicht. Und das ist unabhängig davon, wie man sich kulturell bezeichnet.

>> Ja, das macht einen ziemlich großen unterschied, was sie soeben gesagt haben. In diesem Zusammenhang fällt mir auch ein Vers ein aus dem Koran, der mich sehr beschäftigt hat, als ich ihn das erste mal gelesen habe. Es handelt sich dabei um die Sure 3 Vers 67. Einer der ersten deutschen Koranübersetzungen die ich gelesen habe, war die von islam.de, und da steht dann in der Sure 3:67 – Ich zitiere: Abraham war weder Jude noch Christ; vielmehr war er lauteren Glaubens; ein Muslim und keiner von denen die Allah Gefährten beigesellen. Und eine weitere deutsche Koranübersetzung die ich zu Beginn meiner Recherchen gelesen habe, war die von Max Henning und da steht der Sure drei 3 Vers 67: Abraham war weder Jude noch Christ vielmehr war er ein früher Monotheist ,ein Gottergebener und keiner derer, die Gott Gefährten geben. Ja, also in der einen Koranübersetzung auf islam.de steht Muslim und in der deutschen Koranübersetzung von Max Henning wird dieses Wort Muslim, als Gottergebener ins deutsche übersetzt.

>> KA: Also, dass ist auch die gleiche Sure. Das ist die Sure 34 Vers 67. Auch in Kapitel 3 Vers 64 wird ja auch gesagt: Ihr Leute der Schrift; kommt her zu einem Wort das gleich ist zwischen uns und euch, dass wir nichts dienen außer Gott; ihm nichts beigesellen, dass wir einander nicht als Herren nehmen an Stelle Gottes. Doch wenn sie sich abkehrten so sage bezeugt, dass wir ergebene sind. Und drei Verse später, da wird Abraham noch kurz erwähnt und dann wird dann gesagt in Vers 67: Weder war Abraham Jude noch Christ; sondern er war ein Monotheist; ein ergebener; denn er war keiner der Beigesellenden.

>> Ja, das war das erste mal, dass mir aufgefallen ist, dass das Wort Muslim im deutschen mit ergebener, beziehungsweise mit Gottergebener übersetzt wird. Nach dieser Erfahrung hat sich in mir ein völlig neues Verständnis breit gemacht. Jetzt haben wir gelernt, dass das Wort Islam im deutschen Hingabe, Ergebung bedeutet und das arabische Wort Muslim auf Deutsch übersetzt so viel wie der sich ergebende, der sich vor Gott ergebende bedeutet. Ich kann an dieser stelle jeden, der sich der deutschen Übersetzung dieser beiden Worte nicht bewusst war nur empfehlen, diese Schlüsselwörter – Islam und Muslim in ihrer deutschen Übersetzung zu lesen. Dadurch, so war es zumindest bei mir der fall, können sich völlig neue Bedeutungen ergeben. Ebenso ist der Begriff Allah ein arabisches Wort. Wie lautet die deutsche Übersetzung des Wortes Allah?

>> KA: Sprachwissenschaftlich ist Allah heutzutage, also im modernen Standardgebrauch, in der modernen Standard arabischen Sprache, ist es ein quasi Eigenname. Das ist jetzt ein bisschen – ja, ein bisschen unnötig kompliziert. Das heißt es wird fast als Name gebraucht, aber es ist kein Name – grammatikalisch. Schon allein diese Einschätzung, diese Umschreibung zeigt, dass es also auch nicht ein Name ist, sondern, dass es eine Bedeutung dahinter hat, und Allah, da gab es auch schon – das ist auch nicht ganz unumstritten, aber man kann mit hoher Wahrscheinlichkeit sagen, dass Allah von al-ilāh abgeleitet wird – aus dem arabischen. Es ist also eine Kurzform von al-ilāh, also „Der Gott“ oder „Die Gottheit“, und ilāh bedeutet in seiner Grundbedeutung hat es damit zu tun, dass etwas angebetet wird, das etwas als Autorität, als Souveränität akzeptiert wird. Das kann sein, also es kann einer Autorität sein, die mich gedanklich kontrolliert, das können auch Menschen sein. Das können auch Dinge sein. Also wenn ich Materiell mich so abhängig mache von materiellen Gütern, dann sind die meine Gottheiten, die mich kontrollieren. Also al-ilāh bezeichnet also dass oder die Personen, oder die Person, die mich spirituell, geistig und intellektuell und auch körperlich kontrolliert. Und Allah ist dann sozusagen die Bezeichnung im Koran dafür, dass es der Schöpfer ist. Der Schöpfer von allem. Der Schöpfer aller Welten und diese Bezeichnung ist also allgemein gültig und universell. Diese Bezeichnung wird auch von Christen verwendet, also arabischsprachige Christen verwenden auch Allah in ihren Übersetzungen der Bibel und das ist also ganz einleuchtend, dass wir dann sagen OK, das ist also nichts spezifisch kulturelles was jetzt mit dem Koran zu tun hat, sondern dieser Begriff wurde auch verwendet. Es gibt auch eine Variante, wo man die weibliche Form davon konstruieren kann und es auch im Koran vorkommt, und das ist Al-Lāt. Das ist dann sozusagen „Die Göttin“. Das ist aber ein bisschen umstrittener und es wird auch im Koran nicht konsistent, also es wird nicht so verwendet, wie zum Beispiel in der Glaubensüberzeugung – Lā ilāha illā ʾllāh – also es gibt keine Autorität, keine Souveränität oder keine Gottheit, außer DEN Gott, DIE Souveränität, DIE Autorität.

>> Ist es nicht auch so im aramäischen, sofern ich mich da nicht täuschen und falsch liege, lautet das Wort für Gott im aramäischen nicht ilaha beziehungsweise elaha? Haben sie da Erfahrungen mit dem aramäischen Wort für Gott.

>> KA: Ja, dadurch das Arabisch natürlich nicht losgelöst ist, hat es natürlich auch in anderen Sprachen Eingang gefunden, oder Arabisch ist auch sehr oft beeinflusst durch andere Sprachen, das ist normal, dass ist in jeder Sprache das dasselbe. Also das scheint auch mit hoher Wahrscheinlichkeit so zu sein. Das heißt kurz zusammengefasst: Die deutsche Übersetzung für Allah, bedeutet so viel wie „Der Gott“, der schöpfende Gott, der ewige Gott, der eine Gott, eben der Gott? Verstehe ich das richtig? Direkt, muss es so nicht sein. Man kann eben so, wie es im Koran verwendet wird, also ilāh, der Begriff wird auch eben für andere Phänomene verwendet, wo wir darauf aufmerksam gemacht werden, dass wir unsere gedankliche Welt hinterfragen sollen, das wir eben unsere spirituelle Entwicklung vor Augen halten sollen, dass wir zum Beispiel unseren Kindern viel zu viel Wichtigkeit beimessen, und diese Geschichte wird der aufgegriffen mit Abraham, der dann geträumt hat, das er seinen Sohn opfern soll, und aus diesem Traum dann abgeleitet hat – ja er muss seinen Sohn wirklich opfern, damit er wirklich ein Gottergebener ist, und das hat er dann versucht. Er ist dann aber von Gott geschützt worden – hat gesagt: Nein, du hast den Traum schon längstens erfüllt, also du bist schon ein Gottergebener, du musst nicht deinen Sohn opfern. Also da wird auch gezeigt, dass das Wort ilāh, das auch im hebräischen bekannt ist, als Elohīm oder Eloah, dass es eine Beziehung darstellt, also etwas was ich vergöttere sozusagen, ist dann mein Gott, also es können meine Kinder sein, meine Arbeit usw. Das ist so, wie es im Koran verwendet wird. Und Allah wird dann natürlich für den Schöpfer gebraucht, aber gleichzeitig wird auch gezeigt, dass es eben um diesen EINEN GOTT geht, also durch die Verwendung im Koran wird es dann eindeutig gemacht. Sprachwissenschaftlich ist es einfach Gott. Man kann alles irgendwie mit Gott umschreiben, also auch meinen Rechner, meinem PC – kann Gott sein, wenn ich den so hoch schätze, dass ich nur noch davon abhängig bin.

>> Nun würde ich gerne auf das arabische Wort Qur’an kommen. In deutschen Übersetzungen steht dann Koran. Wie lautet tatsächlich die deutsche Übersetzung des Wortes Qur’an?

>> KA: Qur’an ist eine spezielle Variante von der Wurzel Q-r-a, von lesen. Der erste Vers der laut Tradition offenbart sein soll, heißt auch Iqra, also ließ und hat mit dem lesen zu tun, das ist aber nicht ganz richtig, dass eben manchmal die Schwierigkeit, das lesen oder gewisse deutsche Wörter nicht alles übertragen, aber grob kann man sagen – das hat etwas damit zu tun, dass man etwas liest, etwas aufmerksam liest, dass wir etwas studiert, etwas versucht zu verstehen, also im Sinne auch eine Vorlesung, die an einer Uni stattfindet, also das ist auch, dass etwas mit Verständnis gelesen wird und Qur’an ist dann das Vorgelesene, weil es eine passive Form ist, also das vorgetragene, das vorgelesene, mit dem Ziel und Zweck, dass es verstanden wird. Und wenn man es aber einfach hält auch als sozusagen historische Verknüpfung, dadurch dass der Koran auch sehr oft rezitiert wird und eine melodische Rezitation stattfindet, kann man auch sagen es bedeutet – LESUNG. Ich verwende gerne „Die Lesung“, als Übersetzung für „al-Qurʼān“, also „Der Koran“.

>> Sie haben vorher kurz das Wort Zakāt angesprochen. Auch dabei handelt es sich um ein arabisches Wort. Der Traditionalist verbindet damit auch eine 2,5% Sozialabgabe bzw. eine Art Steuer. Eine für Muslime verpflichtende Abgabe, eines bestimmten Anteils ihres Besitzers an Bedürftige und dann andere festgelegte Personengruppen. Was sagt der Qur’an, also „Die Lesung“ zu dem Begriff Zakāt und wo leitet der traditionelle Islam den exakten Wert von 2,5% ab? Ich konnte persönlich diese 2,5% nicht in der Lesung finden.

>> KA: Ja, die 2,5%, also 1/40 ist aus der Tradition, aus der Sekundärquellen, aus Quellen, die neben dem Koran bestehen und die Bedeutung und die Interpretation des Korans maßgeblich auch beeinflusst haben. Wenn man den Koran allein zur Basis nimmt dann hat dies keine Grundlage, denn im Koran steht dann, das wenn man etwas abgeben will, etwas spenden möchte, dann sollte man einfach abgeben, was zu viel ist, was man sozusagen wörtlich, verzeihen kann, was man darauf verzichten kann, aber es ist nicht etwas, wo man einfach so verzichtet, also nicht im Sinne von – Ich kann verzichten, dass ist nicht wichtig für mich, sondern man sollte auch etwas abgeben was man gern hat. Was man liebt, weil sozusagen, wenn man es ein bisschen spirituell formuliert, die positive Energie, die da reingelegt wird, dadurch dass man die Sache, die man abgibt, gern hat, dass man sie liebt, das sie dann auch sozusagen mit Liebe übergeben wird und auch eine ganz andere Entwicklung, ganz andere Wirkung nach sich zieht. Zakāt als Wort bedeutet Läuterung oder Reinigung. Ich finde Läuterung ist ein bisschen näher zur Grundbedeutung. Es wird aus der Wurzel zāy kāf wāw abgeleitet. Ist auch verwandt mit der Wurzel zā kāf yā oder mit alif am Schluss, je nachdem und bedeutet auch zu wachsen, rein zu sein im Herzen, gerecht, rechtschaffen, gut zu sein als Mensch, passend zu sein für etwas oder auch mehr zu werden, also sozusagen im Sinne von Reinheit vermehren, und dies wird immer wieder so verwendet, auch im Koran, dass man sich läutern möge, und dass Zakāt als Almosensteuer interpretiert wird hat damit zu tun, dass es auch sehr oft damit verbunden wird, dass man etwas abgeben soll, aber das ist im Koran ein anderes Wort, das ist Infāq. Infāq ist eine Abgabe.

Eine Abgabe von den Versorgungen, die wir haben, also dass ich zum Beispiel einen bedürftigen Menschen speise, dass ich ihnen Kleider gebe, dass ich ihnen auch materielle Güter schenke, und sehr oft wird das so verwenden, also die Wurzel zu Zakāt kommt insgesamt 59 mal im Koran vor und kann auch übersetzt werden als: „Steuer zur Verbesserung bei“, also wenn man es modern übersetzt oder modern umformuliert, besser gesagt. Zur Verbesserung beisteuern, also die gesellschaftlichen Umstände reinigen. Also es geht um eine gesellschaftliche Reinigung, um eine individuelle Reinigung auch, also zur Selbstverbesserung beisteuern und dadurch das Herz reinigen. Dadurch, dass man etwas abgibt, was man liebt, reinigt man sich auch vor Gott und schickt etwas gutes für die eigene Seele voraus, was wir dann am jüngsten Tag dann sozusagen vor Gott bringen. Und dies wird auch immer wieder so verwendet, als auch zum Beispiel in Sure 9 wird in Vers 103 gesagt: Nimm von ihrem Vermögen als Spende; mit dem du sie reinigst und läuterst; und halte Kontakt mit ihnen, denn deine Kontakte sind für sie eine Beruhigung, und Gott ist hörend, wissend. Also in diesem Vers sehen wir das „Nimm von ihrem Vermögen als Spende, mit dem du sie reinigst. Dieses Reinigen ist ein anderes Wort. Auf arabisch steht dort tuTahhiru-hum und dann kommt tuzakkî-him also „und läuterst“, “ mit dem du sie reinigst und läuterst“ – also die Reinigung und Läuterung hat auch damit zu tun, dass man Vermögen als Spenden abgibt und dadurch, dass man sich dann auf diesen Aspekt aus dem Koran fokussiert hat, ist es dann im Alltagsgebrauch reduziert worden zu Almosensteuer, aber dabei ist Zakāt eine Läuterung, eine seelische Läuterung die viel weiter geht. Also es kann auch sein, dass ich jemandem ein Lächeln schenken, der es gerade braucht oder auch einfach ein schönes Wort sage, wenn es die Situation grad nahe bringt. Es kann aber auch sein, dass ich mich zurückziehe, spirituell meditier, und Erkenntnisse erlange über mich selbst, über meine emotionale Entwicklung, über den emotionalen Zustand und daraus dann gestärkt und mit Erkenntnissen heraus gehe. Das kann auch eine Zakāt, also eine Läuterung sein.

>> Sie haben es kurz angesprochen die 2,5% Sozialabgaben wird im traditionellen Islam von der Sekundärliteratur, der sogenannten Hadith Literatur abgeleitet. Der Qur’an, also die Lesung, behauptet ja von sich, Gottes Wort zu sein. Auch der traditionelle Islam bestreitet das nicht. Das heißt, die Bedeutungen und die Formulierungen sind vollständig von Gott, also sollen göttlichen Ursprungs sein. Laut dem traditionellen Islam, gehören die Hadith, vor allem die sechs Bücher zur sunnitischen kanonischen Hadith Sammlung, die Aussprüche, Handlungen und Anweisungen des Propheten Mohammed enthalten. Ebenso haben die Schiiten, neben der Hadith-Literatur, auch ihre eigene Sekundärliteratur. Die Hadith-Literatur, werden in einer traditionellen islamischen Gesellschaft, als Sunna, als nachahmenswerte oder zur folgenden Normen verstanden. Bei den Hadith handelt es sich um menschlichen Ursprungs. Der Qur’an, also die Lesung verkündet, dass sie vollständig und ausreichend detailliert ist. Des weiteren gibt es mehrere Verse in der Lesung, die eindeutig über die Hadith sprechen. So zum Beispiel stehen in der Lesung unter Sure 45 Vers 6: „An welchen Hadith, wollen sie denn nach diesem Qur’an glauben?“ Warum ist es so, dass im traditionellen Islam, der Sekundärliteratur, der Hadith- Literatur, derartig viel Beachtung geschenkt wird?

>> KA: Tja, das ist auch eine schwierige Frage. Also schwierig in dem Sinne, dass kurz zu beantworten ist. Wenn ich es zusammenfassen würde, geht es darum, dass sie im Koran gewisse Verse, die besagen, dass man den Gesandten gehorchen soll. Also, dass man Gott und dem Gesandten gehorchen soll, das im Gesandten ein schönes Vorbild ist, dass man sozusagen das annehmen soll, was der Gesandten gibt. Es gibt verschiedene Verse, die so zitiert werden, also die vielleicht auch sogar aus dem Kontext herausgerissen werden, also falsch zitiert werden, ohne die Hintergrundinformationen mitzugeben, und das wird dann so gedeutet, dass wenn man Gott folgen will, dass man dem Koran folgt, und wenn man dem Gesandten folgen möchte, dann muss man ja seiner Lebensweise folgen. Und das rührt daher, dass man gewisse Stellen eben aus dem Kontext heraus gezogen hat, aber die nicht so aus dem Kontext heraus gezogen werden können, sondern die in der gesamt koranischen Betrachtung eine ganz spezifische Bedeutung haben, also dadurch, dass der Gesandte da ist, der die Religion lehrt oder erklärt, bedeutet das nicht, dass es eine weitere Quelle gibt und das wird immer wieder aufgegriffen im Koran. Also es wird zum Beispiel auch gesagt, dass man keine weiteren Aussage folgen soll, nach Gottes und seinen Zeichen oder seine Verse. Es wird auch immer wieder betont, dass im Koran alle Beispiele vorhanden sind.

>> Die Sekundärliteratur, die sie soeben angesprochen haben, da beziehen sie sich ja auf die Hadith-Literatur der Traditionalisten? Also Sahīh al-Buchārī, Sahih Muslim…

>> KA: Genau, das ist das schwierige, auch im Koran wird das Wort Hadith auch gebraucht, und da muss man auch trennen, zwischen der fachspezifischen Bedeutung die wir heute haben, also wie das Wort heute verwendet wird und wie das Wort im Qur’an verwendet wird. Im Qur’an wird das in mehreren Stellen verwendet, und es kann eine Aussage sein, eine Vermutung, ein Hörensagen, eine Überlieferung, je nachdem. Im allgemeinen ist es eine Erzählung auch, und im Koran wird betont, dass das Wort Gottes für sich selbst ausreicht, dass alle Beispiele gegeben sind oder alle Gleichnisse im Koran gegeben sind, und es wird sogar – also ein Vers der sehr interessant ist, ist der letzte Vers im Kapitel 12, also Sure 12 Vers 111. Also die Sure 12 hat mehrere Geschichten und am Schluss wird gesagt, eben in diesem Vers wird gesagt: „In ihren Geschichten war ja eine Lehre für die Verständigen; Es war keine erdichtete Erzählung; sondern eine Beglaubigung für das, was er zwischen den Händen hielt und eine genaue Darlegung für alles; und eine Rechtleitung und Barmherzigkeit für die Leute die Glauben.“ und was hier als erdichtete Erzählung vorkommt, ist auf arabisch Mâ kâna hadithan also es war kein erfundener Hadith, erdichteter Hadith, wenn man jetzt das arabische Wort einfach stehen lässt. Das heißt, es gibt hier einen Hinweis darauf, dass man prüfen soll, welchen Erzählungen man folgt und gemäß Koran ist der Gottergebene verpflichtet, nur den Worten Gottes absolute Autorität zu schenken. Also das bedeutet nicht, dass man alles wortwörtlich, unhinterfragt annimmt. Die Interpretationsgeschichte ist ein anderer, aber es bedeutet, dass die einzige Quelle die nicht hinterfragt wird, ist das Wort Gottes und alles andere ist sozusagen, als Erzählung, als Beigemüse, als Beiwerk zu verstehen, als historische Quellen, als wissenschaftliche Quellen, aber nicht als religiös bindende- oder zwingende Quellen. Das ist ganz wichtig.

>> Zumal ja die Hadith Sammlungen, also gemeint sind die Sahih Hadith Sammlungen, 150 bis 200 Jahre nach dem Tod des Gesandten zusammengefasst worden sind oder? Wie zum Beispiel Sahīh al-Buchārī.

>> KA: Ja, das ist auch eine schwierige Angelegenheit, dadurch, dass die Quellenlage nicht sehr zufriedenstellend ist aktuell. Wir haben einfach zu wenige unabhängige Quellen, die das bestätigen können, aber das erste Buch scheint von Ibn Malik zu sein, das Buch namens Al-Muwatta, das ist so ein Jahrhundert später kann man sagen, und Buchārī und Ibn al-Haddschādsch, bekannt mit seinem Buch Sahih Muslim, Tirmidhi, Ibn Madscha und so weiter. All diese Quellen sind der Versuch, oder stellen den Versuch dar, dass man eben diese außerkoranischen Quellen zusammenträgt und, – das ist eine schwierige Angelegenheit für sich, also dadurch dass sie soweit danach gesammelt wurden und schriftlich festgelegt wurden, da kann man sich lange darüber streiten. Das ist immer noch ein Problem in der Hadithwissenschaft dass man keine unabhängigen Quellen hat und das führt dann auch eben dazu, dass Schiiten ihre eigenen Bücher Kollektion haben, und die Sunniten habe ihre eigene Kollektion, und je nach Kultur auch kann sich das ändern. Das heißt der türkische Islam, das türkische Sunnitentum ändert sich im vergleich zum ägyptischen Sunnitentum und dadurch hat man verschiedene Varianten auch davon, obwohl man sich auf die gleiche Quelle berufen möchte, aber die gleichen Quellen eben anders bewertet, dadurch dass sie historisch nicht so eindeutig einzuordnen sind.

>> Der Traditionalist kann in der Lesung keine wirkliche Unterstützung für die Grundsätze seiner Religion finden. Seine Religion kommt aus einer ganz anderen Quelle, nämlich aus der Hadith Literatur. Der traditionelle Islam behauptet, dass der Qur’an nur über den Traditionalisten und seine umfangreiche Hadith-Literatur vollständig verstanden und interpretiert werden kann. Er behauptet auch, dass der Qur’an und die Hadith zusammengenommen, die Grundlage dessen bilden, was als Islam bezeichnet wird. Er behauptet ferner, dass der Islam eine Religion ist, im Sinne von vorgeschriebenen Dogma, Ritus und Brauch, und wenn man den Darstellungen dieser Religion durch den Traditionalisten folgt, man den Kernimperativen des Qur’ans festhaltet. Was gibt es zu beachten, wenn wir uns mit der Hadith- Literatur der Traditionalisten auseinandersetzen?

>> KA: Dadurch, dass Gott uns durch den Koran verstehen lässt, dass sein Wort vollständig ist, das hören wir zum Beispiel in Sure 6 Vers 115: „Das Wort deines Herrn ist in Wahrheit und Gerechtigkeit vollständig.“ oder, das auch einfach ist. In Sure 44 Vers 58 „Wir haben es (also den Koran), zum verstehen leicht gemacht und in deiner Zunge (also in deiner Sprache), auf das du ermahnt seist.“ Und es wird auch gesagt, dass es ein Buch, das deutlich ist. Das ist zum Beispiel Sure 12 Vers 1 „Dies sind die Zeichen des deutlichen Buches“ und so weiter und so fort. Da gibt es also viel, auch dass zum Beispiel in Sure 6 Vers 114 betont wird, „Soll ich etwa jemand anderen als Gott zum Gesetzesgeber erheben, wo Er euch doch dieses Buch vollständig detailliert offenbart hat, vollständig auseinander gelegt – offenbart hat.“ Also, wenn wir diese Verse als Grundlage nehmen, dann sehen wir ganz klar, dass der Koran ein Selbstverständnis gibt, was eigentlich die Botschaft sein sollte: Ja, der Koran reicht aus. Das wird ja auch in Sure 7 Vers 3 dem gläubigen nahegelegt, dass man keinem anderen verbündeten folgen soll, neben dem was Gott herabgesandt hat, also folgt dem, was zu euch von eurem Herrn herabgesandt worden ist und folgt nicht an seiner Stelle verbündeten, ihr lasst euch wenig ermahnen und in diesem letzten Satz aus Sure 7 Vers 3 „Ihr lasst euch wenig ermahnen“ ist auch zu sehen, dass es wenig bedacht wurde und man stattdessen auch politische Fragestellungen in den Vordergrund treten ließ. Die Sekundärliteratur ist ja auch vor allem der versuch, politische und kulturelle Zusammenhänge zu verknüpfen in dem zum Beispiel auch die Nachfolge des Propheten, die im Koran überhaupt nicht behandelt wird, eben zu regeln, und dadurch ist dann Tür und Tor offen für eine komplett neue oder neuartige Religion, man kann sie komplett auch sozusagen zur Unkenntlichkeit verzerren, und das kann man mit einem anderen Vers auch schön in Verbindung bringen. Aus Sure 42 Vers 21, wo es auch sozusagen um die Scharia geht, also das Wort das das dort verwendet wird, eine Verb ist verwandt mit Scharia auf arabisch und dort steht: „…oder haben sie etwa Teilhaber, Partner, Beigesellende, die ihnen als Religion verordnet haben, was Gott nicht erlaubt hat und gäbe es nicht ein Urteilsspruch, wäre es zwischen ihnen entschieden worden. und für die die Unrecht tun ist eine schmerzhafte Pein bestimmt.“ Dadurch sehen wir, also es gibt eine Religion, eine Variante des Verständnisses der Religion, auch also des Korans, die Gott nicht erlaubt hat, die Gott nicht als Religion vorgesehen hat und das ist der Aufruf, dass wir vorsichtig sein sollen, dass wir die Religion nur durch Gott oder Gottes Quellen bestimmen lassen, und das zeigt sich dann auch in der Praxis. Es wurden so viele Fragestellungen plötzlich relevant und die Gelehrten mussten dann plötzlich mit so vielen rechtlichen Fragestellungen Arbeiten, dass sie versucht haben, diese Religion systematisch zu vereinheitlichen, aber dadurch leider eine neue Religion erstellt haben, die mit dem Koran punktuell immer wieder zu tun hat, aber nicht mehr wirklich dem Wesen des Korans entspricht, sondern sozusagen eine regelbasierte, ritual basierte Interpretationsform des Islam, der Erhebung, der Gottergebenheit darstellt.

>> Gleichzeitig möchte ich festhalten, dass an der Wurzel dessen, was die beiden großen Sekten des heutigen Islam trennt, der Konflikt zwischen ihrer konkurrierenden Hadith-Literatur liegt. Sie können sich untereinander nicht, über das was sie akzeptieren einigen. Alle islamischen Sekten sind sich einig, dass die Lesung Gottes Wort ist. Ein weiteres Wort, das stark polarisiert, ist Dschihad. Auch da handelt es sich um ein arabisches Wort, das oftmals nicht ins deutsche übersetzt wird. Was sagt der Koran bezüglich Dschihad und wie deutet der traditionelle Islam diesen Begriff?

>> KA: Ich beginne zuerst einmal mit der traditionellen Variante. Also Dschihad gemäß sunnitischer Tradition. Das ist ein Aspekt. Ja, die Frage die sich natürlich stellt ist das was die Medien darstellen, also die Mudschaheddin und so weiter, ist das eine mediale Erfindung oder ist das aus der eigenen kulturellen Tradition heraus, und wenn wir gewisse früher Gelehrten betrachten, wie zum Beispiel asch-Schaibānī mit seinem Buch „Das große Buch der Kriege“ aus dem späten 8 Jahrhundert, das Dschihad ist ein Angriffskrieg zur Bekehrung von Andersgläubigen. Und ich wir reden hier nicht von irgendwelchen irre gegangenen Menschen, sondern gebildete, privilegierte Männer, die ihre gesamte Zeit damit verbracht haben, dass sie die Lesung, den Koran studieren und asch-Schaibānī ist auch kein eine Randfigur, sondern ein Mitbegründer der hanafitischen Rechtsschule, also einer der vier Rechtsschulen im Sunnitentum, und es darf nicht vergessen werden natürlich, dass die Menschen, die Lesung, und somit das Wort Gottes interpretieren müssen. Also ohne eine schlüssige Herangehensweise an einen Text, kann man jedweder Art der Interpretation irgendwie rechtfertigen. Also wenn man keine systematische Vorgehensweise hat, dann ist sozusagen Tür und Tor offen für alles, und das ist auch das, was gewisse Gelehrte ausnützen und dann ihren Anhängern, ihren Folgern sozusagen nahelegen. Ein weiteres negatives Beispiel in dem Sinne ist der Theologe As-Sarachsī, das ist jetzt 11 Jahrhundert, seine Meinung zeigt auch wieder, dass wir vorsichtig sein müssen, wie wir interpretieren, also welche Methodik wir verwenden. Er glaubte auch irrtümlicherweise oder gegen den Koran selbst sozusagen, das Dschihad nur in den Anfangsphasen eine eingeschränkte Bedeutung erhielt, in deren die Beigeseller nur ignoriert werden sollen, also sozusagen eine tragende Beleidigungen der Schmach und der Strapazen, und er sagte dann das Dschihad dann künftig gleichzusetzen sei mit dem Gebot zum Kampf, wobei sämtliche Beigeseller, Polytheisten, also Menschen die an viele Götter glauben, zu bezwingen sein. Also dies sei seiner Meinung nach eine Würdigung der Religion, wenn man das so auslebt.

>> Da sprechen sie jetzt vom traditionellen Islam?

>> KA: Das ist jetzt, genau, das ist die traditionelle Sichtweise, das sind jetzt nicht Gelehrte die irgendwie nur Randfiguren wären, sondern das sind bekannte Theologen, also zumindest in der klassischen Wissenschaft, und da gibt es aber auch weitere traditionelle Ansichten, dass es eben verschiedene Ebenen gibt, dass ein Dschihad der Seele gibt, eine Dschihad der Zunge, also da gibt es verschiedene Kategorien: Dschihad bin nafs, Dschihad bil lisan, Dschihad bil qalam, Dschihad bil… Also, Dschihad der Seele, der Zunge, des Stiftes oder des Schreibzeugs, und des Wissens. Solche Unterteilungen sind aber sehr unterschiedlich und sind nicht immer koranisch belegt. Wenn wir also jetzt schauen was koranisch verwendet wird, dann müssen wir auch zuerst wieder schauen was bedeutet das Wort, also wir müssen wieder die Wurzel bemühen, die Wurzel des Wortes Dschihad ist dsch-h-d und also dschāhada so zu sagen und kommt in der Lesung insgesamt 41 mal in 36 Versen vor und hat Bedeutungen wie sich bemühen, sich abmühen, abmühend zu sein, eine Bemühung aufrechtzuerhalten, Engagement, Einsatz, also intensiv sich für etwas einzusetzen. Etwas hart zu erarbeiten, sich anzustrengen, kräftig zu sein, fleißig zu sein, für eine Sache einstehen oder auch mit äußerstem Einsatz mit Leib und Seele für eine Sache einstehen. das sind die Grundbedeutungen. Also man kann, wenn man es jetzt sozusagen mit einem christlichen Beispiel verwenden würde, mit dem Gleichnis des barmherzigen Samariters, dann ist der barmherzige Samariter eigentlich ein Mudschāhid, also ein sich abmühender, jemand der sich für die Menschen einsetzt in not und leid. Und im Koran wird natürlich auch das in Bezug auf die Selbstverteidigung verwendet, also in einer speziellen, ganz speziellen kriegerischen Handlungen, zum Zwecke der Selbstverteidigung. Und diese Selbstverteidigung findet statt, damit die Auslöschung der eigenen Existenz und der eigenen Gesellschaft verhindert werden kann. Also, das ist im Prinzip die Situation eines Krieges, wo ein Volk gezwungen ist, sich zu verteidigen, damit sie nicht komplett dem Erdboden gleichgemacht werden, weil das Gebot der Lebenserhaltung so hoch ist, dass also auch die Mitmenschen verteidigt werden müssen, dass sie nicht einfach sozusagen dem Tod ausgeliefert sind. Und in diesem Sinne, wird dann auch das Wort Dschihad gebraucht, aber man muss auch dort differenzieren. Also es gibt gewisse Verse die reden vom Kampf, aber verwenden das Wort Dschihad nicht. Ein Beispiel ist zum Beispiel aus Kapitel 22 Verse 39 und 40, dort wird zum Beispiel das Wort qitâl verwendet, für Kampf und nicht Dschihad. Also ein friedliches zusammenleben anzustreben, das ist das gebot des Korans und jemand der also den Dschihad auslebt, der hat den Frieden immer als Ziel. Also so schnell wie möglich und auch im Krieg geht es darum, dass man sich abmüht, also auch wenn man zum Beispiel merkt, dass man voller Wut und Zorn ist, weil die eigene Familie wegen einer Bombe zum Beispiel ums leben kam, dass man diese Wut und diesen Zorn, wie transformiert in etwas anderes umwandelt, und dann in die Friedensarbeit steckt. Also es wird nahegelegt in Sure 8 Vers 61, dass man den Frieden geneigt sein muss auch in einem Krieg.

Auch im Krieg selbst geht eine Selbstbeherrschung als Zeichen der innerlichen Abmühung. Also auch dort je nach Kontext kann Dschihad etwas ganz anderes bedeuten, und wenn man es vom Kriegskontext trennt, dann besteht das nicht nur aus der gegenseitigen Liebe zwischen Gott und Mensch und auch im Bewusstsein, dass Gott uns so sehr liebt, dass er seine Barmherzigkeit sich selbst vorgeschrieben hat, und Gott in dem Sinne, Barmherzigkeit vor Gerechtigkeit walten lässt, also wir dann auch mit unseren Mitmenschen barmherzig sein sollen, Verständnis aufbringen sollen, Mitgefühl, Empathie und Liebe zeigen sollen und diese Verbundenheit zu den Mitmenschen, spürbar und sichtbar leben sollen. Also Gottergebene zu sein, also ein Muslim zu sein bedeutet, die Menschen mehr zu lieben, als dass sie einen selbst lieben. Und das ist natürlich schwierig für den Menschen. Wir sind ungeduldig, wir sind geizig, wir können eifersüchtig sein. Es ist eben auch deshalb umso schwieriger und auch eine größere Abmühung, weshalb eben diese Abmühung mit der Geduld verbunden ist. Also da gibt es mehrere Verse In Sure 2 Vers 267, Sure 3 Vers 92 und auch aus dem gleichen Kapitel Vers 134 und 142 und viele weitere. Also die Abmühung, oder Dschihad ist mit Empathie und Wohlwollen verbunden, mit Großzügigkeit den Menschen gegenüber, und dass wir zum Beispiel unsere Eltern mit Güte behandeln, dass auch ein Konzept, ein Prinzip, aus den zwischenmenschlichen Beziehungen die der Koran nahelegt, dass wir die Eltern mit Güte behandeln müssen. Das ist auch Dschihad. Das ist eine Anstrengung, weil es nicht gegeben ist. Und Dschihad bedeutet auch wenn wir es jetzt von der zwischenmenschlichen Ebene wegnehmen zur gesellschaftlichen Ebene, also nicht in der gemeinschaftlichen Ebene, sondern auf der gesellschaftlichen Ebene anschauen, dann bedeutet Dschihad auch Gerechtigkeit. Also er sich für die Gerechtigkeit einsetzen. Wir dürfen, um der Gerechtigkeit willen nicht die Menschen fälschlicherweise, die tyrannisch unschuldige aus ihren Häusern vertreiben. Liebe zu Gott bedeutet also in dem Sinne auch Liebe zur Gerechtigkeit, über alle Stufen hinweg, und das bedeutet, dass wir die moralische Läuterung, also Zakāt, die Reflexion und die Kenntnis über unser eigenes Wesen entwickeln. Wir sind also dann, wenn wir uns entwickelt haben, wenn wir geläutert sind, so Gott will, unbeeinflussbar für die Gerechtigkeit. Wir stehen für die Gerechtigkeit ein und es kann keine äußere Kraft sozusagen uns beeinflussen, sodass wir die Gerechtigkeit höher werten als, ich sag mal zeitliche Aspekte. Es ist ganz wichtig, dass wir die Läuterung, das Gottergeben sein mit diesem Begriff auch verbinden, weil die Gerechtigkeit ist ein sehr hohes Gut und wird dann auch, zusammengefasst wird es hier so dargestellt, dass auch wir uns selbst kontrollieren müssen. Also in Sure 5 Vers 8 steht hierzu: „Oh Ihr die ihr glaubtet, steht zu Gott als Zeugen für die Gerechtigkeit und die Feindseligkeit eines Volkes soll euch nicht verleiten, anders denn gerecht zu handeln. Seit gerecht, das ist näher zur Achtsamkeit; und seit Gottes achtsam denn Gott ist kundig dessen, was ihr tut. Also Zusammengefasst, das bedeutet zu gut deutsch, man soll ein barmherziger Samariter sein und dann ist man ein Mudschāhid, der den Dschihad liebt, die Bemühung, die Abmühung liebt, weil man sich Abmüht für die Gerechtigkeit und für das Gute.

>> Das, was sie jetzt gesagt haben, steht im starken Kontrast zu dem, wie der Dschihad sowohl durch die Massenmedien, aber auch durch Terrorgruppen wie den IS dargestellt, beziehungsweise interpretiert wird. Die meisten Menschen haben ja ein gewisses Bild vom Dschihad, vermittelt durch diese Bilder des Terrors, mitunter natürlich auch durch den IS, beziehungsweise das Bild das oftmals durch die Massenmedien kommuniziert wird, hat wenig bis gar nichts mit dem zu tun, wie sie jetzt den Dschihad dargestellt haben. Dieses stark polarisierende Thema, der Dschihad ist auf jeden fall eine eigene Episode Wert. Danke für ihre Schilderung zur Bedeutung des Wortes Dschihad laut der Lesung. Sehr wichtig. Sehr wichtiges Thema.

Wer sind die sogenannten Ungläubigen? In der Lesung findet man in diesem Zusammenhang den Begriff alhadina kafaru sowie al-Kāfirūn. Bei den meisten deutschen Koranübersetzungen, werden diese beiden Wörter oftmals mit – die Ungläubigen – übersetzt, doch in der Lesung, also im Qur’an, der auf Arabisch geschrieben steht, sind das zwei unterschiedliche Begriffe. Warum werden diese zwei unterschiedlichen Wörter vom traditionellen Islam als die Ungläubigen übersetzt?

>> KA: Also alhadina kafaru, das ist ein Bezug, also meistens wird das in Bezug auf eine Handlung oder eine Geschichte oder eine Auseinandersetzung verwendet. Also diejenigen die Kufr betreiben, wenn ich jetzt das arabische Wort noch stehen lasse, Kufr ist so zu sagen dass Verbalnomen dazu, Kāfir oder al-Kāfirūn, das ist der Plural von Kāfir, und Kāfir ist das aktive Partizip, was, ja – ableugnen bedeutet oder die Wahrheit ablehnend bedeutet. Man kann eigentlich die Frage zusammenfassen mit, wer ungläubig scheint kann in Wahrheit gläubig sein, damit man sich bewusst wird, dass der Begriff Kāfir eben nicht einfach mit „Ungläubiger“ übersetzt werden kann, und dass es also auch wieder eine nähere Betrachtung braucht. Und das kommt von der Wurzel k-f-r, und kafara – Ableugnen, also so wie ich das jetzt übersetzen würde, wird auch verwendet, als Gegenwort zu Dankbarkeit. Es kann also im Sinne von Undankbarkeit verwendet werden, aber meistens bedeutet es, dass es etwas verbirgt, etwas entfernt, etwas zurückweist. Es kann auch positiv verwendet werden also zum Beispiel wird kaffara verwendet, also dass eine Verstärkung der Bedeutung. kaffara: entfernen, zurückweisen, auch im Sinne von Wiedergutmachung oder Sühne. Das Wort kaffara, also das Verb wird in dem Sinne abgeleitet, dass es, ja – etwas bedeckt und im spirituellen Sinne bedeutet das dann auch, dass es die Wahrheit bedeckt, also wenn ich mich so verhalte, bewusst oder unbewusst, dass ich die Wahrheit unterdrücke, dass ich die Wahrheit ignoriere, dass ich die Wahrheit außer acht lasse, dann begehe ich diesen sogenannten Kufr und das ist vollkommen unabhängig davon, ob ich jetzt sage ich glaube an Gott oder nicht. Natürlich hat das auch damit zu tun, dadurch dass es in Verbindung steht, ob man an Gott glaubt oder nicht, hat es auch die Bedeutung, dass man eben nicht an Ihn glaubt. Das ist auch ein Bestandteil davon, aber es ist nicht der einzige. Das heißt, ein Gottgläubiger kann immer noch ein Ungläubiger sein, wenn man diese Übersetzung beibehält, ich würde eher von Ableugner sprechen, weil diese Ableugner verschiedene Aspekte zu ihrem eigenen Vorteil ausnutzen.

Das heißt, sie können das Wort Gottes, den Koran so hin drehen, dass es sozusagen ihren eigenen Profite zugute kommt, aber dabei ignorieren sie dann andere Aspekte des Korans. Also sie drehen und wenden das Buch so, bis es passt und weisen den Rest der Wahrheit ab oder weisen das zurück. Sind auch Menschen die sich nicht an Friedensverträge halten die unterschrieben haben, sie sind sehr oft mit Rassismus verbunden, sie geben keine Acht auf die Rechte der Anderen, also Freiheit, Sicherheit und Wohlstand der Gesellschaft ist ihnen nicht wichtig. Sie sind aggressive Menschen, sie sind tätlich, gewalttätig, sie wollen nicht, dass andere es besser haben, Sind egoistisch, prahlen mit ihren erfolgen, sie sind nicht mal konsistent, sie sind nicht mal aufrichtig in Bezug auf ihre eigene Meinung, sie sagen etwas, aber befolgen ihre eigene Meinung nicht genau. es bleibt nur beim Wort und geht nicht in die Tat über, sie stehen im Weg, statt zu helfen, also bei Hilfeleistungen, sie teilen die Menschheit auf, sie spalten, sie suchen nur die Fehler, sehen auf andere herab, sind arrogant, hochmütig, dass sind alles Umschreibungen, was die sogenannten Kāfirūn, also die Ableugner umschreibt. Ich habe in meinem Buch „Schlüssel zum Verständnis des Koran“ habe ich eine lange Liste der Umschreibungen, was diese sogenannten Ableugner ausmachen, und da werden wir auch sehen, dass es gar nicht möglich ist einfach zu sagen, ja – das ist ein Ungläubiger und fertig, nur weil er nicht an Gott glaubt. Es kann also auch sein, dass jemand der an Gott glaubt, immer noch ein Ableugner ist, weil er die Schwachen unterdrückt, weil er eben sich nicht an die Gerechtigkeit hält, also viel wichtiger welche Art von Mensch man ist, statt zu sagen, ob man an Gott glaubt oder nicht, weil der glaube an Gott, das wäre nochmal ein eigenes Thema für sich, äußert sich durch die Handlungen, durch die Taten und nicht durch das Sprechen eines Satzes, dass man an Gott glaubt, oder dass man das Bekenntnis aussagt, das reicht nicht aus. Da möchte ich kurz anmerken, dass der Qur’an im arabischen das Wort alhadina kafaru genau beschreibt, eben in der besagten Sure 2 Vers 6. Dennoch findet man in vielen Koranübersetzungen den Ausdruck als alhadina kafaru, lediglich als die ungläubigen übersetzt. Das gilt übrigens auch für die meisten englischsprachigen Koranübersetzungen. Ja das ist eben, das ist das schwierige dadurch, dass auch sehr oft das Gegenteil von Glaube verwendet wird, das Iman, hat also auch die Nebenbedeutung von jemand der nicht an Gott glaubt, aber es bedeutet eben auch ständig alles anzweifeln und die Wahrheit innerlich oder äußerlich ableugnen. Iman, das müsste man eigentlich jetzt auch noch genauer anschauen, damit man das versteht, wieso als Gegenwort zu Kufr verwendet wird. Iman hat mit einer gesicherten Überzeugung zu tun, also es ist nicht Glaube im ursprünglichen Sinne, wie man das im Alltag kennt. Es geht also um semantische Ebenen, um Wortbedeutungsebenen, die als Gegenwort zu an anderen Worten stehen können und mindestens bedeutet es auch undankbar zu sein. Also Schukr, Dankbarkeit wird auch verwendet und diejenigen die ableugnen, also auch dort wird alhadina kafaru verwendet oder etwas ähnliches, oder auch Kāfirūn, als undankbar, und das übersetzen sie aber danach als undankbar an gewissen Stellen. Das ist interessant, also ihnen scheint das bewusst zu sein, dass es nicht immer ungläubig heißt, aber diese Einsicht dieser Erkenntnis, geht irgendwie in gewöhnlichen Übersetzung verloren. Das ist schade, weil ungläubig zu sein, heißt nicht – also als ungläubig bezeichnet zu werden, heißt nicht, dass man ungläubig ist.

>> Ja, zumal die Lesung ja relativ deutlich und klar auf dieses Thema eingeht. Das runter reduzieren auf die Ungläubigen ist meines Erachtens schon sehr irritierend und bezeichnend. Nun tatsächlich zu meiner letzten Frage. Gibt es etwas, was sie unseren Hörern hinsichtlich der Betrachtung von Qur’an Begriffen raten bzw. worauf sollten sie gerade aus einem kritischen, gesellschaftspolitischen Blickwinkel achten?

>> KA: Ich würde auf jeden fall raten, verschiedene Übersetzungen zu verwenden. Je mehr Sprachen man kann, desto besser. Also wenn man noch dazu Englisch, Französisch kann, dann würde ich auch englische und französische Übersetzungen dazu nehmen, oder türkische Übersetzungen, bosnische, albanische, oder es wäre auch schon gut wenn man eine Übersetzung hat vom Altarabischen, so wie es im Koran ist zu modern-Arabisch zum Beispiel, ägyptisch auch, oder standard-Arabisch, dass man so viele verschiedene Übersetzungen wie möglich vergleicht, so dass man auch sehen kann, dass ein einzelnes Wort nicht immer gleich übersetzt werden muss. Also auf Deutsch haben wir viele Übersetzungen, also da kann man auswählen so zu sagen, hat man die Qual der Wahl. Zum Beispiel von Adel Theodor Khoury, von der Ahmadiyya Gemeinschaft herausgegeben, und auch von der Al-Azhar-Universität herausgegebene deutsche Übersetzung, von Rudi Paret, vom Bubenheim, von Amir Zaidan, vom Bobzin, auch von Muhammad Asad, die kann ich auch sehr empfehlen, er gibt auch Erklärungen zu gewissen Worten, muss nicht immer eindeutig sein, muss auch nicht immer richtig sein, aber auf jeden fall rate ich, dass wenn etwas unklar erscheint oder etwas nicht richtig zu sein scheint, man auf jeden fall mit verschiedenen Übersetzungen vergleichen und auch unsere Übersetzung – Hanif, die ist auch nur eine Variante davon. Wir geben uns zwar mühe das so genau wie möglich zu machen, aber es stellt eine Sichtweise dar und dadurch kann man dem ganzen ein bisschen näher kommen. Wenn man zusätzlich dazu auch noch Arabisch beherrscht, dann würde ich auch vorschlagen, dass man die Wörterbücher auch aufschlägt und sich mal vergegenwärtigt, sich bewusst wird, wie die Wurzeln zu gewissen Worten verwendet werden können, was die Grundbedeutung darstellt, und dass man dies dann auch versucht mit der Altarabischen Bedeutung zu verknüpfen. Also nicht Standard Arabisch, also modernes standard Arabisch, das ist ganz wichtig, sondern die Bedeutungen des klassisch-arabischen versucht herauszufinden. Und da werden dann einige Worte in einem ganz neuen Licht erscheinen, und da wird man auch sehen, dass so wie es im Koran dann verwendet wird, nicht immer so gemeint sein muss, wie es im Alltag, durch sogenannte Muslime stattfindet. Das kann auch ich sein, also bei einem Wort was ich noch nicht untersucht habe, kann auch sein dass ich noch genau so beeinflusst bin durch die Tradition, das würde ich also anraten, wenn ein Thema wichtig erscheint, dass man genau nachgeschaut, und dass man sich dort informiert, so gut man kann.

>> Also ich möchte mich hiermit bei ihnen bedanken. Danke für das aufschlussreiche Gespräch, ihre Zeit und ihre bisherigen Bemühungen, einen aufklärerischen Islam zu vermitteln. In diesem Zusammenhang kann ich nur jedem, der sich zu diesem Thema weiterbilden möchte, ihrer Webseite www.alrahman.de, sowie die Schwesterseiten – www.alquran.eu und www.hanif.de empfehlen, da ist auch ihre Koranübersetzung auf Deutsch zu finden. Nochmals vielen Dank Kerem für ihre Zeit. Ich wünsche ihnen Frieden und Gottes Segen, Werte Bruder Kerem. Danke vielmals.

>> KA: Ich bedanke mich ganz herzlich und wünsche auch den Segen Gottes und seine Barmherzigkeit und Friede sei mit ihnen und allen Zuhörenden.

>> Wir haben jetzt einiges über die deutsche Bedeutung gewisser arabischer Schlüsselwörter gelernt. Jetzt möchte ich gerne mit ihnen, werte Zuhörer eine kurze Übung machen. Dazu spiele ich ihnen jetzt einen Ausschnitt eines Vortrags vom Schweizer Historiker Daniele Ganser vor. Der Vortrag mit dem Titel „Medial vermittelte Feindbilder und die Anschläge vom 11 September 200.

„Jetzt, möchte Ich mit ihnen eine kurze Übung machen. Und die geht ganz schnell und die macht auch nicht weh. Ich sage ein Wort und sie produzieren ein Bild im Kopf. Ich sage – Banane – sie müssen schon eine Banane haben, ganz schnell muss das wirklich sein, sage ich – Haus – – Fahrrad – Polizist – Terrorist – stop! Halten sie das letzte Bild. Und jetzt frage ich sie: Ist dass jemand von der RAF , Atheisten? Ist das jemand von den Brigarde Rosse in Italien, Kommunisten? Ist das jemand von der IRA, Katholiken aus Nordirland? Oder jemand von der ETA in Spanien? Oder Irgun, das ist eine jüdische Terrororganisation, Palästinakonflikt? Oder ist das ein bärtiger Mohammed, irgendwie? Sie müssen sich jetzt nicht melden, ja. Wir haben ja hier. Diskretion. Aber einfach, wenn es das Letzte war, dann haben Sie eine Verbindung von Terror und bärtige Muslime. Auch, wenn Sie natürlich sagen werden, ich bin sehr aufgeklärt und würde nie unter Kriegspropaganda leiden.”

Seit dem 11. September 2001 steht jeder Muslim unter Generalverdacht, und wer das Wort Terrorist hört, denkt in aller Regel an einen bärtigen Turbanträger, und nicht an einen RAF- oder ETA-Terroristen. Warum ist das so? Wer lanciert diese Feindbilder und wer profitiert davon?
>> Zitieren möchte ich in diesem Zusammenhang Marcus Knill, von rhetorik.ch der in seinem Artikel: Beeinflussung – Manipulation – Propaganda schreibt, ich zitiere: Manipulation ist ein uraltes Mittel der Beeinflussung. Sie wurde seit je von allen Kulturen bis zum heutigen Tag angewendet. Bei der Manipulation geht es um bewusste oder unbewusste Lenkung. Manipulierte Darstellungen basieren auf eigenen Zielvorstellungen. Zur Manipulation und Beeinflussung gehört aber auch der Adressat, der durch Kenntnis der Manipulationstechniken und Schärfen seiner Kritikfähigkeit viel dazu beitragen kann, nicht manipuliert zu werden. Je besser der Mensch über die Beeinflussung zum Beispiel durch die Medien bescheid weiß, umso eher kann er ihr widerstehen. Wer Manipulations- und Beeinflussungstechniken erkennen und benennen kann, kann dafür sorgen, dass er ihr nicht zum Opfer fällt. In der Praxis ist es wichtig, Manipulationstechniken zu erkennen.

>> Ich möchte jetzt diese erste BRAND ISLAM Episode mit einem Gedicht aus Johann Wolfgang von Goethes Gedichtsammlung „West-östlicher Divan“ abschließen.

So schreibt Goethe:

“NÄRRISCH, DASS JEDER IN SEINEM FALLE
SEINE BESONDERE MEINUNG PREIST!
WENN ISLAM >> GOTT ERGEBEN << HEISST,
IN ISLAM LEBEN UND STERBEN WIR ALLE.”

>> So das war’s auch schon. Danke fürs Zuhören und ich hoffe, die erste Folge BRAND ISLAM hat euch gefallen – und bis zum nächsten Mal.

Friede sei mit euch – PEACE

Weinendes Kind - Leiden & Schmerz - Theodizee

Theodizee: Wieso unterbindet Gott das menschliche Leiden nicht?

Entgegen der landläufigen Meinung glaubte Charles Darwin nicht, dass seine Evolutionstheorie Gottes Existenz widerlegte. In seinem monumentalen Werk Über die Entstehung der Arten bezeichnete Darwin die natürliche Auslese als einen Mechanismus, mit dem der Schöpfer verschiedene Arten schafft. Er bezog sich sogar auf die Schöpfungsmetapher im Alten Testament. In ihr hauchte Gott den Atem des Lebens in Adams Nasenlöcher ein. Gegen Ende seines Lebens verlor Darwin jedoch seinen Glauben an das Christentum. Interessanterweise trugen emotionale Gründe mehr zu Darwins Glaubensverlust bei als rationale oder wissenschaftliche. Tatsächlich war der Tod seiner Tochter Anne einflussreich, um seinen Glauben an den christlichen Gott zu erschüttern.

Ob er es wusste oder nicht, das, was Darwin umtrieb, war ein Paradoxon, das Epikur vor langer Zeit formuliert hatte. Der griechische Philosoph fragte: Wenn Gott vollkommen gut und allmächtig ist, warum leiden wir dann? Er schlug zwei alternative Antworten vor: Entweder ist Gott nicht vollkommen gut und deshalb nicht bereit, menschliches Leid zu unterbinden; oder Gott ist nicht stark genug, um den ganzen Schmerz in der Welt zu beenden. Mit anderen Worten, ein liebender und allmächtiger Gott scheint in Anbetracht des Leidens in der Welt widersprüchlich zu sein.

Aber ist das so? Welche Lösungen haben Philosophen als Antwort auf das epikureische Paradox? Was noch wichtiger ist für Gottergebene (Muslime): Finden wir irgendwelche Erkenntnisse in der Lesung (Koran), mithilfe derer wir dieses Problem lösen können? Dieser Artikel wird diese Fragen reflektieren.

 

Gott: vollkommen gut und allmächtig zugleich?

Eine Lösung für das Problem des Leidens wäre, die Behauptung zurückzuweisen, dass Gott vollkommen gut und allmächtig ist. Ein Theist könnte argumentieren, dass Gott nicht vollkommen gut ist und deshalb menschliches Leid nicht verhindert. Oder Gott ist vollkommen gut, aber Er ist nicht in der Lage, das Problem des menschlichen Leidens zu lösen. Eine solche Darstellung Gottes wäre jedoch unvereinbar mit dem Bild der abrahamitischen Religionen. Gott im Judentum, Christentum und in der Gottergebenheit (Islam) ist vollkommen gut und allmächtig. Daher wäre die Lösung des Problems durch den Hinweis auf einen Gott, der entweder hinsichtlich Macht oder Güte eingeschränkt ist, keine Option in der Gottergebenheit.

Wie kann ein Gottergebener auf dieses Paradox reagieren? In der Geschichte des muslimischen Denkens haben viele Philosophen aus verschiedenen Schulen – Al-Ghazali, Ibn Sina (Avicenna), al-Nazzam und Razi – das Problem des Leidens behandelt. Einige bezogen sich auf die Frage, welche die Engel nach der Erschaffung von Menschen Gott stellten:

 

2:30 Und als dein Herr zu den Engeln sagte: Ich werde auf der Erde einen Nachfolger hinterlassen, sagten sie: Lässt du darauf solch einen, der Verderben stiftet und Blut vergießt, wo wir dich mit Lob preisen und dich heiligen. Er sagte: Ich weiß, was ihr nicht wisst

 

Zu Beginn der Lesung (Koran) befragen die Engel Gott über die Erschaffung von Wesen, die in der Lage sind, böse Taten zu begehen und anderen Lebewesen Schmerzen zuzufügen. Gottes Antwort ist, dass Er Gründe hat, die für Kreaturen mit begrenztem Wissen nicht erkennbar sind. Tatsächlich ist dies eine der klassischen Antworten, mit denen Philosophen und Theologen das Problem des Leidens lösen. Gott ist vollkommen gut und allmächtig, doch diese Eigenschaften müssen nicht dazu führen, dass Er alles Leiden in der Welt beendet. Gott könnte einen Plan haben, der Gott moralisch gerecht macht und Leiden erlaubt. Die Existenz von Leiden kann bestimmte Funktionen haben, die Gott daran hindern, Schmerzen und Leiden in der Welt zu stoppen. Zum Beispiel kann Leiden notwendig sein, um mehr menschliches Glück hervorzubringen als eine Welt ohne Leiden.

Doch wir sind, wie der skeptische Theismus behauptet und die obige Passage aus der Lesung bestätigt, nicht immer in der Lage zu verstehen, was diese Funktionen sind. Es gibt andere Verse, die sich auf die Grenzen des menschlichen Wissens beziehen, die eine vollständige und wahre Bewertung der Ereignisse verhindern, denen wir gegenüberstehen:

 

2:216 … Doch ihr möget etwas hassen, was gut für euch ist, und ihr möget etwas lieben, was übel für euch ist, und Gott weiß und ihr wisst nicht

 

Beschränktheit des Wissens und der freie Wille

Nach gottergebenen Lehren können die Menschen zwar nur einen kleinen Teil der Realität erfassen, sie neigen aber dazu, Urteile zu fällen, als ob sie die ganze Wirklichkeit wahrnehmen würden. Eine Geschichte über Moses (18:65-82) illustriert sowohl die menschliche Ungeduld als auch das allzu menschliche Versagen, genaue Urteile zu fällen. In dieser Parabel begegnet Moses einem Mann, der besondere Kenntnisse besitzt, die er von Gott erhalten hat. Dank dieses Wissens konnte er die innere Realität der Dinge erkennen. Mit diesem Wissen verübte er scheinbar böse Taten, die darauf abzielten, unschuldige Menschen zu schützen und ihr Wohlergehen auf lange Sicht zu erhöhen. Mit dieser Parabel werden die Gottergebenen erneut daran erinnert, dass der Menschheit nur wenig an Wissen gegeben wurde (17:85).

Die Lesung weist nicht nur auf das begrenzte menschliche Wissen in Bezug auf das Problem des Leidens hin. Sie bezieht, wie viele Philosophen auch, das Leiden in der Welt auf den freien Willen des Menschen. Obwohl Gott die Menschen leitet und motiviert moralisch, gerecht und rechtschaffen zu sein, lässt Er sie auch frei in ihren Entscheidungen. Dies beinhaltet die Möglichkeit, unmoralisch zu handeln und Leid zu verursachen. Ein Teil des Leidens in der Welt ist also auf die Existenz des freien Willens zurückzuführen. Gott will nicht, dass Menschen gerecht sind, weil sie keine andere Möglichkeit haben. Er möchte, dass die Menschen gerecht sind, weil sie sich dazu entscheiden. Ohne freien Willen wären Menschen den Robotern ähnliche Wesen. Böses und Leid sind der Preis, den wir für den größeren Segen des freien Willens bezahlen.

Dies ist eng mit einem anderen Thema in der Lesung verbunden. Die Existenz des freien Willens ist in der Gottergebenheit entscheidend und unverzichtbar. Denn diese Welt gilt als Test für den Menschen. Daher wäre es nicht klug, Kreaturen ähnlich wie Roboter zu erschaffen, die keine andere Option haben, als moralische Handlungen zu begehen.

 

67:2 Der den Tod erschaffen hat und das Leben, dass Er euch prüfe, wer von euch der Beste ist im Handeln; und Er ist der Allmächtige, der Allverzeihende.

2:214 Oder rechnetet ihr damit, in den Garten einzutreten, derweil euch das Gleiche derjenigen zukommt, die vor euch vergingen? …

 

Die irenäische Theodizee – Leiden ist notwendig!

Diese Verse weisen zudem darauf hin, dass das Leiden nicht nur von menschlichen bösen Taten abstammt. Auch Krankheiten und Naturkatastrophen sind Gründe fürs Vorhandensein von Leid. Gott möchte die Menschen belohnen. Aber Er möchte, dass sie diese Belohnung verdienen, indem sie unter schwierigen Umständen moralisch, rechtschaffen, dankbar und geduldig sind. In Ermangelung von Schwierigkeiten ist es nicht wirklich herausfordernd, rechtschaffen zu bleiben. Dies stellte dann keinen wesentlichen Unterscheidungsfaktor zwischen den Menschen dar.

Schmerz und Leiden sind nicht nur Werkzeuge, die Gott benutzt, um Menschen zu testen. Sie sind auch Mittel, die uns die Möglichkeit geben, zu wachsen. Diese Ansicht, bekannt als die Irenäische Theodizee (Soul-making), wurde kürzlich vom britischen Philosophen John Hick gefördert und entwickelt. Nach der Irenäischen Theodizee ist diese Welt kein Paradies. Wir sind hier, um unseren Charakter – unsere Seele – bestmöglich zu entwickeln und Gottes Liebe und Sein Paradies zu verdienen. Die Lesung zeichnet ein ähnliches Bild über die Funktion des Leidens:

 

2:155-157 Und prüfen werden wir euch mit etwas von der Angst und dem Hunger und Verringerung von den Vermögen, dem Selbst und den Früchten. Und verkündige den Geduldigen, die, wenn ein Schicksalsschlag sie traf, sagten: Wir sind Gottes und zu ihm kehren wir zurück. Auf jenen sind Kontakte von ihrem Herrn und Barmherzigkeit und jene sind die Rechtgeleiteten

 

Deshalb stellen Schmerz und Leiden gemäß der koranischen Perspektive die Beziehung zwischen Gott und den Menschen wieder her. Die schlechten Erfahrungen, die wir durchmachen, erinnern uns an unsere unvollkommene Natur und Verletzlichkeit. Wenn Menschen nicht an ihre Schwächen erinnert würden, spürten sie nicht so leicht die Notwendigkeit für Gott in ihrem Leben.

 

96:6-7 Nein, gewiss der Mensch überschreitet, weil er sich unabhängig wähnt.

 

Nicht nur die Lesung besagt, dass Menschen dazu neigen, bei Gott Zuflucht zu suchen, wenn sie Schwierigkeiten haben. In Die Zukunft einer Illusion argumentiert Sigmund Freud, dass Menschen aufgrund ihrer Zerbrechlichkeit und Schwäche das Konzept von Gott geschaffen haben. Obwohl er nicht an Gott glaubte, versteht Freud, dass Nöte die Menschen dazu bringen, nach einer transzendentalen Macht zu suchen.

Die Rolle des Schmerzes bei der Förderung der richtigen Beziehung zwischen Gott und Seinen Geschöpfen war so entscheidend, dass selbst Propheten durch ihren Schmerz daran erinnert wurden, dass sie ihren Herrn brauchen:

 

2:214 … Diese ergriff die Not und der Schaden und sie wurden erschüttert, bis der Gesandte sagt und diejenigen, die mit ihm glaubten: Wann ist Gottes Beistand. Doch Gottes Beistand ist nah

21:83 Und (gedenke) Hiobs, da er zu seinem Herrn rief: «Unheil hat mich geschlagen, und Du bist der Barmherzigste aller Barmherzigen.»

 

Leid lässt uns mitfühlen

Schmerz und Leiden stellen nicht nur unsere Beziehung zu Gott wieder her. Sie sind auch hilfreich bei der Wiederherstellung unserer Beziehungen zu anderen, die unter härteren Bedingungen leben. Indem wir schmerzhafte Erfahrungen machen, fangen wir an, mit den Leidenden zu fühlen. Wir kommen näher zu ihnen, obwohl wir uns vorher nicht um sie gekümmert haben. Ein gutes Beispiel war das Erdbeben von 1999, das Tausende von Todesopfern in der Türkei forderte, und ein weniger zerstörendes, aber immer noch starkes Erdbeben, das Athen einige Monate später traf. Historisch waren die Beziehungen zwischen der Türkei und Griechenland Mitte der 90er Jahre angespannt. Die Nachbarstaaten standen kurz vor einem Krieg. Die Erdbeben zwangen griechische und türkische NGOs und sogar die Staaten ihre Feindseligkeiten aufzugeben und gemeinsame Rettungsaktionen zu organisieren. Schließlich haben die Erdbeben die Wahrnehmung des „Anderen“ in beiden Ländern substanziell positiv verändert.

Dies funktioniert auch auf individueller Ebene. Adel Mahmoud, ein ägyptischer Arzt und ein Fakultätsmitglied aus Princeton, spielte eine wichtige Rolle bei der Entwicklung mehrerer Impfstoffe. Er rettete Millionen von Menschenleben. Sein Vater starb durch eine ansteckende Krankheit, als Mahmoud noch ein kleiner Junge war. Sein Tod ist vermutlich einer der Gründe, warum er sich für eine Karriere in der Medizin entschied und sich auf Infektionskrankheiten spezialisierte.

Die Existenz von Leiden in der Welt könnte ironischerweise auch eine Vorstellung vom Jenseits vermitteln. Wenn es keinen Schmerz und kein Leid in der Welt gäbe oder wenn der größte Schmerz, den wir in der Welt erleben würden, ein Mückenstich wäre, wären wir nicht in der Lage zu begreifen, wie die Hölle sein könnte. Es gibt Verse in der Lesung, die diese Idee zu stützen scheinen. Nach der Lesung vergleichen Menschen das Leben nach dem Tod mit ihren Erfahrungen in der Welt.

 

2:25 Und verkünde denjenigen, die glaubten und das Rechtschaffene taten, dass für sie Gärten bestimmt sind, worunter die Flüsse verlaufen. Jedes Mal, wenn sie darin mit einer Frucht als Versorgung versorgt wurden, sagten sie: Es ist das, womit wir früher versorgt wurden, doch ihnen wurde nur Ähnliches gebracht. Und darin haben sie gereinigte Partner und sie sind ewig darin.

 

Schließlich, so Hick, wäre eine Welt ohne Schmerz und Leid aus vielen Gründen absurd. In einer solchen Welt wäre Arbeit sinnlos, da niemand in einer schmerzlosen Welt Hunger erleiden würde. Und in einer Welt ohne Leiden könnten Naturgesetze nicht richtig funktionieren. Die Schwerkraft zum Beispiel würde aufhören zu wirken, wenn jemand entscheidet, Selbstmord zu begehen, indem er von einer Klippe springt. In einer Welt, in der sich die Naturgesetze ständig ändern, wäre die Wissenschaft nicht möglich.

Dies könnten einige der Gründe sein, warum Gott das menschliche Leid in der Welt nicht stoppt. Es könnte natürlich andere und wichtigere Gründe geben. Aber die hier aufgeführten reichen aus, um zu zeigen, dass Gott das Leiden in dieser Welt planmäßig zulässt. Gott möchte ein besseres Leben für uns.

 

Das Leiden unwidersprochen akzeptieren?

Einige Marxisten kritisieren die Gottergebenheit und andere abrahamitische Religionen, weil sie ein falsches Bewusstsein schaffen würden. Sie dienten der Aufrechterhaltung der Ausbeutung in der Welt. Aber die Gottergebenheit lehrt die Gläubigen nicht, Machthaber oder Unterdrücker zu dulden, welche den Menschen Leid zufügen. Von den Gläubigen wird nicht erwartet, dass sie sich unterdrückenden Machthabern unterwerfen. Im Gegenteil, Gott möchte, dass die Unterdrückten den Unterdrücker ersetzen:

 

28:4-5 Siehe, Pharao betrug sich hoffärtig im Land und teilte das Volk darin in Gruppen: einen Teil von ihnen versuchte er zu schwächen, indem er ihre Söhne erschlug und ihre Frauen leben ließ. Fürwahr, er war einer der Unheilstifter! Und Wir wünschten, denen, die im Lande als schwach erachtet worden waren, Huld zu erweisen und sie zu Führern zu machen und zu Erben einzusetzen.

 

Außerdem werden Gottergebene auch daran erinnert, dass die Lösung sozialer Probleme darin besteht, diese Bedingungen zu ändern, anstatt nur nach göttlicher Hilfe zu fragen und darauf zu warten:

 

13:11 … Gewiss, Gott ändert nicht das, was in einem Volk ist, bis sie ändern, was in ihnen selbst ist. …

30:41 Verderbnis ist gekommen über Land und Meer um dessentwillen, was die Hände der Menschen gewirkt, auf dass Er sie kosten lasse die (Konsequenzen) so mancher ihrer Handlungen, damit sie (zur Rechtschaffenheit) umkehren.

 

Und die Lesung lobt nicht die weltliche Askese. Im Gegenteil, Gottergebene werden gebeten, Glück in dieser und der nächsten Welt zu suchen:

 

2:201 Und unter ihnen gibt es den, der sagt: Unser Herr, lasse uns Gutes im Diesseits und Gutes im Letzten zukommen und behüte uns vor der Qual des Feuers

 

Die Lesung fordert die Gottergebenen auf, sich Gott zu ergeben und ihm dankbar zu sein, egal wie die Bedingungen sind. Das Leiden wird aber nicht glorifiziert, wie es in einigen östlichen Religionen der Fall ist.

 

Fazit

Diese möglichen Gründe für das Vorhandensein von Leiden betreffen nur den intellektuellen Aspekt des Problems. Sie zeigen auf, dass eine Welt mit Leiden mit einem vollkommen guten und allmächtigen Gott vereinbar ist. Denn Gott hat Gründe, Menschen leiden zu lassen. So stellt das epikureische Paradox nicht, wie manche Atheisten behaupten, eine niederschmetternde philosophische Argumentation gegen den theistischen Glauben dar.

Leiden hat aber auch eine starke emotionale Seite. Selbst wenn Gott und Leiden miteinander vereinbar sind, hilft dies nicht, das Leiden der Menschen zu lindern. Philosophische Erklärungen sind selten hilfreich, um das Leiden der meisten Menschen zu lindern. Dennoch glaube ich, dass das Bild aus einer atheistischen Perspektive viel dunkler ist. Da Atheisten nicht an ein Leben nach dem Tod glauben, wird es für viele Übeltäter keine Vergeltung geben. Wenn der Atheismus stimmt, werden Leute wie Hitler und Pol Pot, die für Genozide verantwortlich waren, nicht für ihre Taten bestraft werden.

Oder betrachten wir beispielsweise eine behinderte Person. Von einem atheistischen Standpunkt aus hat sie einfach Pech, da dieses Leben alles ist, was sie hat. Ohne Zweifel wäre es in einer metaphysischen Weltsicht wie dieser schwieriger, mit Leid und Schmerz umzugehen. Aber gemäß der Gottergebenheit kann das Aushalten dieses Leidens helfen, diese Person für eine Ewigkeit der Herrlichkeit vorzubereiten. In dieser Ewigkeit sind dann die vollen physischen, mentalen und moralischen Fähigkeiten wiederhergestellt. Derweil muss man bestrebt sein, das Leid dieser Welt zu lindern zu versuchen.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Patheos, aus dem Englischen von Kerem Adıgüzel

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